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. 2020 Nov 30;64(8):42–46. [Article in German] doi: 10.1007/s12176-020-0340-y

People Analytics braucht Controlling

Tanja Reimer 1,, Susanne Kreuscher 2
PMCID: PMC7941363

People Analytics schafft für den HR-Bereich eine datenbasierte Entscheidungsgrundlage. Doch obwohl die Technologie den Wertbeitrag von HR für das Unternehmen transparenter machen kann, implementieren Unternehmen People Analytics bisher nur zögerlich. Eine Studie identifiziert die Hemmnisse und zeigt die Chancen einer engeren Zusammenarbeit von HR mit dem Controlling.

HR Manager sind überzeugt davon, dass Personalarbeit einen großen Einfluss auf das Unternehmensergebnis ausübt. Im Gegensatz zu anderen Funktionsbereichen wie Vertrieb und Finance beruhen ihre Entscheidungen aber häufig noch immer auf menschlicher Intuition und individuellem Erfahrungswissen. Umso dringender ist der Ruf nach digitaler Transformation und einer datenbasierten Entscheidungsgrundlage auch im Personalbereich. Im Fokus steht dabei das Thema People Analytics, auch bezeichnet als HR Analytics, Workforce Analytics oder Talent Analytics. Während das Personal-Controlling deskriptiv angelegt ist, ist People Analytics prädiktiv und präskriptiv ausgerichtet. Das heißt, es werden Eintrittswahrscheinlichkeiten ermittelt und auf deren Grundlage analysiert, welche Handlungsoptionen möglich sind und wie die verschiedenen Handlungen sich auf das Ergebnis auswirken, um optimale Vorgehensweisen in bestimmten Situationen herauszufinden.

Der Einsatz der innovativen Schnittstellentechnologie soll es dem HR-Bereich ermöglichen, Entscheidungen zunehmend datengestützt zu treffen oder zu ergänzen. Ziel ist es, damit auch den Wertbeitrag des Personalbereichs sichtbarer zu machen und innerhalb des Unternehmens zu kommunizieren. Steuerungsrelevante Kennzahlen sollen systematisch überblickt, Ursachen- und Wirkungszusammenhänge identifiziert, kritische Entwicklungen im Personalbereich aufgedeckt sowie zukünftige Entwicklungen besser prognostiziert werden.

Für die Analyse werden dazu Daten aus dem Personalbereich mit anderen Unternehmensdaten zusammengeführt. Das macht eine stark vernetzte und übergreifende Zusammenarbeit unterschiedlicher Unternehmensbereiche wie Management, Personalbereich, Controlling, IT et cetera erforderlich. Gerade eine fundierte Zusammenarbeit mit dem Controlling kann den Personalbereich bei der Implementierung und Nutzung von People Analytics wesentlich unterstützen, ist doch insbesondere der Zusammenhang zwischen Talenten, Kosten und Unternehmensergebnis von besonderer strategischer Bedeutung für ein Unternehmen.

Wunsch und Wirklichkeit

Bereits seit Jahren wird seitens des Personalbereichs dem Thema People Analytics eine hohe Priorität eingeräumt. Das zeigt etwa eine Studie zu Global Human Capital Trends, in der 71 Prozent der befragten Unternehmen dies bestätigten (vergleiche Collins/Fineman/Tsuchida 2017, S. 2). Eklatant fällt jedoch der Unterschied zum tatsächlichen Einsatz aus: Nur 22 Prozent gaben an, People Analytics tatsächlich in ihrem HR-Bereich zu nutzen. Wir haben uns gefragt, woran das liegt, und in einer Studie die erwarteten Chancen, die Hemmnisse und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implementierung eruiert (vergleiche Informationen zur Studie, S. 46). Zudem haben wir geschaut, was Unternehmen, die bereits People Analytics einsetzen, von denen, die es noch nicht tun, unterscheidet.

