Das Themengebiet der „Patientensicherheit“ ist nicht nur aktuell unter Coronabedingungen in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Wie in jungen und sich schnell ausbreitenden Wissenschaftsbereichen oft üblich ist dieser Begriff heute durch zahlreiche, zum Teil verwirrende Begriffsdefinitionen charakterisiert.
Patientensicherheit wird als Abwesenheit unerwünschter Ereignisse definiert. Hierbei sind unerwünschte Ereignisse schädliche Ereignisse, die eher durch die Behandlung als durch die Erkrankung selbst verursacht sind. Sie können vermeidbar oder unvermeidbar sein. Ein kritisches Ereignis ist ein Ereignis, das zu einem unerwünschten Ereignis führen könnte oder aber deren Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht.
Patientensicherheit wird als Abwesenheit unerwünschter Ereignisse definiert
In diesem Kontext bewegen wir uns in dem aktuellen Heft, das sich mit der Sicherheit im Zusammenhang mit der Hygiene in der Gastroenterologie beschäftigt. Viele der von uns eingeladenen Autoren sind in der neu etablierten Arbeitsgruppe Hygiene der Sektion Endoskopie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) aktiv und tief in die Materie der Hygiene eingebunden.
Ein kritisches Ereignis im Zusammenhang mit der Hygiene während einer Endoskopie könnte die Verwendung eines kontaminierten Endoskops sein, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit eines unerwünschten Ereignisses – nämlich einer Infektion im Rahmen der Endoskopie – erhöht. Immerhin konnten gemäß von der Food and Drug Administration (FDA) in Auftrag gegebener Postmarket-Studien in bis zu 6,1 % „High-concern-Bakterien“ festgestellt werden ([1]; FDA, January 2020) Ob diese Kontamination von wiederaufzubereitenden Endoskopen tatsächlich ein reales Problem darstellt, werden Michael Jung und Axel Eickhoff beleuchten und gleichzeitig auch auf Infektionen, die mit anderen Endoskopen im Zusammenhang stehen, eingehen.
Eine wichtige Größe im Sicherheitskonzept der flexiblen Endoskopie in der Gastroenterologie stellt die adäquate Aufbereitung der Endoskope dar, die letztlich nicht sterilisiert sondern nur mittels „high-level disinfection“ keimfrei werden können. Spätestens seit der aufsehenerregenden „Hygea-Studie“ Ende der 1990er-Jahre wissen wir, wie wichtig jeder einzelne Schritt in der manuellen und vollautomatisierten maschinellen Aufbereitung ist und wie wichtig vor allem die Validierung dieses Prozesses ist. Hier sind neben den strukturellen und räumlichen Voraussetzungen insbesondere auch der Faktor Mensch und dessen Sachkenntnis und Ausbildung gefragt. Ulrike Beilenhoff von der Deutschen Gesellschaft für Endoskopiefachberufe (DEGEA) und Heike Martiny beschäftigen sich schon sehr lange mit dem Prozess der Aufbereitung flexibler Endoskope, sind in der Leitlinienarbeit aktiv und werden den aktuellsten Stand bezüglich Evidenz und Empfehlungen darlegen.
Einmal- bzw. „Single-use“-Endoskope benutzen wir in der klinischen Routine auf den Intensivstationen schon sehr häufig zur Bronchoskopie von Intensivpatienten, weil hier einerseits eine relevante Kontamination von Problemkeimen und andererseits der Aufbereitungsprozess rund um die Uhr in vielen Klinken nicht oder nicht korrekt organisierbar ist. Auf die Probleme der Duodenoskope zur endoskopischen retrograden Cholangiopankreatikographie (ERCP) wurde bereits hingewiesen. Inzwischen sind auch in der flexiblen Endoskopie 2 verschiedenen Einmalduodenoskope (EXALT, Boston Scientific Corporation, Deutschland; Ambu aScope Duodeno, Ambu, Dänemark) zugelassen und käuflich erwerbbar. Randomisierte Untersuchungen mit diesen Geräten bescheinigen ihnen im Vergleich zu den Standardduodenoskopen einen hohen technischen Erfolg mit vergleichbarer Performance in „low complexity procedures“ [1]. Mark Ellrichmann und Axel Eickhoff beschäftigen sich mit dem Thema der Einmalendoskopie und mit dem Boom der Einmalprodukte in der gastroenterologischen Endoskopie der letzten Jahre.
Die adäquate Aufbereitung der Endoskope stellt eine wichtige Größe im Sicherheitskonzept dar
Seit Beginn der Pandemie durch die Coronaviruserkrankung 2019 (COVID-19) wird nochmal sehr deutlich, dass eine Infektion durch bzw. während der Endoskopie tatsächlich auch ein Thema der Sicherheit des medizinischen Personals neben der Patientensicherheit darstellt. Wie sind wir in der gastroenterologischen Endoskopie in den letzten 1,5 Jahren durch diese Pandemie gekommen und welche Maßnahmen mussten kurzfristig etabliert werden? Was sind die Folgen der Pandemie für unser Fachgebiet und was sind die heutigen Standards und Erfahrungen in der ambulanten und stationären Versorgungslandschaft? Zu diesem Thema nehmen Stephan Hollerbach und Helmut Messmann Stellung und teilen mit uns die Ergebnisse ihrer Umfragen unter Kollegen.
Ulrich Rosien hat mit seiner Arbeitsgruppe im Jahr 2018 das Modellprojekt Critical-incident-reporting-system(CIRS)-Endoskopie der DGVS gestartet. Der Vorteil nationaler Portale für CIRS-Meldungen liegt auf der Hand. Jede lokale Meldung in der Klinik kann fast nicht anonym bleiben. Dies gelingt sehr wohl in einer nationalen, sektorenübergreifenden Plattform, in der das Meldemanagement zentral organisiert wird und somit deutlich fallspezifischer und mit hoher Expertise geschehen kann.
Haben Sie mit uns viel Freude bei der Lektüre dieses Schwerpunkthefts von Der Gastroenterologe und lassen Sie sich für diese aktuellen und wichtigen Themen sensibilisieren!
Ihr
Axel Eickhoff
Dieter Schilling
Interessenkonflikt
A. Eickhoff und D. Schilling geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Footnotes
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Contributor Information
Axel Eickhoff, Email: axel_eickhoff@klinikum-hanau.de.
Dieter Schilling, Email: d.schilling@bbtgruppe.de.
Literatur
- 1.Bang JY, Hawes R, Varadarajulu S, et al. Equivalent performance of single-use and reusable duodenoscopes in a randomised trial. Gut. 2021;70(5):838–844. doi: 10.1136/gutjnl-2020-321836. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]