Noch Wochen und Monate nach einer akuten Erkrankung an COVID-19 berichten viele Betroffene über eine Reihe unterschiedlichster Symptome. Langzeitfolgen, die nach mehr als vier Wochen noch vorhanden sind oder neu auftreten, werden als Long-COVID bezeichnet [Nice Guideline on long covid. BMJ 2020;371:m4938; S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID, AWMF-Register Nr. 020-027]. Das Krankheitsbild Long-COVID sei jedoch noch nicht einheitlich definiert, erklärte Falitsa Mandraka, Köln. Daher sind auch die Angaben zur Häufigkeit heterogen. Daten des britischen National Institute for Health Research (NIHR) zufolge seien 10-20 % aller mit SARS-CoV-2 Infizierten und 50-70 % aller hospitalisierten Erkrankten betroffen, berichtete Mandraka.
Zu den sehr häufigen Langzeitfolgen nach einer SARS-CoV-2-Infektion zählen Fatigue, Leistungseinschränkungen, Dyspnoe, Kopfschmerzen sowie Riech- und Schmeckstörungen. Häufig sind Husten, Schlafstörungen, veränderte Atemmuster, depressive Verstimmungen und Angstsymptomatik, Schmerzen, kognitive Einschränkungen, Zwangshandlungen, Haarausfall und Stress. Selten kommt es zu Lähmungen und Sensibilitätsstörungen, Übelkeit, Diarrhö, Appetitverlust, Palpitationen und Tachykardie, und auch HNO-Symptome wie Schwindel, Tinnitus, Ohrenschmerzen und Stimmverlust können auftreten [S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID, AWMF-Register Nr. 020-027].
Eines der Erklärungskonzepte für die vielfältige Symptomatik sei, dass der ACE-2-Rezeptor, an den das Spike-Protein von SARS-CoV-2 andockt, an vielen unterschiedlichen Zellen vorhanden sei, erklärte Mandraka. Der ACE-2-Rezeptor findet sich nicht nur auf den Epithelzellen des Nasopharynx und den Alveolarepithelzellen der Lunge, sondern auch auf proximalen tubulären Zellen der Niere, Enterozyten im Dünndarm, T-Lymphozyten, Endothelzellen von Gefäßen und nervalen Stützzellen.
Wie man heute wisse, träten Riech- und Schmeckstörungen im Rahmen von COVID-19 nicht nur bei nasaler Obstruktion auf, erläuterte Mandraka. Vielmehr werden während des initialen Entzündungsprozesses wahrscheinlich Stützzellen des Riechnervs befallen. Da es jedoch zu keiner direkten nervalen Schädigung komme, sei eine Restitutio ad integrum möglich. Die Prognose für Riech- und Schmeckstörungen ist gut: Diese bilden sich zu 80-95 % innerhalb von zwei Monaten zurück, wie der HNO-Arzt seine Patienten beruhigen kann. Abschwellende Nasensprays haben keinen nachweisbaren Effekt.
Gehen die Riech- und Schmeckstörungen nicht von selbst vorüber, sollte neben der HNO-ärztlichen auch eine neurologische Vorstellung und zerebrale Bildgebung erfolgen, um eventuelle andere Ursachen auszuschließen [S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID, AWMF-Register Nr. 020-027]. Möglicherweise könnte auch ein Riechtraining, wie es aus der Behandlung von Störungen nach anderen Virusinfektionen bekannt ist, einen Nutzen bei COVID-19-Patienten haben, so Mandraka.
Mandraka F. "Long Covid - Spätfolgen einer Corona-Infektion", 54. Fortbildungsveranstaltung für HNO-Ärzte, Mannheim, 28. bis 30. Oktober 2021