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. 2021 Aug 10;64(9):1093–1106. [Article in German] doi: 10.1007/s00103-021-03394-x

Die verschiedenen Phasen der COVID-19-Pandemie in Deutschland: Eine deskriptive Analyse von Januar 2020 bis Februar 2021

The different periods of COVID-19 in Germany: a descriptive analysis from January 2020 to February 2021

Julia Schilling 1,, Kristin Tolksdorf 1, Adine Marquis 1, Mirko Faber 1, Thomas Pfoch 1, Silke Buda 1, Walter Haas 1, Ekkehard Schuler 2, Doris Altmann 1, Ulrike Grote 1, Michaela Diercke 1; RKI COVID-19 Study Group
PMCID: PMC8353925  PMID: 34374798

Abstract

Am 27.01.2020 wurde in Deutschland der erste Fall mit einer SARS-CoV-2-Infektion diagnostiziert. Für die Beschreibung des Pandemieverlaufs im Jahr 2020 wurden 4 epidemiologisch verschiedene Phasen betrachtet und Daten aus dem Meldesystem gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) sowie hospitalisierte COVID-19-Fälle mit schwerer akuter respiratorischer Infektion aus der Krankenhaus-Surveillance eingeschlossen.

Phase 0 umfasst den Zeitraum von Kalenderwoche (KW) 5/2020 bis 9/2020, in dem vor allem sporadische Fälle <60 Jahre und regional begrenzte Ausbrüche beobachtet wurden. Insgesamt wurden 167 Fälle übermittelt, die vorwiegend mild verliefen. Dem schloss sich in Phase 1 (KW 10/2020 bis 20/2020) die erste COVID-19-Welle mit 175.013 Fällen im gesamten Bundesgebiet an. Hier wurden vermehrt Ausbrüche in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie ein zunehmender Anteil an älteren und schwer erkrankten Personen verzeichnet. In Phase 2, dem „Sommerplateau“ mit eher milden Verläufen (KW 21/2020 bis 39/2020), wurden viele reiseassoziierte COVID-19-Fälle im Alter von 15–59 Jahren und einzelne größere, überregionale Ausbrüche in Betrieben beobachtet. Unter den 111.790 Fällen wurden schwere Verläufe seltener beobachtet als in Phase 1. Phase 3 (KW 40/2020 bis 8/2021) war gekennzeichnet durch die zweite COVID-19-Welle in Deutschland, die sich zum Jahresende 2020 auf dem Höhepunkt befand. Mit 2.158.013 übermittelten COVID-19-Fällen und insgesamt deutlich mehr schweren Fällen in allen Altersgruppen verlief die zweite Welle schwerer als die erste Welle. Unabhängig von den 4 Phasen waren v. a. Ältere und auch Männer stärker von einem schweren Krankheitsverlauf betroffen.

Schlüsselwörter: Pandemie, SARS-CoV‑2, Epidemiologie, Meldesystem, Syndromische Surveillance

Einleitung

Das neuartige Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) wurde Ende Dezember 2019 erstmals in Wuhan, China entdeckt und breitete sich innerhalb weniger Wochen weltweit aus. Am 27.01.2020 wurde der erste Fall mit einer SARS-CoV-2-Infektion in Deutschland diagnostiziert [1], bis zum Mai 2021 wurde Deutschland dann von insgesamt 3 COVID-19-Wellen erfasst. Der folgende Artikel hat das Ziel, Daten aus verschiedenen Surveillance-Systemen zu kombinieren, um einen umfassenden Überblick zum Verlauf der COVID-19-Pandemie bis zum Ende der zweiten Welle zu geben. Hierbei werden sowohl die geografische Ausbreitung als auch die Demografie der Fälle und die Krankheitsschwere im zeitlichen Verlauf und im Kontext der infektionshygienischen Maßnahmen betrachtet. Zudem werden die beiden ersten COVID-19-Wellen in Deutschland verglichen.

Methoden

Das COVID-19-Geschehen in Deutschland wird retrospektiv in 4 Phasen dargestellt:

  • Phase 0 (Auftreten sporadischer Fälle): Kalenderwoche 5/2020 bis 9/2020,

  • Phase 1 (erste COVID-19-Welle): Kalenderwoche 10/2020 bis 20/2020,

  • Phase 2 (Sommerplateau): Kalenderwoche 21/2020 bis 39/2020

    (Phase 2a: 21/2020 bis 30/2020 und Phase 2b: 31/2020 bis 39/2020),

  • Phase 3 (zweite COVID-19-Welle): Kalenderwoche 40/2020 bis 8/2021.

Die Abgrenzung der Phasen erfolgte anhand verschiedener epidemiologischer Parameter und wurde bereits an anderer Stelle ausführlich beschrieben [2]. Basierend auf diesem Vorgehen wurde das Ende der Phase 3 (zweite Welle) in Kalenderwoche (KW) 8/2021 festgelegt.

Es wurden die an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelten Fälle gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) entsprechend der RKI-Referenzdefinition [3] mit Datenstand 11.05.2021 betrachtet. In einer Analyse der Krankheitsschwere zur ersten COVID-19-Welle [4] hat sich herausgestellt, dass der Anteil intensivpflichtiger Fälle in den Meldedaten unterschätzt wird. Für ein vollständigeres Bild der kritischen Fälle wurden daher die ICD-10-code-basierten Daten zu hospitalisierten COVID-19-Fällen (COVID-SARI-Fälle) aus der Krankenhaus-Surveillance ICOSARI mit gleichem Datenstand herangezogen [5, 6].

COVID-19-Fälle aus dem Meldesystem gemäß Infektionsschutzgesetz

Der direkte oder indirekte Nachweis von SARS-CoV‑2 sowie der Krankheitsverdacht, die Erkrankung und der Tod in Bezug auf eine Coronaviruskrankheit-2019 (COVID-19) sind nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig [3]. Die folgende Analyse basiert auf allen Fällen, die der Referenzdefinition (Nachweis von SARS-CoV‑2 mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) oder Kultur, unabhängig von der Art der klinischen Symptomatik [3]) des RKI entsprechen und die von den Gesundheitsämtern über die Landesgesundheitsbehörden an das RKI übermittelt wurden. Es wurden alle Fälle mit einem Meldedatum zwischen Meldewoche (MW) 5/2020 und 8/2021 sowie einer Angabe zum Alter berücksichtigt. Gemäß § 11 IfSG müssen auch Krankheitshäufungen von COVID-19 an das RKI übermittelt werden. Je nach regionaler Ausbreitung werden Ausbrüche entweder im Gesundheitsamt oder auf Bundesland- bzw. Bundesebene zu einem größeren Ausbruchsgeschehen zusammengefasst. In der folgenden Auswertung wurde die Anzahl der Ausbrüche (mit mindestens 2 Fällen) auf der jeweils höchsten Ausbruchsebene betrachtet [7]. Als wahrscheinliche Infektionsumfelder der Ausbrüche wurden die häufigsten Ausbruchssettings angegeben [8].

