Neue Erkenntnisse zu Corona Für eine optimale Beratung unserer Schwangeren in der Pandemie, ist es erforderlich über neue Erkenntnisse und Empfehlungen zum Virus SARS-CoV-2 und die Infektionserkrankung stetig zu informieren. Dieser Artikel fasst die wichtigsten geburtshilflichen Aspekte auf Basis der DGGG/DGPM-Empfehlungen zusammen und beleuchtet die Frage der Impfung gegen COVID-19.
Ein generell höheres Infektionsrisiko in der Schwangerschaft existiert derzeit nicht, die beobachteten Infektionszahlen sind im letzten Schwangerschaftsdrittel am höchsten (1, 2). Schwangere mit COVID-19 zeigen im Vergleich zu gleichaltrigen Nicht-Schwangeren seltener Symptome wie Fieber und Gliederschmerzen. Allerdings besteht ein höheres Risiko für schwerere Verläufe von COVID-19 (3, 4). Hauptrisikofaktoren hierfür sind in Tabelle 1 dargestellt (5-10). Ebenso erhöht ist das Risiko für eine intensivmedizinische Versorgungsnotwendigkeit und invasive Beatmung (11-14). Die Mortalitätsrate schwangerer Frauen mit COVID-19 ist erhöht (2).
Risikofaktoren für einen schweren Krankheitsverlauf in der Schwangerschaft |
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Maternales Alter > 35 Jahre |
Hoher Body Mass Index |
Hypertonus |
Diabetes mellitus |
Komplikationen in der Schwangerschaft
Fehlgeburten wurden während der Pandemie bisher nicht häufiger beobachtet (18-21). Ob eine fetale Wachstumsrestritktion Folge einer Infektion mit SARS-CoV-2 sein kann, ist unklar. Nach SARS-CoV-2 Infektion werden ultrasonographische Verlaufskontrollen in zwei- bis vierwöchentlichen Abständen empfohlen. Die Präeklampsie-Häufigkeit ist bei Infektion mit SARS-CoV-2 erhöht (10, 22, 23). Die Frühgeburtenraten bei COVID-19 erkrankten Schwangeren variieren je nach Studie und Region zwischen 6% und 39% (9, 13, 15, 24-28). Damit ist sie im Vergleich zu nicht-infizierten Schwangeren bis um das ca. Dreifache erhöht (29). Jede in der Schwangerschaft auftretende SARS-CoV-2-Infektion führt zu einem deutlich erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse (30-33). Empfehlungen sollten daher auch für die Isolation zu Hause gegeben werden (Hydratation, Mobilisierung, ggf. Kompressionstherapie, Aufklärung/Sensibilisierung für thrombosetypische Symptome) (34). Eine medikamentöse Thrombembolieprophylaxe mit niedermolekularem Heparin soll bei Hospitalisierung erfolgen (35, 36). Diese sollte für mindestens zehn Tage nach Entlassung fortgeführt werden (36).
Bei Verwendung des Begriffes "vertikale Transmission" ist es notwendig, zwischen intrauteriner und intrapartaler/postnataler Übertragung von SARS-CoV-2 zu unterscheiden. Das theoretische Risiko einer intrauterinen Infektion oder einer peripartalen Infektion während der Geburt ist gegeben. Anzunehmen ist, dass die meisten Infektionen bei Neugeborenen aerosolbedingt sind. Die Viruslast im mütterlichen Blut ist als äußerst niedrig und transient beschrieben worden (37), was eine hämatogene Transmission unwahrscheinlich macht. Nur vereinzelt wurden Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Nabelschnurblut nachgewiesen, die jedoch auch transplazentar übergetreten sein könnten (38, 39).
Zusammenfassend diskutieren einige Fallberichte (7, 40-44) und Übersichtsarbeiten (45) die Möglichkeit einer vertikalen Transmission. Eine kongenitale Infektion ist möglich, aber äußerst selten (<3% der mütterlichen Infektionen) (46). Neonatale SARS-CoV-2 Infektionen sind selten symptomatisch, und die Infektionsrate ist nicht höher, wenn das Kind vaginal geboren wird, gestillt wird oder bei der Mutter verbleibt (47).
