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. 2021 Feb 22;2(1):40–42. [Article in German] doi: 10.1007/s43877-020-0009-y

Zum Wochenbettbesuch in die Kinderklinik

Janette Harazin 1,
PMCID: PMC7876979

Ein Best-Practice-Beispiel aus Hamburg Im Wochenbett soll sich die Mutter von Schwangerschaft und Geburt erholen und in ihre neue Rolle einfinden. In dieser sehr sensiblen Phase stehen die Heilung der Geburtsverletzungen, das Stillen und das Kennenlernen des Babys im Vordergrund. Doch manchmal kommt alles anders und das Baby muss in einer Kinderklink medizinisch versorgt werden. Wer kümmert sich dann eigentlich um die Wöchnerin?

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Ich lebe und arbeite im beschaulichen Ortsteil Volksdorf, am Rande von Hamburg. Wir haben hier ein Krankenhaus mit einer tollen Geburtenabteilung, jedoch ohne Neonatologie. Deshalb ist das Kreißsaal-Team super geschult und kommt meist auch ohne Kinderarzt aus. Muss das Neugeborene dennoch nach der Geburt medizinisch versorgt werden, erfolgt die Verlegung von Mutter und Kind in die nächst gelegene Kinderklinik.

In der Kinderklinik werden zwar die Babys liebevoll betreut, doch für die Mütter fehlt jede Unterstützung. Es gibt keine Rückbildungskontrolle, keine Wochenbett-Hebamme und auch keine ausgebildete Stillberaterin. Auch Mütter, die mit ihren Frühchen auf der Neonatologie sind, sind mit ihren Fragen, Sorgen und Ängsten meist allein. Ohne Hebammenbetreuung - denn im Fokus steht in der Regel die Versorgung ihres Babys. Sie selbst vergessen sich dabei schnell - oder haben keine Möglichkeit, sich außerhalb der Klinik Hebammenunterstützung zu suchen. Dabei ist das Wochenbett, das nun mit dem Kind in der Klinik verbracht wird, von denselben Themen begleitet, wie zu Hause: Stillen, Rückbildung der Gebärmutter sowie Farbe, Menge und Geruch des Wochenflusses. Auch schmerzende Nachwehen müssen von den Frauen verarbeitet werden. Wenn es im Wochenbett auch noch zu einem pathologischen Verlauf kommt, fehlt auf der Kinderstation die Fachbetreuung. So erlebte ich, wie eine Frau mit zu hohem Blutdruck schon mal an die nächste Apotheke oder ihre Entbindungsklinik verwiesen wurde. Eine andere Frau war sich nicht sicher, ob die Menge ihrer Blutung noch normal ist und wurde von der Kinderstation direkt in ihre Entbindungsklinik zurück verlegt. Mit der Folge einer schmerzhaften Trennung von Mutter und Kind. Nicht selten münden solche Situationen in Milchstau und Stillproblemen. Geburtsverletzungen können in der Kinderklinik ebenfalls nicht angesehen werden, was schon so manche infizierte Sectio- oder aufgehende Dammnaht zur Folge hatte.

Wochenbettbetreuung in der Kinderklinik gesichert

Weil die Kinderklinik am Stadtrand gelegen ist, ist der Weg dahin für die umliegenden freiberuflichen Hebammen weit. Auch das Hebammenteam meiner Praxis benötigt gut 25 Minuten. Doch nachdem ich so gut wie die einzige Hebamme war, die immer mal wieder eine Nachsorge in der Kinderklinik betreut hat und mich viele Frauen angesprochen haben, suchte ich nach einer Lösung. Im Frühjahr 2019 gab es wieder so eine Situation, dass ich eine meiner Wochenbettbetreuungen nicht wie geplant durchführen konnte, weil das Baby stationär aufgenommen werden musste. Ich konnte es einfach nicht organisieren, die Frau vor Ort aufzusuchen und unterstützte die Familie aber per Telefon so gut es eben ging. In dieser Zeit entstand bei mir die Idee einer Mini-Wochenstation. Ich berichtete der Stationsleitung davon und nach weiteren gemeinsamen Gesprächen mit der Pflegedienstleitung und Kinderärzten der Neugeborenen- und Intensivstation war die Idee schließlich geboren: Ähnlich wie auf der Wochenstation der Entbindungskliniken soll eine Hebamme ein bis zweimal pro Tag durch die Zimmer gehen und die Mütter nach ihren Bedürfnissen fragen. In diesem Rahmen sollte dann auch ein regulärer Wochenbettbesuch möglich sein. Zuerst einmal auf Probe.

In meiner Praxis arbeiten wir mit drei Hebammen und einer Stillberaterin (IBCLC) zusammen. Zuerst hatten wir die Idee, in der Kinderklinik zu rotieren. Entschieden uns dann aber dafür, dass für den Anfang eine feste Hebamme die Wochenbettbesuche in der Kinderklinik übernimmt. Poster wurden erstellt und auf der Station aufgehängt, so dass die Frauen die Möglichkeit hatten, Kontakt zu uns aufzunehmen. Gleichzeitig riefen wir die Station an und erfragen, ob es Bedarf gibt, um unnötige Fahrten zu vermeiden. Unser Hebammenteam organisierte alles, so konnten wir auch das Stationsteam entlasten.

