Abstract
Ein 61-jähriger Patient wurde wegen seit drei Wochen anhaltender krampfartiger Oberbauchschmerzen koloskopiert. Endoskopisch fand sich eine nicht abtragbare ulzerierte Raumforderung im Querkolon. Vier Tage nach der Koloskopie kam es zum Spontanabgang eines 4,1 × 3,5 × 2,8 cm großen Tumorknotens im Stuhl, histologisch einem submukösen Lipom entsprechend. Operativ bestätigte sich ein benignes Lipom mit Begrenzung auf die Submukosa. Äußerst selten wird ein Tumorknoten mit dem Stuhl ausgeschieden. Bei Zweifel an der Benignität des Gesamttumors sollten die onkologischen Standards befolgt werden.
Schlüsselwörter: Tumorknoten, Ausscheidung im Stuhl, Lipom, Kolon, Oberbauchschmerzen
Abstract
A 61-year-old male patient underwent a colonoscopy for cramp-like upper abdominal pain of 3 weeks duration. An endoscopically irresectable ulcerated mass was seen in the transverse colon. The patient spontaneously excreted in the feces a tumor node measuring 4.1 × 3.5 × 2.8 cm with the histological features of a submucosal lipoma 4 days after the colonoscopy. A benign lipoma confined to the submucosa was operatively confirmed. It is extremely rare for a tumor node to be shed in feces. If the benign nature of the entire lesion is doubtful, standard oncological procedures are advocated.
Keywords: Tumor nodule, Fecal expulsion, Lipoma, Colon, Upper abdominal pain
Anamnese
Wegen seit drei Wochen bestehender und in den letzten vier Tagen an Intensität zunehmender krampfartiger Oberbauchschmerzen wurde der 61-jährige Patient in einer gastroenterologischen Schwerpunktpraxis koloskopiert. Berichtet wurde ein im linksseitigen Colon transversum am Übergang zur steil verlaufenden linken Kolonflexur gelegener und das Lumen verlegender Tumor von weicher Konsistenz. Bei der initialen Dickdarmspiegelung war die Raumforderung nicht passierbar und leicht blutend. Die extern entnommenen Biopsien zeigten entzündliche Veränderungen der Kolonschleimhaut, aber keinen Anhalt für Tumorgewebe.
Angesichts der intermittierenden krampfartigen Abdominalschmerzen, die in Zusammenschau mit dem lumenfüllenden Tumor im Sinne eines Subileus gedeutet wurden, erfolgte die stationäre Einweisung.
Zuvor hatte der Patient nicht unter Stuhlunregelmäßigkeiten gelitten, eine Koloskopie zur Darmkrebsvorsorge hatte er noch nicht durchführen lassen, seine Familienanamnese bezüglich kolorektaler Adenome oder Karzinome war leer, Komorbiditäten bestanden nicht.
Klinischer Befund
Zum Vorstellungszeitpunkt war der Patient beschwerdefrei. Eine orthograde Darmlavage vor stationärer Aufnahme konnte komplikationslos durchgeführt werden. Bei berichtetem Endoskopiebefund eines blutenden Kolontumors war der Hämoglobinwert mit 13,6 g/100 ml im Normbereich. Bei der Eingangskontrolle wurde bei dem vonseiten des Respirationstrakts asymptomatischen Patienten ein Routine-PCR-Test auf SARS-CoV‑2 durchgeführt, dessen Ergebnis damals nicht abgewartet wurde. Während der am späten Vormittag des Aufnahmetags durchgeführten Koloskopie wurde überraschend ein positives Testergebnis übermittelt, weswegen die weiteren Untersuchungen unter Beachtung der spezifischen Hygieneregeln des Krankenhauses für den Umgang mit COVID-Patienten durchgeführt wurden.
Diagnostik
Bei der am Aufnahmetag durchgeführten Kontrollkoloskopie bestätigte sich die Raumforderung in vorbeschriebener Lokalisation (Abb. 1). Aktuell war die Endoskoppassage möglich, die Längsausdehnung des Tumors wurde auf 3–4 cm geschätzt. Die Basis der Raumforderung war aufgrund der ungünstigen Geräteposition in der linken Kolonflexur nicht einzusehen; somit war eine endoskopische Abtragung technisch nicht möglich. Biopsien zeigten Dickdarmschleimhaut mit regelhafter Kryptenarchitektur und herdförmiger, deutlich florider Entzündung. Im immunhistochemisch aufgearbeiteten Gewebe fand sich kein Anhalt für Malignität. Weitere pathologische Veränderungen (wie Darmpolypen) fanden sich bei der kompletten Koloskopie nicht.