Meldungen aus dem Krankenhaus-Sentinel (ICOSARI)

Im Rahmen der seit 2015 bestehenden wissenschaftlichen Kooperation mit der HELIOS Kliniken GmbH hat das RKI ein kontinuierliches syndromisches Sentinel-Krankenhaus-Surveillance-System für schwere akute respiratorische Infektionskrankheiten (SARI) aufgebaut [5]. Das Sentinel umfasst dabei etwa 6 % aller Krankenhausfälle in Deutschland [9]. Im Rahmen dieses Systems werden anonymisiert Daten von stationär aufgenommenen Patienten erhoben (ICOSARI: ICD-10-code-basierte Krankenhaus-Surveillance schwerer akuter respiratorischer Infektionen). Dabei wurden COVID-SARI-Fälle definiert als Fälle mit einem Labornachweis für SARS-CoV‑2 (ICD-10-Code U07.1!: COVID-19, Virus nachgewiesen) sowie einer SARI (ICD-10-Codes J09–J22: Influenza sowie akute respiratorische Erkrankungen der unteren Atemwege). Für die deskriptive Analyse wurden COVID-SARI-Fälle betrachtet, die im Zeitraum von der Kalenderwoche (KW) 10/2020 bis zur KW 8/2021 in 72 Krankenhäusern des ICOSARI-Sentinels aufgenommen und von denen bis zum Datenstand 11.05.2021 eine Krankenhausentlassung, Verlegung oder ein Versterben übermittelt wurde. 7 Fälle, die zum Datenstand noch hospitalisiert waren, wurden von den Analysen ausgeschlossen.

Deskriptive Analysen

Die folgende Auswertung fokussiert sich auf die geografische und demografische Verteilung sowie die Krankheitsschwere im zeitlichen Verlauf. Die Entwicklung wurde anhand der gemeldeten COVID-19-Fallzahlen gemäß IfSG nach Meldewoche (MW) dargestellt. Dies entspricht der Kalenderwoche, in der ein gemeldeter Fall beim Gesundheitsamt erfasst wurde. Die COVID-SARI-Fälle im ICOSARI-Sentinel wurden entsprechend der Kalenderwoche (KW) erfasst, in der sie stationär aufgenommen wurden.

Für die Beschreibung der verschiedenen Krankheitsverläufe wurden milde, moderate, schwere und kritische Verläufe und Todesfälle unterschieden (Tab. 1), wobei sich schwere und kritische Verläufe sowie Todesfälle nicht gegenseitig ausschließen. Diese Differenzierung basiert auf der initialen Verlaufsbeschreibung durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO; [10]) und einer Bewertung der Krankheitsschwere basierend auf den Meldedaten gemäß IfSG [4, 11].

Krankheitsverlauf Meldesystem gemäß IfSG Krankenhaus-Sentinel ICOSARI
Mild Angaben zum klinischen Bild vorhanden, keine Pneumonie, nicht hospitalisiert, nicht verstorben Nicht verfügbar
Moderat Angaben zum klinischen Bild vorhanden, Pneumonie vorhanden, nicht hospitalisiert, nicht verstorben Nicht verfügbar
Schwer Hospitalisiert (unabhängig von klinischen Informationen, Intensivpflicht und Versterben) Hospitalisiert (COVID-SARI-Fälle, definiert über ICD-10-Codes U07.1! + J09–J22)
Kritisch nicht angewendet Intensivpflichtig (COVID-SARI-Fälle mit Intensivbehandlung während der Hospitalisierung)
Beatmet (COVID-SARI-Fälle mit mechanischer Beatmung während der Hospitalisierung)
Verstorben Verstorben (unabhängig von klinischen Informationen und Hospitalisierung) Verstorben (COVID-SARI-Fälle, die während ihrer Hospitalisierung verstorben sind)

COVID-SARI COVID-19-Fälle mit schwerer akuter respiratorische Infektion, ICOSARI ICD-10-code-basierte Krankenhaus-Surveillance schwerer akuter respiratorischer Infektionen, IfSG Infektionsschutzgesetz

Für die Auswertung der gemäß RKI-Referenzdefinition übermittelten Fälle in Bezug auf Krankheitsverlauf (mild, moderat) und Symptomatik wurden nur Fälle berücksichtigt, bei denen grundsätzlich eine Angabe zum klinischen Bild (Ja, Nein) vorlag.

Die Analyse wurde mithilfe von Microsoft Excel Professional 2019, QGIS Geographic Information System 3.14.1-Pi sowie StataSE Version 15 durchgeführt. Für die Berechnung von Inzidenzen wurde die Bevölkerungsstatistik mit Stand 31.12.2019 herangezogen [12].

Ergebnisse

Zeitliche und geografische Ausbreitung

Zwischen MW 5/2020 und MW 8/2021 wurden insgesamt 2.444.983 COVID-19-Fälle übermittelt (Tab. 2). Im Zeitraum von MW 5/2020 bis 9/2020 (Phase 0) beschränkte sich das Infektionsgeschehen zunächst auf einzelne Stadt- und Landkreise (Abb. 1). Hierbei war die mittlere wöchentliche Inzidenz mit 5,8 pro 100.000 im Landkreis Heinsberg (Nordrhein-Westfalen) am höchsten.

