Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird in den nächsten Jahren auch die Arbeit von Controllern fundamental verändern. Umso wichtiger ist es für Controller zu wissen, was die Technologie tatsächlich leisten kann, welche Nutzungsmöglichkeiten es gibt und wie KI-Projekte erfolgreich umgesetzt werden können.
Seit jeher haben Controller die Aufgabe, unterschiedlichste finanzielle und nichtfinanzielle Informationen in aussagekräftige Planungen, Berichte und Analysen zu übersetzen, die wiederum zur Vorbereitung und Unterstützung von betriebswirtschaftlichen Entscheidungen im Management dienen. Gerade aufgrund des hohen Anteils an strukturierten kognitiven Leistungen ist es nicht verwunderlich, dass zunehmend auch moderne Technologien der Informationssammlung und -verarbeitung mittels Künstlicher Intelligenz (KI), zum Beispiel durch Maschinelles Lernen beziehungsweise den Einsatz Künstlicher Neuronaler Netze, zum konzeptionellen State of the Art gehören (vergleiche Weißenberger/Bauch 2019).
Konkret heißt dies, dass in den nächsten Jahren KI-Anwendungen zu einer grundlegenden Neudefinition bestehender Aufgaben innerhalb der Arbeit von Controllern führen und deren Effizienz wie Effektivität massiv erhöhen werden (vergleiche Weißenberger 2017). Controller werden mithilfe von KI erstens von ressourcenintensiven und zeitraubenden Routineaufgaben entlastet und können zweitens eine deutlich höhere Transparenz von Geschäft und Ergebnis erreichen. Drittens werden sie durch den Einsatz von KI besser als bisher in der Lage sein, bei operativen und strategischen Fragestellungen auf die Bedarfe einzelner Entscheider individuell zugeschnittene Unterstützung zu liefern.
Bisher gibt es allerdings nur wenige systematische Erfahrungen in Controller-Bereichen, konkrete KI-Use Cases fehlen vielfach. Häufig mangelt es im Controller-Bereich außerdem am erforderlichen technologischen Know-how, um die mit KI-Projekten verbundenen Kosten und Risiken, vor allem aber auch die erwarteten Verbesserungen und Chancen bewerten zu können. Für Controller stellt KI deshalb eine fundamental disruptive Technologie mit allen damit verbundenen Unwägbarkeiten dar. Mit anderen Worten: KI ist zum jetzigen Zeitpunkt für Controller eher eine explorative Innovation und die dafür erforderlichen Investitionen dementsprechend hoch riskant. Allerdings ist die Frage, ob Controller KI einsetzen sollen, durch die technologische Entwicklung bereits positiv beantwortet - offen ist vielmehr, wie KI in der Controller-Arbeit genutzt werden sollte. Dazu ist es zunächst erforderlich, die Funktionsweise moderner KI besser zu verstehen.
Was versteht man heute unter KI und wie funktioniert sie?
KI steht im Mittelpunkt der zweiten Welle der digitalen Transformation, die vor allem durch die schnell wachsende Nutzungsintensität von Informations- und Kommunikationstechnologien gekennzeichnet ist. Zwar kristallisiert sich KI schon in den 1950er Jahren als Forschungsgebiet in der Informatik heraus. Für den eigentlichen Durchbruch mussten allerdings bis 2010 mehrere Entwicklungen zusammenkommen: die Verfügbarkeit großer Datenmengen (Big Data), die globale Vernetzung von Systemen und Komponenten, die Entwicklung hoch leistungsfähiger Hard- und Software einschließlich Edge- und Cloud Computing für Datenverarbeitung und -speicherung sowie nicht zuletzt auch die Entwicklung und Verbreitung leistungsfähiger Deep-Learning-Algorithmen über eine Vielzahl von Open-Source-Programmen (vergleiche Buxmann/Schmidt 2019, S. 7 ff.).