Die befragten Unternehmen, die People Analytics bereits einsetzen, schätzen die relativen Vorteile von People Analytics bedeutend höher ein, verfügen über ausgereiftere IT-Infrastrukturen und beschäftigen besser ausgebildete Mitarbeiter. Sie sind signifikant größer (verfügen über mehr Mitarbeiter und erwirtschaften höhere Jahresumsätze) als solche, die People Analytics noch nicht eingeführt haben, und erfahren bei dem Thema tendenziell mehr Unterstützung durch das Top-Management. Sie können auch die anfallenden Kosten eher rechtfertigen.

Auch die Studienteilnehmer, deren Unternehmen People Analytics noch nicht einsetzen, sind größtenteils vom Nutzen beziehungsweise Potenzial der Technologie überzeugt. Sie sind in diesem Zusammenhang beispielsweise insbesondere der Meinung, dass People Analytics dem HR Management hilft, seiner Rolle als Business Partner besser gerecht zu werden. Trotz der wahrgenommenen Vorteile führt jedoch eine Reihe von Gründen dazu, dass gerade mittelständische Unternehmen People Analytics nicht einführen. Zu diesen zählen zum einen die Kosten, zum anderen Bedenken seitens der Mitarbeiter und Arbeitnehmervertreter in Bezug auf Datenschutz und Persönlichkeitsrechte. Besonders als Hemmnisfaktoren hervorgehoben wurden fehlende Kompetenzen, eine ungenügende Datenbasis sowie mangelnde Unterstützung im Unternehmen.

People Analytics funktioniert nur mit abteilungsübergreifender Zusammenarbeit.

Kompetenzen

Ein häufig genannter Hinderungsgrund ist der Mangel an Kompetenzen im Personalbereich. Möchte ein Unternehmen People Analytics erfolgreich nutzen, benötigt es Mitarbeiter mit ganz bestimmten Fähigkeiten. Datenanalysen, die der Komplexität von People Analytics gerecht werden, erfordern fundierte Kenntnisse in statistischen Methoden. Hier jedoch hakt es gewaltig in den HR-Abteilungen. Laut unseren Studien bezweifeln drei von vier befragten Unternehmensvertretern die methodischen Kenntnisse der HR-Mitarbeiter hinsichtlich People Analytics und identifizieren fehlende Spezialisten als Hinderungsgrund. Ähnlich viele sind der Meinung, dass das Unternehmen nicht genug unternimmt, um die Kompetenzen der Mitarbeiter in Bezug auf People Analytics sicherzustellen beziehungsweise aufzubauen. Ähnliche Befunde haben Studien bereits vor einigen Jahren geliefert. So verfügte nach eigener Auskunft laut einer internationalen Studie zum Beispiel nur ein Drittel der HR-Mitarbeiter, die sich mit Analytics-Themen befassten, über Kenntnisse in multivariater Statistik (vergleiche Marler/Bourdeau 2017). Bezogen auf sämtliche HR-Mitarbeiter - auch solche, die nicht speziell für Analytics-Themen eingestellt worden waren - sank der Anteil auf verschwindend geringe drei Prozent. Selbst einfache Datenanalysen konnten von den meisten HR-Experten aufgrund fehlender Kompetenzen nicht durchgeführt werden (vergleiche Levenson 2011, S. 36).

Das Controlling kann mit seinen spezifischen methodischen Kenntnissen den HR-Bereich unterstützen.

