Abstract
Es wird der stationäre Fall einer 58-jährigen Patientin mit chronischem Reizhusten und erhöhten Entzündungswerten beschrieben. Zuvor erfolgte ambulant ein Ausschluss einer Erkrankung mit der Corona-Virus-Disease 19 (COVID-19) durch eine Thoraxröntgenaufnahme (Rö-Thorax) sowie einen 2‑malig negativen Polymerase-Kettenreaktion(PCR)-Nasen-Rachen-Abstrich. Bei der Aufnahme bestand anamnestisch ein trockener Husten bei klinisch unauffälligem Auskultationsbefund. In den Laboruntersuchungen waren eine Anämie sowie deutlich erhöhte Entzündungswerte (C-reaktives Protein [CRP] 92,4 mg/l, Blutsenkungsgeschwindigkeit [BSG] 102 mm n.W) zu sehen. In der MR-Angiographie (MRA) ließ sich eine Großgefäßvaskulitis (GGV) nachweisen. Bei Diagnosestellung einer Riesenzellarteriitis (RZA) erfolgte eine Einleitung einer Therapie mit oralen Glukokortikoiden (GC) und subkutanem Methotrexat (MTX) mit im Verlauf gutem klinischem und laborchemischem Ansprechen. Ein Reizhusten wird in seltenen Fällen als erstes Zeichen einer RZA in der Literatur beschrieben.
Schlüsselwörter: Husten, Erhöhte Entzündungswerte, Großgefäßvaskulitis, Riesenzellarteriitis, COVID-19
Abstract
The article describes the case of a hospitalized 58-year-old female patient with a chronic dry cough and increased inflammation values. Before hospital admission, the presence of coronavirus disease 2019 (COVID-19) was excluded by a normal chest X‑ray and two negative PCR tests on throat swabs. On admission the only symptom was a dry cough with clinically inconspicuous auscultation findings. The laboratory investigations revealed anemia and increased inflammation parameters, e.g. C‑reactive protein (CRP) 92.4 mg/l and erythrocyte sedimentation rate (ESR) 102 mm/h (according to Westergren). A large vessel vasculitis was demonstrated on magnetic resonance angiography (MRA). After the diagnosis of a giant cell arteritis, treatment with an oral glucocorticoid and subcutaneous methotrexate (MTX) was initiated, with good clinical and laboratory parameter responses. Dry cough has been described in rare cases in the literature as the first sign of large vessel vasculitis.
Keywords: Cough, Acute-phase reactants, Systemic vasculitis, Giant cell arteritis, COVID-19
Falldarstellung
Anamnese
Eine 58-jährige Patientin wurde stationär eingewiesen mit einem seit ca. 8 Wochen bestehenden trockenen Husten und Halsschmerzen ohne bestehendes Fieber. Auswärtig war bereits ein Rö-Thorax ohne wegweisenden Befund erfolgt. Ebenso war ein 2‑maliger Nase-Rachen-Abstrich auf COVID-19 negativ. An Vorerkrankungen bestand lediglich eine arterielle Hypertonie. Zudem plagte die Patientin eine Allgemeinsymptomatik in Form von Müdigkeit und Abgeschlagenheit.
Auswärtige Laborwerte zeigten eine erhöhte Entzündungskonstellation mit einem CRP von 123,3 mg/l und einer BSG von 102 mm n.W. Unter der Diagnose einer akuten Bronchitis wurde die Patientin bis dato symptomatisch mit Inhalativa behandelt.
Klinischer Befund
Es zeigte sich eine vollständig orientierte Patientin mit normalen Vitalparametern und unauffälligen kardiopulmonalem und abdominellem Auskultationsbefund. Es ergab sich keine Puls- oder Blutdruckdifferenz an den Armen. Keine Pulsationen oder Druckdolenzen im Bereich der Aa. temporalis bds. oder auskultatorisch Hinweise auf Geräusche an den Aa. carotides und femorales.
Labor
Normwertig waren Transaminasen, γ‑GT, Kreatinin und Harnstoff, weiterhin Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH), Antikörper gegen zyklische citrullinierte Peptide (ccP-AK), Rheumafaktor (RF), antinukleäre Antikörper (ANA) sowie antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCA). Das CRP lag bei 92,4 mg/l, die BSG bei 102 mm n.W. Erhöht war das Ferritin bei 496 ng/ml, das Hämoglobin war erniedrigt auf 10,1 g/dl bei mikrozytärem und hypochromem Aspekt. Der U‑Status war ohne Befund.
