Abstract
Das Weaning von invasiver maschineller Beatmung stellt das Intensivteam vor die Herausforderung, im Interesse des Patienten die Beatmungsdauer so kurz wie möglich zu halten und eine möglichst rasche Extubation zu erreichen. Hiermit sollen eine Langzeitbeatmung (invasive Beatmung > 14 Tage) mit Tracheotomie und ein prolongiertes Weaning sowie eine ggf. notwendige außerklinische invasive Beatmung vermieden werden. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die verschiedenen Weaningkategorien, die Ursachen für ein Scheitern des Weanings und Strategien, dieses zu vermeiden. Im letzten Teil stellt der Artikel Konzepte für das prolongierte Weaning und ggf. die Überleitung in die außerklinische invasive Beatmung dar.
Schlüsselwörter: Beatmungstherapie, Airway management, Nichtinvasive Beatmung, Tracheotomie, Respiratorische Aspiration
Abstract
Weaning from invasive mechanical ventilation is challenging for the ICU team in terms of shortening time of ventilation via endotracheal tube in order to improve the patient’s prognosis by early extubation. Thereby prolonged mechanical ventilation (> 14 days), which is associated with risk of tracheotomy and prolonged weaning, shall be avoided. This article will give an overview about weaning categories, causes for weaning failure and strategies to overcome this problem. In the last part we will cover concepts in the process of prolonged weaning including discharge management with invasive mechanical ventilation.
Keywords: Respiratory therapy, Airway management, Noninvasive ventilation, Tracheotomy, Respiratory aspiration
Lernziele
Nach Lektüre dieses Beitrags …
können Sie die verschiedenen Weaningkategorien benennen
identifizieren Sie zuverlässig Ursachen für ein Weaningversagen;
verwenden Sie Strategien im Weaningprozess sicher;
können Sie das Vorgehen bei Weaningversagen mit Notwendigkeit der Einleitung einer außerklinischen invasiven Beatmung beschreiben.
Hintergrund
Weaning (englisch: „liberation from mechanical ventilation“ – Befreiung von mechanischer Beatmung) beschreibt den Prozess der Entwöhnung von der Beatmungstherapie. Bei etwa 75 % der auf einer Intensivstation beatmeten Patienten gestaltet sich dieses Weaning unkompliziert. Wichtig hierfür ist, täglich die Entwöhnbarkeit von der Beatmung („readiness to wean“) bei jedem Patienten individuell zu beurteilen, täglich Sedierung und Analgesie zu pausieren und einen Spontanatmungsversuch
Spontanatmungsversuch
durchzuführen. Bei den übrigen Patienten muss die invasive Beatmung länger durchgeführt werden, obwohl die zur Beatmung führende Ursache (z. B. Pneumonie, „adult respiratory distress syndrom“ [ARDS] o. ä) nicht mehr weiterbesteht. In diesem Fall kann die Weaningzeit
Weaningzeit
einen Anteil von bis zu 50 % der gesamten Beatmungszeit einnehmen. Diese verlängerte Zeit der invasiven Beatmung erhöht das Risiko des Patienten bezüglich infektiöser Komplikationen, „Critical-illness-Polyneuro-/-Myopathie“ sowie bezüglich einer Tracheotomie mit nachfolgender invasiver außerklinischer Beatmung
außerklinischer Beatmung
. Die Prognose von Patienten im prolongierten Weaning ist schlechter als bei einfachem Weaning. So wurden in einer aktuellen Publikation eines deutschen Weaningzentrums 1‑ und 5‑Jahres-Überlebensraten von 66,5 bzw. 37,1 % für Patienten nach prolongiertem Weaning beschrieben [1]. Höheres Alter erwies sich in der Analyse der WeanNet-Daten am stärksten mit einem Versterben noch während des Krankenhausaufenthalts assoziiert [2]. Der vorliegende Beitrag zeigt Konzepte für eine frühe Extubation
frühe Extubation
, das Vermeiden von Langzeitbeatmung und im Fall eines Weaningversagens für die Überleitung in die außerklinische Intensivpflege auf.
Weaningkategorien gemäß ICC bzw. adaptiert nach S2k-Leitlinie
Die aktuelle Revision der S2-Leitlinie Prolongiertes Weaning [3] unterscheidet, aufbauend auf der Kategorisierung durch eine internationale Konsensuskonferenz (ICC-Klassifikation) aus dem Jahr 2005 [4], 3 Weaningkategorien (Tab. 1; [2]), wobei die dritte Kategorie als Neuerung differenzierter unterteilt wurde. Diese Einteilung ist wichtig, da die Prognose insbesondere der Patienten der Gruppe 3 deutlich schlechter ist – Letalitäten von 3 %, 1 % und 22 % auf der Intensivstation sowie Weaningerfolge
Weaningerfolge
von 98 %, 99 % und 74 % für die Gruppen 1, 2 und 3 wurden beschrieben, d. h. eine signifikant schlechtere Prognose für die Gruppe 3 [5].
Gruppe | Kategorie | Definition |
---|---|---|
1 | Einfaches Weaning | Erfolgreiches Weaning nach dem ersten SBT und der ersten Extubation |
2 | Schwieriges Weaning | Erfolgreiches Weaning nach initial erfolglosem Weaning spätestens beim 3. SBT oder innerhalb von 7 Tagen nach dem ersten erfolglosen SBT |
3 | Prolongiertes Weaning | Erfolgreiches Weaning erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT |
SBT „spontaneous breathing trial“
In Deutschland bildet diese Einteilung die steigende Zahl von Patienten im prolongierten Weaning, die Patienten, die mit nichtinvasiver Beatmung (NIV) entlassen werden und die Patienten, die außerklinisch invasiv nach Weaningversagen weiter beatmet werden, nicht adäquat ab. Aus diesem Grunde wurde die Gruppe 3 (Kategorie „prolongiertes Weaning“) in der deutschen Leitlinie weiter unterteilt (Tab. 2; [3]).