Datenbasis

Neben fehlenden Kompetenzen wird als Hinderungsgrund auch die fehlende Datenbasis genannt. In vielen kleineren und mittelständischen Unternehmen werden die benötigten Personaldaten noch nicht systematisch erfasst. Laut Aussage unserer Umfrageteilnehmer verfügt der HR-Bereich dort über zu wenig Kapazität, um neben dem Tagesgeschäft die notwendige Datenbasis aufzubauen. Selbst HR Manager großer Unternehmen geben an, dass das Unternehmen sowie auch die IT-Landschaft und Datenerfassung noch nicht weit genug sind, um People Analytics einführen zu können. Daneben spielt hier der Faktor Datenschutz eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die datenschutzrechtlichen Vorgaben durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bei der Erfassung und Verarbeitung personenbezogener Daten zählen zu den größten Herausforderungen von HR-Verantwortlichen. Die Verwendung von personenbezogenen Daten im Rahmen von People Analytics ist mitbestimmungspflichtig, weshalb auch der Betriebsrat frühzeitig in eine mögliche Implementierung eingebunden werden sollte, um klare Spielregeln zu vereinbaren. Studienteilnehmer weisen zudem darauf hin, dass die Nutzung von People Analytics negative Effekte haben könnte, da sehr wahrscheinlich Unsicherheit und Angst vor Überwachung bei der Belegschaft auftreten würden.

People Analytics bedingt eine neue Kultur zukunftsweisender Zusammenarbeit zwischen Personal und Controlling.

Unterstützung

Insbesondere in mittelständischen Unternehmen fühlen sich HR-Verantwortliche mit dem Thema alleingelassen. Häufig fehlen das Verständnis für die Notwendigkeit und damit auch die Unterstützung seitens der Unternehmensführung. Als Hemmnisse besonders hervorgehoben werden auch die mangelnde Unterstützung anderer relevanter Abteilungen und eine fehlende Zusammenarbeit in diesem Bereich. Das führt unter anderem dazu, dass die für People Analytics notwendigen Prozesse nicht wirklich abgestimmt sind.

Controlling gefragt!

Der Einsatz von People Analytics erfordert sowohl ein fundiertes Wissen über personalwirtschaftliche Fragestellungen und Zusammenhänge als auch datenanalytische Fähigkeiten. Darauf weisen die befragten HR Manager in unserer Umfrage sehr deutlich hin. "People Analytics ist eine sehr gute Unterstützung, um aus ,gefühlten' Sachverhalten Fakten zu machen", fasst ein HR Manager zusammen und führt weiter aus: "Das Personal muss geschult sein in der Interpretation der Zahlen und darf gleichzeitig die unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen nicht außer Acht lassen. Denn da wir mit der Ressource ,Mensch' arbeiten, sind die Dinge nicht immer so schwarz-weiß, wie die Zahlen es manchmal erscheinen lassen."

Dieses hier angesprochene spezifische Wissen können reine Analysten oder Data Scientists nicht beisteuern, weshalb eine funktions- und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und Unterstützung geboten sind. Unsere Studie zeigt, dass sich HR Manager diese Unterstützung insbesondere aus dem Controlling wünschen. Dies verwundert nicht, da Personalkosten in vielen Unternehmen, insbesondere aus dem Dienstleistungssektor, den größten Kostenfaktor der Organisation ausmachen. Die Analyse und Bewertung dieses Kostenfaktors weist damit zwangsläufig Überschneidungen mit dem Aufgabengebiet des Controllings auf. Um den Zusammenhang zwischen Talenten, Kosten und Unternehmensergebnis zu erforschen und strategische Entscheidungen zu treffen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen HR und Controlling ratsam. Während die Hälfte der befragten HR-Vertreter beim Thema People Analytics bereits Unterstützung durch die IT-Abteilung erfährt, trifft dies im Hinblick auf Controlling-Unterstützung bisher nur auf ein Viertel der Unternehmen zu.

Schlussbetrachtung

HR und Controlling nehmen in Organisationen unterschiedliche Perspektiven ein und weisen keine Tradition in einer strategischen Zusammenarbeit auf. Damit HR Teams mit ihren Daten nicht nur beschreiben, was bereits passiert ist beziehungsweise gerade passiert, sondern zukünftige Entwicklungen voraussagen können, müssen die Einsichten und Beiträge der beiden Funktionsbereiche miteinander vernetzt werden.

