Die COVID-19-Pandemie hat die Versorgung von Patienten mit Parkinson-Erkrankung dramatisch verändert - oft zum Leidwesen der Betroffenen. Die Umstellung auf Videosprechstunden dürfte auch nach dem Ende der Pandemie in Teilen erhalten bleiben.
Die Pandemie hat die Versorgung von Parkinson-Patienten mit Kontaktverboten und Ausgangsbeschränkungen schlagartig verändert. Ausgerechnet Bewegungstraining, soziale Kontakte, regelmäßige Tagesabläufe und Therapiekontrollen beim Arzt wurden erschwert oder zeitweise ganz eingestellt (siehe Die Pandemie schmerzt). Dabei seien sie integraler Bestandteil der Behandlung, betonte Prof. Dr. Claudia Trenkwalder von der Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel und Präsidentin der International Parkinson and Movement Disorder Society (IPMDS). Die geforderte multimodale Versorgung bei schwer betroffenen Patienten mit interdisziplinärer Beteiligung auch in der häuslichen Umgebung sei sowieso aufgrund der immer noch nicht gelungenen sektorenübergreifenden Versorgung nicht gut umgesetzt worden.
Hoffnung lag schon vor der Pandemie auf den digitalen Möglichkeiten der Vernetzung. Das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DGV) und die erstmalig rückfinanzierten digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) sollten innovative digitale Versorgungs- und Kommunikationsstrukturen etablieren. Die Pandemie hat den digitalen Wandel in der Versorgung von Parkinson-Patienten beschleunigt, ob in Form der Videosprechstunde, des Telekonsils, des technologieunterstützenden Telemonitorings oder durch neue Apps für Patienten.
Videosprechstunde: Akzeptanz scheint gut
In den USA zeigte sich, dass Patienten mit einer Parkinson-Erkrankung der Videosprechstunde in Pandemiezeiten insgesamt aufgeschlossener gegenüberstehen als so mancher Hausarzt. Diese scheuten den Befragungen zufolge vor allem mögliche technische Schwierigkeiten. Die hält Trenkwalder aber für lösbar (Tab. 1; nach Vortrag C. Trenkwalder).
— Zertifizierten Software-Anbieter wählen — Bei zuständiger Kassenärztlicher Vereinigung Antrag für Videosprechstunden stellen — Strategie für technischen Check-up ausarbeiten (Medizinische Fachangestellte testet beispielsweise vorab die Verbindung) — Technisches Backup — Videoplatz und Internet optimieren, zum Beispiel für eine gute Beleuchtung und gute Audiobedingungen (rauscharmes Mikrofon, gute Audiowiedergabe) sorgen — Rezepte, Briefe, Abrechnungen wie in ambulanter Sprechstunde ausführen — Medikationspläne gegebenenfalls per E-Mail oder Post zusenden |
Die Patienten wünschten sich vorrangig die Videosprechstunde mit einem Experten [Larson DN et al. J Parkinsons Dis 2021; doi: 10.3233/JPD-202381. Online ahead of print]. Zusätzliche Experten-Videosprechstunden seien in einer älteren randomisierten kontrollierten Studie allerdings trotzdem nicht mit einer besseren Lebensqualität der Parkinson-Patienten nach sechs Monaten assoziiert gewesen, ergänzte Trenkwalder [Beck CA et al. Neurology 2017;89:1152-61].
Chancen und Probleme der Videosprechstunde
In der zweiten Welle sind die Videosprechstundenzahlen in Deutschland, wie in der ersten Welle, wieder stark angestiegen, nachdem sie im Sommer 2020 zurückgegangen waren. Einiges lasse sich durchaus gut via Videokonferenz beurteilen. Die Hypomimie könne beispielsweise rasch erfasst werden, meinte Trenkwalder. Allerdings beeinflussten die Distanz zur Kamera, die Internetqualität sowie die Qualität und die Position der Kamera erheblich den Eindruck. Typischerweise unterschätzt würden die Bradykinese oder der Tremor der unteren Extremität, und nicht untersuchbar seien Rigor oder posturale Stabilität. "Lassen sie die posturale Stabilität bloß nicht von den Angehörigen testen, das ist ein viel zu hohes Risiko", empfahl Trenkwalder.
