Lesen Sie hier, welche Fragen zu Therapie, Zielwerten und Prävention der Hypertonie gerade anstehen. Ihr Wissen können Sie anschließend beim 45. Deutschen Hypertoniekongress vertiefen. Dieser wird vom 25. bis zum 27. November sowohl in Berlin als auch am heimischen Bildschirm stattfinden.
Der 45. wissenschaftliche Kongress der Deutschen Hochdruckliga (DHL) - Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention wird zusammen mit der Gesellschaft für Arterielle Gefäßsteifigkeit D-A-CH (DeGAG) und in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) durchgeführt. Das Programm reflektiert die Schnittmenge dieser Gesellschaften zu den Themen Hypertonie und Endorganschäden, kardiovaskuläres Risiko sowie Prävention und wird somit der besonderen Rolle der Hypertonie als internistisches Querschnittsfach gerecht.
Telemedizinische Patientenversorgung - die Corona-Pandemie als Katalysator
Ein Schwerpunkt des Kongresses ist das Thema Chancen und Herausforderungen der digitalen Medizin. Wir wollen aktuelle Entwicklungen der digitalen Medizin mit konkreten Anwendungen, Apps und Wearables diskutieren, aber auch systemische Gesichtspunkte und Versorgungsaspekte hinsichtlich der Auswirkungen für Patienten und Ärzte kritisch in den Blick nehmen. Bei kaum einer anderen medizinischen Indikation gibt es bereits so viele Apps und Anwendungen wie zur Überwachung des Blutdrucks und zur Archivierung der Werte. Die Corona-Pandemie hat zudem zu einer beschleunigten Umsetzung telemedizinischer Lösungen beigetragen.

In einem Joint Tutorial mit der Deutschen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (DGBMT) im Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) werden die technischen Grundlagen der Telemedizin beleuchtet, aber auch ganz konkrete Hightech-Lösungen für das Therapiemonitoring bei Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck auf den Prüfstand gestellt, wie z. B. Sensoren und Verfahren zur Blutdruck- und Gefäßsteifigkeitsmessung.
Zielwerte in verschiedenen Leitlinien - sind wir in Europa zu "lax"?
Ein weiterer Schwerpunkt ist die kritische Diskussion von Leitlinien. Bekannt ist, dass unsere amerikanischen Kolleginnen und Kollegen andere Zielwerte haben als wir. Die SPRINT-Studie [1] hat durchaus Zweifel gesät, ob wir mit der europäischen Praxis, systolische Werte bis 140 mmHg zu tolerieren, bevor wir mit der medikamentösen Therapie beginnen, richtigliegen.
Aktuell wurde im New England Journal of Medicine eine große chinesische Studie [2] publiziert, die zeigte, dass sogar ältere Menschen von einer strikteren Blutdrucksenkung unter systolische Werten von 130 mmHg profitieren: Zwei von drei kardialen Dekompensationen konnten durch eine solche Intervention verhindert werden, ebenso wie jeder dritte Schlaganfall und jedes dritte akute Koronarsyndrom. Doch die Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) und der European Society of Hypertension (ESH) empfehlen, den Blutdruck bei Menschen über 65 Jahren nicht unter 130 mmHg zu senken. Das Thema wird umfassend im Symposium "Zielwerte in verschiedenen Guidelines - eine babylonische Verwirrung?" beleuchtet.
Auch die aktuellen Leitlinien der unabhängigen internationalen Organisation Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) [3] werden in einer Sitzung kritisch diskutiert. Sie empfehlen bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen eine striktere Blutdrucksenkung als bisher, und zwar mit einem Zielwert unter 120 mmHg, was viele Behandler für nicht praktikabel halten.
Kardiorenales Syndrom und Therapie mit SGLT-2-Inhibitoren
Ein dritter Schwerpunkt des Kongressprogramms ist das kardiorenale Syndrom, zu dem eine interdisziplinäre Sitzung mit der DGIM geplant ist. Besprochen werden dort u. a. die Relevanz der diuretischen Therapie, das Problem der Hyperkaliämie und der Einsatz von Natrium-Glukose-Kotransporter-2-Inhibitoren (SGLT-2-Inhibitoren) in der Herzinsuffizienztherapie.
Ganz neu sind dazu Daten der EMPEROR-Studiengruppe, die doppelverblindet den Effekt des SGLT-2-Inhibitors Empagliflozin bei herzinsuffizienten Patientinnen und Patienten mit einer erhaltenen Ejektionsfraktion über 40% untersuchte [4]. 5.988 Studienteilnehmende wurden in der EMPEROR-Preserved-Studie im Median über ca. 26 Monate entweder mit Empagliflozin behandelt oder erhielten ein Placebo. Der primäre Endpunkt setzte sich aus kardiovaskulärer Mortalität und Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz zusammen.
Im Ergebnis zeigte sich, dass bei 13,8% der Patientinnen und Patienten in der Behandlungsgruppe und 17,1% der Placebogruppe der primäre Endpunkt auftrat (p < 0,001). Die Wirkung von Empagliflozin auf gravierende Nierenkomplikationen (hohe eGFR-Verluste, Dialysepflicht) war in dieser Studie allerdings geringer als in der EMPEROR-Reduced-Studie, die gleiches an Patientinnen und Patienten mit einer Ejektionsfraktion unter 40% untersucht hatte.
Viele weitere Themen mit praktischer Relevanz
Das Kongressprogramm beleuchtet zudem viele andere praxisrelevante Themen, die im internistischen und hausärztlichen Alltag von Bedeutung sind, wie die Standards der Blutdruckmessung, die Rolle des zentralen Blutdrucks oder die Rolle des Aldosteron- und des Mineralokortikoidrezeptors. Auch Aspekte zu COVID-19-Infektionen und Hypertonie werden behandelt.
Der Besuch des Hypertoniekongresses wird darüber hinaus für die Rezertifizierung zum Hypertensiologen DHL anerkannt.
Wir freuen uns gemeinsam mit Ihnen auf interessante und erlebnisreiche Kongresstage - in Berlin oder am heimischen Bildschirm!


Das Kongressprogramm finden Sie auf: https://www.hypertonie kongress.de
Autoren:
Prof. Dr. med. Markus van der Giet
Medizinische Klinik für Nephrologie und Internistische Intensivtherapie - Campus Benjamin Franklin Charite - Universitätsmedizin Berlin Hindenburgdamm 30 D-12203 Berlin E-Mail: markus.vandergiet@charite.de
Prof. Dr. med. Florian Limbourg
Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 D-30625 Hannover E-Mail: limbourg.florian@mh-hannover.de
Schwerpunktthemen des Kongresses.
Chancen und Herausforderungen der digitalen Medizin
Kritische Diskussion von Leitlinien - Welcher Blutdruckzielwert sollte wann angestrebt werden?
Standards der Blutdruckmessung - Sensoren und Verfahren
Aldosteron, Hypertonie, primärer Hyperaldos- teronismus: diagnostische und therapeutische Konsequenzen
Zucker, Salz, Mikrobiom - Einfluss auf den Hochdruck
Hypertonie und Herzinsuffizienz
Allgemeinmaßnahmen bei Hypertonie: Was bringt es und wie geht es?
Hypertonie und COVID-19
Supplementary Information
Contributor Information
Markus van der Giet, Email: markus.vandergiet@charite.de.
Florian P. Limbourg, Email: limbourg.florian@mh-hannover.de
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