3a – Erfolgreiches prolongiertes Weaning von der invasiven Beatmung ohne Fortsetzung einer Langzeit-NIV | ||
3aI | Mit Extubation/Dekanülierung | Erfolgreiches Weaning von der invasiven Beatmung mit Extubation/Dekanülierung erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT mit oder ohne passagere NIV |
3aII | Ohne Dekanülierung | Erfolgreiches Weaning von der invasiven Beatmung ohne Dekanülierung erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT |
3b – Erfolgreiches prolongiertes Weaning von der invasiven Beatmung mit Fortsetzung einer NIV | ||
3bI | Mit Langzeit-NIV ohne zusätzlichen Pflegebedarf | Erfolgreiches Weaning von der invasiven Beatmung mit Extubation/Dekanülierung erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT und nur mittels Einsatz der NIV, die nach Abschluss des Weaningprozesses selbstständig im Sinne einer außerklinischen Beatmung fortgesetzt wird |
3bII | Mit Langzeit-NIV und zusätzlichem Pflegebedarf | Erfolgreiches Weaning von der invasiven Beatmung mit Extubation/Dekanülierung erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT und nur mittels Einsatz der NIV, die nach Abschluss des Weaningprozesses im Sinne einer außerklinischen Beatmung fortgesetzt wird, wobei ein weiterer Behandlungsbedarf besteht |
3c – Erfolgloses Weaning von der invasiven Beatmung | ||
3cI | Mit außerklinischer Fortsetzung der invasiven Beatmung | Erfolgloses Weaning mit Fortsetzung einer invasiven Beatmung via Tracheostoma nach Abschluss des Weaningprozesses im Sinne einer invasiven außerklinischen Beatmung |
3cII | Tod | Erfolgloses Weaning mit Tod des Patienten in der Klinik |
NIV nichtinvasive Beatmung, SBT „spontaneous breathing trial“
Insbesondere die Gruppen 3aII und 3bII verdienen besondere Aufmerksamkeit: persistierende Tracheotomie
persistierende Tracheotomie
nach erfolgreichem Weaning bedingt eine außerklinische Intensivpflege wegen dauernder Bereitschaft für endotracheales Absaugen und ggf. notfallmäßige Kanülenwechsel bei Verlegung der Kanüle – diese Patienten stellen einen immer größeren Anteil an der Gruppe der außerklinisch mittels Intensivpflege versorgten Patienten dar. Ursachen hierfür können eine persistierende schwere Schluckstörung
Schluckstörung
oder eine nichtbehandelbare Trachealstenose insbesondere bei multimorbiden Patienten, häufig nach schweren neurologischen Erkrankungen, sein. Die Gruppe 3bII besitzt insofern eine Sonderstellung, als dass nach primär erfolgreichem Weaning eine weitere Pflegebedürftigkeit und Beaufsichtigungspflicht
Beaufsichtigungspflicht
besteht, da eine NIV weiterhin notwendig ist, die vom Patienten allein nicht durchgeführt werden kann – z. B. aufgrund neuromuskulärer Erkrankungen. Bei einer > 16 h notwendigen, d. h. lebenserhaltenden NIV ist die Kostenübernahme für diese Pflege in der Regel unproblematisch, bei kürzeren Beatmungszeiten sind häufig lange Verhandlungen über die Kostenzusage mit den Kostenträgern die Folge.
WIND-Klassifikation
Im Jahr 2017 wurde eine neue Klassifikation („weaning according to a new definition“, WIND; [6]) des Weanings vorgeschlagen (Tab. 3). Diese beruhte auf der Erfahrung, dass etwa 50 % der Patienten im Weaning nach der ICC-Klassifikation nicht genau beschrieben werden konnten. Außerdem fußt die Klassifikation nach ICC auf der Durchführung eines „spontaneous breathing trial“ (SBT), der nicht immer erfolgt. Zudem werden Patienten ohne Entwöhnungsversuche nach ICC nicht berücksichtigt.
Gruppe 0 | „No weaning“, da kein Entwöhnungsversuch |
Gruppe 1 | „Short weaning“, erster Separationsversuch mündet in eine Beendigung der Beatmung (Weaningerfolg oder früher Tod) |
Gruppe 2 | „Difficult weaning“, Weaning beendet mehr als ein Tag aber weniger als eine Woche nach dem ersten Separationsversuch (Weaningerfolg oder Tod) |
Gruppe 3 | „Prolonged weaning“, Weaning noch nicht beendet eine Woche nach dem ersten Separationsversuch (Weaningerfolg oder Tod) |
Gruppe 3a | Mit Weaningerfolg |
Gruppe 3b | Ohne Weaningerfolg |
In der Leitlinie Prolongiertes Weaning wurde dennoch die ursprüngliche ICC-Klassifikation beibehalten, da die WIND-Klassifikation zwar das einfache und schwierige Weaning
schwierige Weaning
gut erfasst, das prolongierte Weaning aber nur unzureichend abbildet. So waren in der WIND-Studie nur 1,4 % der Patienten tracheotomiert und die Anzahl der nach Weaning mit NIV entlassenen Patienten lag ebenfalls sehr niedrig.
Merke
Eine korrekte Klassifizierung der Weaningkategorie ist aus prognostischen Gründen und ggf. auch für die Ursachenforschung bei Weaningversagen wichtig.
Ursachen des Weaningversagens
Die Liste der möglichen Ursachen für ein Scheitern eines unkomplizierten Weanings ist sehr lang. Nach Perren et al. [7] liegen für die Weaningkategorien 1 und 2 nach ICC häufig die in Tab. 4 dargestellten Gründe vor.
Einfaches Weaning |
Verzögertes Aufwachen durch Akkumulation von sedierenden Medikamenten |
Fehlen des täglichen Screenings auf Weaningpotenzial |
Exzessive ventilatorische Unterstützung (Risiko einer ventilatorinduzierten diaphragmalen Dysfunktion, VIDD) |
Schwieriges Weaning |
Akkumulation von Sedativa |
Flüssigkeitsüberladung |
Linksherzinsuffizienz |
Atemmuskelschwäche |
Exzessive Atemarbeit (Sekret, Sepsis, Infektion) |
Im Vergleich hierzu liegt beim prolongierten Weaning überwiegend ein Missverhältnis zwischen atemmuskulärer Kapazität
atemmuskulärer Kapazität
und tatsächlicher atemmuskulärer Belastung vor. Die Leitlinie Prolongiertes Weaning [3] führt als mögliche Ursachen die in Tab. 5 aufgeführten Faktoren auf.