Gesamt Phase 0,
sporadische Fälle
Phase 1
Erste Welle
Phase 2
Sommerplateau
Phase 3
Zweite Welle
Gesamtzahl Fälle 2.444.983 167 175.013 111.790 2.158.013
Inzidenz (pro 100.000) 2940 0,2 210 134 2595
Mittlere wöchentl. Inz. (pro 100.000) 52 0,04 19 7,1 118
Höchste wöchentl. Inz. (pro 100.000) 210 (MW 53/2020) 0,2 (MW 9/2020) 43 (MW 14/2020) 16 (MW 39/2020) 210 (MW 51/2020)
Niedrigste wöchentl. Inz. (pro 100.000) 0,01 (MW 5–8/2020) 0,01 (MW 5–8/2020) 1,08 (MW 10/2020) 2,8 (MW 24/2020) 19 (MW 40/2020)
Altersgruppen (%, Inzidenz pro 100.000)
Altersmedian (Jahre) 44 36 50 33 45
0–4 Jahre 44.981 (1,8 %, 1135) 6 (3,6 %, 0,2) 1684 (1,0 %, 43) 3477 (3,1 %, 88) 39.814 (1,8 %, 1005)
5–14 Jahre 136.938 (5,6 %, 1843) 3 (1,8 %, 0,0) 3956 (2,3 %, 53) 9843 (8,8 %, 132) 123.136 (5,7 %, 1657)
15–34 Jahre 706.685 (29 %, 3696) 71 (43 %, 0,4) 43.719 (25 %, 229) 46.168 (41 %, 241) 616.727 (29 %, 3226)
35–59 Jahre 930.393 (38 %, 3217) 67 (40 %, 0,2) 72.908 (42 %, 252) 39.328 (35 %, 136) 818.090 (38 %, 2829)
60–79 Jahre 378.120 (15 %, 2094) 19 (11 %, 0,1) 32.968 (19 %, 183) 9517 (8,5 %, 53) 335.616 (16 %, 1859)
≥80 Jahre 247.866 (10 %, 4363) 1 (0,6 %, 0,0) 19.778 (11 %, 348) 3457 (3,1 %, 61) 224.630 (10 %, 3954)
Geschlecht (%, Inzidenz pro 100.000)
Weiblich 1.283.441 (52 %, 3046) 80 (48 %, 0,2) 91.449 (52 %, 217) 52.568 (47 %, 125) 1.139.344 (53 %, 2704)
Männlich 1.145.985 (47 %, 2793) 87 (52 %, 0,2) 83.416 (48 %, 203) 58.793 (53 %, 143) 1.003.689 (47 %, 2446)
Unbekannt 15.557 (0,6 %) 148 (0,1 %) 429 (0,4 %) 14.980 (0,7 %)
Expositionsort
Deutschland 1.413.412 (58 %) 117 (70 %) 101.328 (58 %) 56.759 (51 %) 1.255.208 (58 %)
Ausland 63.682 (2,6 %) 26 (16 %) 16.281 (9,3 %) 25.880 (23 %) 21.495 (1,0 %)
Unbekannt 967.889 (40 %) 24 (14 %) 57.404 (33 %) 29.151 (26 %) 881.310 (41 %)
Ausbrüche
Ausbruchsfälle (%) 499.722 (20 %) 116 (70 %) 43.338 (25 %) 37.328 (33 %) 418.940 (19 %)
Altersmedian (Ausbruchsfälle) 50 37 53 32 52
Mittlere wöchentl. Anzahl Ausbrüche 1420 3,6 571 382 3063
Häufigste Ausbruchssettings Privater Haushalt, Alten- und Pflegeheime, Arbeitsplatz Privater Haushalt, Arbeitsplatz, Hotel/Herberge/Pension Privater Haushalt, Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser, Arbeitsplatz Privater Haushalt, Arbeitsplatz, Freizeit Privater Haushalt, Alten- und Pflegeheime, Arbeitsplatz

Anteile unter 10 % werden mit einer Kommastelle angegeben

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Ab MW 10/2020 folgte dann die erste COVID-19-Welle in Deutschland (Phase 1, Abb. 2). Ab MW 11/2020 wurden erstmals aus allen Bundesländern Fälle berichtet. Zur gleichen Zeit wurden die infektionshygienischen Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung verschärft und zu einem umfassenden Lockdown in KW 13/2020 ausgeweitet. Insbesondere die südlichen Landkreise in Bayern und Baden-Württemberg waren von hohen Fallzahlen betroffen (Abb. 1). Bundesweit wurde der Höchstwert der wöchentlichen Inzidenz in MW 14/2020 mit 43 pro 100.000 erreicht (Tab. 2). Mit dem Ende der ersten COVID-19-Welle in MW 20/2020 wurden die kontaktbeschränkenden Maßnahmen weiter sukzessive gelockert (Abb. 2).

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Im Zeitraum von MW 21/2020 bis 39/2020 (Phase 2) nahmen die Fallzahlen zunächst weiterhin kontinuierlich ab und sanken in MW 24/2020 auf die niedrigste wöchentliche Inzidenz von 2,8 pro 100.000 (Abb. 2; Tab. 2). Ab Mitte der Phase 2 kam es zu einem kontinuierlichen Anstieg der Fallzahlen. Auffällig waren hierbei die Landkreise Gütersloh (mittlere wöchentliche Inzidenz 35 pro 100.000) und Dingolfing-Landau (mittlere wöchentliche Inzidenz 42 pro 100.000; Abb. 1). Parallel dazu wurden ab MW 31/2020 kostenlose Tests für aus dem Ausland Einreisende ermöglicht (Abb. 2).

Mit Beginn des Herbstes kam es ab MW 40/2020 zu einem sprunghaften Anstieg der wöchentlichen Fallzahlen (Phase 3, Abb. 2). Kurze Zeit später – in MW 42/2020 – folgte eine Anpassung der Teststrategie und damit eine Ausweitung der Testungen auf Antigen-Point-of-Care-Tests in Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern. Dem weiteren Anstieg der Fallzahlen folgten in MW 45/2020 ein Teillockdown mit weiteren Kontaktbeschränkungen und ab Dezember 2020 weitere Verschärfungen und Anpassungen der Teststrategie. Nach dem Höhepunkt der zweiten Welle in MW 51/2020 mit einer wöchentlichen Inzidenz von 210 pro 100.000 sanken die Fallzahlen ab MW 1/2021 kontinuierlich bis MW 6/2021 und stagnierten bis MW 8/2021 auf hohem Niveau (Tab. 2). Wenige Kreise (5; 1,2 %) überschritten eine mittlere wöchentliche Inzidenz von 250 pro 100.000 (Abb. 2). Dies waren insbesondere Kreise im Raum Sachsen an der Grenze zur Tschechischen Republik. Bundesweit lag die mittlere wöchentliche Inzidenz in dieser Phase bei 118 Fällen pro 100.000 (Tab. 2).

Expositionsorte und Ausbrüche

Der Anteil der Fälle mit einer wahrscheinlichen Exposition im Ausland war vor allem in Phase 0 (16 %) und Phase 2 (23 %) erhöht und nahm während der COVID-19-Wellen in Phase 1 (9,3 %) und Phase 3 (1,0 %) deutlich ab (Tab. 2).

Über alle Phasen hinweg wurden vor allem Ausbrüche im privaten Haushalt und am Arbeitsplatz berichtet. Wurden zu Beginn der Pandemie in Deutschland (Phase 0) neben diesen noch Übernachtungsmöglichkeiten (z. B. Hotel, Herberge, Pension) als häufigstes Ausbruchssetting angegeben, verschob sich der Schwerpunkt in der ersten COVID-19-Welle zunehmend in Alten- und Pflegeheime sowie Krankenhäuser. Mit Beginn der Urlaubs- und Ferienzeit in Phase 2 wurden auch Freizeitaktivitäten als häufigste Ausbruchssettings genannt. In Phase 3 waren neben dem privaten Haushalt erneut Alten- und Pflegeheime und der Arbeitsplatz häufige Ausbruchssettings. Der Altersmedian von Fällen in Ausbrüchen lag in den Phasen 0 und 2 deutlich niedriger (37 bzw. 32 Jahre) als während der beiden COVID-19-Wellen in den Phasen 1 und 3 (53 bzw. 52 Jahre).