Aber auch wenn bis heute mit dem Begriff KI in der Literatur unterschiedlichste Informationstechnologien assoziiert werden, versteht man darunter inzwischen vor allem Ansätze Maschinellen Lernens, bei denen sehr häufig Software in Form von Künstlichen Neuronalen Netzen eingesetzt wird. Diese spezifische Form von Algorithmen imitiert für das Maschinelle Lernen die Funktionsweise des menschlichen Gehirns: Input-Daten werden über verschiedene Eingangsknoten ("Neuronen") erfasst und an andere Knoten weitergegeben. Die Transformation der Daten erfolgt über die Intensität, mit der ein Input-Signal auf seinem Weg über die jeweiligen Knoten weitergegeben wird: Es kann grundsätzlich mit gleicher Intensität weitergegeben, verstärkt oder abgeschwächt werden. Der Output der Daten erfolgt über Ausgangsknoten. Anders als in der traditionellen Programmierung werden somit nicht mehr Lösungswege für die Verarbeitung von Daten-Inputs programmiert, also Regeln vorgegeben, sondern die Software schafft sich ihr Regelwerk selbst: Sie wird in der Implementierungsphase von den Programmierern quasi trainiert.
Wenn beispielsweise eine KI genutzt wird, um ausgewählte Prozessschritte wie etwa eine Belegkontierung automatisiert durchzuführen, entscheidet der Algorithmus in der Trainings-Phase von Anfang an bei jedem Beleg eigenständig, wie dieser zu behandeln ist. In Abhängigkeit vom Ergebnis gibt der Programmierer Rückmeldung, ob die Belegkontierung richtig oder falsch durchgeführt wurde. Im letzteren Fall passt die Software eigenständig die interne Verarbeitung der Input-Daten (also der erfassten Belege) an, und zwar so lange, bis ein bestimmtes Qualitätsniveau erreicht wurde, also beispielsweise die korrekte Erfassung und Kontierung der Belege in 99,9 Prozent der Fälle. Dazu ist je nach Komplexität der Aufgabe eine hohe Anzahl von Trainingsdatensätzen erforderlich. Ist die gewünschte Bearbeitungsqualität erreicht, kann die KI im praktischen Einsatz dann ermüdungsfrei und ohne Pause die einmal erlernte Aufgabe umsetzen - in aller Regel zu geringeren Kosten und mit niedrigeren Fehlerraten als menschliche Bearbeiter.
Controller müssen die Nutzungsmöglichkeiten von KI in ihrem Bereich kennen.
Allgemein ausgedrückt geht es also beim Maschinellen Lernen mittels Künstlicher Neuronaler Netze immer um Mustererkennung in unterschiedlichsten Zusammenhängen: beim automatischen Erkennen von Schrift und Bildern genauso wie bei der Identifikation von statistischen Zusammenhängen (Korrelationen) innerhalb vorliegender Daten. Anhand welcher Kriterien allerdings genau diese Muster erkannt werden, ist bei Künstlichen Neuronalen Netzen in aller Regel nicht beziehungsweise nur unter sehr schwierigen Bedingungen nachvollziehbar. Da der Funktionsweise der Algorithmen zudem immer ein statistischer Rückschluss zugrunde liegt, sind Fehlschlüsse und -interpretationen nicht auszuschließen - dies wird unter anderem unter dem Stichwort "Algorithmen-Ethik" diskutiert (vergleiche Zweig/Fischer/Lischka 2018). Und schließlich handelt es sich bei allen heute im praktischen Einsatz befindlichen KI-Systemen immer nur um eine "schwache" KI, das heißt: Sie kann ausschließlich Aufgaben lösen, die im Rahmen des Maschinellen Lernens trainiert wurden. Anders als eine "starke" KI, die bisher allerdings erst eine technologische Zukunftsvision ist, kann schwache KI sich dabei nicht eigenständig in neue Aufgabenfelder weiterentwickeln oder gar menschliche Kreativität und problemorientierte Abwägungen imitieren (vergleiche Bolander 2019). Vereinfacht formuliert: Eine KI, die für Text- oder Bilderkennung programmiert wird, kann die erfassten Daten weder analysieren noch beispielsweise daraus Prognosen ableiten, und umgekehrt.