Unmittelbarer Grund für unzureichende Spontanatmung | Pathophysiologischer Bereich | Mögliche Ursachen | Beispiel |
---|---|---|---|
Schwäche der Atempumpe | Atemzentrum | Ischämie, Infektion | Enzephalitis |
Nervale Steuerung | Neuritis, Nervenschädigung | Zwerchfellparese, Querschnittlähmung, Guillain-Barré-Syndrom, CIP, ALS, Diabetes mellitus | |
Atemmuskeln | Myositis, Muskeldystrophie, Muskelatrophie | CIM, VIDD, Myasthenie, Morbus Duchenne, Post-Polio-Syndrom, nach herz- und thoraxchirurgischem Eingriff | |
Überlastung der Atempumpe | Atemwege | Obstruktion, Überblähung, Rekurrensparese | COPD, Mukoviszidose |
Lungenparenchym | Reduzierte Compliance | Lungenödem, Fibrose | |
Reduzierte Gasaustauschfläche | Emphysem, Pneumonie, V‑Q-Mismatch | ||
Thoraxwand | Reduzierte Compliance | Pleuraerguss, Skoliose, Post-TBC-Syndrom, nach herz- und thoraxchirurgischem Eingriff | |
Sauerstofftransport (reduziert) | Anämie, Methämoglobin | Blutabnahme, Blutung, Infektanämie, Medikamente | |
Perfusionsminderung | Herzinsuffizienz, PAH, Lungenembolie, Shunt | ||
Sauerstoffverbrauch (erhöht) | Erhöhter Umsatz | Katecholamine, Unruhe/Agitation, Infektion, Hyperthyreose | |
Metabolische Versorgung | Stoffwechselstörung | Hypothyreose, Mangelernährung, Elektrolytimbalance, Nebenniereninsuffizienz, Metabolische Alkalose und Acidose |
CIP Critical-illness-Polyneuropathie, ALS amyotrophe Lateralsklerose, CIM Critical-illness-Myopathie, VIDD „ventilator induced diaphragmatic dysfunction“, PAH pulmonal arterielle Hypertonie, Post-TBC-Syndrom Langzeitfolgen nach pulmonaler Tuberkulose
Für eine umfassendere Darstellung der Pathophysiologie des Weaningversagens im prolongierten Weaning wird auf das Kapitel 4 der Leitlinie Prolongiertes Weaning – Update 2019 [3] verwiesen.
Merke
Beim Scheitern des Weanings ist eine frühzeitige und umfassende Ursachenabklärung mit nachfolgender adäquater Therapie zur Verkürzung der Zeiten der invasiven Beatmung unabdingbar.
Strategien im einfachen und schwierigen Weaning
Die in Tab. 6 aufgeführte Strategien sollten bei jedem beatmeten Patienten verwendet werden, um möglichst rasch, ggf. unter Einsatz der NIV, die invasive Beatmung zu beenden.
Tägliches Screening auf Vorliegen einer prinzipiellen Entwöhnbarkeit |
Täglicher Aufwachversuch („spontaneous awakeninig trial“, SAT) – Management von Analgetika und v.a. Sedativa |
Tägliche Durchführung eines Spontanatmungsversuchs („spontaneous breathing trial“, SBT) |
Beurteilung des „rapid shallow breathing index“ (RSBI): Atemfrequenz (pro min)/Atemzugvolumen (in l) |
Ggf. Cuff-Leak-Test |
Ggf. Einsatz der nichtinvasiven Beatmung |
Überwachung von Patienten nach primär erfolgreicher Extubation für 24 h auf der Intensivstation |
Das tägliche Screening auf das Vorliegen einer Entwöhnbarkeit kann nach den in Tab. 7 aufgeführten Kriterien erfolgen:
Kriterien | Symptome/Funktion | Parameter |
---|---|---|
Klinisch | Ausreichender Hustenstoß | – |
Keine exzessive Sekretion | ||
Rückbildung der akuten Erkrankungsphase, die zur Intubation geführt hat | ||
Kein akuter Infekt | ||
Objektiv | Klinische Stabilität | Hämodynamische Stabilität (eine niedrig dosierte Katecholamintherapie stellt keine Kontraindikation dar) |
Metabolisch (z. B. Ausschluss einer relevanten metabolischen Azidose, d. h. Base Excess < − 5 mval/l) | ||
Adäquate Oxygenierung | SO2 > 90 % bei FIO2 ≤ 0,4 (bei Vorliegen einer chronischen respiratorischen Insuffizienz > 85 %) | |
oder paO2/FIO2 > 150 mm Hg | ||
Adäquater PEEP | ||
Adäquate pulmonale Funktion | AF > 35 /min | |
VT > 5 ml/kg | ||
AF/VT < 105 (= RSBI) | ||
Keine signifikante respiratorische Azidose | ||
Adäquate mentale Funktion | Keine Sedierung oder adäquate Funktion unter Sedierung (RASS 0/−1) |
AF Atemfrequenz, VT Tidalvolumen, PEEP positiver endexspiratorischer Druck, HF Herzfrequenz, RR Blutdruck, RSBI „rapid shallow breathing index“, FIO2 inspiratorische Sauerstofffraktion, SpO2 pulsoxymetrisch bestimmte Sauerstoffsättigung
Zur Vermeidung einer Akkumulation von Sedativa hat sich eine Pausierung der Sedierung und Analgesie einmal täglich entsprechend der Leitlinie zu Analgesie, Sedierung und Delirmanagement (DAS) der DAS-Taskforce [8] in Kombination mit einem mindestens einmal pro Schicht erfolgenden Scoring der Sedierungstiefe
Sedierungstiefe
(z. B. nach Richmond Agitation Sedation Scale, RASS; Zielscore 0 bis −1) als erfolgreich erwiesen. Durch Kombination des täglichen Aufwachversuchs
täglichen Aufwachversuchs
mit der Durchführung eines Spontanatmungsversuchs (T-Stück = feuchte Nase, Atmung mit „continuous positive airway pressure“ [CPAP] von 7–8 mbar bzw. mit leichter Druckunterstützung bis zu 10 mbar) konnten schneller mehr Patienten von der Beatmung entwöhnt werden [9]. Eine Überlegenheit des T‑Stücks gegenüber „pressure support“ beim SBT konnte bisher in Studien nicht eindeutig nachgewiesen werden. Bei 30 min Spontanatmungszeit sind ein „rapid shallow breathing index“ (RSBI) < 105 und eine Atemfrequenz < 35 /min am Ende des SBT prädiktiv für eine erfolgreiche Entwöhnung mit einem Wert von > 75 % [10]. Möglicherweise kann diese Sensitivität noch durch eine sonographische Beurteilung der Zwerchfellfunktion gesteigert werden [11].
