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. 2021 Feb 9;80(3):270–273. [Article in German] doi: 10.1007/s00393-021-00961-0

Husten in Corona-Zeiten

Cough in times of coronavirus

K Arévalo Ruales 1,, B Elkes 2, N Miehle 1
PMCID: PMC7871317  PMID: 33559755

Abstract

Es wird der stationäre Fall einer 58-jährigen Patientin mit chronischem Reizhusten und erhöhten Entzündungswerten beschrieben. Zuvor erfolgte ambulant ein Ausschluss einer Erkrankung mit der Corona-Virus-Disease 19 (COVID-19) durch eine Thoraxröntgenaufnahme (Rö-Thorax) sowie einen 2‑malig negativen Polymerase-Kettenreaktion(PCR)-Nasen-Rachen-Abstrich. Bei der Aufnahme bestand anamnestisch ein trockener Husten bei klinisch unauffälligem Auskultationsbefund. In den Laboruntersuchungen waren eine Anämie sowie deutlich erhöhte Entzündungswerte (C-reaktives Protein [CRP] 92,4 mg/l, Blutsenkungsgeschwindigkeit [BSG] 102 mm n.W) zu sehen. In der MR-Angiographie (MRA) ließ sich eine Großgefäßvaskulitis (GGV) nachweisen. Bei Diagnosestellung einer Riesenzellarteriitis (RZA) erfolgte eine Einleitung einer Therapie mit oralen Glukokortikoiden (GC) und subkutanem Methotrexat (MTX) mit im Verlauf gutem klinischem und laborchemischem Ansprechen. Ein Reizhusten wird in seltenen Fällen als erstes Zeichen einer RZA in der Literatur beschrieben.

Schlüsselwörter: Husten, Erhöhte Entzündungswerte, Großgefäßvaskulitis, Riesenzellarteriitis, COVID-19

Falldarstellung

Anamnese

Eine 58-jährige Patientin wurde stationär eingewiesen mit einem seit ca. 8 Wochen bestehenden trockenen Husten und Halsschmerzen ohne bestehendes Fieber. Auswärtig war bereits ein Rö-Thorax ohne wegweisenden Befund erfolgt. Ebenso war ein 2‑maliger Nase-Rachen-Abstrich auf COVID-19 negativ. An Vorerkrankungen bestand lediglich eine arterielle Hypertonie. Zudem plagte die Patientin eine Allgemeinsymptomatik in Form von Müdigkeit und Abgeschlagenheit.

Auswärtige Laborwerte zeigten eine erhöhte Entzündungskonstellation mit einem CRP von 123,3 mg/l und einer BSG von 102 mm n.W. Unter der Diagnose einer akuten Bronchitis wurde die Patientin bis dato symptomatisch mit Inhalativa behandelt.

Klinischer Befund

Es zeigte sich eine vollständig orientierte Patientin mit normalen Vitalparametern und unauffälligen kardiopulmonalem und abdominellem Auskultationsbefund. Es ergab sich keine Puls- oder Blutdruckdifferenz an den Armen. Keine Pulsationen oder Druckdolenzen im Bereich der Aa. temporalis bds. oder auskultatorisch Hinweise auf Geräusche an den Aa. carotides und femorales.

Labor

Normwertig waren Transaminasen, γ‑GT, Kreatinin und Harnstoff, weiterhin Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH), Antikörper gegen zyklische citrullinierte Peptide (ccP-AK), Rheumafaktor (RF), antinukleäre Antikörper (ANA) sowie antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCA). Das CRP lag bei 92,4 mg/l, die BSG bei 102 mm n.W. Erhöht war das Ferritin bei 496 ng/ml, das Hämoglobin war erniedrigt auf 10,1 g/dl bei mikrozytärem und hypochromem Aspekt. Der U‑Status war ohne Befund.

Bildgebung

Innerhalb von 24 h nach der stationären Aufnahme waren in einem MRA der Arterien der oberen Extremitäten und der supraaortalen Gefäße v. a. an den AA. axillares bds. sowie auch im Aortenbogen eine Ödembildung und eine langstreckig verstärkte Kontrastmittelaufnahme in der Gefäßwand nachweisbar (Abb. 1).

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Diagnose

In der Zusammenschau der oben genannten Befunde konnte somit die Diagnose einer Riesenzellarteriitis (RZA) gestellt werden.