Wie lässt sich KI für die Controller-Arbeit nutzen?
Im Mittelpunkt der Controller-Arbeit stehen die drei Aufgabenfelder Planung, Berichtswesen und Performance-Messung. Controller agieren in diesen Aufgabenfeldern als Informationsdienstleister, indem sie die dafür erforderlichen Daten sammeln und aufbereiten, aber auch als Business Partner, die für das Management die bereitgestellten Informationen betriebswirtschaftlich interpretieren, sinnvolle Handlungsalternativen ableiten und Entscheidungsprozesse interaktiv begleiten und unterstützen.
"Ein großer Teil der Arbeitszeit der Controller ist durch zeitraubende Aktivitäten belegt. Hier kann KI schon heute helfen."
Seit jeher zeigen Studien, dass Controller zwar die Rolle des Business Partners als bedeutsamer einschätzen als die des Informationsdienstleisters und hier ihren idealtypischen Aufgabenschwerpunkt sehen. Praktisch erweist sich dies allerdings häufig als Wunschdenken, weil ein großer Teil der Arbeitszeit durch zeitraubende Aktivitäten belegt ist. Damit die erforderliche, qualitativ hochwertige Informationsgrundlage für Planung, Berichtswesen und Performance-Messung überhaupt erst vorliegt, müssen Daten zeit- und ressourcenaufwendig bereinigt, abgestimmt, plausibilisiert, angepasst und/oder konsolidiert werden (vergleiche statt vieler Weißenberger/Angelkort/Göbel 2012).
Mehr Informationen für die Controller-Arbeit nutzen
Bereits hier öffnet sich eine erste und bedeutsame Nutzungsmöglichkeit von KI im Controlling, nämlich in der Unterstützung durch Robotic Process Automation (RPA). Bei RPA handelt es sich um die automatisierte Abarbeitung von regelbasierten Routineaufgaben, wie sie beispielsweise bei der Informationsaufbereitung für das Reporting oder die Vorbereitung der Planung anfallen: Software-Roboter werden dazu genutzt, um die menschliche Interaktion mit Software-Applikationen, wie zum Beispiel Abfragen, Berechnungen oder die Pflege von Datenbanken, zu imitieren. Zwar ist RPA per se noch keine KI-Anwendung, aber in Kombination lässt sich ihr Einsatzspektrum ganz erheblich vergrößern.
Mittels KI in Form von Natural Language Processing (NLP) können zum Beispiel auch unstrukturierte Input-Daten, die als Freitext oder Bild vorliegen, in das für RPA erforderliche strukturierte Format transformiert werden (vergleiche zum Beispiel Langmann/Turi 2020, S. 71 ff.). Zusätzlich kann KI bereits hier dazu genutzt werden, um das in die Controller-Arbeit einfließende Datenuniversum wesentlich zu erweitern, indem zusätzlich zu den durch die buchhalterischen Systeme traditionell bereitgestellten Finanzdaten neue und vor allem auch unternehmensexterne Informationsquellen erschlossen werden. Neben historischen Kunden-, Auftrags- oder Projektdaten können das auch verschiedenste makroökonomische Daten sein, technische Messwerte aus Anwendungen in der Produktion bis hin zur Produktnutzung (Internet of Things), aber auch Social Media Posts, deren Inhalte und Tonalität mittels KI erfasst und der Analyse zugänglich gemacht werden können. Schließlich kann KI auch genutzt werden, um aus den Daten-"Spuren", die interne Prozesse zum Beispiel in ERP-Systemen hinterlassen, ein besseres Verständnis über die Systematik der tatsächlich ablaufenden Handlungsschritte und die darin verborgenen Ineffizienzen wie überflüssigen Prozessschleifen, Ineffizienzen oder Sollbruchstellen zu erhalten (Process Mining) (vergleiche beispielsweise van der Aalst 2016).