Eine translaryngeale Intubation
translaryngeale Intubation
kann, insbesondere wenn eine Crush-Intubation durchgeführt wurde, zu einer Schleimhautschwellung um den Tubus sowie zu einer Stenosierung im Larynxbereich mit nachfolgender erhöhter Atemarbeit und damit zu einem Weaningversagen führen. Um eine derartige Situation zu erkennen, kann der Cuff-Leak-Test
Cuff-Leak-Test
hilfreich sein. Hierbei werden der Tubus bei laufender Beatmung entblockt und über 6 Atemzüge die Differenz zwischen in- und exspiratorischem Atemzugvolumen im Verlauf gemessen. Eine geringe Differenz zwischen den beiden Volumina (Cuff-Leak-Volumen) < 130 ml konnte Patienten mit Postextubationsstridor identifizieren [12]. Einer Metaanalyse [13] zufolge liegt die durchschnittliche Sensitivität des Cuff-Leak-Tests bei 0,63; die Spezifität bei 0,86. Bei Risikopatienten mit einem pathologischen Cuff-Leak-Test als alleinigem Risiko für ein Postextubationsversagen
Postextubationsversagen
sollte mindestens 4 h vor Extubation die systemische Gabe von Steroiden erfolgen [14]. Hierdurch konnte einer Metaanalyse zufolge [15] das relative Risiko für ein Atemwegsereignis und eine Reintubation um etwa 65 % reduziert werden. Wichtig ist, dass Patienten mit Obesitas-Hypoventilations-Syndrom
Obesitas-Hypoventilations-Syndrom
und schlafbezogener Atmungsstörung unabhängig von Schwellungen im Larynxbereich und damit bei negativem Cuff-Leak-Test eine vom Schlafstadium und von der Körperlage abhängige dynamische Obstruktion der oberen Atemwege aufweisen. Diese sollte zur Vermeidung eines Postextubationsversagens mit einer Schienung der oberen Atemwege mittels CPAP bzw. einer Atmungsunterstützung mithilfe von NIV behandelt werden.
Merke
Bei Patienten mit erheblicher Adipositas ist das Vorliegen einer Obstruktion der oberen Atemwege im Schlaf bzw. das Vorliegen eines Obesitas-Hypoventilations-Syndroms differenzialdiagnostisch zu bedenken und ggf. nach Extubation eine Therapie mit CPAP bzw. NIV einzuleiten, um ein Postextubationsversagen zu verhindern.
Stellenwert der nichtinvasiven Beatmung im einfachen bzw. schwierigen Weaning
Der Stellenwert der NIV im einfachen bzw. schwierigen Weaning gilt nach der S3-Leitlinie Nichtinvasive Beatmung bei akuter respiratorischer Insuffizienz [16] und der Leitlinie der European Respiratory Society (ERS)/American Thoracic Society (ATS) [17] in folgenden Situationen als gesichert:
primäre Extubation auf NIV trotz gescheitertem SBT, v. a. bei chronisch-obstruktivem Lungenversagen (COPD) und Patienten mit hyperkapnischem Atemversagen;
Prävention des Postextubationsversagens bei Hochrisikopatienten für die Einwicklung desselben.
Demgegenüber sind die Daten für den Wechsel auf NIV bei hypoxämischem akutem Atemversagen sowie die Anwendung bei manifestem Postextubationsversagen nach primär erfolgreichem Weaning schlecht. Teilweise wurde eine erhöhte Letalität beschrieben [18].
Nach mehreren Metaanalysen [19, 20, 21, 22] kann High-flow-Sauerstoff
High-flow-Sauerstoff
beim primär hypoxämischem Versagen als Alternative zur NIV eingesetzt werden. Angesichts heterogener Patientengruppen mit unterschiedlichen Risiken für ein Postextubationsversagen zeigen Studiendaten sowie Metaanalysen keinen konsistenten Vorteil der High-flow-Therapie gegenüber der reinen Sauerstoff- oder NIV-Therapie zur Reintubationsvermeidung und insbesondere nicht bezüglich des Outcomes, einschließlich der Intensivmortalität [23, 24, 25, 26, 27, 28, 29]. Vielmehr zeigt eine aktuelle Arbeit von Thille et al. [30], dass die Kombination von NIV mit High-flow-Sauerstoff in den Zeiten der NIV-Pausierung
NIV-Pausierung
gegenüber einer alleinigen High-flow-Therapie sogar einen deutlichen Vorteil aufweist.
Merke
Bei Patienten mit hyperkapnischem Atemversagen sollte bei gegebener Extubations- und Spontanatmungsfähigkeit die Beatmung frühzeitig auf eine NIV umgestellt werden (ggf. auch bei gescheitertem SBT).
Cave
Wechsel auf eine NIV bei hypoxämischem Atem- oder Postextubationsversagen.
Strategien im prolongierten Weaning
Auch im prolongierten Weaning ist die zeitnahe und wiederholte Evaluation des Extubations- bzw. Weaningpotenzials wichtig, um die mit einer prolongierten Beatmung erhöhte Letalität zu reduzieren [31, 32]. Die Beurteilung des Weaningpotenzials orientiert sich im Wesentlichen an den für das einfache und schwierige Weaning ausgeführten Kriterien zur Extubationsfähigkeit
Extubationsfähigkeit
(siehe Tab. 7). Dabei kommt dem Spontanatmungsversuch eine entscheidende Bedeutung zu. Allerdings lässt ein positiver SBT im prolongierten Weaning lediglich eine Aussage über die Spontanatmungsfähigkeit im nachfolgenden und prolongierten Trennungsprozess von der invasiven Beatmung zu, nicht jedoch über die Möglichkeit der Beendigung der Beatmung. Somit ist der SBT hilfreich in der Entscheidung, ein Weaning frühzeitig zu beginnen.
Merke
Auch im prolongierten Weaning ist eine tägliche Beurteilung des Weaningpotenzials notwendig, um eine prolongierte Beatmung mit erhöhter Letalität zu vermeiden.
Tracheotomie
Im Rahmen des Weaning sind die Vor- und Nachteile des jeweiligen Beatmungszugangs (Masken, Tubus, Trachealkanüle) gegeneinander abzuwägen. Sofern ein prolongiertes Weaning mit mittel- bis längerfristiger invasiver Beatmung absehbar ist, ist die Indikation der Tracheotomie zu überprüfen. Allerdings gibt es keine allgemeingültige Festlegung des optimalen Zeitpunkts für eine Tracheotomie [3]. Eine frühzeitige Tracheotomie kann je nach klinischer Situation die Beatmungszeit verkürzen, Sedierung reduzieren helfen und ein frühzeitigeres Weaning ermöglichen. Allerdings sind entsprechende Komplikationen
Komplikationen
einer Tracheotomie, wie Blutung, Trachealverletzung, Tracheomalazie und Trachealstenosen, gegenzurechnen. Zur Verbesserung der Sprechfunktion
Sprechfunktion
bei tracheotomierten Patienten im prolongierten Weaning ergeben sich mehrere Möglichkeiten (Tab. 8), die jedoch eine Entblockung der Kanüle und den Ausschluss einer schweren Aspirationsneigung voraussetzen.