Therapie und Verlauf

Es erfolgte umgehend die Einleitung einer Therapie mit Prednisolon p.o. 1 mg/kgKG und Tag und nachfolgend im Rahmen einer gemeinsamen Entscheidungsfindung mit der Patientin bei Zurückhaltung der Patientin bezüglich einer Therapie mit Biologika die Gabe von MTX in subkutaner Form mit der Dosis von 15 mg 1‑mal die Woche, gefolgt von Folsäure 5 mg 24 h nach MTX-Gabe. Im weiteren Verlauf zeigte sich eine rasche klinische Besserung des Hustens und der Müdigkeit. Das CRP fiel bereits nach 3‑tägiger Therapie auf einen Wert von 20 mg/l.

Diskussion

Epidemiologie

Im vorliegenden Fall tritt bei der 58-jährigen Patientin die RZA als die häufigste Vaskulitis Deutschlands (Inzidenz bei ca. 3,5 auf 100.000 Einwohner/Jahr) mit dem typischen Erkrankungsalter (> 50 Jahre) und dem häufig geschilderten weiblichen Befall auf [8, 9].

Klinik

In der Regel sind bei der RZA die großen aortalen Zweige betroffen mit dem klinischen Leitsymptom von bitemporalen Schläfenkopfschmerzen bei drei Viertel der Patienten [8]. Das Hauptsymptom bei der Patientin war der trockene Husten in Begleitung von Müdigkeit und Abgeschlagenheit ohne weitere Hinweise z. B. für eine Polymyalgia rheumatica [1]. In ca. 4 bis zu 13 % der Fälle ist Reizhusten die erste Manifestation einer RZA [9, 12]. Die Mehrheit der Symptome im Rahmen eines pulmonalen Befalles einer RZA wird als unspezifisch angesehen und wird als Manifestationsort im oberen Respirationstrakt in 10 % angegeben. Überwiegend aus Einzelfallberichten bekannt kann jedoch auch der untere Respirationstrakt befallen sein in Form von pulmonaler Knotenbildung, interstitiellen Infiltraten, aber auch Pleuraergüssen [1]. Die Konstellation eines Hustens als einziges spezifisches klinisches Symptom wie im vorliegenden Fall tritt in der Literatur noch wesentlich seltener auf und konnte z. B. in einer französischen Kohortenstudie nur bei 2 von 88 Patienten nachgewiesen werden [14]. Hierbei ist die Genese nicht eindeutig geklärt. Es wird eine entzündliche Beteiligung der Lungenarterien sowie der Hustenrezeptoren im Bronchialbaum angenommen sowie auch die mögliche Präsenz von Granulomen innerhalb der Bronchialwand und des Alveolarepithels diskutiert [10]. Generell wird in der Differenzialdiagnose (DD) bei chronischem Husten in der Regel zuerst an Erkrankungen der Atemwege gedacht, wie z. B. das Asthma bronchiale oder die chronische Bronchitis. Bei zusätzlich vorhandenen „red flags“ wie Fieber, Allgemeinzustandsverschlechterung, Gewichtsverlust und Nachtschweiß u. a. sind weitere Untersuchungen zu empfehlen, um gerade mitten in einer Pandemie, die mit respiratorischen Symptomen einhergeht, auch seltenere Differenzialdiagnosen nicht zu übersehen.

Diagnostik

Bei der Diagnosestellung einer RZA können die vom American College of Rheumatology publizierten Klassifikationskriterien hilfreich sein [5]. Hinweisend für die RZA ist v. a. die Trias von neu aufgetretenen Kopfschmerzen bei älterem Patienten (> 50 Jahre) in Verbindung mit hohen laborchemischen Entzündungswerten.

Nach den EULAR-Empfehlungen 2018 sowie der SK2-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Rheumatologie kann die Diagnose einer GGV neben einer Biopsie auch mittels der Bildgebung (MRA, PET-CT, Duplexsonographie) beurteilt und bestätigt werden [3, 11]. In der klinischen Praxis stehen meist initial bereits die Duplexsonographie und wie im vorliegenden Fall ein MRT zur Verfügung. Bei der DD sind mögliche andere Erkrankungen zu berücksichtigen wie andere Vaskulitisformen, z. B. die Takayasu-Arteriitis (in der Regel Alter < 50 u. a.), aber auch Infektionen, wie z. B. die Endokarditis, sowie Tumorleiden u. a. [8].