Automatisiert aussagekräftige Prognosen erstellen
Eine derart erweiterte Datenbasis erlaubt im nächsten Schritt auch den Einsatz von KI in den originären Aufgabenfeldern der Controller-Arbeit (vergleiche Mahlendorf 2020). Um zum Beispiel die für die Steuerung notwendigen Umsatz-, Ergebnis- oder Cashflow-Prognosen zu erstellen, sind KI-Algorithmen geeignet, die Zeitreihen verwenden, die neben internen Finanzdaten auch eine Vielzahl anderer Daten-Inputs enthalten, um möglichst präzise Vorhersagen abzuleiten (vergleiche Deipenbrock/Landewee/Sälzer 2019). Im Gegensatz zu traditionellen Prognoseverfahren, die zum Beispiel auf Regressionsanalysen oder Methoden der exponentiellen Glättung vergleichsweise kleiner Datensätze basieren, können solche Predictive-Analytics-Systeme zu geringeren Kosten deutlich mehr Input-Daten verarbeiten und anspruchsvollere inferenzstatistische Verfahren umsetzen. Darüber hinaus sind die automatisiert erstellten Prognosen aus einem Predictive-Analytics-System nicht durch unternehmenspolitische Erwägungen des Planers geglättet oder verzerrt und lassen sich deshalb besser als Startgröße für die Ableitung von Vorgaben und die Diskussion möglicher Maßnahmen - beispielsweise in Budgetierungsprozessen - verwenden.
Der Controller muss nicht zum Data Scientist werden, um KI nutzen zu können.
Individuell angepasste Berichte bereitstellen
Auch im Berichtswesen können KI-Anwendungen genutzt werden, zum Beispiel, um die Effektivität von sogenannter Self-Service Business Intelligence (Self-Service BI) zu verbessern (vergleiche Alpar/Schulz 2016). Dabei handelt es sich um Systeme, die auch IT-technisch unerfahrenen Anwendern im Management beziehungsweise in Fachabteilungen erlauben, personalisierte Berichte und Analysen aus den im Unternehmen vorhandenen Informationen zu ziehen. Sie ermöglichen dies unabhängig davon, ob die Informationen bereits strukturiert gespeichert sind (Data Warehouse) oder ob sie lediglich als Rohdaten vorliegen (Data Lake). Mithilfe von KI können aus den individuellen Abfragen Rückschlüsse darauf gezogen werden, welche Informationen für einen Anwender besonders relevant sind, und die personalisierten Berichtsformate daraufhin optimiert werden. Rückfragen zu einzelnen Berichtselementen können außerdem mithilfe von Chatbots, die die verwendeten Frage-Antwort-Bäume mithilfe von KI-Algorithmen kontinuierlich weiterentwickeln, beantwortet werden.
Mit differenzierter Performance-Messung strategisch steuern
In der Performance-Messung erlaubt der Einsatz von KI schließlich die Nutzung anspruchsvoller und ausdifferenzierter Leistungsindikatoren, gerade auch durch die Berücksichtigung vielfältigster Daten-Inputs zu ökologischen, sozialen oder governancebezogenen (ESG) Nachhaltigkeitskriterien. Insbesondere lassen sich durch selbstlernende Algorithmen dabei die Beziehungen zwischen verschiedenen Performance-Indikatoren und dem finanziellen Unternehmenserfolg kontinuierlich weiterentwickeln. Der damit bereits in der Balanced Scorecard nach Kaplan/Norton angelegte Grundgedanke, das Finanzergebnis mit weiteren Kennzahlengruppen zu ergänzen, die vorgelagerte Effekte - zum Beispiel eine Veränderung der Kundenzufriedenheit oder der internen Prozessqualität - abbilden, kann durch KI auf diese Weise dynamisiert werden (vergleiche bereits Kaplan/Norton 1992). Auch moderne Systeme kontinuierlicher und agiler Performance-Messung wie "Objectives and Key Results" (OKR) (vergleiche Lihl/Mahlendorf/Schmälzer 2019) lassen sich mithilfe KI-basiert erfasster Leistungsindikatoren umsetzen.
