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. 2021 Oct 7;163(17):63–65. [Article in German] doi: 10.1007/s15006-021-0309-6

Was ist bei der Grippeimpfung 2021/22 zu beachten?

What has to be known concerning flu vaccination 2021/22?

Linda Sanftenberg 1,, Jörg Schelling 2
PMCID: PMC8483797  PMID: 34595650

Neben COVID-19 zählt die Influenza zu den Infektionskrankheiten mit der höchsten bevölkerungs- bezogenen Mortalität. Die Impfquoten sind allerdings seit Jahren zu niedrig. Die durch Corona gesteigerte Impfbereitschaft sollte genutzt werden, um gerade Risikogruppen für eine Influenza- impfung zu sensibilisieren - für diese steht nun der effektivere Hochdosisimpfstoff zur Verfügung.

Influenzaimpfquote: Die Situation in Deutschland

Die saisonale Influenza ist eine impfpräventable Infektionskrankheit mit meist respiratorischen Symptomen. Sie wird durch Influenzaviren verursacht und ist leicht übertragbar, hauptsächlich über Tröpfchen und direkten Kontakt sowie indirekt über Atemwegssekrete [1, 2]. In der öffentlichen Wahrnehmung wird die Influenza häufig mit grippalen Infekten gleichgesetzt und damit auf ein vorübergehendes Ärgernis reduziert, bei welchem eine Impfung nicht nötig scheint [3].

Dabei sind neben den laborbestätigten Fällen von Influenza v. a. die medizinischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Belastungen zu betonen. Die Influenza gilt neben COVID-19 europaweit als die Infektionskrankheit, bei welcher der Anteil der verlorenen gesunden Lebensjahre am höchsten ist [4]. Der volkswirtschaftliche Schaden für Deutschland wird jährlich auf etwa 700 Mio. bis 3 Mrd. Euro geschätzt, v. a. durch die entstehenden Krankheitstage und auftretenden Komplikationen [5]. Das Risiko für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall ist zeitnah nach einer Influenzainfektion etwa 10-fach erhöht. Exazerbationen von bestehenden Grunderkrankungen wie Asthma bronchiale, COPD, Leber- und Nierenfunktionsstörungen sowie Diabetes mellitus sind häufig. Auch Thrombosen und andere Gerinnungsstörungen können gehäuft auftreten [6, 7, 8]. Zugleich ist das Risiko für eine Influenzainfektion gerade bei Personen mit vorliegenden Grunderkrankungen stark erhöht.

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Daher hat die Europäische Union bereits 2009 das Ziel definiert, in allen Mitgliedsstaaten unter Risikogruppen eine Influenzaimpfquote von mindestens 75% zu erreichen [9, 10]. Die bisherigen Impfquoten in Deutschland liegen aber deutlich darunter. Die KV-Impfsurveillance zeigt für das Jahr 2019/2020 Influenzaimpfquoten von 38,8% in Deutschland (28,4% in Bayern). Die Indikationsimpfung bei chronisch Kranken lag 2019/2020 bei 32,3%. Damit sind die bisher erreichten Impfquoten deutlich zu niedrig, insbesondere bei der Indikationsimpfung bei Schwangeren (16,6%) [11, 12, 13]. Auch wenn die Erkrankungszahlen durch die Maßnahmen während der Corona-Pandemie stark gesunken sind, so sollte dringend zu einer Influenzaimpfung in der kommenden Saison 2021/2022 gerade bei vulnerablen Patienten geraten werden [11].

Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die Influenzaimpfquoten

Die aktuelle Pandemie hat neben verschiedenen medizinethischen Fragestellungen v. a. den Nutzen und Mehrwert von Impfungen für die Gesellschaft in den öffentlichen Diskurs getragen. So waren im Oktober 2020 51% der Befragten in Deutschland generell bereit, sich gegen Influenza impfen zu lassen, 27% halten eine Impfung gegen Influenza für wichtiger als vor der Pandemie [14]. Die steigende Akzeptanz der Influenzaimpfung zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen: Erstmals wollen sich mehrheitlich nicht nur die über 60-Jährigen zu 66%, sondern auch die 50- bis 59-Jährigen zu 55% impfen lassen [15]. Eine deutlich gesteigerte Impfbereitschaft sei auch beim medizinischen Personal und den Menschen mit umfangreichem Publikumsverkehr wie z. B. bei Altenpflegern zu verzeichnen [16].

Ganz stark wird im Bewusstsein der Bevölkerung eine Verbindung zwischen COVID-19 und der Grippe gesehen. So geben 44% der Grippeschutzbefürworter an, sich gegen Influenza impfen lassen zu wollen, um diese Infektion in Corona-Zeiten auszuschließen, gefolgt von dem Wunsch nach einem persönlichen Schutz (41%) [15]. Ähnliche Zahlen können auch für weitere Länder in Europa genannt werden und gelten insbesondere für Risikogruppen wie chronisch Kranke und medizinisches Fachpersonal [17, 18, 19].