Krankheitsschwere

Demografie

Der Anteil weiblicher und männlicher Fälle war gleich verteilt und variierte im Verlauf des Jahres nur um wenige Prozentpunkte (Tab. 2). Insgesamt wurden vor allem COVID-19-Fälle im Alter von 35 bis 59 Jahren übermittelt (38 %). Diese Altersgruppe machte in jeder Phase den größten Anteil unter den übermittelten Fällen aus. Mit einer altersspezifischen Inzidenz von 4363 pro 100.000 im gesamten Beobachtungszeitraum wurde jedoch die Altersgruppe der Personen ab 80 Jahren am häufigsten diagnostiziert. Mit Blick auf die Phasen war insbesondere während der COVID-19-Wellen (Phase 1 und 3) in dieser Altersgruppe die höchste Inzidenz zu beobachten. In den Interimsphasen (Phase 0 und 2) wurde dagegen die Altersgruppe der 15- bis 34-Jährigen häufiger diagnostiziert. Der höchste Altersmedian lag mit 50 Jahren in Phase 1, der niedrigste mit 33 Jahren in Phase 2.

Klinik

Die 3 häufigsten übermittelten Symptome waren Allgemeinbeschwerden (z. B. Schwäche, allgemeines Krankheitsgefühl, Gliederschmerzen; 49 %), Husten (41 %) und Fieber (29 %). In der Altersgruppe 0 bis 4 Jahre wurde am häufigsten Fieber (35 %) angegeben, wohingegen in den übrigen Altersgruppen Allgemeinbeschwerden am häufigsten genannt wurden (Tab. 3). Unter allen Fällen mit übermittelten Symptomen wurden im Median 2 Symptome je Fall angegeben, jedoch variierte die Anzahl der genannten Symptome zwischen den Altersgruppen. So wurden für Kinder und Hochaltrige eher keine Symptome angegeben. Unter Fällen mit nur einem Symptom wurden vor allem Allgemeinbeschwerden genannt. Darüber hinaus traten bei Kindern (0–4 und 5–14 Jahre) vor allem Fieber und Schnupfen als einziges Symptom auf. Unter den Erwachsenen (15–59 Jahre) wurden dagegen eher Husten und Schnupfen bzw. bei Senioren (ab 60 Jahre) eher Husten und Fieber genannt.

Altersgruppen Gesamt 0–4 Jahre 5–14 Jahre 15–34 Jahre 35–59 Jahre 60–79 Jahre ≥80 Jahre
Anzahl Fälle (n) 2.444.983 44.981 136.938 706.885 930.393 378.120 247.866
Anzahl Nennungen n % n % n % n % n % n % n %
Klinische Informationen vorhanden
Ja 1.733.666 71 29.590 66 89.737 66 511.851 72 689.379 74 267.312 71 145.800 59
Nein 226.653 9,3 6542 15 20.380 15 57.166 8,1 70.774 7,6 36.358 9,6 35.433 14
Unbekannt 484.664 20 8849 20 26.821 20 137.668 20 170.243 18 74.450 20 66.633 27
Symptome
Allgemeine Krankheitszeichen 851.705 49 5944 20 27.701 31 256.840 50 377.356 55 130.493 49 53.371 37
Husten 702.233 41 8417 29 20.162 23 207.718 41 309.973 45 115.416 43 40.547 28
Schnupfen 502.699 29 7882 27 21.535 24 180.860 35 216.747 31 60.091 23 15.584 11
Fieber 463.364 27 10.222 35 18.815 21 128.770 25 200.259 29 73.950 28 31.348 22
Halsschmerzen 370.516 21 2032 6,9 14.208 16 139.823 27 160.797 23 42.677 16 10.979 7,5
Geschmacksverlust 308.273 18 499 1,7 6132 6,8 132.323 26 137.579 20 27.323 10 4417 3,0
Geruchsverlust 280.860 16 363 1,2 5277 5,9 121.269 24 127.206 19 23.618 8,8 3127 2,1
Dyspnoe 83.993 4,8 305 1,0 555 0,6 17.433 3,4 31.853 4,6 19.153 7,2 14.694 10
Durchfall 80.956 4,7 1508 5,1 2474 2,8 19.826 3,9 34.596 5,0 15.889 5,9 6663 4,6
Pneumonie 26.486 1,5 53 0,9 91 0,1 1447 0,3 5353 0,8 8836 3,3 10.706 7,3
ARDSa 14.415 0,8 42 0,1 110 0,1 2258 0,4 4500 0,7 4329 1,6 3176 2,2
Tachykardie 5410 0,3 14 0,1 40 0,04 1153 0,2 2221 0,3 1199 0,5 783 0,5
Tachypnoe 5846 0,3 23 0,1 42 0,1 1388 0,3 2443 0,4 1188 0,4 762 0,5
Anzahl Symptome
1 Symptom 334.209 19 7969 27 21.653 24 84.825 17 125.333 18 57.423 22 37.006 25
2 Symptome 397.990 23 6458 22 18.821 21 115.682 23 164.360 24 64.286 24 28.383 20
3 Symptome 324.692 19 3320 11 10.220 11 103.827 20 141.612 21 48.535 18 17.178 12
Mind. 4 Symptome 338.080 20 1493 5,1 6058 6,8 122.845 24 154.298 22 41.847 16 11.539 7,9
Unbekannt 338.695 20 10.350 35 32.985 37 84.672 17 103.773 15 55.221 21 51.694 36

Anteile unter 10 % werden mit einer Kommastelle angegeben

aARDS Acute Respiratory Distress Syndrom

Krankheitsverläufe

Die Krankheitsverläufe werden im Folgenden basierend auf den übermittelten Fällen gemäß IfSG sowie der Krankenhaus-Surveillance ICOSARI beschrieben.