Während laufender Beatmung |
Entblockung der Kanüle unter Anpassen der Beatmungsparameter zur Sicherstellung einer ausreichenden Ventilation bei ungeblockter Kanüle |
Verwendung eines Inline-Sprechventils nur bei entblockter Kanüle |
Verwendung einer Tracheotomiekanüle mit Sprechmöglichkeit |
Erhöhung des positiven endexspiratorischen Drucks (PEEP; [33]) |
Unter Spontanatmung |
Verschließen der Kanülenöffnung bei entblockter Kanüle mit behandschuhtem Finger |
Verwendung eines Sprechventils (1-Weg-Ventil) bei entblockter Kanüle unter Beachtung der Kontraindikationen (cave Überblähung), ggf. mit zusätzlicher Sauerstoffinsufflation über ein spezielles Inlet an den Sprechventilen |
Beatmung im und zum prolongierten Weaning
Grundsätzlich können sowohl eine graduelle Reduktion der assistierten Beatmung als auch intermittierende assistierte oder nichtassistierte Spontanatmungsphasen im Weaning eingesetzt werden, wobei ein Vorgehen mittels intermittierender Spontanatmung
intermittierender Spontanatmung
(sog. diskontinuierliches Weaning) möglicherweise überlegen ist. Wichtig ist jedoch, die Anzahl der Spontanatmungsphasen anfänglich pro Tag auf einige wenige mit einer Dauer von maximal 1–2 h zu begrenzen und zwischen den Spontanatmungsphasen die Beatmung (möglichst kontrolliert zur Entlastung der Atemmuskulatur
Atemmuskulatur
) wieder aufzunehmen, um einer Erschöpfung der Atemmuskulatur vorzubeugen und sie erneut zu entlasten. In einer kleinen Patientengruppe überwiegend von COPD-Patienten wurde kürzlich gezeigt, dass der RSBI bezüglich Abbruch des Spontanatmungsversuchs nur einen geringen prädiktiven Wert im prolongierten Weaning besitzt [34]. Im Gegensatz zum einfachen Weaning dienen die Spontanatmungsphasen in dieser Situation der Rekonstitution der Atemmuskulatur [3].
Transfusionen
Analog zum einfachen und schwierigen Weaning sind auch für das prolongierte Weaning physiologische Transfusionstrigger
Transfusionstrigger
(Tab. 9) bei der Indikationsstellung für eine Bluttransfusion zu berücksichtigen. Eine grundsätzliche Indikation zur Anhebung des Hämoglobins (Hb) auf Werte > 10 g/dl besteht nicht. Als Ziel-Hb sollte ein Bereich von 7–9 g/dl angestrebt werden [3].
Trigger | Symptom |
---|---|
Kardio-pulmonale Symptome | Tachykardie |
Hypotension | |
Blutdruckabfall unklarer Genese | |
Hohe Atemarbeit | |
Ischämietypische EKG-Veränderungen | Neu auftretende ST-Senkungen oder -Hebungen |
Neu auftretende Rhythmusstörungen | |
Neu auftretende regionale myokardiale Kontraktionsstörungen im Echokardiogramm | Anstieg der globalen O2-Extraktion > 50 % |
Abfall der O2-Aufnahme > 10 % vom Ausgangswert | |
Abfall der gemischtvenösen O2-Sättigung < 50 % | |
Globale Indizes einer unzureichenden Sauerstoffversorgung | Abfall des gemischtvenösen Sauerstoffpartialdrucks (PO2) < 32 mm Hg |
Abfall der zentralvenösen O2-Sättigung < 60 % | |
Laktazidose (Laktat > 2 mmol/l plus Acidose) |
Physiotherapie und Sekretmanagement
Insgesamt konnte gezeigt werden, dass eine frühe Mobilisation mit hoher Sicherheit durchführbar ist. In der Literatur werden keine definierten Ausschlusskriterien zur Frühmobilisation
Frühmobilisation
benannt. Beim Auftreten einer akuten Situation muss im prolongierten Weaning die Mobilisation z. B. bei kardialer, oder pulmonaler Instabilität oder palliativen Patienten adaptiert werden. Hilfreich ist ein multiprofessioneller Ansatz
multiprofessioneller Ansatz
, um Verantwortungen und Zuständigkeiten oder Zeitpunkt, Intensität und Dauer bestmöglich abzusprechen [36, 37]. Es wird empfohlen, Patienten täglich zu mobilisieren (modifiziert nach [3]), sofern keine Ausschlusskriterien vorliegen, und diese Mobilisation täglich 30 min mithilfe eines abgestuften Vorgehens anhand eines klinikeigenen Algorithmus und entsprechend des aktuellen Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) „Prolongiertes Weaning“ (OPS Nr. 8.718.8 bzw. 8.718.9) vorzunehmen. Eine Sekretelimination
Sekretelimination
aus den Atemwegen ist insbesondere im Rahmen des Weanings von neuromuskulären und COPD-Patienten sinnvoll, um Atemarbeit und Beatmungsdauer zu reduzieren sowie den Gasaustausch zu verbessern. Dabei existieren 5 Prinzipien (siehe Tab. 10), die eine Sekretelimination unterstützten bzw. ermöglichen [38].
Vergrößerung des intrathorakalen Volumens |
Verstärkung des maximalen exspiratorischen Flusses |
Sekretolyse, z. B. durch Oszillationstherapie |
Vergrößerung des exspirierten Volumens |
Endotracheales Absaugen |
Schluckdiagnostik
Aspirationen infolge von Dysphagien stellen insbesondere im prolongierten Weaning eine Ursache für eine erfolglose Dekanülierung bzw. rezidivierende Infektionen der unteren Atemwege dar. Deshalb sollte im prolongierten Weaning ein Test auf Vorliegen einer Dysphagie und im positiven Fall ein logopädisch begleitetes Schlucktraining
Schlucktraining
erfolgen. Bei Persistenz eines relevanten Aspirationsrisikos
Aspirationsrisikos
ist eine Dekanülierung risikobehaftet und es sollte die Trachealkanüle zum Aspirationsschutz belassen werden [3].
Ernährung
Die künstliche Ernährung sollte während eines prolongierten Weanings möglichst oral oder enteral durchgeführt werden. Im Fall einer künstlichen Ernährung, von der zu erwarten ist, dass sie über 6 Wochen hinausgeht, sollte frühzeitig die Indikation zu einer perkutanen endoskopische Gastrostomie
Gastrostomie
(PEG) bzw. Jejunostomie (PEJ) gestellt werden. Hinsichtlich der Energiezufuhr
Energiezufuhr
ist in der Weaningphase eine Anpassung an den tatsächlichen Bedarf vorzunehmen. Sie sollte jedoch nicht über diesem liegen. Dabei ist auf eine ausreichend hohe Zufuhr von Protein (1,0 g/kg Körpergewicht und Tag Protein bzw. 1,2 g Aminosäuren) sowie von Elektrolyten, Vitaminen und Spurenelementen zu achten.