Aktuelle Impfempfehlungen

Kinder sind wichtige Träger und Überträger der Influenzaviren [20]. Da eine Erkrankung bei gesunden Kindern sowie bei Erwachsenen unter 60 Jahren meist ohne schwere Komplikationen verläuft, spricht die Ständige Impfkommission (STIKO) für diese Gruppen keine allgemeine Impfempfehlung aus [21]. Dies ist in anderen europäischen Ländern teilweise anders. Dass die STIKO die Influenzaimpfung nur für bestimmte Personengruppen empfiehlt, bedeutet jedoch nicht, dass sie von einer Influenzaimpfung anderer Personen abrät. Bei Bedarf können Kinder und Jugendliche im Alter von 2-17 Jahren mit einem inaktivierten Impfstoff (Standarddosis) oder mit einem attenuierten Lebendimpfstoff (LAIV) geimpft werden, sofern keine Kontraindikation besteht. Bei Hindernissen für eine Injektion (z. B. Spritzenphobie, Gerinnungsstörungen) sollte präferenziell der als Nasenspray verfügbare LAIV verwendet werden [22].

Eine berufliche Indikation liegt wie in den Vorjahren bei Personen mit erhöhter Infektionsgefährdung vor. Dazu gehören Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr (z. B. Angestellte im Einzelhandel oder in der Gastronomie), Personen, die als mögliche Infektionsquelle für von ihnen betreute Risikopersonen fungieren können (z. B. Angestellte im Bereich der Altenpflege, in Asyl- oder Obdachlosenheimen), Personen mit erhöhter Gefährdung durch direkten Kontakt zu Geflügel und Wildvögeln (z. B. Landwirte) und medizinisches Personal [23].

Weiterhin besteht eine Indikation bei allen gesunden und vorerkrankten Schwangeren ab dem 2. Trimenon und Personen ab 6 Monaten mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens. Als Grundleiden benennt die STIKO u. a. Asthma bronchiale sowie COPD, chronische Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, Diabetes mellitus, chronische neurologische Krankheiten und Immundefekte. Die Impfung sollte bei diesen Personen mit einem inaktivierten quadrivalenten Impfstoff mit aktueller von der WHO empfohlener Antigenkombination erfolgen [23].

Insbesondere ältere Menschen sind durch Immunoseneszenz und altersbedingte chronische Erkrankungen von schweren Verläufen der Influenza betroffen, deshalb empfiehlt die STIKO ab der Grippesaison 2021/2022 die Influenzaimpfung für alle Personen ab 60 Jahren mit einem inaktivierten quadrivalenten Hochdosisimpfstoff mit aktueller von der WHO empfohlener Antigenkombination [24], (Abb. 1). Der Hochdosisimpfstoff zeigt eine geringfügige, aber signifikante Überlegenheit der Impfeffektivität bei älteren Menschen, sodass eine relevante Anzahl an Influenza-bedingten Arztkonsultationen, Hospitalisierungen und Todesfällen zusätzlich verhindert werden können. Es wurden zwar teilweise stärkere Lokalreaktionen beobachtet, aber keine schweren Komplikationen [23]. Durch den Hochdosisimpfstoff verspricht man sich eine Steigerung der Impfakzeptanz der über 60-Jährigen, die oft die schlechte Wirksamkeit der Impfung als Grund gegen eine Impfung anführten.

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Autoren:

Dr. rer. nat. Linda Sanftenberg

Institut für Allgemeinmedizin Klinikum der Universität München, Campus Innenstadt Pettenkoferstr. 10 D-80336 München E-Mail: Linda.Sanftenberg@med.uni-muenchen.de

Prof. Dr. med. Jörg Schelling

Institut für Allgemeinmedizin, LMU Klinikum München, Hausärztliche Gemeinschaftspraxis Martinsried

Fazit für die Praxis.

  1. Die Empfehlungen von Indikationsimpfungen sollten mehr Beachtung finden, um die Impfquoten zu verbessern.

  2. Die Influenzaimpfquote der ab 60-Jährigen lag in der Saison 2019/2020 nur bei 38,8%, aber die Impfbereitschaft der Bevölkerung hat sich im Zuge der COVID-19-Pandemie gesteigert.

  3. Erstmals wird von der STIKO eine Differenzierung der Impfstoffe vorgenommen und der Hochdosis-Influenza-Impfstoff für Personen ab 60 Jahren empfohlen.

Supplementary Information

INTERESSEN-KONFLIKT

Prof. Schelling hat von MSD, Pfizer, GSK, Sanofi, BioNTech, Seqirus, Bavarian Nordic, Janssen und dem CRM Vortrags- oder Beratungshonorare erhalten. Beide Autoren erklären, dass sie sich bei der Erstellung des Beitrages von keinen wirtschaftlichen Interessen leiten ließen und keine Interessenkonflikte bestehen.

Contributor Information

Linda Sanftenberg, Email: linda.sanftenberg@med.uni-muenchen.de.

Jörg Schelling, Email: joerg.schelling@med.uni-muenchen.de.

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