Insgesamt waren laut Meldesystem gemäß IfSG 1.337.428 Fälle (77 %) mild erkrankt, 192.191 Fälle (10 %) stationär aufgenommen worden und 75.402 Fälle (3,1 %) verstorben (Tab. 4). Mit zunehmendem Alter stieg der Anteil an hospitalisierten und verstorbenen Fällen. So war die Mehrheit der Fälle unter 60 Jahren nur mild erkrankt. Dagegen hatte weniger als die Hälfte der Fälle ab 80 Jahren einen milden Verlauf und es wurde in dieser Altersgruppe der höchste Anteil hospitalisierter bzw. verstorbener Fälle beobachtet. Entsprechend lag der Altersmedian bei milden Fällen deutlich niedriger als bei hospitalisierten und verstorbenen Fällen (41 Jahre vs. 73 bzw. 84 Jahre). Im Vergleich zwischen der ersten und zweiten Welle (Phase 1 und 3) gab es hier nur wenige Unterschiede. In Phase 2 (Sommerplateau) war der Altersmedian hospitalisierter Fälle jedoch mit 58 Jahren deutlich niedriger.

Gesamt 0–4 Jahre 5–14 Jahre 15–34 Jahre 35–59 Jahre 60–79 Jahre ≥80 Jahre
Verlauf Altersmedian n % n % n % n % n % n % n %
Gesamt (2020)
Mild 41 1.337.428 77 25.061 85 77.604 87 434.572 85 559.744 81 175.276 66 65.171 45
Moderat 49 3388 0,2 26 0,1 64 0,1 809 0,2 1532 0,2 704 0,3 253 0,2
Hospitalisiert 73 192.191 10 1402 4,0 1190 1,1 13.006 2,4 39.299 5,6 68.360 23 68.934 36
Verstorben 84 75.402 3,1 5 0 5 0 99 0 2503 0,3 20.566 5,5 52.224 21
Phase 0, sporadische Fälle
Mild 33 97 65 2 a 3 a 48 74 33 55 10 a 1 a
Moderat k.A. 0 0 0 a 0 a 0 0 0 0 0 a 0 a
Hospitalisiert 40,5 48 32 3 a 3 a 16 25 24 41 5 a 0 a
Verstorben 65 1 0,6 0 a 0 a 0 0 0 0 1 a 0 a
Phase 1, erste Welle
Mild 46 111.188 72 1105 80 2810 86 32.545 85 52.412 80 16.544 57 5772 36
Moderat 52 438 0,3 1 0,1 3 0,1 81 0,2 224 0,3 98 0,3 31 0,2
Hospitalisiert 71 27.729 18 164 11 112 3,3 1684 4,5 6491 10 10.691 36 8587 48
Verstorben 82 8912 5,1 1 0,1 0 0,0 19 0,0 406 0,6 2891 8,8 5595 28
Phase 2, Sommerplateau
Mild 31 70.973 82 2202 87 6205 89 31.381 87 25.138 82 4990 66 1057 42
Moderat 42 169 0,2 0 0 8 0,1 54 0,1 70 0,2 34 0,4 3 0,1
Hospitalisiert 58 7648 8,0 122 4,1 121 1,4 1141 2,9 2586 7,7 2212 27 1466 47
Verstorben 81 864 0,8 0 0 0 0 5 0 74 0,2 295 3,2 490 17
Phase 3, zweite Welle
Mild 41 1.155.170 77 21.752 85 68.586 86 370.598 85 482.161 81 153.732 67 58.341 46
Moderat 49 2781 0,2 25 0,1 53 0,1 674 0,2 1238 0,2 572 0,2 219 0,2
Hospitalisiert 74 156.766 9,7 1113 3,6 957 1,0 10.165 2,2 30.198 5,0 55.452 22 58.881 35
Verstorben 84 65.625 3,1 4 0 5 0 75 0 2023 0,2 17.379 5,2 46.139 21

Anteile unter 10 % werden mit einer Kommastelle angegeben

n gibt die Anzahl der Fälle zum jeweiligen Krankheitsverlauf an; der Anteil bezieht sich auf die Gesamtzahl der Fälle, zu denen eine Angabe zum jeweiligen Krankheitsverlauf (Ja, Nein) vorhanden war

aBei einer Gesamtzahl (hier Fälle mit vorhandener Angabe) von weniger als 20 Fällen wird kein Anteil ausgewiesen

In allen Altersgruppen wurde in Phase 1 der höchste Anteil an hospitalisierten und verstorbenen Fällen beobachtet. Die Mehrzahl der hospitalisierten Fälle in Phase 1 war im Alter von 60 bis 79 Jahren. Im Vergleich dazu war die Mehrzahl der Fälle in der zweiten Welle (Phase 3) 80 Jahre oder älter. Unter verstorbenen Fällen wurden in allen Phasen am häufigsten Personen ab 80 Jahren übermittelt.

Im Rahmen der Krankenhaus-Surveillance ICOSARI wurden insgesamt 14.703 COVID-SARI-Fälle stationär aufgenommen, im Median 76 Jahre alt und 9 Tage hospitalisiert. Während der Altersmedian bei COVID-SARI-Fällen in Phase 2 deutlich niedriger lag als in den Phasen 1 und 3, war die mediane Hospitalisierungsdauer in den verschiedenen Phasen ähnlich (Tab. 5). Unter diesen Fällen wurden 8368 (57 %) Fälle bis zum 11.05.2021 nach Hause entlassen und weitere 2583 (18 %) COVID-SARI-Fälle in eine andere medizinische Einrichtung verlegt.

Gesamt Phase 1 Phase 2 Phase 3
n % an hospitalisiert Median n % an hospitalisiert Median n % an hospitalisiert Median n % an hospitalisiert Median
Hospitalisiert
Alter (Jahre) 76 73 59 76
Dauer (Tage)b 9 10 9 9
0–4 Jahre 28 100 % 1 a 4 a 23 100 %
5–14 Jahre 9 a 1 a 2 a 6 a
15–34 Jahre 432 100 % 52 100 % 46 100 % 334 100 %
35–59 Jahre 2810 100 % 358 100 % 168 100 % 2284 100 %
60–79 Jahre 5694 100 % 615 100 % 137 100 % 4942 100 %
≥80 Jahre 5730 100 % 504 100 % 81 100 % 5145 100 %
Gesamt 14.703 100 % 1531 100 % 438 100 % 12.734 100 %
Intensivpflichtig
Alter (Jahre) 73 72 70 74
Dauer (Tage)b 15 16 18,5 15
0–4 Jahre 2 7 % 0 a 2 a 0 0 %
5–14 Jahre 2 a 0 a 1 a 1 a
15–34 Jahre 66 15 % 8 15 % 3 7 % 55 16 %
35–59 Jahre 850 30 % 120 34 % 28 17 % 702 31 %
60–79 Jahre 2326 41 % 289 47 % 59 43 % 1978 40 %
≥80 Jahre 1535 27 % 162 32 % 29 36 % 1344 26 %
Gesamt 4781 33 % 579 38 % 122 28 % 4080 32 %
Mechanisch beatmet
Alter (Jahre) 72 71 72 72
Dauer (Tage)b 17 20 22 16
0–4 Jahre 2 7 % 0 a 2 a 0 0 %
5–14 Jahre 0 a 0 a 0 a 0 a
15–34 Jahre 31 7 % 5 10 % 0 0 % 26 8 %
35–59 Jahre 536 19 % 67 19 % 14 8 % 455 20 %
60–79 Jahre 1611 28 % 192 31 % 41 30 % 1378 28 %
≥80 Jahre 761 13 % 74 15 % 18 22 % 669 13 %
Gesamt 2941 20 % 338 22 % 75 17 % 2528 20 %
Verstorben
Alter (Jahre) 82 81 80 82
Dauer (Tage)b 10 10 13 10
0–4 Jahre 0 0 % 0 a 0 a 0 0 %
5–14 Jahre 0 a 0 a 0 a 0 a
15–34 Jahre 4 1 % 2 4 % 0 0 % 2 1 %
35–59 Jahre 139 5 % 14 4 % 1 1 % 124 5 %
60–79 Jahre 1304 23 % 128 21 % 18 13 % 1158 23 %
≥80 Jahre 2305 40 % 185 37 % 26 32 % 2094 41 %
Gesamt 3752 26 % 329 21 % 45 10 % 3378 27 %