Bei unklarem Kolontumor mit Passagebehinderung wurde die zeitnahe chirurgische Resektion besprochen. Der zügigen Operation stand jedoch der positive SARS-CoV-2-PCR-Test entgegen. In dieser Konstellation wurde der Patient auf der COVID-Allgemeinstation isoliert und weiter klinisch beobachtet.
Vier Tage später meldete sich der Patient mit der Mitteilung, er habe soeben ein Gewebestück mit dem Stuhlgang ausgeschieden und aus der Toilette geborgen. Das 4,1 × 3,5 × 2,8 cm messende gräulich-bräunliche Gewebe (Abb. 2) wurde fotografiert und für die feingewebliche Aufarbeitung in Formalin fixiert. – In der Histologie einschließlich FISH-Analyse zeigte sich ein ulzeriertes, submukosales Lipom mit entzündlicher Überlagerung der überkleidenden Kolonschleimhaut (Abb. 3). Für Malignität ergab sich kein Anhalt.
Am gleichen Tag wurde eine weitere Koloskopie durchgeführt, um den Lokalbefund nach rektalem Abgang des großen Lipomknotens zu kontrollieren. Dabei fanden sich weiterhin ausgedehnte und partiell nekrotische Tumoranteile im linksseitigen Colon transversum, nunmehr allerdings nicht mehr lumenverlegend (Abb. 4). Dem endoskopischen Befund entsprechend sistierten die Subileusbeschwerden.
Eine am Folgetag angefertigte Computertomographie des Abdomens (Abb. 5) zeigte eine partiell fetthaltige Raumforderung im Kolonlumen ohne Wandüberschreitung; angesichts einer angrenzenden Pannikulitis konnte hingegen eine lymphogene Infiltration radiologisch nicht sicher ausgeschlossen werden. Die ergänzend durchgeführte Computertomographie des Thorax wies keine Besonderheiten auf.
Diagnose
- Atypisches, partiell nekrotisches Kolonlipom
Verlauf und Therapie
Bei Beschwerde- und lokaler Komplikationsfreiheit wurde der Patient bis zum Erreichen der COVID-Negativität zunächst in die häusliche Isolation entlassen. Bei negativem SARS-CoV-2-PCR-Test wurde bei dem Patienten zwei Wochen später eine offene onkologische Transversumresektion mit regionaler Lymphadenektomie vorgenommen. Intraoperativ ergab sich kein Hinweis auf ein organüberschreitendes Wachstum oder eine peritoneale Tumoraussaat. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos. – Das Operationsresektat wies einen 2,8 × 2,3 × 1,8 cm großen, weitgehend nekrotischen Anteil des vorbekannten submukosalen Lipoms mit flächenhaften Ulzerationen zum Lumen auf. Der Tumor war zur Muscularis propria hin gut abgegrenzt. Die Resektatränder waren tumorfrei, ebenso alle 23 entfernten mesenterialen Lymphknoten. Für Malignität, z. B. ein Liposarkom, gab es keine Anhaltspunkte.
Diskussion
Lipome sind gutartige Tumoren, die im gesamten Magen-Darm-Trakt auftreten können, am häufigsten im Dickdarm. Kolonlipome sind gewöhnlich rundliche, glatt begrenzte und aufgrund des submukosalen Fettgehalts gelblich schimmernde benigne Tumoren, die bei Koloskopien zufällig gefunden werden und aufgrund ihrer typischen Makroskopie belassen werden können. Während kleine Lipome (≤ 2 cm) meist asymptomatisch sind, können große Lipome (> 2 cm) Blutungen und Abdominalschmerzen durch Passagebehinderung verursachen. Bei der meist im Ileozäkalbereich auftretenden Invagination wird üblicherweise ein großes Lipom peristaltisch nach aboral getrieben, zieht die Darmwand an der Ansatzstelle nach und verursacht so das teleskopartige Ineinandergleiten von Darmwandschichten [7].
