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. 2021 Dec 13;13(6):15–17. [Article in German] doi: 10.1007/s15033-021-2771-3

COVID-19-Risiko ist bei Minderjährigen mit Asthma offenbar nicht erhöht

Benedikt Fritzsching 1,
PMCID: PMC8666161  PMID: 34925626

Fragestellung: Gibt es eine signifikante Assoziation zwischen Asthma und einer SARS-CoV-2-Infektion bei Kindern und Jugendlichen?

Hintergrund: Viele Elternsorgen sich, dass Kinder mit Asthma bronchiale ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben, und es wird daher im klinischen Alltag ein besonders gut kontrolliertes Asthma angestrebt. Daten von vorwiegend stationär behandelten Erwachsenen mit Asthma zeigen dagegen, dass diese seltener und weniger schwer an COVID-19 erkranken als Erwachsene ohne Asthma [1, 2]. Für Kinder und Jugendliche gibt es dazu bisher wenig publizierte Studienergebnisse.

Patienten und Methoden: Kinder mit der Diagnose "Asthma bronchiale" im Alter zwischen 5 und 17 Jahren, die zwischen 2017 und Februar 2020 in medizinischer Betreuung an Gesundheitseinrichtungen der Duke Universität in den USA waren, wurden 1:1 gematcht mittels Prospensity Score Matching (PSM) mit Kindern ohne Asthma. Als primärer Endpunkt wurde die Zahl der Kinder definiert, die von März bis Oktober 2020 an der Duke Universität per PCR positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden. Viele demografische Faktoren wurden a priori ermittelt, die die Wahrscheinlichkeit für einen Test beeinflussen, um diese Variablen beim PSM-Verfahren zu berücksichtigen. Zu den Kindern mit negativem PCR-Befund wurden auch jene gezählt, die im Beobachtungszeitraum nicht getestet wurden. Dann wurde geprüft, ob eine Assoziation zwischen manifestem Asthma und dem Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion besteht. Außerdem wurde der Einfluss einer Therapie mit ICS oder von atopischen Komorbiditäten auf diese Assoziation untersucht.

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Ergebnisse: Von 49.455 hatten 6.515 Kinder die Diagnose "Asthma bronchiale" und wurden mit 6.515 Kindern ohne Asthma gematcht. Asthma war mit einem niedrigeren Risiko für SARS-CoV-2-Infektion assoziiert (RR: 0,67; 95%-KI: 0,49-0,92). Kinder mit ICS (RR: 0,60; 95%-KI: 0,38-0,94) oder mit atopischen Komorbiditäten hatten tendenziell eine noch geringere Assoziation (RR: 0,59; 95%-KI: 0,39-0,88). Kein Kind mit Asthma und COVID-19 in der Studie musste stationär behandelt werden.

Schlussfolgerung: Die Autoren folgern, dass Kinder mit Asthma bronchiale ein geringeres Risiko (ca. 35 %) für eine SARS-CoV-2-Infektion haben als Kinder ohne Asthma, besonders wenn ein ICS rezeptiert wurde oder weitere Atopien vorliegen.

Originalie.

Rao S, Hurst JH, Zhao C et al. Asthma and the Risk of SARS-CoV-2 Infection Among Children and Adolescents. medRxiv preprint; https://doi.org/ 10.1101/2021.07.20.21260871

Kommentar von Prof. Dr. med. Benedikt Fritzsching.

Ob Risiko gar verringert ist, wäre zu bestätigende Hypothese

Wie für Erwachsene gezeigt [1, 2] scheint die aktuelle Studie für Kinder zu bestätigen, dass Asthma-Patienten kein erhöhtes Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion haben, möglicherweise sogar ein geringeres, insbesondere bei ICS-Therapie.

Jedoch sind methodisch einige Einschränkungen zu beachten. Die Arbeit ist noch nicht durch das wissenschaftliche Peer-Review-Verfahren gegangen (medRvix Preprint, Stand Dez. ´21). Zur Analyse von retrospektiven "Real-world"-Datensätzen ist das PSM-Verfahren eine geeignete Methode. Jedoch ist ein erfolgreiches PSM abhängig davon, wie gut a priori Variablen identifiziert wurden, für die statistisch kontrolliert wird, um den Effekt eines "confounding by indication" zu vermeiden. Ähnlich wie bei publizierten Studien mit Erwachsenen kann in der Kinder-Studie z. B. nicht ausgeschlossen werden, dass Asthma-Patienten sich aus Sorge vor schwerer COVID-19 besonders vorsichtig verhalten. Auch wurden Asthma-Patienten ohne aktuelle Dauermedikation nicht in die Studie aufgenommen. Die STROBE(Strengthening the Reporting of Observational Studies in Epidemiology)-Kriterien für Beobachtungsstudien wurden in der aktuellen Studie nicht komplett erfüllt [3] und Lungenfunktions- sowie klinische Verlaufsdaten konnten wegen fehlender Information in der Datenbank nicht berücksichtigt werden. Dadurch kann z. B. nicht ausgeschlossen werden, dass Subgruppen von Asthma-Patienten doch ein erhöhtes Risiko haben. Im Kontext mit publizierten Daten, in denen u. a. die Diagnose "Asthma bronchiale" bei Kindern gar negativ mit der Wahrscheinlichkeit einer stationären COVID-19-Therapie assoziiert war [4], ist es aber plausibel, dass kein allgemein erhöhtes Risiko für Kinder mit Asthma für einen schweren COVID-19-Verlauf besteht. Aus mechanistischer Sicht gibt es die Hypothese, dass der Zelleintritt des SARS-CoV-2 infolge einer durch die Th2-Immunantwort bedingten niedrigeren Angiotensin-Converting-Enzyme-2-Expression bei Minderjährigen mit allergischem Asthma erschwert wird [5, 6]. Der Zelleintritt des SARS-CoV-2 wird bekanntlich wesentlich durch die Interaktion mit ACE2 auf der Zelloberfläche bestimmt [7].

Fazit: Die Studie weist darauf hin, dass für die meisten Kinder und Jugendlichen mit Asthma kein allgemein erhöhtes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion besteht. Dies ist für die Kommunikation mit Eltern, Patienten und Institutionen wie Schulen besonders wichtig. Ob Kinder mit Asthma sogar ein geringeres Risiko für Infektion und Erkrankung haben, ggf. durch ICS oder bei Vorliegen eines allergischen Asthmaphänotyps, ist eine interessante Hypothese, die noch bestätigt werden muss.

Prof. Dr. med. Benedikt Fritzsching.

Schwerpunktpraxis Allergologie und Pädiatrische Pneumologie

Langer Anger 33, 69115 Heidelberg

Prof.Fritzsching@kinderarzt-hd.de

Literatur:


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