Anteile unter 10 % werden mit einer Kommastelle angegeben

aBei einer Gesamtzahl von weniger als 20 Fällen wird kein Anteil ausgewiesen

bDauer der Hospitalisierung in Tagen

Mit 54 % war die Mehrheit der Fälle männlich – insbesondere unter den intensivpflichtigen (62 %), beatmeten (65 %) und stationär verstorbenen Fällen (58 %). Das Geschlechterverhältnis je nach Krankheitsverlauf veränderte sich im Jahresverlauf nur um wenige Prozentpunkte.

Insgesamt wurden 4781 (33 %) Personen intensivmedizinisch behandelt und im Median 15 Tage hospitalisiert (Tab. 5). In Phase 2 wurden sie jedoch etwas länger stationär behandelt und waren im Median etwas jünger als in den Phasen 1 und 3. Darüber hinaus war in Phase 2 der Anteil der Intensivbehandlungen bei COVID-SARI-Fällen am niedrigsten. Beim Vergleich der Wellen lag der Anteil der intensivpflichtigen Fälle während der zweiten Welle (Phase 3) niedriger als während der ersten Welle (Phase 1), insbesondere in den Altersgruppen ab 60 Jahre.

Während ihrer stationären Behandlung wurden 2941 (20 %) COVID-SARI-Fälle mechanisch beatmet (Tab. 5). Im Median waren diese Fälle 73 Jahre alt, hier gab es kaum Unterschiede zwischen den einzelnen Phasen. Beatmete Fälle waren insbesondere in den Phasen 1 und 2 im Median deutlich länger hospitalisiert als intensivpflichtige COVID-SARI-Fälle insgesamt. In Phase 3 waren mechanisch beatmete Patienten im Median dagegen kaum länger hospitalisiert als intensivpflichtige COVID-SARI-Fälle. Hierbei zeigte sich vor allem ein Unterschied bei beatmeten Patienten mit einer späteren Verlegung in ein anderes Krankenhaus: Wurden diese Patienten in der ersten Welle im Median nach 27 Tagen verlegt, so erfolgte die Verlegung in der zweiten Welle bereits im Median nach 18 Tagen. Beatmungspflichtige Patienten ohne Verlegung waren dagegen in beiden Wellen ähnlich lange hospitalisiert (17 bzw. 16 Tage).

Während ihres Krankenhausaufenthalts verstarben 3752 (26 %) der COVID-SARI-Fälle (Tab. 5). Hierbei lag der Altersmedian bei 82 Jahren und damit deutlich über dem Median der COVID-SARI-Patienten insgesamt. Während der beiden Wellen verstarben auch mehrere COVID-SARI-Fälle aus der Altersgruppe 35 bis 59 Jahre (4 % bzw. 5 %) im Krankenhaus. In der zweiten Welle wurde insgesamt ein höherer Anteil Todesfälle berichtet als in der ersten Welle. In Phase 2 gab es den niedrigsten Anteil an Todesfällen unter den COVID-SARI-Fällen, jedoch wurden sie in dieser Phase im Median etwas länger hospitalisiert.

Diskussion

Insgesamt war das COVID-19-Infektionsgeschehen in Deutschland durch unterschiedliche Phasen geprägt, die durch 2 unterschiedlich schwer verlaufende COVID-19-Wellen im Frühjahr und Herbst und einer Sommerplateauphase mit eher milden Verläufen charakterisiert waren.

Der erste laborbestätigte Fall mit einer SARS-CoV-2-Infektion wurde in Deutschland in MW 5/2020 übermittelt [1, 13, 14]. Innerhalb der folgenden Wochen wurden weitere Fälle mit einer Exposition im Ausland bekannt. Darunter befanden sich aus China repatriierte Personen [14, 15], aber auch Einreisende aus Urlaubsgebieten (u. a. Skigebiete in Italien und Österreich; [16, 17]). Sie spielten zum Teil eine tragende Rolle für das Infektionsgeschehen auf regionaler Ebene [16], was den vergleichsweise hohen Anteil importierter Fälle zu Beginn der Pandemie erklärt. Mitte Februar folgten Ausbrüche in Zusammenhang mit lokalen Feiern (z. B. Karneval), die zu erhöhten Fallzahlen in einzelnen Kreisen führten (u. a. LK Heinsberg, LK Tirschenreuth; [15, 16, 18, 19]) und den Beginn der ersten COVID-19-Welle einleiteten.

In der Phase 1 waren alle Bundesländer betroffen, wobei lokale Feiern und die Nähe zu Grenzregionen mit einem erhöhten Infektionsgeschehen eine wichtige Rolle für regionale Ausbreitung spielten [14, 20]. Ausbruchsgeschehen traten nun auch vermehrt in stationären Einrichtungen auf. Laut Buda et al. sind stationäre Ausbruchssettings mit einer höheren Anzahl an Fällen assoziiert [8], was sich auch im zunehmenden Anteil an Fällen höheren Alters in Phase 1 widerspiegelte.