COVID-19 Therapie in der Schwangerschaft
Eine spezifische antivirale Therapie wird derzeit nicht generell empfohlen (48). Die Applikation von Steroiden aus maternaler Indikation sollte auch bei schwangeren COVID-19-Patientinnen mit Sauerstoffbedarf erwogen werden (49). Eine fetale antenatale Steroidgabe bei Frühgeburtsbestrebungen erfolgt unabhängig von SARS-CoV-2 nach geburtshilflichen Kriterien bis 34+0 SSW mit Betamethason bzw. Dexamethason (30).
Nichtsteroidale Antirheumatika, wie ASS oder Indomethacin können weiterhin in den Indikationen zur Präeklampsie-Prävention oder Wehenhemmung verwendet werden (50). Kardiopulmonal wirksame Medikamente wie Fenoterol sollten aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils (51) restriktiv eingesetzt werden. Andere geburtshilflich typische Medikamente sind nach aktuellem Kenntnisstand ohne Beschränkungen anwendbar (31).
Entbindung bei einer SARS-CoV-2 kranken Frau begleiten
In Terminnähe kann der physiologische Verlauf und Entbindungszeitpunkt abgewartet werden. Weder eine SARS-CoV-2-Infektion noch die COVID-19-Erkrankung allein stellen eine Entbindungsindikation dar. Besteht aus geburtshilflicher Sicht eine Entbindungsindikation bei einer SARS-CoV-2 positiven Schwangeren, sollte eine Geburtseinleitung oder Schnittentbindung nicht verschoben werden (31, 52, 53). Soweit geburtshilflich vertretbar, sollten bei der Festlegung des Entbindungszeitpunktes infektiologische Gesichtspunkte (Abwarten bis negative PCR, klinischer Verlauf) berücksichtigt werden. Bei der kritisch kranken COVID-19-Patientin muss je nach klinischer und geburtshilflicher Situation zwischen Prolongation der Schwangerschaft mit supportiver COVID-19-Therapie und der Entbindung entschieden werden (54).
Die Wahl des Entbindungsmodus sollte geburtshilflichen Kriterien folgen (31, 52, 53). Die vaginale Entbindung wird im internationalen Konsens empfohlen (53, 55). Die Sectiohäufigkeit ist jedoch ehöht: Das deutsche CRONOS Register berichtet am 09.01.2021 auf der Basis von 925 registrierten Patientinnen eine Rate von 37,4 % Sectiones (56).
Unter der Geburt ist im Kreißsaal ein kontinuierliches CTG-Monitoring und eine Überwachung der mütterlichen Vitalparameter mit SpO2 obligat (57, 58). Es ist auf eine ausgeglichene Flüssigkeitsbilanz zu achten, da eine Positivbilanzierung zu Lungenödemen und einer Verschlechterung der maternalen Oxygenierung führen kann (59). Eine Amniotomie und die Überwachung der fetalen Herzfrequenz mittels Kopfschwartenelektrode können bei entsprechender Indikation erfolgen. Kontakt zu Stuhl, in dem nachweislich Virus enthalten sein kann, sollte vermieden werden (60, 61). Daher ist von einer Wassergeburt abzuraten. Das Bedecken von Mund und Nase ist bei Betreten der Entbindungsklinik empfohlen (53, 62). Dies gilt sowohl für Schwangere als auch für mögliche Begleitpersonen. Bei unklarem SARS-CoV-2-Status ist unter Geburt das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) empfohlen, um das geburtshilfliche Personal vor allem in der aktiven Austreibungsperiode zu schützen. Dabei soll der Oxygenierungsstatus der Mutter und deren subjektives Wohlbefinden berücksichtigt werden (63). Für das betreuende Personal ist das Tragen eines MNS unabhängig vom SARS-CoV-2-Status während der Pandemie bei jeder Entbindung empfohlen (62). Bei positivem SARS-CoV-2-Status der Gebärenden trägt das Personal die empfohlene persönliche Schutzausrüstung (PSA) (52, 63-66).