Bildgebung
Innerhalb von 24 h nach der stationären Aufnahme waren in einem MRA der Arterien der oberen Extremitäten und der supraaortalen Gefäße v. a. an den AA. axillares bds. sowie auch im Aortenbogen eine Ödembildung und eine langstreckig verstärkte Kontrastmittelaufnahme in der Gefäßwand nachweisbar (Abb. 1).
Diagnose
In der Zusammenschau der oben genannten Befunde konnte somit die Diagnose einer Riesenzellarteriitis (RZA) gestellt werden.
Therapie und Verlauf
Es erfolgte umgehend die Einleitung einer Therapie mit Prednisolon p.o. 1 mg/kgKG und Tag und nachfolgend im Rahmen einer gemeinsamen Entscheidungsfindung mit der Patientin bei Zurückhaltung der Patientin bezüglich einer Therapie mit Biologika die Gabe von MTX in subkutaner Form mit der Dosis von 15 mg 1‑mal die Woche, gefolgt von Folsäure 5 mg 24 h nach MTX-Gabe. Im weiteren Verlauf zeigte sich eine rasche klinische Besserung des Hustens und der Müdigkeit. Das CRP fiel bereits nach 3‑tägiger Therapie auf einen Wert von 20 mg/l.
Diskussion
Epidemiologie
Im vorliegenden Fall tritt bei der 58-jährigen Patientin die RZA als die häufigste Vaskulitis Deutschlands (Inzidenz bei ca. 3,5 auf 100.000 Einwohner/Jahr) mit dem typischen Erkrankungsalter (> 50 Jahre) und dem häufig geschilderten weiblichen Befall auf [8, 9].
Klinik
In der Regel sind bei der RZA die großen aortalen Zweige betroffen mit dem klinischen Leitsymptom von bitemporalen Schläfenkopfschmerzen bei drei Viertel der Patienten [8]. Das Hauptsymptom bei der Patientin war der trockene Husten in Begleitung von Müdigkeit und Abgeschlagenheit ohne weitere Hinweise z. B. für eine Polymyalgia rheumatica [1]. In ca. 4 bis zu 13 % der Fälle ist Reizhusten die erste Manifestation einer RZA [9, 12]. Die Mehrheit der Symptome im Rahmen eines pulmonalen Befalles einer RZA wird als unspezifisch angesehen und wird als Manifestationsort im oberen Respirationstrakt in 10 % angegeben. Überwiegend aus Einzelfallberichten bekannt kann jedoch auch der untere Respirationstrakt befallen sein in Form von pulmonaler Knotenbildung, interstitiellen Infiltraten, aber auch Pleuraergüssen [1]. Die Konstellation eines Hustens als einziges spezifisches klinisches Symptom wie im vorliegenden Fall tritt in der Literatur noch wesentlich seltener auf und konnte z. B. in einer französischen Kohortenstudie nur bei 2 von 88 Patienten nachgewiesen werden [14]. Hierbei ist die Genese nicht eindeutig geklärt. Es wird eine entzündliche Beteiligung der Lungenarterien sowie der Hustenrezeptoren im Bronchialbaum angenommen sowie auch die mögliche Präsenz von Granulomen innerhalb der Bronchialwand und des Alveolarepithels diskutiert [10]. Generell wird in der Differenzialdiagnose (DD) bei chronischem Husten in der Regel zuerst an Erkrankungen der Atemwege gedacht, wie z. B. das Asthma bronchiale oder die chronische Bronchitis. Bei zusätzlich vorhandenen „red flags“ wie Fieber, Allgemeinzustandsverschlechterung, Gewichtsverlust und Nachtschweiß u. a. sind weitere Untersuchungen zu empfehlen, um gerade mitten in einer Pandemie, die mit respiratorischen Symptomen einhergeht, auch seltenere Differenzialdiagnosen nicht zu übersehen.
Diagnostik
Bei der Diagnosestellung einer RZA können die vom American College of Rheumatology publizierten Klassifikationskriterien hilfreich sein [5]. Hinweisend für die RZA ist v. a. die Trias von neu aufgetretenen Kopfschmerzen bei älterem Patienten (> 50 Jahre) in Verbindung mit hohen laborchemischen Entzündungswerten.