Mit dem Ende der ersten Welle begann die Phase 2, in der alle Bundesländer nur sehr niedrige Inzidenzen meldeten. Insgesamt gab es in Phase 2 nur wenige Vorgaben für kontaktreduzierende Maßnahmen. Dagegen wurden jedoch zusätzliche, niedrigschwellige und kostenlose Testmöglichkeiten für aus dem Ausland Einreisende ab KW 31/2020 geschaffen, welche erst mit dem Ende der Sommerferien in allen Bundesländern in KW 38/2020 für Einreisende aus Nichtrisikogebieten eingestellt wurden [21]. Die zunehmende Reisetätigkeit in den Sommermonaten und die zunehmend zur Verfügung stehenden Testmöglichkeiten spiegelten sich u. a. im Anstieg von Fällen mit einer wahrscheinlichen Exposition im Ausland und der Anzahl an Ausbrüchen im Freizeitbereich wider. Im Vergleich zu den anderen Phasen wurde in Phase 2 der jüngste Altersmedian (33 Jahre) unter den übermittelten COVID-19-Fällen verzeichnet. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass diese reiseassoziierten Fälle vergleichsweise jünger waren und durch die sensitive Teststrategie an den Flughäfen im Sommer (im Vergleich zur Phase 0) auch (ebenfalls vermehrt junge) asymptomatische Fälle erkannt wurden [22]. Auch die großen Ausbrüche in Betrieben mit überwiegend jungen Beschäftigten (u. a. in Fleisch verarbeitenden Betrieben, wie bspw. in Gütersloh, oder unter Erntehelfern, wie bspw. im Kreis Dingolfing-Landau) trugen hierzu bei [14, 23, 24].

Die Phase 3 war insbesondere geprägt durch autochthone Fälle sowie eine sechsmal höhere Anzahl an Ausbrüchen im Wochenmittel als in der ersten Welle. Wurden zu Beginn der Phase eher Fälle unter 60 Jahren diagnostiziert, nahmen im weiteren Verlauf mit der Anzahl an Ausbrüchen in stationären Einrichtungen auch die Fälle unter älteren Personen und damit auch unter Personen mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf zu. Der hohe Anteil an unbekannten Expositionsorten und Ausbruchssettings spricht zudem für ein zunehmend diffuses Infektionsgeschehen, in dem Infektionsketten nur noch unzureichend ermittelt werden konnten.

Mit Blick auf die Krankheitsverläufe war der Anteil hospitalisierter Fälle mit 32 % in Phase 0 am höchsten. Jedoch wurden in dieser Phase bestätigte COVID-19-Fälle zum Zweck der Beobachtung im Krankenhaus isoliert, daher spiegelt die hohe Hospitalisierungsquote hier eher eine infektionshygienische Maßnahme wider [11]. Dieses Vorgehen änderte sich zunehmend mit dem Anstieg der Fallzahlen und der steigenden Belastung der Krankenhauskapazitäten während der ersten Welle. Der im Vergleich zur zweiten Welle höhere Anteil schwerer und kritischer Fälle kann jedoch nur zum Teil auf die niedrigschwellige Hospitalisierung von COVID-19-Fällen zurückgeführt werden. Vielmehr ist von multiplen Einflüssen auszugehen.

Dabei ist beispielsweise die veränderte Teststrategie zu berücksichtigen. Zu Beginn der Phase 1 befanden sich die Testkapazitäten noch im Auf- bzw. Ausbau [4, 25, 26]. Mit der Einführung von Reihentestungen (z. B. am Flughafen ab KW 31/2020) und der Verfügbarkeit von Antigenschnelltests in Krankenhäusern und Alten- und Pflegeheimen ab KW 42/2020 (Phase 3) wurden in Deutschland jedoch auch Fälle mit nur geringer Symptomatik (mit und ohne schweren Verlauf) in den Meldedaten gemäß IfSG besser erfasst. Dagegen wurden in der syndromischen Krankenhaus-Surveillance ICOSARI in allen Phasen nur schwer erkrankte COVID-19-Fälle mit respiratorischer Symptomatik (SARI) betrachtet. Damit sind in diesem System stabilere Aussagen zum Anteil kritischer Verläufe in den verschiedenen Phasen möglich, unabhängig von der gewählten Teststrategie und den Empfehlungen zur niedrigschwelligen Krankenhausaufnahme.

Dennoch zeigte sich auch im ICOSARI-System ein etwas höherer Anteil intensivpflichtiger und beatmeter COVID-SARI-Fälle, was mit Erfahrungen aus europäischen Ländern und den USA übereinstimmt [27]. Dies wird insbesondere auf verbesserte Behandlungskonzepte u. a. durch eine verstärkte Nutzung nichtmechanischer Beatmung in späteren Phasen (insbesondere Phase 3) zurückgeführt [2830]. Zudem wurde in Deutschland während der zweiten Welle ein System zur Verlegung von intensivmedizinisch behandelten Patienten etabliert, um die Überlastung einzelner Krankenhäuser zu vermeiden (Kleeblattsystem; [31]). Dies zeigte sich im ICOSARI-System in der kürzeren Hospitalisierungsdauer von beatmeten COVID-SARI-Patienten mit einer späteren Verlegung. Ergänzend zu diesen Punkten haben möglichweise auch die ab KW 53/2020 eingeführten Impfungen im Abklingen der zweiten Welle zu einer verringerten Krankheitsschwere in der Altersgruppe ab 80 Jahren beigetragen [32].

Die Altersverteilung bei kritischen Krankheitsverläufen blieb in den Phasen 1 bis 3 weitestgehend stabil. Während vor allem COVID-SARI-Fälle der Altersgruppe 60 bis 79 Jahre intensivmedizinisch behandelt oder beatmet wurden, war der Anteil verstorbener COVID-SARI-Fälle in der Altersgruppe ab 80 Jahre besonders hoch. Jedoch wurde deutlich, dass auch jüngere Altersgruppen von kritischen Verläufen betroffen waren: So wurde aus der Altersgruppe 35 bis 59 Jahre während der ersten und zweiten Welle jeder 3. hospitalisierte COVID-SARI-Patient intensivmedizinisch behandelt, jeder 5. wurde mechanisch beatmet und etwa jeder 20. COVID-SARI-Patient der Altersgruppe 35 bis 59 Jahre verstarb während des Krankenhausaufenthalts.

Insgesamt decken sich die Ergebnisse zur Altersverteilung mit den ersten Auswertungen zur Krankheitsschwere im Meldesystem bzw. unter hospitalisierten COVID-SARI-Fällen sowie mit Analysen im internationalen Vergleich [4, 11, 3336]. So stellten auch Ioannidis et al. bei der Untersuchung von COVID-19-Todesfällen in Europa und den USA fest, dass sich die Altersverteilungen der ersten und zweiten COVID-19-Welle kaum unterschieden und Alter ein wesentlicher Risikofaktor für einen schweren Verlauf ist [34].

Unabhängig von den Phasen wurden weibliche und männliche Fälle in ähnlichem Umfang übermittelt. Insgesamt waren jedoch männliche Fälle häufiger von schweren Verläufen betroffen, was sich insbesondere unter den intensivpflichtigen und den beatmungspflichtigen COVID-SARI-Fällen im Krankenhaus-Sentinel ICOSARI widerspiegelte. Dies wird zum Teil auf geschlechtsspezifische Alterungsprozesse im Immunsystem zurückgeführt, auch wenn hier noch weitere Analysen erforderlich sind [37].