Dekanülierung
Eine geplante definitive Dekanülierung setzt neben einer ausreichenden Spontanatmungskapazität bzw. NIV-Fähigkeit voraus, dass eine klinische Stabilität
klinische Stabilität
und Kooperationsfähigkeit des Patienten bestehen, Obstruktionen im Bereich der Glottis, des Kehlkopfs und der Trachea ausgeschlossen sind und eine effektive Sekretelimination möglich ist. Die Dekanülierung selbst wird unterschiedlich gehandhabt, vom spontanen Schrumpfen des Tracheostomas bis zum passageren Einsetzen von Platzhaltern. Sofern innerhalb von 2–3 Wochen nach Kanülenentfernung ein Tracheostomaverschluss
Tracheostomaverschluss
ausbleibt und keine Komplikationen vorliegen, kann ein plastisch-chirurgischer Verschluss erwogen werden.
Nichtinvasive Beatmung im prolongierten Weaning
Höherwertige wissenschaftliche Studien zum Stellenwert der NIV im prolongierten Weaningprozess liegen nicht vor. Somit lassen sich nur die Empfehlungen für das einfache und schwierige Weaning im Analogieschluss auf die Situation des prolongierten Weaning übertragen. Zur Beurteilung der NIV-Fähigkeit werden üblicherweise neben der klinischen Beurteilung die „klassischen“ Extubationskriterien
Extubationskriterien
[4, 39]. verwendet (siehe Tab. 7.). Darüber hinaus ist eine Kooperationsfähigkeit des Patienten erforderlich und absolute Kontraindikationen
absolute Kontraindikationen
für den Einsatz von NIV, wie fehlende Spontanatmung, Schnappatmung, fixierte oder funktionelle Verlegung der Atemwege, gastrointestinale Blutung oder Ileus sowie Aspirationsrisiko bei Dysphagie sind auszuschließen. Bei gegebener NIV-Fähigkeit und Anstieg des pCO2 im SBT sollte auf NIV umgestellt werden, sofern sich keine längerdauernde kontinuierliche Respiratorabhängigkeit abzeichnet. Besteht die chronisch-ventilatorische Insuffizienz
chronisch-ventilatorische Insuffizienz
fort, sollte nach formell erfolgreich abgeschlossenem Weaning eine außerklinische NIV erfolgen [40]. Die Notwendigkeit der Diagnostik einer chronisch-ventilatorischen Insuffizienz wird durch die Tatsache unterstützt, dass in einem gemischten Patientenkollektiv 21 % der Patienten nach primär erfolgreichem prolongiertem Weaning innerhalb von 28 Tagen erneut invasiv mechanisch beatmet werden mussten, 3 von 42 Patienten (7 %) wegen erneuter Hyperkapnie [41]. Demgegenüber kann eine NIV auch im prolongierten Weaning von Patienten mit hypoxämischer respiratorischer Insuffizienz nicht generell empfohlen werden [16].
Patientenwille und Therapieentscheidungen am Lebensende
Bei Gefahr einer prolongierten Beatmung und einem Übergang in ein prolongiertes Weaning ist die Berücksichtigung des tatsächlichen oder vermeintlichen Patientenwillens zu beachten. Gespräche am Lebensende und/oder bei nicht mehr gewünschter dauerhafter (nicht)invasiver Beatmung sollten zwischen allen Beteiligten erfolgen und entsprechend dokumentiert werden [3].
Merke
Im prolongierten Weaning ist ein Maßnahmenbündel von Physiotherapie, Logopädie mit Schluck- und Sprechtraining, Kanülen- und Sekretmanagement erforderlich, um die Spontanatmungsphasen im Sinne eines diskontinuierlichen Weaning zu verlängern und darüber eine Trennung von der invasiven Beatmung zu erreichen. Bei chronisch-ventilatorischer Insuffizienz ist der frühzeitige Wechsel auf eine NIV anzustreben.
Cave
Dekanülierung und Beendigung der Beatmung bei noch nicht gegebener dauerhafter klinischer und respiratorischer Stabilität.
Weaningversagen – was tun?
Sofern sich ein Versagen des prolongierten Weanings abzeichnet, kann es geboten sein, die Behandlung in spezialisierten Einheiten
spezialisierten Einheiten
oder Zentren mit entsprechender interdisziplinärer fachlicher Kompetenz aller beteiligten Berufsgruppen und den erforderlichen strukturellen Voraussetzungen (z. B. mit Vorhalten einer Weaningeinheit und Erfahrung in außerklinischer Beatmung) fortzusetzen. So konnte gezeigt werden, dass etwa 60 % der Patienten nach prolongiertem Weaning in spezialisierten Einrichtungen noch erfolgreich von der invasiven Beatmung entwöhnt werden konnten [42]. Sofern bei erfolglosem prolongiertem Weaning eine Entlassung mit invasiver Beatmung erforderlich ist, bestehen mehrere Versorgungsmöglichkeiten, sei es in Form einer pneumologischen oder neurologischen Frührehabilitation
Frührehabilitation
, sei es die Betreuung mithilfe eines Pflegediensts zu Hause oder in einer Wohngruppe für Beatmete. Dies bedarf einer Patienteneinwilligung
Patienteneinwilligung
sowie eines adäquaten Entlassungs- und Überleitmanagements, das eine korrekte Hilfsmittelverordnung sowie eine Anbindung an geeignete medizinische, therapeutische und pflegerische Nachsorgestrukturen sicherstellt.
Darüber hinaus ist dafür Sorge zu tragen, dass im weiteren Verlauf eine erneute Patientenevaluation erfolgt, damit bei Besserung von reversiblen Ursachen des Weaningversagens eine Wiederaufnahme zum erneuten Weaningversuch erfolgt [40] und die Zahl nicht (mehr) indizierter außerklinischer invasiver Beatmungen reduziert werden kann. Angesichts einer nicht selbstverständlich vorauszusetzenden Beatmungsexpertise oder Erfahrung im Umgang mit Trachealkanülen bei niedergelassenen Ärzten [43] ist ein solches Vorgehen unabdingbar und sollte zu einer sektorenübergreifenden Zusammenarbeit
sektorenübergreifenden Zusammenarbeit
unter Einbindung von Zentren mit entsprechender Expertise führen. Ein rein außerklinisches prolongiertes Weaning ist abzulehnen.