Die komplette oder partielle Ablösung eines Lipoms von seiner Unterlage ist derzeit nicht befriedigend geklärt. Spekuliert wird, dass es bei gestielten großen Lipomen leicht zur Stieldrehung kommen kann, was zur Nekrose des Lipoms mit Abtrennung am Stiel führt [9]. Im vorliegenden Fall eines breitbasigen Lipoms war es wohl zu regressiven Veränderungen mit ausgedehnten Nekrosefeldern gekommen, was die Ablösung eines Lipomknotens verursachte. Die Spontanausscheidung mit dem Stuhl eines abgelösten Lipoms bzw. Lipomanteils ist dabei eine klinische Rarität [1, 2, 5]. In einer Übersicht aus dem Jahr 2017 wurden weltweit lediglich 20 publizierte Fallberichte aufgeführt [3].
In mehreren Kasuistiken wird berichtet, dass nach dem rektalen Spontanabgang eines Lipoms die Symptomatik sistierte. So kam es zur Rückbildung von Abdominalschmerzen infolge eines Subileus und sogar zu Spontanheilungen von Invaginationen im Ileum [4] und Kolon [8]. Auch beim vorliegenden Fallbericht war bemerkenswert, dass die Ausscheidung des Gewebestücks zur Beschwerdefreiheit führte.
Man könnte nunmehr die provokante Frage stellen, ob nicht nach der Ausscheidung des Lipomknotens eine Form der Spontanheilung eingetreten und eine operative Entfernung des residualen Tumorgewebes überflüssig geworden sei. Mit Abgang des lumenverlegenden Tumorknoten sei das Ileusrisiko ja deutlich geringer geworden. Weiterhin sei die histologische Aufarbeitung einer 4,1 × 3,5 × 2,8 cm großen benignen Gewebeprobe ausreichend repräsentativ für den in situ verbliebenen Resttumor. Dieser Auffassung können sich die Autoren aus folgenden Gründen nicht anschließen:
Es blieb präoperativ unklar, ob in Analogie zur Adenom-Karzinom-Sequenz in einem in situ verbliebenen Tumoranteil nicht doch eine maligne Transformation stattgefunden haben könnte. Aufgrund der Seltenheit des klinischen Problems lässt sich diese Frage aus dem Studium von Literaturangaben nicht sicher beantworten.
Der Spontanabgang des großen Lipomknotens verringerte möglicherweise das Ileusrisiko, es verblieb jedoch aufgrund ausgedehnter Gewebsnekrosen das Blutungsrisiko.
Das Operationsrisiko wurde bei dem 61-jährigen und ansonsten gesunden Patienten als sehr gering eingestuft. Auch aus psychologischen Gründen wäre es schwer zu vermitteln gewesen, warum bei fehlenden Komorbiditäten auf eine definitive Behandlung verzichtet werden sollte.
In der Abwägung dieser Argumente wurde dem Patienten – nach Diskussion im interdisziplinären Tumorboard der Klinik – eine onkologische Transversumresektion mit Lymphknotendissektion angeboten, um im Falle von Malignität eine Zweitoperation zu ersparen [3, 10]. Dabei stellt die offene Colon-transversum-Resektion aufgrund der engen Lagebeziehung des Lymphabflussgebiets zu Pankreas und Mesenterialwurzel nach wie vor den Operationsstandard in unserer Klinik dar.
Nicht unproblematisch ist derzeit die Auswirkung der COVID-Epidemie auf Diagnostik und Therapie nichtinfektiöser Erkrankungen, v. a. von Tumorleiden [6]. So stand im vorgestellten Fall die asymptomatische COVID-Infektion einer zeitnahen Operation im Wege. Lediglich bei Ileus oder Hb-wirksamer Blutung wäre die Operation trotz SARS-CoV-2-Positivität sofort durchgeführt worden. Anderenfalls muss das Komplikationsrisiko durch zuwartendes Verhalten von allen beteiligten Parteien mitgetragen werden.
Fazit für die Praxis
Kolonlipome sind i. d. R. nicht therapiebedürftige endoskopische Nebenbefunde.
Kolonlipome mit einem Durchmesser von > 2 cm können Blutungen, Ileus und Invagination verursachen.
Die fäkale Exkretion eines großen Lipomknotens, wie hier berichtet, ist eine klinische Rarität.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
W. Scheppach, U. Steger, W. Küsters und V. Wild geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
Footnotes
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Literatur
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