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editorial
. 2021 Apr 16;32(4):3. [Article in German] doi: 10.1007/s15016-021-9127-4

Gesundheitspolitik und medizinische Versorgung - nah und doch fern

Klaus Gehring 1,
PMCID: PMC8039810

Zu kaum einer anderen Zeit waren Gesundheitsbehörden und niedergelassene Praxen so auf einander angewiesen wie in der aktuellen Pandemie. Gleichzeitig gibt es in der jüngeren Vergangenheit aber auch keinen Zeitpunkt, an dem die unterschiedlichen Schwerpunkte offensichtlicher waren. Wie für viele andere Bereiche gilt auch hier: COVID-19 arbeitet Konturen und Abgrenzungen wie eine Art Brennglas heraus.

Verantwortung übernehmen

Als Ärzte übernehmen wir jeden Tag Verantwortung für jeden einzelnen unserer Patienten. Wir beraten mit fachlicher Kompetenz und Erfahrung, versuchen, die Betroffenen im Rahmen eines "shared decision making" in die Entscheidung einzubinden, um in diesem individuellen Einzelfall zur optimalen therapeutischen Lösung zu kommen. Dabei sind auch Fähigkeiten in der Gesprächsführung gefordert. Gezielt setzen wir immer wieder auch ein Stilmittel ein: die Droge Arzt.

Gesundheitspolitiker hingegen übernehmen Verantwortung für das Gemeinwohl, für das Wohlergehen und die Gesundheit der gesamten Gesellschaft. Bis auf wenige Ausnahmen verfügen sie nicht über eigene medizinische Expertise. Sie benötigen kluge ärztliche und wissenschaftliche Ratgeber, um Inhalt, Art und Umfang der jeweiligen Aufgaben und Probleme zu erfassen. Nach dieser Aufarbeitung werden von ihnen Analysen, Lösungen und konkrete Maßnahmen erwartet. Dabei sind es oft auch negative Botschaften, Einschränkungen und Risiken, die vermittelt werden müssen. Als "Leitplanken" des Handels eines Gesundheitspolitikers dürfen gelten: Seine Entscheidungen müssen unbeeinflusst von einer "Stallorder" der Partei oder Fraktion sein, ebenso wenig nach dem eigenen Vorteil oder Ansehen ausgerichtet. Er muss unterschiedliche Positionen zusammenführen, darf nicht einer einzelnen Meinung oder Empfehlung folgen. Vor allem darf er sich nicht hinter den Expertenmeinungen verstecken, auch wenn dies als einfachster und vermeintlich sicherster, gesichtswahrendster Lösungsansatz erscheint.

Wo nötig, Praxen ebenfalls stützen

Ärzte in niedergelassenen Praxen haben in der Pandemie geleistet, was von ihnen erwartet wurde: Sie haben Abstands- und Hygienemaßnahmen erstellt und umgesetzt, die Praxisorganisation umstrukturiert, damit Versorgung aufrechterhalten werden konnte und Kliniken entlastet wurden. Angesichts möglicher Honorarverluste hat der Gesetzgeber einen Rettungsschirm versprochen, der nur allerdings im ersten Quartal 2021 droht, in die Verantwortung der ärztlichen Selbstverwaltung zurückgegeben zu werden. Gerade wenn es im gesamten medizinischen Versorgungssystem darum geht, intensivmedizinische Kapazitäten frei zu halten, darf aber der finanzielle Ausgleich nicht zwischen den Sektoren trennen und es müssen Praxen im Einzelfall ebenso gestützt werden wie zuvor Kliniken.

Nachholbedarf in Sachen guter Kommunikation

Niedergelassene Ärzte dürfen sich zu Recht als Experten in der Kommunikation mit ihren Patienten bezeichnen. Besonders vor diesem Hintergrund sind die vielfältigen Kommunikationsfehler des Bundesgesundheitsministeriums nur schwer nachzuvollziehen und zu ertragen. In einer Pandemie, für die doch der einzige sichtbare Ausweg in einer möglichst hohen Rate von Geimpften besteht, wurden plötzlich wissenschaftliche Diskurse um Wirksamkeiten unterschiedlicher Impfstoffe in die Öffentlichkeit getragen und der Eindruck eines Impfens erster und zweiter Klasse vermittelt. Danach wurde der mühsam wiederhergestellten Impfbereitschaft der Bevölkerung der "Todesstoß" versetzt, indem angesichts seltener Nebenwirkungen noch vor Abschluss der Prüfung eines ursächlichen Zusammenhanges aus Angst vor Fehlern die Impfung mit einem der Impfstoffe komplett ausgesetzt wurde. All das trägt nicht zur Akzeptanz der Impfstrategie bei, die Menschen fühlen sich unsicher, nicht mitgenommen, von "shared decision making" ganz zu schweigen. Hier besteht beträchtlicher Nachholbedarf in der öffentlichen Performance. Als erfahrene Nervenärzte stehen wir für Beratungen bereit.

Bleiben Sie gesund, lassen Sie sich impfen und impfen Sie selbst, zum Wohle Ihrer Patienten.

Ihr

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