"Eine 'Lösung von der Stange' für die Einführung von KI-Anwendungen gibt es oft nicht."
Was muss bei der Einführung von KI-Anwendungen beachtet werden?
Die Einführung von KI-Anwendungen im Controlling ist mit erheblichem finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden. Auch wenn es inzwischen eine große Anzahl öffentlich verfügbarer KI-Programmbibliotheken gibt, muss neben der Bereitstellung von leistungsfähiger Hardware mit den erforderlichen Kapazitäten für Datenübertragung, -verarbeitung und -speicherung die verwendete Software individuell an die spezifische Unternehmenssituation angepasst werden. Kurz: Eine Lösung "von der Stange" gibt es oft nicht. Zudem ist die für die Einführung notwendige Expertise in Unternehmen häufig nicht vollumfänglich vorhanden. Neben Controllern und Software-Ingenieuren werden zum Beispiel auch Data Scientists benötigt, die an der Schnittstelle von Informatik und Mathematik/Statistik arbeiten und die aus den verfügbaren Datenmengen überhaupt erst nutzbare Informationen gewinnen. Da es sich um ein vergleichsweise junges Berufsgebiet handelt, müssen diese Fachkräfte vielfach erst mühsam auf dem Arbeitsmarkt gewonnen werden.
Durch überschaubare KI-Pilotprojekte den Proof of Concept erbringen
Im Gegensatz zum Ausbau traditioneller Informations- und Kommunikationstechnologien handelt es sich also bei KI-Projekten um explorative Innovationsprojekte, bei denen der Ausgang unbestimmt und riskant ist sowie von einer Vielzahl oft noch nicht bekannter Einflussfaktoren abhängt. Was genau KI-Anwendungen leisten können und vor allem, ob sich der damit verbundene Business Case im Controlling rechnet, lässt sich meist kaum abschätzen.
Vor diesem Hintergrund ist es empfehlenswert, den Einsatz von KI- Anwendungen zunächst am Beispiel kleiner und abgegrenzter Pilotprojekte, zum Beispiel für die kurz- beziehungsweise mittelfristige Prognose von ausgewählten Finanzdaten wie Umsätze oder Zahlungseingänge, zu erproben. So kann nicht nur ein Proof of Concept, ein Konzepttest, erbracht werden, sondern gleichzeitig auch die notwendige Bereitschaft für eine breite Umsetzung im Controller-Bereich, aber auch im Management gewonnen werden (vergleiche hierzu auch die vom Arbeitskreis Digital Reporting der Schmalenbach-Gesellschaft auf Linkedin veröffentlichten Thesen, www.linkedin.com/company/arbeitskreis-digital-reporting/, abgerufen am 20.08.2020).
KI-Technologien können den Controller in seiner Rolle als Business Partner unterstützen.
Im Projekt-Management agil vorgehen
Aus dem explorativen Charakter der Investition in KI-Anwendungen ergibt sich außerdem zwingend die Einführung im Rahmen eines agilen Projekt-Managements. Anders als beim traditionellen Projekt-Management (Wasserfallmodell) geht es bei der agilen Projektführung nicht darum, ein über ein Lastenheft konkret ausdifferenziertes Projektziel in ex ante für einen längeren Zeitraum vorgegebene Meilensteine umzusetzen. Stattdessen werden inkrementell durch das Projekt-Team Zwischenlösungen entwickelt, die im Projektablauf immer wieder neu an erstmals erkannte Anforderungen und sich verändernde Rahmenbedingungen angepasst werden können. Das macht eine enge Interaktion mit den Endnutzern erforderlich, die deshalb auch in die Projekt-Teams integriert sein müssen (vergleiche Ulrich/Rieg 2020).