Die Evaluierung von Endpunkten für Studien sei per Video andererseits gar nicht möglich: Es gebe bisher keine validierten Studienendpunkte für diese Situation, keine einheitlichen Vorschriften für Schutzvorkehrungen und die Sponsoren seien in diesem Rahmen nicht zur Kostenübernahme bereit, berichtete Trenkwalder.
Bewegungstherapie aufrechterhalten
Die Pandemie habe außerdem auch dazu geführt, dass Physiotherapien teilweise nicht mehr durchgeführt wurden, die Patienten überwiegend zuhause blieben und sich ihre körperliche Aktivität deutlich reduziert habe. Sie nahmen auf diese Weise die Verschlechterung der Erkrankung vorweg, erläuterte Trenkwalder. Die deutlich verringerte Durchführung der Bewegungstherapien hat zu einer Zunahme von motorischen und nicht motorischen Symptomen geführt [Song J et al. Parkinsonism Relat Disord 2020;80:148-51]. Die Aufrechterhaltung einer Bewegungstherapie ist daher auch in Pandemiezeiten wesentlich. Mithelfen sollten dabei laut Trenkwalder virtuelle Therapieanleitungen für zuhause. Entsprechende Angebote gebe es als DVD, App oder Internetvideo (siehe Virtuelle Therapieanleitungen für Zuhause). Ihr Appell lautet: "Fordern Sie alle Patienten dazu auf!"
Stationäre Therapie: Es droht die Isolation
An die stationäre Ärzteschaft gerichtet forderte Trenkwalder während der Pandemie eine transparente Darstellung der Bedingungen der multimodalen Therapie in der Klinik. Auf kaum einer Homepage sei das eindeutig dargestellt. Die soziale Deprivation durch Besuchsverbote und Aktivitäten, die höchstens in kleinen Gruppen stattfinden dürfen, könnten von Patienten als sehr belastend empfunden werden. Trenkwalder führte dazu aus, dass an ihrer Klinik teilweise Angehörige mit aufgenommen würden, um dem zu begegnen, insbesondere, wenn die Patienten kognitive Einschränkungen oder Parkinson-Psychosen hätten.
Symposium S-01 digital Bewegungsstörungen und COVID-19 am 4.3.2021 anlässlich der virtuellen Veranstaltung: Parkinson und Bewegungsstörungen - Highlights Digital, 4.-5.3.2021
Die Pandemie schmerzt.
Der Lockdown wegen der COVID-19-Pandemie führte bei Patienten mit Dystonie und Spastik in Deutschland zu einer erheblichen Verlängerung der Intervalle von Botulinumtoxin-Injektionen um sechs bis sieben Wochen [Dressler D Saberi FA. J Neural Transm (Vienna) 2020;127:1271-4]. Die Folge seien vermehrte Muskelkrämpfe und Muskelschmerzen und eine klar reduzierte Lebensqualität gewesen, berichtete Prof. Dr. Jörg Müller vom Vivantes-Klinikum Spandau. Da verwundert es nicht, dass 98 % der Patienten die Lockdown-Maßnahmen als inadäquat empfanden und ihre Patientenrechte nicht respektiert sahen.
Ein Gutes in der Misere gab es aber schon, meinte Müller: Der Stellenwert der Botulinumtoxin-Therapie werde wieder viel stärker geschätzt.
Virtuelle Therapieanleitungen für zuhause.
DVDs der Deutschen Parkinson Vereinigung e. V. http://parkinson-hilfen.de/dvd/
MOVE-App des Neurologischen Fachkrankenhauses für Bewegungsstörungen/Parkinson Beelitz https://www.parkinson-beelitz.de/parkinson-infos/moveapp.html
Videos auf der Homepage der Paracelsus-Elena-Klinik Kassel https://www.paracelsus-kliniken.de/bewegung-fuer-zuhause/