Nach den EULAR-Empfehlungen 2018 sowie der SK2-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Rheumatologie kann die Diagnose einer GGV neben einer Biopsie auch mittels der Bildgebung (MRA, PET-CT, Duplexsonographie) beurteilt und bestätigt werden [3, 11]. In der klinischen Praxis stehen meist initial bereits die Duplexsonographie und wie im vorliegenden Fall ein MRT zur Verfügung. Bei der DD sind mögliche andere Erkrankungen zu berücksichtigen wie andere Vaskulitisformen, z. B. die Takayasu-Arteriitis (in der Regel Alter < 50 u. a.), aber auch Infektionen, wie z. B. die Endokarditis, sowie Tumorleiden u. a. [8].
Therapie
Nach den EULAR-Empfehlungen sowie auch der aktuellen S2K-Leitlinie der DGRh wird bei ED einer RZA ohne Sehstörungen eine initiale Prednisolon-Therapie mit 1 mg/kgKG und Tag (max. 60 mg) empfohlen. Die Therapie sollte bereits beim bloßen Verdacht auf eine RZA begonnen werden mit einer Zieldosis von 10–15 mg nach 3 Monaten und < 5 mg nach 1 Jahr [3, 11]. Im vorliegenden Fallbericht sprach die Patientin gut an auf die orale Prednisolon-Gabe. Aufgrund der Ausprägung des Befalls in der Bildgebung mit aortalem Befall, den hohen Entzündungswerten sowie der vorhandenen Vorerkrankung einer arteriellen Hypertonie erfolgte die Empfehlung einer GC-einsparenden Therapie. Zur Wahl standen leitliniengerecht das Biologikum Tocilizumab als Interleukin-6-Rezeptor-Antagonist (TCZ) als einzige bisher in Europa zugelassene Therapie der RZA sowie als Alternative MTX. Für TCZ konnten in einer randomisierten kontrollierten Studie (RCT) (GiACTA-Studie) ein Ansprechen gegenüber der GC-Monotherapie sowie ein verringerter GC-Bedarf nachgewiesen werden [13]. In einer Metaanalyse von 3 RCTs zur Effektivität von MTX p.o. zeigten sich eine Senkung der Rezidivrate sowie eine geringere kumulative Gesamtsteroiddosis [4, 7]. Die Patientin entschied sich in der aktuellen Situation bei Zurückhaltung gegenüber einer Biologikatherapie für MTX. Als weitere mögliche Erfolg versprechende konventionelle Immunsuppressiva ist in der Literatur die Gabe von Azathioprin, Leflunomid oder Cyclophosphamid angegeben. Aufgrund fehlender überzeugender Evidenz (teilweise keine RCTs, Fallserien) sind diese jedoch nicht in der aktuellen S2K-Leitlinie aufgeführt und werden im klinischen Alltag meist nur als Reservemedikamente bei z. B. Unverträglichkeiten verwendet.
Für andere Biologika gibt es bereits vielversprechende Ergebnisse: Abatacept (Antikörper [AK] gegen CTLA4) konnte in einem RCT eine Senkung des Rezidivrisikos zeigen [6], ebenso wie Mavrilimumab (AK gegen GM-CSF) in einer kürzlich veröffentlichen Phase-II-Studie [2]. Weitere Studien sind hier jedoch in verändertem Design und mit gezielterer Fragestellung notwendig.
Fazit für die Praxis
Die RZA kann mit dem einzigen Symptom eines Reizhustens auftreten.
Man sollte gerade bei älteren Patienten (> 50 Jahre) auf zusätzliche „red flags“ wie hohe Entzündungswerte, Gewichtsverlust und eine B‑Symptomatik achten sowie andere Ursachen wie Infekte oder Malignome ausschließen.
Eine zeitnahe weiterführende Bildgebung besitzt in der Diagnosestellung der RZA gerade bei fehlenden typischen klinischen Symptomen einen hohen Stellenwert.
