Skip to main content
Springer Nature - PMC COVID-19 Collection logoLink to Springer Nature - PMC COVID-19 Collection
. 2021 May 21;18(5):44–45. [Article in German] doi: 10.1007/s11298-021-2001-7

Mit Corona für den Klimaschutz

Ivo Grebe 1,
PMCID: PMC8097131  PMID: 33967671

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Rückblick: Womit haben sich Internist:innen in den letzten Wochen und Monaten beschäftigt? Die Antwort mag individuell unterschiedlich ausfallen, dürfte aber für die in der Patientenversorgung beschäftigen Kolleg:innen unisono lauten: Wir haben von morgens bis abends nur "Corona" gehört, Corona-Schutzvorschriften umgesetzt, die Impfzentren aufgebaut, in den Krankhäusern und Praxen Patienten getestet, Covid-19-Pneumonien diagnostiziert, auf Intensivstationen Covid-19-Erkrankte behandelt und die Impfkampagne aktiv unterstützt. Einige haben darüber hinaus mehr geleistet, als freiwillige Helfer ehrenamtliches Engagement gezeigt, sich in den Körperschaften als Leiter:innen von Impfzentren und von Impfteams eingebracht und auf regionaler Ebene das öffentliche Gesundheitswesen unterstützt. Die meisten könnten den Satz eines Bürgermeisters einer saarländischen Kleinstadt für sich reklamieren: "Ich mache am Tag acht Stunden Corona und zwei, drei Stunden den Rest."

Dabei dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, worin die künftigen Herausforderungen unseres Gesundheitssystems bestehen. Der Deutsche Ärztetag 2021 - geplant als Hybridveranstaltung in Rostock, durchgeführt als zweitägige Online-Veranstaltung Anfang Mai - hatte erneut das wichtige Thema "Klima und Gesundheit" auf die Agenda gesetzt. Laut "Lancet Countdown" ist der Klimawandel die größte Bedrohung für unser Gesundheitssystem in diesem Jahrhundert. Nach übereinstimmender Auskunft der Infektiologen ist diese kühne Behauptung durchaus richtig. Nur, was hat das mit Corona zu tun? Die weltweite Verbreitung eines Virus hat deutlich gemacht, wie verwundbar unsere gesellschaftlichen Strukturen sind und wie wichtig ein gut funktionierendes Gesundheitssystem ist. Gerne hätten wir uns eine ausführliche Diskussion auf dem Ärztetag gewünscht, gute Referenten und umfassende Informationen. Dass dieser Diskurs ausgebremst wurde, ist zum größten Teil der Pandemie geschuldet. Monatelanger Lockdown und die Fokussierung auf die Bewältigung der Corona-Krise haben dabei Diskussionen zum Thema Klimaerwärmung und deren Folgen in den Hintergrund treten lassen. Allerdings muss man der Virus-Power eines lassen - der Corona-Effekt ist klimafreundlich: Mitte März verkündeten Medien, Deutschland habe sein Klimaziel 2020 erreicht, es wurden 70 Millionen Tonnen weniger Treibhausgase freigesetzt als 2019.

Das klingt zunächst gut, aber was bedeutet das für den Einzelnen, für unsere Tätigkeit als Internist:in Klinik und Praxis? Ein kleines Beispiel: Wieder einmal tagte der regionale Krisenstab aus Vertreter:innen von Stadt, ÖGD, Feuerwehr und Ärzt:innen, diesmal im neu eröffneten Impfzentrum. Ein Kollege traf etwas verspätet ein, musste sich erst aus seinen Fahrradklamotten schälen und die Satteltaschen in die Ecke stellen, um sich dann mit Abstand und Maske zu uns zu setzen. Er komme gerade von einem Hausbesuch, nach der Besprechung fahre er die 15 Kilometer mit dem Rad nach Hause. Wenn irgend möglich, mache er das immer so, er wolle bei einer 50-Stundenwoche in der Praxis fit bleiben. Bewunderung und Respekt tauchten in mir auf, verlegen und etwas nachdenklich tastete ich nach dem Autoschlüssel in meiner Jackentasche...

"Think global - act local" dieses Motto ist für Klimaschützer essenziell. Das bedeutet: Klimaschutz fängt bei mir persönlich an, dem Verhalten in meinem unmittelbaren Umfeld, am Arbeitsplatz, in der Praxis, im Krankenhaus. Das Modell einer klimaneutralen Praxis ist keine Utopie, mit der Umsetzung kann schon heute begonnen werden. Verwendung recyclebarer Materialien, Müllvermeidung und -trennung, Verzicht auf Klimaanlagen, Reduktion von Einmalartikeln, Einsatz digitaler Kommunikation, Verzicht auf Druckerpapier, energiearme Beleuchtung - die Liste ließe sich beliebig fortsetzten. Dazu gehört auch die eigene Fortbewegung, der Einsatz des E-Bikes zum Pendeln zwischen Wohnung und Arbeitsplatz und bei Hausbesuchen.

Klingt alles sehr idealistisch? Mag sein, aber wenn uns die Corona-Pandemie eines gelehrt hat, dann dies: Nur durch Kreativität und neue Ideen finden wir einen Weg aus dem Krisenlabyrinth, können wir unser (Über)leben sichern. Dazu gehört neben dem Gesundheitsschutz vor allem der Klimaschutz, denn das eine ist ohne das andere nicht möglich. Wir Internist:innen sollten uns gemeinsam mit allen Kolleg:innen diesen Herausforderungen stellen, in die Zukunft blicken und vor der eigenen Haustür anfangen, bevor es zu spät ist.

Ihr

graphic file with name 11298_2021_2001_Fig1_HTML.jpg

Dr. med. Ivo Grebe

Vorsitzender der AG Hausärztliche Internistinnen und Internisten des BDI


Articles from CME (Berlin, Germany) are provided here courtesy of Nature Publishing Group

RESOURCES