Die Anzahl betreuender Personen von SARS-CoV-2 positiv Gebärenden sollte auf ein Mindestmaß begrenzt werden. Das neonatologische und anästhesiologische Team sollte frühzeitig und kontinuierlich über den Geburtsverlauf informiert werden. Dies gewährleistet ausreichende Vorlaufzeit, entsprechende personelle und materielle Ressourcen bereitzustellen und auch die PSA anzulegen (64). Eine suffiziente Schmerztherapie reduziert die kardiopulmonale Belastung während der Geburt, eine PDA soll großzügig angeboten werden.
Wochenbett und Stillen mit COVID-19
Die Betreuung im Wochenbett richtet sich nach Infektionsstatus und klinischem Zustand der Mutter. Bei mildem bis moderatem Verlauf nach zehn Tagen (67, 68), bei schwereren Krankheitsverläufen nach >14 Tagen ab Symptombeginn und negativer PCR im Nasopharynxabstrich sind bis auf eine mögliche Thrombembolieprophylaxe keine weiteren Maßnahmen zu treffen (57, 64, 69).
Das postpartale Vorgehen bei infektiöser Mutter (asymptomatisch oder milder COVID-19-Verlauf) ist nach ausführlicher Aufklärung in partizipativer Entscheidungsfindung festzulegen (64, 70). Inhaltlich müssen die Vorteile (Bonding, Mutter-Kind Kontakt, Stillen etc.) gegenüber dem Übertragungsrisiko, der - wenn auch geringen - Erkrankungswahrscheinlichkeit des Neugeborenen und nicht zuletzt der entstehenden Nachteile bei Trennung von Mutter und Kind abgewogen werden (70, 71).
Die nationalen und internationalen Fachgesellschaften befürworten ausdrücklich den unmittelbaren Mutter-Kind-Kontakt. Zum Stillen unter adäquaten Hygienemaßnahmen, zum Haut-zu-Haut-Kontakt und zum Wahrnehmen von Rooming-In-Angeboten soll ermutigt werden (70). Bei Rooming-In finden die konsensbasierten Empfehlungen der DGPI Berücksichtigung: Tragen eines MNS, Abstand Händehygiene, Information zu Schleim-/ Hautkontakt ("Streicheln - Ja, Küssen - Nein") (64). Neugeborene von Patientinnen mit SARS-CoV-2-Infektion sollten per Rachenabstrich (PCR) getestet und von anderen Säuglingen isoliert werden (72).
Das Stillen wird auch bei SARS-CoV-2-Infektion der Mutter im internationalen Konsens befürwortet (53, 71). Das Risiko einer Übertragung von SARS-CoV-2 durch Muttermilch ist weiterhin unklar, aber unwahrscheinlich. Virusnachweise in der Muttermilch sind seltene Einzelfallberichte, lassen eine Übertragung aber möglich erscheinen (73, 74). Ob es sich hierbei um replikationsfähige und somit infektiöse Viren handelt ist unklar (75). Auf der anderen Seite, ist neben den bekannten Vorteilen des Stillens, zudem ein möglicher passiver Immunschutz durch das Stillen denkbar (76). Diese Hypothese wird gestützt durch positive Antikörpernachweise und gleichzeitig negativer Virus-PCR aus Muttermilch von SARS-CoV-2 positiven Schwangeren (76, 77). Als Hauptübertragungsweg auf das Neugeborene während des Stillens gilt die Tröpfchen- bzw. Aerosolbildung (72, 78). Eine praktische Anleitung zu den speziellen Hygieneregeln und -maßnahmen beim Stillen ist obligat (64, 71). Hierzu zählen Maßnahmen der Atemhygiene (MNS), die Hygiene von Händen, Brust und Milchpumpen (79). Das Abpumpen und anschließende Füttern durch eine gesunde weitere Person ist bei räumlicher Trennung eine mögliche Alternative (72).
Impfung auch in Schwangerschaft und Stillzeit möglich?
