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editorial
2021 Oct 28;34(4):347–348. [Article in German] doi: 10.1007/s10309-021-00449-6

Akut symptomatische Anfälle – Herausforderungen der Begriffsbestimmung im klinischen Alltag

Acute symptomatic seizures—challenges regarding terminology in daily routine

Edda Haberlandt 1,, Ekaterina Pataraia 2,
PMCID: PMC8552201

Vor Ihnen liegt das vierte Heft der Zeitschrift für Epileptologie des Jahres 2021 mit dem Leitthema des „akut symptomatischen Anfalls“ (ASA). Dieses Leitthema stellt aus epileptologischer Sicht durch seine mannigfaltigen Ursachen eine sehr weitreichendes Themengebiet und damit spannende Herausforderung im Alltag dar. Als Gasteditorinnen (Haberlandt und Pataraia) haben wir den Themenblock des akut symptomatischen Anfalls mit großer Motivation mit den KoautorInnen zusammengestellt. Unser Ziel dabei war es, das Thema nicht nur umfassend bezüglich der Ursachen aufzubereiten, sondern auch bei den jeweiligen Themenblöcke die pädiatrische Literatur zu berücksichtigen. Das Thema passt sehr gut zu der kürzlich von Voderwülbecke et al. etablierten multizentrischen Studienprotokolls „PROSA“ („Register zur Prognose akut-symptomatischer Anfälle (PROSA-Register): Eine prospektive multizentrische Beobachtungsstudie“). Ziel dieser Studie ist es, durch eine einarmige, offene, prospektive, multizentrische Beobachtungsstudie mit Nachbefragung über 12 Monate die vorhandene Evidenz zu unterstreichen, so dass eine medikamentöse Anfallsprophylaxe über die akute Phase der zugrunde liegenden Erkrankung hinaus nicht notwendig ist.

Die ASA sind durch ihr Auftreten in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu einer akuten Störung oder Schädigung der Zentralnervensystem- (ZNS-)Funktion definiert und ihre potenziellen Ätiologien sind sehr heterogen (metabolisch, toxisch, strukturell, infektiös oder inflammatorisch; [13]). Der Terminus „akut symptomatischer Anfall“ ersetzt dabei frühere bzw. andere Begriffe wie provozierter Anfall, reaktiver Anfall, situationsbezogener Anfall bzw. Gelegenheitsanfall [1, 4].

Eine auslösende Ursache sollte klar identifizierbar und in einem engen zeitlichen Zusammenhang zum epileptischen Anfall liegen. Der „enge zeitliche Zusammenhang“ ist für verschiedene Pathologien unterschiedlich definiert: Von einem ASA im Rahmen eines Schlaganfalls spricht man, wenn der epileptische Anfall innerhalb von 7 Tagen nach dem Schlaganfallereignis auftritt [1]. Über dieses Thema informiert Sie der Artikel von Serles et al. („Akut symptomatische Anfälle vs. beginnende Epilepsie nach Schlaganfall bei Erwachsenen und Kindern – Indikation zur Therapie bei Erwachsenen“) mit einer umfassenden aktuellen Übersicht. Auch für einen ASA nach Schädel-Hirn-Trauma wird diese Zeitgrenze gewählt und hierüber informiert Sie der Artikel von Feichtinger et al. („Akut symptomatische Anfälle und posttraumatische Epilepsie nach Schädel-Hirn-Trauma bei Erwachsenen und Kindern“) in diesem Themenheft [2].

Die Zeitgrenze der Phase der aktiven Erkrankung für ZNS-Infektionen wird durch klinische Symptome bzw. Laboruntersuchungen determiniert und damit eine engeres Naheverhältnis gefordert (z. B. innerhalb von 24 h bei Hyponatriämie; [2, 5]). Bei infektiösen oder entzündlichen Pathologien ist ein größeres Zeitfenster möglich, wenn es Evidenz für einen anhaltenden aktiven Krankheitsprozess gibt (z. B. entzündliche kontrasmittelaufnehmende MRT-Läsionen; Nachweis von Autoantikörpern gegen den NMDA-Rezeptor im Liquor etc.). Akut symptomatische epileptische Anfälle treten definitionsgemäß nicht mehr auf, sobald sich das Gehirn vom auslösenden Ereignis erholt hat bzw. sobald der ursächliche Faktor nicht mehr vorliegt (z. B. Normalisierung einer schweren Hyponatriämie). Hierzu informiert Sie der Artikel von Dormann et al. („Akut symptomatische Anfälle bei internistischen Erkrankungen und Noxen“).