Besonderheiten des prolongierten Weanings in Pandemiesituationen
Die aktuelle Pandemie durch die Coronaviruserkrankung 2019 (COVID-19) hat zu einer Vielzahl von invasiv beatmeten Patienten (etwa 22 % der hospitalisierten Patienten) geführt [44], die im Verlauf bei Überleben der akuten Krankheitsphase ein prolongierten Weaning aufweisen können. Ein aktuelles Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP; [45]) macht für diese und folgende Pandemien den Vorschlag einer auf die Pandemie adaptierten Klassifikation nach aktuell vorhandenem Weaningpotenzial:
Kategorie A: hohes Weaningpotenzial. Die Patienten bedürfen ohne weitere nennenswerte Verzögerung der strukturierten Respiratorentwöhnung in spezialisierten Weaningeinheiten, um so die größtmögliche Chance auf erfolgreiches Weaning zu realisieren.
Kategorie B: geringes oder aktuell nicht vorhandenes Weaningpotenzial. Bei Patienten dieser Gruppe kann ein zeitversetzter Weaningversuch nach einer Zwischenphase unter optimaler Beatmungspflege in einer stationären oder ambulanten Beatmungspflegeeinrichtung erfolgen. Dazu ist die Anbindung an ein Weaningzentrum oder einen Weaningspezialisten notwendig, wodurch regelmäßig das Weaningpotenzial überprüft und ggf. ein erneuter stationärer Weaningversuch veranlasst werden kann.
Kategorie C: kein Weaningpotenzial. Für diese Patienten ist unter Berücksichtigung palliativmedizinischer Aspekte eine dauerhafte Versorgung in beatmungspflegerischer Betreuung zu organisieren oder auch – dem mutmaßlichen Willen des Patienten folgend – eine Deeskalation der Beatmung durchzuführen.
Spezialisierte Weaningzentren können in dieser Situation wie folgt in die Behandlung der Patienten und die Schaffung freier Intensivkapazitäten eingebunden werden:
rasche Übernahme der Patienten der Kategorie A;
Wiederaufnahme von Patienten nach Abklingen der Pandemie, die sich nach primärer Verlegung in die außerklinische Beatmung soweit stabilisiert haben, dass ein neuer Weaningversuch indiziert ist.
Merke
In spezialisierten Weaningeinheiten gelingt in vielen Fällen ein erfolgreiches prolongiertes Weaning. Bei Verlegung invasiv beatmeter Patienten in die außerklinische Intensivpflege ist im Verlauf erneut das Weaningpotenzial zu evaluieren.
Fazit für die Praxis
Das Ziel des Weanings ist die Entfernung des invasiven Beatmungszugangs mit/ohne Zuhilfenahme von High-flow-Sauerstoff-Therapie oder nichtinvasiver Beatmung.
Die Weaningbereitschaft muss jeden Tag überprüft werden.
Ein erfolgreicher Spontanatmungsversuch mit einer Länge von 30 min sagt mit einer Sensitivität von > 75 % ein erfolgreiches Weaning voraus.
Beim Weaningversagen ist eine umfangreiche Ursachenforschung in Abhängigkeit von der jeweiligen Weaningkategorie notwendig.
Im prolongierten Weaning hat sich ein multidisziplinärer Ansatz mit Physiotherapie, Logopädie, Sekretmanagement, Delirbehandlung, Einsatz der nichtinvasiven Beatmung usw. als erfolgreich erwiesen. Spezialisierte Weaningeinheiten können mit diesen Konzepten etwa 60 % der Patienten von der invasiven Beatmung entwöhnen
Vor Verlegung in die außerklinische invasive Beatmung ist die Nichtentwöhnbarkeit festzustellen.
Die Verlegung in die außerklinische Intensivpflege darf nur mit Einverständnis von Patienten und Betreuer nach Aufklärung erfolgen.
Eine Wiederaufnahme zur erneuten Beurteilung des Weaningpotenzials soll jedem Patienten angeboten werden.
CME-Fragebogen
Ein Patient mit Guillain-Barré-Syndrom wurde vor 5 Wochen wegen respiratorischer Insuffizienz intubiert und 10 Tage später bei Unfähigkeit, Spontanatmungsversuche durchzuführen, tracheotomiert. Nach 3 Wochen diskontinuierlichen Weanings und nach Ausschluss einer Schluckstörung wurde er bei einer Beatmungspflichtigkeit von 8 h täglich dekanüliert und auf nichtinvasive Beatmung (NIV) umgestellt. Vor einer Woche konnte die NIV beendet werden, die Kontrolluntersuchungen zeigten tagsüber normale Blutgase und nächtlich keinen Anstieg des Kohlendioxidpartialdrucks (pCO2).Welche ist die Weaningkategorie dieses Patienten?
Kategorie I nach internationale Konsensuskonferenz (ICC)
Kategorie III a 1 nach internationale Konsensuskonferenz (ICC)
Kategorie III b 1 nach internationale Konsensuskonferenz (ICC)
Kategorie 2 nach „weaning according to a new definition“ (WIND)
Kategorie 3 b nach „weaning according to a new definition“ (WIND)
Warum ist die Klassifizierung der Weaningkategorie III b 2 für einen Patienten so wichtig?
Weil keine nichtinvasive Beatmung für den außerklinischen Bereich verordnet werden muss
Um eine adäquate pflegerische Versorgung für den Patienten vor Entlassung zu organisieren
Weil aufgrund der Trachealkanüle eine Intensivpflege notwendig ist
Weil die Kategorie III b 2 die Notwendigkeit einer Organisation einer Rehabilitation beinhaltet
Weil der Patient, da das Weaning nicht abgeschlossen ist, nicht entlassen werden darf
Ein Patient wurde primär bei Kammerflimmern erfolgreich vom Notarzt reanimiert und intubiert (keine Crush-Intubation) in ein Krankenhaus eingeliefert. In der Koronarangiographie zeigte sich eine hochgradige Stenose des Ramus interventricularis anterior (RIVA), die erfolgreich dilatiert wurde. Nach einer Zeit von 24 h Beatmung und Hypothermie gestaltet sich der Weaningprozess etwas länger als erwartet, 2 Spontanatmungsversuche (SBT) wurden nach 5 und 10 min wegen Atemfrequenzanstieg und Abfall der Sauerstoffsättigung abgebrochen. Der Patient befindet sich somit im schwierigen Weaning. Welche Ursache erscheint am wahrscheinlichsten verantwortlich für das erschwerte Weaning?