Es gibt verschiedene Arten von COVID-19-Impfstoffen: mRNA-, Protein- und Vektor-Impfstoffe (80). Derzeit sind zwei mRNA-COVID-19-Impfstoffe (Comirnaty® von BioNTech/Pfizer und COVID-19 Vaccine Moderna® von Moderna) in Europa zugelassen (81). Für beide Impfstoffe gilt, dass die Entscheidung über die Anwendung bei Schwangeren in enger Absprache mit einem Arzt nach Abwägung der individuellen Vorteile und Risiken getroffen werden sollte (82, 83). Insbesondere Frauen mit Vorerkrankungen und einem höheren Risiko für eine schwere COVID-19-Erkankung und/oder höherem Risiko einer Exposition gegenüber einer SARS-CoV-2-Infektion kann die Impfung angeboten werden.
Ein Behandlungsbeginn assistierter Reproduktionstherapien sollte um einige Tage nach Abschluss der Impfung (d.h. nach der zweiten Dosis) verschoben werden, um die Immunreaktion abzuwarten (84). Schwangere und stillende Frauen sollten über das Fehlen von Langzeitstudien zur COVID-19-Impfung informiert werden, sollten aber nicht grundsätzlich von Impfprogrammen ausgeschlossen werden (85). Für Frauen mit Kinderwunsch ist es wichtig, dass es bisher keine Hinweise auf durch mRNA-Impfstoffe bedingte Fruchtbarkeitsprobleme gibt. Frauen, die nach der ersten Dosis des Impfstoffs schwanger werden, sollten eine zweite Dosis erhalten (86, 87). Eine Schwangerschaftsverhütung nach Impfung ist nicht erforderlich (86-89). Um Schwangere indirekt zu schützen, sollen enge Kontaktpersonen von Schwangeren, insbesondere deren Partner:innen aber auch Hebammen und Ärzte priorisiert geimpft werden (83). Die STIKO hält es für unwahrscheinlich, dass eine Impfung der Mutter während der Stillzeit ein Risiko für den Säugling darstellt (83). Eher stellen die durch Impf-Immunisierung gebildete Antikörper nach Sezernierung in die Muttermilch einen potenziellen Infektionsschutz des Säuglings dar. Auch wenn gesicherte Daten ausstehen, kann durch Muttermilch übertragene schützende Immunität eine passive Präventionsstrategie zum Schutz des Säuglings darstellen (90). Der potenzielle Nutzen der Impfung überwiegt bei Stillenden mit erhöhtem COVID-Risiko die theoretischen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Impfung deutlich (91).
FAZIT.
Es besteht ein höheres Risiko für schwerere Verläufe von COVID-19 in der Schwangerschaft. Die Mortalitätsrate schwangerer Frauen mit COVID-19 ist ebenfalls erhöht.
Die SARS-CoV-2-Infektion in der Schwangerschaft erhöht das Risiko für eine Thromboembolie.
Eine suffiziente Schmerztherapie reduziert die kardiopulmonale Belastung während der Geburt, eine PDA soll daher großzügig angeboten werden.
Das Stillen wird auch bei SARS-CoV-2-Infektion der Mutter befürwortet.
Der potenzielle Nutzen der Impfung überwiegt bei Stillenden mit erhöhtem COVID-Risiko die theoretischen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Impfung deutlich.
In gemeinsamer Entscheidungsfindung und nach Ausschluss allgemeiner Kontraindikationen ist die Impfung schwangerer Frauen gegen SARS-CoV-2 möglich. Um Schwangere indirekt zu schützen, sollen enge Kontaktpersonen, insbesondere deren Partner sowie Hebammen und Ärzte priorisiert geimpft werden.
Electronic supplementary material
Contributor Information
Carsten Hagenbeck, Email: Carsten.Hagenbeck@med.uni-duesseldorf.de.
Ulrich Pecks, Email: Ulrich.Pecks@uksh.de.
Tanja Fehm, Email: tanja.fehm@med.uni-duesseldorf.de.
Felix Borgmeier, Email: felix.borgmeier@med.uni-duesseldorf.de.
Ekkehard Schleußner, Email: ekkehard.schleussner@med.uni-jena.de.
Janine Zöllkau, Email: Janine.Zoellkau@med.uni-jena.de.
Sven Kehl, Email: sven.kehl@uk-erlangen.de.
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