Es besteht somit keine dauerhafte Neigung für das Auftreten von epileptischen Anfällen und es liegt keine Epilepsieerkrankung vor. Dieses theoretische Konzept spiegelt sich in den Ergebnissen einer Studie wieder, die gezeigt hat, dass das Risiko für das Auftreten weiterer unprovozierter epileptischer Anfälle nach einem ASA deutlich geringer als nach einem erstmaligen unprovozierten epileptischen Anfall ist [5]. Die Herausforderung der Abgrenzung eines provozierten Anfalls von ASA wird in den beiden Artikeln von Baumgartner et al. („Epileptische Anfälle bei Schlafentzug und Video-Spielen“; „Epileptische Anfälle bei zerebralen Kavernomen“) exzellent beleuchtet.

Fieberkrämpfe sind definiert als epileptische Anfälle, die bei Kindern im Alter zwischen 6 Monaten und 5 Jahren mit Fieber > 38 °C und ohne Hinweise für eine ZNS-Infektion, auftreten [6]. Sie sind ein klassisches Beispiel für einen ASA und stellen mit einer Lebenszeitprävalenz von 2–6 % in der allgemeinen Bevölkerung das häufigste epileptische Anfallsereignis dar. Fieberkrämpfe sind besonders mit viralen Infektionen wie Influenza und humanes Herpesvirus Typ 6, die hohes Fieber verursachen, assoziiert, aber treten auch in Zusammenhang mit Infektionen durch saisonale Coronaviren auf [6, 7]. Im Artikel über die akut symptomatischen Fieberkrämpfe gehen die Autorinnen Feucht et al. („Fieberkrämpfe – Diagnostik und Behandlung“) genau auf die aktuellen Definitionsgrundlagen ein. In Bezug zu einer möglichen Rolle von SARS-Cov‑2 mit dem Auftreten von Fieberkrämpfen ist interessant, dass COVID-19 bei Kindern weniger häufig hohes Fieber verursacht und insgesamt milder als die pädiatrische Influenza verläuft [8]. Mehr zu der Inzidenz von akut symptomatischen Anfällen im Rahmen einer COVID-19-Erkrankungen können Sie im Artikel von Mauritz und Trinka („Akut symptomatische epileptische Anfälle in Assoziation mit COVID-19“) nachlesen.

Zuletzt möchten wir noch auf die 2 intensivmedizinische Arbeiten hinweisen: Klebermaß-Schrehof beleuchtet einerseits die relevante Bedeutung des amplitudenintegrierten EEG (aEEG) bei ASA für Neonate („Akut symptomatische Anfälle bei Neonaten und Einsatz des amplitudenintegrierten EEG [aEEG]“), der Artikel von Leitinger („Akut symptomatische Anfälle und die Abgrenzung zum Status epilepticus [SE] auf der Intensivstation bei Kindern und Erwachsenen“) gibt eine pragmatische Hilfestellung in der Abgrenzung des ASA vom SE auf der Intensivstation. In beiden Artikeln wird die Notwendigkeit der konsequenten akuten Behandlung von ASA betont, Studien belegen die Verschlechterung des neurologischen Outcomes mit zunehmender Anfallslast bei Kindern und Erwachsenen.

Für die hervorragende Zusammenarbeit möchten wir uns bei allen AutorInnen herzlichst bedanken, uns hat die Vorbereitung gemeinsam mit den engagierten AutorInnen viel Freude bereitet. Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre aller Artikel viel Informationszugewinn!

Gruß

Edda Haberlandt und Ekaterina Pataraia

Interessenkonflikt

E. Haberlandt und E. Pataraia geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Footnotes

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Contributor Information

Edda Haberlandt, Email: edda.haberlandt@dornbirn.at.

Ekaterina Pataraia, Email: ekaterina.pataraia@meduniwien.ac.at.

Literatur

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