Auf Akzeptanz und Vertrauen in die neuen Technologien achten
Dies ist auch deshalb wichtig, weil in der Projektumsetzung das technologische Wissen nicht gegenüber dem Geschäftsverständnis dominieren darf. KI-Projekte können nur gelingen, wenn auch dem in der Regel wenig technologieaffinen Endnutzer ein einfacher Zugang zu den neuen Technologien gewährleistet und Vertrauen in die Leistungsfähigkeit KI-basierter Anwendungen aufgebaut wird. Fehlende Technologieakzeptanz, aber auch "Algorithm Aversion", das heißt die mangelnde Bereitschaft, Analysen von qualitativ überlegenen KI-Algorithmen tatsächlich zu nutzen, ist derzeit in der psychologischen Literatur ein breit diskutiertes Themenfeld, wenn es um die Schwierigkeiten in der Interaktion zwischen Mensch und KI-Anwendungen geht (vergleiche Dietvorst/Simmons/Massey 2018).
Den Kulturwandel zum Business Partner begleiten
Einmal in der Breite ausgerollt führt der Einsatz von KI zu einem radikalen Kulturwandel im Controller-Bereich. Controller können durch KI-Anwendungen erhebliche Freiräume realisieren, die sie aber auch für eine verstärkte Entwicklung hin zum Business Partner ausfüllen müssen. Konkret bedeutet das: Controller können nicht mehr ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg über das Herrschaftswissen über Daten und Methoden definieren. Stattdessen müssen sie in der Lage sein, KI-Anwendungen für eine verbesserte Aussagekraft ihrer Analysen und damit höhere Transparenz und Entscheidungsqualität zu nutzen. Das bedeutet wiederum auch, dass gerade in dezentralen Einheiten eingesetzte Controller vor allem geschäftsmodellspezifisches Know-how benötigen und damit - anders als traditionell üblich - nicht mehr beliebig zwischen Organisationseinheiten wechseln können (vergleiche Catenos 2019).
Schlussbetrachtung
Bedeuten all diese Veränderungen, dass sich Controller zu Data Scientists weiterentwickeln müssen, wie in der Literatur teilweise postuliert wird (vergleiche Heupel/Lange 2019, S. 214)? Diese These kann zumindest zum heutigen Stand nicht aufrechterhalten werden. Denn auch wenn die Einführung und Nutzung von KI-Anwendungen unstrittig datenwissenschaftliches Know-how erfordert, ist für die aussagekräftige Interpretation der Ergebnisse und deren Verwendung in unterschiedlichsten betriebswirtschaftlichen Fragestellungen das Geschäftsverständnis des Controller-Bereichs unabdingbar (vergleiche Bolander 2019): Controller müssen mit Data Scientists zusammenarbeiten, aber sie werden nicht durch sie ersetzt. Trotz der immensen Leistungsfähigkeit von KI bleibt es weiterhin der menschlichen Intelligenz vorbehalten, aus den bereitgestellten Analysen angemessene Konsequenzen zu ziehen und das Heft der Entscheidung in der Hand zu behalten. Denn es gilt frei nach dem britischen Philosophen Francis Bacon: Künstliche Intelligenz ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr.
Literatur
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Zusammenfassung.
Neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) sind dabei, die Arbeit von Controllern und ihre Rolle im Unternehmen zu verändern.
Das Controlling kann KI im Berichtswesen, bei der Planung und in der Performance-Messung einsetzen und damit Entscheidungsunterstützung und Unternehmenssteuerung verbessern.
Will das Controlling KI implementieren, muss es nicht nur den dafür notwendigen finanziellen und zeitlichen Aufwand berücksichtigen, sondern auch den daraus resultierenden Kulturwandel in den Blick nehmen.
Springer Professional.
Künstliche Intelligenz
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Prof. Dr. Barbara E. Weißenberger
ist Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Accounting, an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie Affiliate Professor of Accounting an der Bucerius Law School, Hamburg.
E-Mail: barbara.weissenberger@hhu.de