Akkumulation von Sedativa
Flüssigkeitsüberladung
Linksherzinsuffizienz
Atemmuskelschwäche
Exzessive Atemarbeit bei Sekretverhalt
Welche der folgenden Ursachen ist bei einem wachen, tracheotomierten Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) primär am ehesten ursächlich für ein prolongiertes Weaning?
Restriktion durch Pleuraerguss
Erhöhte Atemarbeit durch Rechtsherzinsuffizienz
Ventilatorinduzierte diaphragmale Dysfunktion (VIDD)
Atemantriebsstörung
Oxygenierungsstörung durch intrapulmonalen Shunt
Wann ist eine nichtinvasive Beatmung (NIV) im Zusammenhang mit Postextubationsversagen indiziert?
Bei jedem Postextubationsversagen
Routinemäßig prophylaktisch nach jeder Extubation
Bei frühzeitiger Extubation bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) trotz gescheitertem Spontanatmungsversuch
Nur bei hypoxämischen Krankheitsbildern
Nur bei Adipositas wegen der häufigen Komorbidität obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS)
Bei welchen Werten für Base Excess, Sauerstoffsättigung, Atemfrequenz und Herzfrequenz liegt eine Bereitschaft zur Entwöhnung vor?
Atemfrequenz 36 /min, Base Excess 2,1 mmol/l, pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung (SpO2) 90 % bei einer Fraktion des Sauerstoffs im Einatmungsgasgemisch (FIO2) von 0,4; Herzfrequenz 88 /min, vorbestehend lungengesund
Atemfrequenz 30 /min, Base Excess −6,3 mmol/l, pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung (SpO2) 87 % bei einer Fraktion des Sauerstoffs im Einatmungsgasgemisch (FIO2) von 0,5; Herzfrequenz 100/min, vorbestehend chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
Atemfrequenz 12 /min, Base Excess 2,1 mmol/l, pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung (SpO2) 85 % bei einer Fraktion des Sauerstoffs im Einatmungsgasgemisch (FIO2) von 0,4; Herzfrequenz 70 /min, vorbestehend lungengesund
Atemfrequenz 27 /min, Base Excess 1,2 mmol/l, pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung (SpO2) 88 % bei einer Fraktion des Sauerstoffs im Einatmungsgasgemisch (FIO2) von 0,4; vorbekannte chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) mit Langzeitsauerstofftherapie
Atemfrequenz 20 /min, Base Excess 1,6 mmol/l, pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung (SpO2) 94 % bei einer Fraktion des Sauerstoffs im Einatmungsgasgemisch (FIO2) von 0,4; Herzfrequenz 160 /min
Welche Strategie soll im prolongierten Weaning nicht eingesetzt werden?
Diskontinuierliches Weaning
Intensive tägliche Physiotherapie
Routinemäßig durchgeführte Diagnostik auf das Vorliegen von Schluckstörungen
Ausreichend hochkalorische Ernährung
Routinemäßige Anhebung des Hämoglobinwerts auf > 10 g/l
Wann soll nach einem Cuff-Leak-Test eine Kortikosteroidtherapie durchgeführt werden?
Wenn er mit ungeblockter Kanüle durchgeführt wurde
Bei Werten < 100 ml Differenz zwischen in- und exspiratorisch gemessenem Volumen
Unabhängig vom Ergebnis des Tests, wenn das Risiko für eine Obstruktion der oberen Atemwege vorliegt
Wenn die Obstruktion im Bereich von Trachea und/oder Larynx den einzigen Grund für ein Postextubationsversagen darstellt
Im Bereich der Pädiatrie unabhängig vom Testergebnis
Wann ist eine frühzeitige Dekanülierung im prolongierten Weaning am ehesten gefährlich?
Bei persistierender schwerer Schluckstörung
Bei Hypoxämie mit Notwendigkeit einer Sauerstofftherapie
Bei kompensierter Hyperkapnie
Bei Immobilität
Wenn das Tracheostoma in Punktionstechnik angelegt wurde.
Was muss bei der Entlassung von Patienten mit Weaningversagen und außerklinischer invasiver Beatmung beachtet werden?
Eine Einwilligung vom Patienten und/oder Betreuer ist absolut notwendig, bevor bei Weaningversagen eine außerklinische Intensivversorgung eingeleitet wird.
Patienten mit Weaningversagen und außerklinischer invasiver Beatmung sollten nur in sog. Intensivwohngruppen versorgt werden.
Wenn das Weaning während des Krankenhausaufenthalts nicht erfolgreich war, soll es im außerklinischen Setting trotzdem fortgesetzt und weiter versucht werden.
Eine routinemäßige Wiedereinbestellung von Patienten mit Weaningversagen in das Beatmungszentrum sollte nicht erfolgen, da der Patient, wenn entlassen, in aller Regel keine Chance auf eine Entwöhnung hat.
Die Organisation der außerklinischen Beatmung ist primär Aufgabe der niedergelassenen Ärzte.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
Gemäß den Richtlinien des Springer Medizin Verlags werden Autoren und wissenschaftliche Leitung im Rahmen der Manuskripterstellung und Manuskriptfreigabe aufgefordert, eine vollständige Erklärung zu ihren finanziellen und nichtfinanziellen Interessen abzugeben.
Autoren
J. Geiseler: A. Finanzielle Interessen: Vorträge über Weaning, NIV, Inhalation, Sekretmanagement (Fa. Löwenstein Medical, Fa. Philips, Fa. Vivisol, Fa. Berlin-Chemie). – B. Nichtfinanzielle Interessen: Chefarzt, Medizinische Klinik IV, Klinikum Vest, Marl | Mitgliedschaften: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP, Sprecher der Gruppe 5.1. (WeanNet) der Sektion Intensiv- und Beatmungsmedizin), Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensivmedizin (DIVI), Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin (DGIIN), Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB), Verband Pneumologischer Kliniken (VPK), Mitarbeit an folgenden Leitlinien (im Auftrag der DGP): S2k-LL Prolongiertes Weaning (Redaktionsgruppe), S2k-LL Invasive und nichtinvasive außerklinische Beatmung (Redaktionsgruppe). M. Westhoff: A. Finanzielle Interessen: Referentenhonorar oder Kostenerstattung als passiver Teilnehmer: Fa. Löwenstein. – B. Nichtfinanzielle Interessen: angestellter Chefarzt, Klinik für Pneumologie, Lungenklinik Hemer | Mitgliedschaften: DGP, WeanNet (stellv. Sprecher), ERS, ACCP.
Wissenschaftliche Leitung
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Der Verlag
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Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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