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. 2021 Jul 15;169(8):684–685. [Article in German] doi: 10.1007/s00112-021-01261-2

Gesundheitliche Folgen exzessiver Smartphone-Verwendung bei Jugendlichen

Health consequences of excessive smartphone use in adolescents

Peter Voitl 1,
PMCID: PMC8280997  PMID: 34305178

Originalpublikation

Wacks Y, Weinstein AM (2021) Excessive smartphone use is associated with health problems in adolescents and young adults. Front Psychiatry. 12:669042. 10.3389/fpsyt.2021.669042.

Der Gebrauch von Smartphones hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten enorm zugenommen und ist v. a. für Jugendliche zu einer wesentlichen basalen sozialen Fertigkeit und Kommunikationsbasis geworden. Smartphones werden für verschiedene Zwecke wie Spiele, Social Network Services oder das Ansehen von (nicht immer altersgemäßen) Videoclips verwendet. Die Abgrenzung zum pathologischen Gebrauch im Sinne einer Smartphone-Sucht ist jedoch nicht klar definiert, und es ist unklar, ab wann eine übermäßige Smartphone-Verwendung als Suchtverhalten einzustufen ist. So gibt es derzeit auch noch keinen Code dafür im Klassifizierungssystem ICD-10, und es besteht ein fließender Übergang zur Internetabhängigkeit, weshalb häufig die Bezeichnung Mobile and Internet Dependency Syndrome (MAIDS) Verwendung findet.

Damit eng verbunden sind auch andere neu eingeführte Begriffe für dieses Phänomen wie FOMO („fear of missing out“), die nahezu zwangsartige Angst davor, ein spannendes, interessantes Ereignis zu verpassen, sowie die Nomophobie („no mobile phobia“), bei der es sich im Grunde genommen um die Trennungsangst vom Smartphone handelt. Interessant dabei ist, dass es häufig weniger darum geht, selbst aktiv zu kommunizieren, als vielmehr das Bedürfnis zu verspüren, jederzeit erreichbar zu sein.

Insgesamt muss aber festgestellt werden, dass es bislang nur sehr wenige belastbare Daten zum pathologischen Gebrauch von Smartphones und dessen Folgen gibt. Die vorliegende Arbeit möchte nun einen Überblick über die Evidenz der Effekte eines exzessiven Smartphone-Gebrauchs auf die physische und psychische Gesundheit bei Jugendlichen geben.

Zusammenfassung der Studie

Im Rahmen dieser Auswertung wurde eine Suche in PubMed und Web of Science mit den Suchbegriffen „excessive smartphone use“ and „smartphone addiction“ im Februar 2021 durchgeführt, und 84 englischsprachige Publikationen wurden in die Auswertung einbezogen.

Dabei wurden Komorbiditäten mit Depression, Angst, Zwangsstörung, ADHS und Alkoholkonsumstörung festgestellt. Übermäßige Smartphonenutzung ist mit Schwierigkeiten bei der kognitiven Emotionsregulation, Impulsivität, beeinträchtigten kognitiven Funktionen und geringem Selbstwertgefühl verbunden. Zu den körperlichen Beeinträchtigungen zählen Schlafstörungen, verminderte körperliche Fitness, ungesunde Essgewohnheiten, Schmerzen und Migräne. Veränderungen des Volumens der grauen Substanz des Gehirns im Frontalhirn wurden in der MRT nachgewiesen.

Die Autoren schließen mit der Folgerung, dass die übermäßige Nutzung von Smartphones mit beeinträchtigten kognitiven Funktionen und psychischen Problemen in Verbindung gebracht werden kann, die als Alarmsignale für Ärzte, Psychologen und Pädagogen gelten sollten.

Kommentar

Es ist erstaunlich, dass es zu dieser außerordentlich weitverbreiteten Nutzung von Smartphones nur sehr wenige aussagekräftige Studien und belastbare Daten gibt. In dieser Übersichtsarbeit gibt es sehr deutliche Hinweise darauf, dass es sich dabei durchaus um relevante Beeinträchtigungen der physischen und psychischen Gesundheit handeln kann.

So ist es bemerkenswert, dass selbst die Prävalenz etwa der Nomophobie nicht bekannt ist. Eine Übersichtsarbeit [1] hat festgestellt, dass es eine bedeutende Diskrepanz bei den Daten gibt, die Prävalenz wird mit Werten zwischen von 6 % und 73 % angegeben. Innerhalb der Gruppe der Nomophoben variieren die mittelschweren Fälle zwischen 25,7 % und 73,3 % und die schweren Fälle zwischen 1 % und 87 %. Diese Diskrepanz ist auf unterschiedliche Bewertungskriterien zurückzuführen, diese verdeutlichen jedoch den Bedarf für eine präzise Definition und weitere Studien zu diesem Thema.

Daher sind derzeit noch viele Fragen offen, so etwa welche Risikofaktoren es für den pathologischen Gebrauch von Smartphones gibt und ab wann und unter welchen Kriterien man von einer Abhängigkeit im Sinne einer Sucht sprechen kann. Darüber hinaus bleibt es offen, ob es nicht gerade jene Kinder und Jugendlichen sind, die bereits eine vorbestehende psychische Auffälligkeit hatten und infolgedessen und vielleicht im Sinne einer Selbsttherapie zu einem exzessiven Gebrauch dieser Technologie neigen. Es ist zu vermuten, dass es, bedingt durch die COVID-19-Pandemie, zu einer Verstärkung dieser Problematik gekommen sein könnte, da der Lockdown direkte Begegnungen über eine längere Zeit sehr stark eingeschränkt hatte.

Jedenfalls aber wird es unsere Aufgabe als Kinder- und Jugendärzte sein, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu widmen und sowohl die Eltern als auch die Jugendlichen selbst auf Beschwerden im Zusammenhang mit einem intensiven Gebrauch der Smartphones anzusprechen.

Es wird wesentlich sein, die Grundlagen eines psychohygienischen Umgangs mit dem Smartphone ausreichend zu kommunizieren. Dazu gehört es unter anderem, alle Push-Nachrichten zu deaktivieren, akustische Benachrichtigungen bei Social Media zu deaktivieren, das Gerät in der Nacht abzuschalten und so die Aufmerksamkeit zu reduzieren, die das Smartphone einfordert. Der Nutzer sollte bestimmen, wann er zum Smartphone greifen möchte, und es sollte nicht umgekehrt das Handy durch stetige Signale die Aufmerksamkeit des Nutzers regelmäßig an sich ziehen. Bei Zeichen eines pathologischen Gebrauchs sollte möglichst frühzeitig das Gespräch gesucht und evtl. professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.

Interessenkonflikt

P. Voitl gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Footnotes

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Literatur

  • 1.León-Mejía AC, Gutiérrez-Ortega M, Serrano-Pintado I, González-Cabrera J. A systematic review on nomophobia prevalence: surfacing results and standard guidelines for future research. PLoS ONE. 2021;16(5):e0250509. doi: 10.1371/journal.pone.0250509. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]

Articles from Monatsschrift Kinderheilkunde are provided here courtesy of Nature Publishing Group

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