Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der BDI hat Sie in den vergangenen Monaten durch die verschiedenen Stadien der COVID-19-Pandemie begleitet. Es begann mit den Forderungen nach ausreichender Schutzausrüstung schon im März 2020. Wir erinnern uns alle, wie wir ohne Schutzausrüstung unsere Patientinnen und Patienten versorgt haben. Das hat bei vielen Kolleginnen und Kollegen zu COVID-19-Erkrankungen geführt - leider nicht immer mit guten Verläufen. Hinzu kam zu diesem Zeitpunkt der Wunsch einiger Bundesländer, Ärzte und Ärztinnen zu bestimmten Tätigkeiten zu verpflichten. Dem haben wir uns entschieden entgegengestellt. Als im April 2020 die Maskenpflicht im Einzelhandel eingeführt wurde, haben wir diese umgehend auch in Arztpraxen und Krankenhäusern gefordert. Es folgten unsere Stellungnahmen zu den stationären und ambulanten Rettungsschirmen, aber auch die erfolgreiche Intervention beim Kurzarbeitergeld für Kliniken und Praxen, deren Einnahmen je nach Struktur in der Pandemie eingebrochen waren.
Im September folgte dann die Kritik an dem vollkommen unzureichenden Schiedsspruch des Erweiterten Bewertungsausschusses zu den Honorarverhandlungen. Das Honorarplus hat es weder ermöglicht, ausreichend Coronaprämien an unsere Medizinischen Fachangestellten auszuzahlen, die in dieser Pandemie wirklich stark gefordert waren, noch die notwendigen Hygienemaßnahmen in den Praxen zu finanzieren. Ähnliche Probleme der Finanzierung der Hygienekosten ergaben sich im Bereich der Privaten Krankenversicherung. Die Hygienepauschale A245 wurde im Herbst vom 2,3-fachen Satz auf den einfachen Satz reduziert. Ein Systembruch im Bereich der GOÄ, der nichts Gutes für die weiteren Verhandlungen mit der PKV ahnen lässt. Der BDI hat sich auf allen Ebenen für die ausreichende Finanzierung des Mehraufwandes der notwendigen Hygienemaßnahmen eingesetzt.
Und dann kamen die Corona-Impfungen, die anfangs aufgrund des Impfstoffmangels und der Notwendigkeit der Priorisierung ausschließlich in teuren Impfzentren durchgeführt wurden. Auch hier hat eine Mitgliederbefragung sehr früh ergeben, dass es eine große Bereitschaft gab, in den Praxen zu impfen. Von Beginn an haben wir jedoch eine deutliche Reduktion der Bürokratie gefordert. Aktuell haben wir gesehen, wie der "Impfturbo" mit Start der Impfungen in den haus- und fachärztlichen Praxen gezündet werden konnte. Eine aktuelle Umfrage bestätigt aber, dass das Hauptproblem weiterhin der bürokratische Aufwand ist. Während die meisten Kolleginnen und Kollegen für eine Grippeimpfung weniger als fünf Minuten veranschlagen, dauert eine COVID-19-Impfung bei mehr als 75% der Kolleginnen und Kollegen mehr als zehn Minuten. Neben der Dokumentation spielt dabei die Auswahl der Patientinnen und Patienten anhand der Priorisierung eine große Rolle. In welcher Praxis haben in den letzten Wochen Mitarbeiter*innen nicht stundenlang am Telefon gesessen, um die entsprechenden Patientinnen und Patienten zu informieren? Gerade in der Prioritätsgruppe 1 waren die meisten schon geimpft, sodass die Ausbeute eher gering war. Mit ausreichend Impfstoff und ein bisschen mehr Flexibilität bezüglich der Priorisierung können die Praxen noch mehr Impfungen durchführen. Ich möchte damit nicht falsch verstanden werden, gerade in den Zeiten des sehr knappen Impfstoffes war es notwendig, die vulnerablen Gruppen zuerst zu impfen! Aber ein bisschen mehr Zutrauen gegenüber den Hausärztinnen und Hausärzten wäre sinnvoll gewesen. Wir kennen unsere Patientinnen und Patienten mit ihren individuellen Risiken, die sich nicht immer in ein Schema pressen lassen. Unverständlich bleibt, warum die Impfung in der Praxis nur mit einem Zehntel der Kosten einer Impfung im Impfzentrum honoriert wird. Um endlich der Pandemie Herr zu werden, ist es dringend erforderlich, auch Privatärztinnen und -ärzten die Impfung zu erlauben und baldmöglichst die Betriebsärztinnen und -ärzte einzubeziehen.
Ihre
Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin des BDI