Abkürzungen
- AK
Antikörper
- ANA
Antinukleäre Antikörper
- ANCA
Antineutrophile zytoplasmatische Antikörper
- BSG
Blutsenkungsgeschwindigkeit
- ccP-AK
Antikörper gegen zyklische citrullinierte Peptide
- COVID-19
Corona-Virus-Disease 19
- CRP
C‑reaktives Protein
- CT
Computertomographie
- DD
Differenzialdiagnose
- GC
Glukokortikoide
- GERD
Gastroösophagealer Reflux
- GGV
Großgefäßvaskulitis
- MRA
MR-Angiographie
- MTX
Methotrexat
- PET
Positronenemissionstomographie
- RCT
Randomized controlled trial
- RF
Rheumafaktor
- Rö-Thorax
Thoraxröntgenaufnahme
- RZA
Riesenzellarteriitis
- TCZ
Tocilizumab
- TSH
Thyreoidea-stimulierendes Hormon
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
K. Arévalo Ruales, B. Elkes und N. Miehle geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
Literatur
- 1.Adams TN, Zhang D, Batra K, Fitzgerald JE. Pulmonary manifestations of large, medium, and variable vessel vasculitis. Respir Med. 2018;145:182–191. doi: 10.1016/j.rmed.2018.11.003. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
- 2.Cid M, Unizony S, Pupim L, Fang F, Pirrello J, Ren A, Samant M, Zhou TPJ (2020) Mavrilimumab (anti GM-CSF receptor α monoclonal antibody) reduces time to flare and increases sustained remission in a phase 2 trial of patients with giant cell Arteritis [abstract. Arthritis Rheumatol 72(suppl). https://acrabstracts.org/abstract/mavrilimumab-anti-gm-csf-receptor-%ce%b1-monoclonal-antibody-reduces-time-to-flare-and-increases-sustained-remission-in-a-phase-2-trial-of-patients-with-giant-cell-arteritis/
- 3.Hellmich B, Agueda A, Monti S et al (2020) 2018 Update of the EULAR recommendations for the management of large vessel vasculitis. Annals of the Rheumatic Diseases 2020(79):19–30. 10.1136/annrheumdis-2019-215672 [DOI] [PubMed]
- 4.Hoffman GS, Cid MC, Hellmann DB, et al. A multicenter , randomized , double-blind , placebo-controlled trial of adjuvant methotrexate treatment for giant cell arteritis. Arthritis Rheum. 2002;46:1309–1318. doi: 10.1002/art.10262. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
- 5.Hunder GG, Bloch DA, Michel BA, et al. The American College of Rheumatology 1990 criteria for the classification of giant cell arteritis. Arthritis Rheum. 2010;33:1122–1128. doi: 10.1002/art.1780330810. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
- 6.Langford CA, Cuthbertson D, Ytterberg SR, et al. A randomized, double-blind trial of abatacept (CTLA-4Ig) for the treatment of giant cell arteritis. Arthritis Rheumatol. 2017;69:837–845. doi: 10.1002/art.40044. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
- 7.Mahr AD, Jover JA, Spiera RF, et al. Adjunctive methotrexate for treatment of giant cell arteritis an individual patient data meta-analysis. Arthritis Rheum. 2007;56(8):2789–2797. doi: 10.1002/art.22754. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
- 8.Ness T, Bley TA, Schmidt WA, Lamprecht P. Diagnose und Therapie der Riesenzellarteriitis. Dtsch Aerztebl Online. 2013;110:376–387. doi: 10.3238/arztebl.2013.0376. [DOI] [Google Scholar]
- 9.Reinhold-Keller EVA, Herlyn K, Wagner-Bastmeyer R, et al. Stable incidence of primary systemic vasculitides over five years: results from the German. Arthritis Rheum. 2005;53:93–99. doi: 10.1002/art.20928. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
- 10.Sagar D, Sagar AES, Soussi S. Chronic cough in a 70-year-old woman. Chest. 2019;155:e171–e174. doi: 10.1016/j.chest.2019.01.005. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
- 11.Schirmer JH, Aries PM, Balzer K, et al. S2k-Leitlinie: Management der Großgefäßvaskulitiden. Z Rheumatol. 2020;79:67–95. doi: 10.1007/s00393-020-00893-1. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
- 12.Schreiber J (2017) Chronischer Husten: Was ist zu beachten? Dtsch Arztebl Int 114(4). 10.3238/PersPneumo.2017.03.03.01
- 13.Stone JH, Tuckwell K, Dimonaco S, et al. N Engl J. 2017 doi: 10.1056/NEJMoa1613849. [DOI] [Google Scholar]
- 14.Zenone T, Puget M. Dry cough is a frequent manifestation of giant cell arteritis. Ann Rheum Dis. 2013 doi: 10.1136/annrheumdis-2019-215672. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]