Therapie

Nach den EULAR-Empfehlungen sowie auch der aktuellen S2K-Leitlinie der DGRh wird bei ED einer RZA ohne Sehstörungen eine initiale Prednisolon-Therapie mit 1 mg/kgKG und Tag (max. 60 mg) empfohlen. Die Therapie sollte bereits beim bloßen Verdacht auf eine RZA begonnen werden mit einer Zieldosis von 10–15 mg nach 3 Monaten und < 5 mg nach 1 Jahr [3, 11]. Im vorliegenden Fallbericht sprach die Patientin gut an auf die orale Prednisolon-Gabe. Aufgrund der Ausprägung des Befalls in der Bildgebung mit aortalem Befall, den hohen Entzündungswerten sowie der vorhandenen Vorerkrankung einer arteriellen Hypertonie erfolgte die Empfehlung einer GC-einsparenden Therapie. Zur Wahl standen leitliniengerecht das Biologikum Tocilizumab als Interleukin-6-Rezeptor-Antagonist (TCZ) als einzige bisher in Europa zugelassene Therapie der RZA sowie als Alternative MTX. Für TCZ konnten in einer randomisierten kontrollierten Studie (RCT) (GiACTA-Studie) ein Ansprechen gegenüber der GC-Monotherapie sowie ein verringerter GC-Bedarf nachgewiesen werden [13]. In einer Metaanalyse von 3 RCTs zur Effektivität von MTX p.o. zeigten sich eine Senkung der Rezidivrate sowie eine geringere kumulative Gesamtsteroiddosis [4, 7]. Die Patientin entschied sich in der aktuellen Situation bei Zurückhaltung gegenüber einer Biologikatherapie für MTX. Als weitere mögliche Erfolg versprechende konventionelle Immunsuppressiva ist in der Literatur die Gabe von Azathioprin, Leflunomid oder Cyclophosphamid angegeben. Aufgrund fehlender überzeugender Evidenz (teilweise keine RCTs, Fallserien) sind diese jedoch nicht in der aktuellen S2K-Leitlinie aufgeführt und werden im klinischen Alltag meist nur als Reservemedikamente bei z. B. Unverträglichkeiten verwendet.

Für andere Biologika gibt es bereits vielversprechende Ergebnisse: Abatacept (Antikörper [AK] gegen CTLA4) konnte in einem RCT eine Senkung des Rezidivrisikos zeigen [6], ebenso wie Mavrilimumab (AK gegen GM-CSF) in einer kürzlich veröffentlichen Phase-II-Studie [2]. Weitere Studien sind hier jedoch in verändertem Design und mit gezielterer Fragestellung notwendig.

Fazit für die Praxis

  • Die RZA kann mit dem einzigen Symptom eines Reizhustens auftreten.

  • Man sollte gerade bei älteren Patienten (> 50 Jahre) auf zusätzliche „red flags“ wie hohe Entzündungswerte, Gewichtsverlust und eine B‑Symptomatik achten sowie andere Ursachen wie Infekte oder Malignome ausschließen.

  • Eine zeitnahe weiterführende Bildgebung besitzt in der Diagnosestellung der RZA gerade bei fehlenden typischen klinischen Symptomen einen hohen Stellenwert.

Abkürzungen

AK

Antikörper

ANA

Antinukleäre Antikörper

ANCA

Antineutrophile zytoplasmatische Antikörper

BSG

Blutsenkungsgeschwindigkeit

ccP-AK

Antikörper gegen zyklische citrullinierte Peptide

COVID-19

Corona-Virus-Disease 19

CRP

C‑reaktives Protein

CT

Computertomographie

DD

Differenzialdiagnose

GC

Glukokortikoide

GERD

Gastroösophagealer Reflux

GGV

Großgefäßvaskulitis

MRA

MR-Angiographie

MTX

Methotrexat

PET

Positronenemissionstomographie

RCT

Randomized controlled trial

RF

Rheumafaktor

Rö-Thorax

Thoraxröntgenaufnahme

RZA

Riesenzellarteriitis

TCZ

Tocilizumab

TSH

Thyreoidea-stimulierendes Hormon

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

K. Arévalo Ruales, B. Elkes und N. Miehle geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.

Literatur

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