Auch wenn abteilungsübergreifende Zusammenarbeit sehr herausfordernd sein kann - insbesondere wenn unterschiedliche Arbeitskulturen aufeinandertreffen: Der Wunsch nach einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen HR und Controlling ist vorhanden. Nun gilt es, sich gemeinsam auf zumeist unbekanntem Terrain voranzutasten, um das volle Potenzial von People Analytics für das eigene Unternehmen nutzbar zu machen.

Literatur

Collins, L./Fineman, D. R./Tsuchida, A. (2017): People Analytics - Recalculating the Route, Global Human Capital Trends, Deloitte Insights, February 28, 2017.

Levenson, A. (2011): Using Targeted Analytics to Improve Talent Decisions, in: People & Strategy, 34 (2), S. 34-43.

Marler, J. H./Bourdreau, J. (2017): An Evidence-based Review of HR Analytics, in: The International Journal of Human Resource Management, 28 (1), S. 3-26.

Rogers, E. M. (2003): Diffusion of Innovation, 5. Auflage, New York.

Zusammenfassung.

  • Der Nutzen von People Analytics wird von HR Managern tendenziell als hoch eingeschätzt, da er den Wertbeitrag von Personalarbeit für das gesamte Unternehmen sichtbar macht.

  • Kritische Entwicklungen im Personalbereich können aufgedeckt und zukünftige Entwicklungen prognostiziert werden.

  • Fehlende Unterstützung durch das Top-Management, Silodenken und mangelnde Kompetenzen erschweren die Implementierung.

Informationen zur Studie.

Ziel der Studie war es, hinsichtlich einer Reihe von Kriterien Unterschiede aufzudecken zwischen Unternehmen, die People Analytics nutzen, und denen, die People Analytics (noch) nicht anwenden. Gestützt auf die Erkenntnisse und Methoden der Forschung zum Technologie- und Innovations-Management (vergleiche Rogers 2003), wurde beim Studien-Design eine ganze Bandbreite von Faktoren wie etwa der wahrgenommene Vorteil, die Komplexität und Kompatibilität der Innovation berücksichtigt, die Einfluss darauf haben, ob und inwieweit People Analytics - verstanden als technologische Innovation - angenommen wird. Denn: Der wahrgenommene Nutzen einer technologischen Innovation übt starken Einfluss auf die Adoptionsentscheidung von Individuen und Organisationen aus.

Im Winter 2019 und Frühjahr 2020 wurden Vertreter von 44 Unternehmen aus dem HR-Bereich oder der Geschäftsführung nach Gründen und Hemmnissen bezüglich der Nutzung von People Analytics befragt. 17 dieser Unternehmen setzen People Analytics bereits ein, neun ziehen eine kurzfristige Implementierung in Betracht. Die Unternehmen kommen aus unterschiedlichen Branchen, wobei der Dienstleistungssektor überwiegt, und zählen größtenteils zum Mittelstand.

Biographies

Dr. Tanja Reimer

ist Direktorin am Jackstädt-Zentrum der Europa-Universität Flensburg und lehrt und forscht zu den Themenbereichen Organisationsentwicklung und Innovations-Management. E-Mail: tanja.reimer@uni-flensburg.degraphic file with name 12176_2020_340_Figb_HTML.jpg

Susanne Kreuscher

ist Junior Controller bei der Staples Deutschland GmbH & Co. KG und hat sich in ihrem Masterstudium an der Europa-Universität Flensburg auf die Schnittstelle zwischen Personal und Controlling spezialisiert. E-Mail: susanne.kreuscher@ staples-solutions.comgraphic file with name 12176_2020_340_Figc_HTML.jpg

Contributor Information

Tanja Reimer, Email: tanja.reimer@uni-flensburg.de.

Susanne Kreuscher, Email: susanne.kreuscher@staples-solutions.com.


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