Problem: Verstärkter Babyblues bei den Familien

Der Wochenbettbesuch an sich ist nicht viel anders als bei den Familien zu Hause. Es werden die üblichen Parameter erhoben und die Fragen und Wünsche der Familien besprochen. Doch die Familien auf der Kinderstation sind emotional viel stärker belastet: Die Frauen sind in einer Situation und in Sorgen, die sie sich vorher so nicht vorgestellt haben. Nicht selten haben sie traumatische Geburten erlebt, die Raum für Verarbeitung brauchen. Teilweise sehen die Frauen ihre Neugeborenen erst nach ein paar Tagen - eine einschneidende Erfahrung.

Dazu sind sie auf der Neonatologie abgeschottet von der Außenwelt und sehr weit entfernt von der ursprünglichen Vorstellung einer glücklichen kleinen Familie. Auch die Großeltern dürfen das Baby nicht sehen, Geschwisterkinder nur in Ausnahmefällen und der Vater darf nur zur Besuchszeit auf die Station kommen. Ihr Baby liegt fast ausschließlich in einem Kinderbett und es gibt nur begrenzt Zeit für das Bonding. Meine Wochenbettbetreuung auf der Kinderstation umfasst also vor allem auch die seelische Begleitung und das Mut-Machen - neben allen physiologischen Herausforderungen. Allerdings haben wir hier mit der Versorgung des Neugeborenen nichts zu tun. Diese liegt voll und ganz in den Händen des Pflege-Teams auf der Säuglingsstation oder auf der Neonatologie.

Interprofessionell - ein eingespieltes Team

Das Angebot unserer Praxis wurde von Anfang an von den Müttern, die sich bei Bedarf bei uns melden, sehr positiv angenommen. Und auch die Kommunikation mit den beiden Stationen in der Kinderklinik klappt sehr gut. Wir arbeiten Hand in Hand und es fühlt sich gut an! Auch die Rückmeldungen der umliegenden freiberuflichen Hebammen waren bisher nur positiv.

Im Januar 2020 wurde Bilanz gezogen: Nachdem unser Angebot von den Frauen dankend angenommen wurde, sich die Abläufe eingespielt hatten und sich unsere Anwesenheit als entlastend für die Pflegekräfte auf den Stationen erwiesen hatte, bleiben wir bei der Zusammenarbeit. Und es gibt bereits Ideen, das Angebot weiter auszubauen. Mein Hebammenteam und ich würden gern Rückbildungskurse für die Mütter, die länger auf Station sein müssen, anbieten. Auch eine Hebammenambulanz vor Ort könnten wir uns vorstellen.

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Dann kam Corona - und das war auch für unsere Arbeit in der Kinderklinik eine Herausforderung. Wir Hebammen durften auch im Lockdown, als eigentlich keine Besucher in die Klinik durften, zum Dienst auf die Stationen - sofern wir symptomfrei waren. Um die Personenzahl möglichst klein zu halten, entschied die Klinikleitung, dass nur mein Team auf die Station dürfe. Die Stillhilfe konnten wir auch gut via Telefon leisten.

Noch immer fährt eine feste Hebamme zwei bis viermal pro Woche in die Klinik und versorgt die Mütter dort. Die Frauen melden sich meist selbst bei uns oder die Station ruft uns an. Die Zusammenarbeit mit der Station klappt sehr gut, auch wenn wir sicherlich zu Beginn auf beiden Seiten unsere Bedenken hatten. Dennoch haben wir unseren Weg finden können. Die Stationsschwestern mischen sich nicht in unsere Arbeit ein und wir nicht in ihre. Sollte es doch einmal zu einem Konflikt kommen, sieht unser Qualitätsmanagement ein gemeinsames Gespräch zwischen Station, Eltern und uns vor.

Das bewährte Angebot ausbauen

Nach der COVID-19 Pandemie wird es ein erneutes Gespräch geben, in dem wir gemeinsam überlegen, wie wir unser Angebot vor Ort verbessern oder erweitern können. Eines unserer Hauptanliegen ist, dass die Stationen durch uns keinen Mehraufwand haben. Außerdem sind bereits interne Fortbildungsangebote angedacht, zum Beispiel durch unsere IBCLC-Stillberaterin, Rückbildungseinheiten vor Ort für Frauen, die lange auf Station sind und ihr Baby nicht allein lassen möchten. Auch sind einige Babys früher geboren, als die Frauen sich eine Hebamme suchen konnten. Für diese Familien wollen wir eine ambulante Sprechstunde anbieten. Leider haben auch wir nicht die Kapazitäten, Hausbesuche für alle Familien zu übernehmen.

Natürlich bitten uns freiberufliche Kolleginnen, ob wir "ihre" Frauen in der Kinderklinik nicht mit versorgen können, da sie selbst nicht fahren können. Das freut uns. Denn unser Anliegen ist es nicht, freiberuflichen Hebammen ihre Frauen weg zunehmen, sondern auf Wunsch zu unterstützen. Gemeinsam für die Frauen und ihre Familien, die sich in der Kinderklink in einer ganz besonders schwierigen Situation befinden - das ist unsere Motivation.


Articles from Hebammen Wissen are provided here courtesy of Nature Publishing Group

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