Limitationen

Die vorliegende Auswertung basiert auf der Bewertung von Surveillance-Daten und unterliegt damit einigen Limitationen. Wie bereits vielfach beschrieben sind die Meldungen gemäß IfSG abhängig von den zugrunde liegenden Kapazitäten in Laboren, Gesundheitsämtern und Landesgesundheitsbehörden [2, 4] und damit anfällig für Verzögerungen. Durch den gewählten Datenstand (11.05.2021) wurde versucht, den Einfluss von Nachmeldungen – insbesondere zu schwer erkrankten Fällen – zu reduzieren. Darüber hinaus hängen die Meldungen gemäß IfSG auch von der Inanspruchnahme der Testmöglichkeiten durch die Bevölkerung und der in Deutschland angewendeten Teststrategie ab. Dennoch deutet der bereits zu Beginn relativ hohe Anteil milder Fälle auf eine sensitive Teststrategie und eine gute Erfassung des Gesamtgeschehens im Meldesystem hin [4, 25, 26].

Ausbruchssettings sind durch die Gesundheitsämter teilweise schwer zu erheben. Vollständigkeit und Qualität hängen zum einen von verfügbaren Kapazitäten für Ermittlungstätigkeiten vor Ort ab. Zum anderen ist es für Erkrankte aufgrund der zum Teil eher unspezifischen Symptomatik und eines möglicherweise schleichenden Beginns der Erkrankung nicht immer möglich, im Nachhinein den wahrscheinlichen Zeitpunkt der Infektion anzugeben [8]. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass insbesondere leicht zu ermittelnde Settings, wie bspw. der private Haushalt, aufgrund besserer Nachverfolgbarkeit häufiger ermittelt wurden. Bei der Erfassung in der Meldesoftware kann zudem nur zwischen vorgegebenen Kategorien ausgewählt werden. So fallen z. B. Ausbrüche in Fleisch verarbeitenden Betrieben unter das Setting Arbeitsplatz [8].

Im Rahmen der syndromischen Krankenhaus-Surveillance wurde eine etablierte SARI-Falldefinition durch ICD-10-Codes für eine laborbestätigte COVID-19-Erkrankung ergänzt [5, 6]. Zwar wurden im Frühling 2020 COVID-19-Fälle möglicherweise noch untererfasst. Aufgrund der bereits zu Beginn insgesamt gezielten Testung von schweren Fällen mit respiratorischer Symptomatik und des ab Juli systematischen Screenings von Neuaufnahmen in den ICOSARI-Krankenhäusern ist hier jedoch von einer eher guten Erfassung in ICOSARI auszugehen. Der Fokus auf ausschließlich COVID-19-Fälle mit einer schweren respiratorischen Symptomatik lässt zwar keine Aussagen zu Fällen ohne respiratorische Symptomatik zu. Im Gegensatz zu Meldungen gemäß IfSG erfolgt die Erfassung in ICOSARI jedoch unabhängig von der bundesweiten Teststrategie [2] und deckt sich daher gut mit den Ergebnissen anderer Analysen zu hospitalisierten COVID-19-Fällen und schweren Verläufen in Deutschland [28, 33, 38]. Darüber hinaus kann es jedoch bei hoher regionaler Belastung des Gesundheitssystems – insbesondere während der Phase 3 – durch die Festlegung von Schwerpunktkliniken und innerdeutschen Verlegungen (Kleeblattkonzept) zu einer Verzerrung der Anzahl an COVID-19-Patienten im ICOSARI-System gekommen sein [31].

Mit dem Abklingen der zweiten Welle zu Beginn des Jahres 2021 stieg der Anteil der besorgniserregenden Virusvariante (Variant of Concern, VOC) B.1.1.7 in Deutschland, lag aber bis zur KW 8/2021 noch unter 50 % [39]. Es ist davon auszugehen, dass der Einfluss der VOC im Jahr 2020 eine untergeordnete Rolle spielte. Nicht ganz ausgeschlossen werden kann aber ein Einfluss auf einzelne Stadt- und Landkreise in Sachsen, die in Phase 3 eine hohe Inzidenz aufwiesen. Diese lagen vor allem an der Grenze zur Tschechischen Republik, in der am Ende das Jahres 2020 bereits eine erhöhte Zirkulation von VOC (insbesondere B.1.1.7) vermutet wurde.

Fazit

Die COVID-19-Pandemie in Deutschland war bis März 2021 durch verschiedene Phasen geprägt, die durch 2 unterschiedlich schwer verlaufende Wellen im Frühjahr und Herbst und eine Sommerplateauphase mit eher milden Verläufen charakterisiert waren. Im Vergleich zur ersten Welle erstreckte sich die zweite Welle über einen längeren Zeitraum, in dem wöchentlich deutlich mehr COVID-19-Fälle und COVID-SARI-Fälle in den verschiedenen Surveillance-Systemen beobachtet wurden. Mit Blick auf die Altersverteilung wurden in Phasen mit geringerer SARS-CoV-2-Aktivität (Phase sporadischer Fälle und Sommerplateau) eher jüngere und reiseassoziierte Fälle beobachtet, während dagegen in den beiden COVID-19-Wellen auch viele ältere Menschen erkrankten. Unabhängig von den Phasen waren jedoch vor allem ältere Menschen und im Verhältnis mehr Männer als Frauen von schweren bzw. kritischen Krankheitsverläufen betroffen.

Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass sich die Meldedaten gemäß IfSG und die syndromische Surveillance gegenseitig ergänzen und auf diese Weise einen guten Überblick zum Gesamtgeschehen in Deutschland hinsichtlich Transmission und Krankheitsschwere geben können.

Acknowledgments

Danksagung

Ein großer Dank gilt den Gesundheitsämtern, der meldenden Ärzteschaft, den Kliniken und den zuständigen Landesgesundheitsbehörden, die seit über einem Jahr neben der lokalen Krisenbewältigung diese wichtigen Informationen zur Bewertung des gesamten Infektionsgeschehens erheben, lokal validieren und an das Robert Koch-Institut übermitteln.

Funding

Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

J. Schilling, K. Tolksdorf, A. Marquis, M. Faber, T. Pfoch, S. Buda, W. Haas, E. Schuler, D. Altmann, U. Grote und M. Diercke geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.

Footnotes

Die Autorinnen J. Schilling und K. Tolksdorf teilen sich die Erstautorinnenschaft (alphabetisch geordnet).

Literatur


Articles from Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz are provided here courtesy of Springer

RESOURCES