Das Fach Dermatologie hat sich in den letzten Jahrzehnten wie kaum ein anderes Gebiet der Medizin entwickelt. Dermatologische Forschung konnte dazu beitragen, die Pathogenese verschiedener Hautkrankheiten zu enträtseln, die Behandlung vieler Entitäten hat sich dadurch drastisch vereinfacht, und als neues Feld haben sich ästhetisch-medizinische Aspekte etabliert. Das Haar, speziell das Kopfhaar, und Störungen des Haarwachstums sind aber immer noch eine Herausforderung in der täglichen Praxis für den/die Dermatologen*in. Haarerkrankungen, speziell der Haarausfall, stellen aber nicht nur ein ästhetisch/kosmetisches Problem dar, sondern haben einen bedeutenden Einfluss auf die Lebensqualität. Dies ist einerseits durch ein steigendes ästhetisch/kosmetisches Bewusstsein der heutigen Konsumgesellschaft bedingt, die eine volle Kopfbehaarung als erstrebenswertes Gesundheits- und Attraktivitätsmerkmal ansieht. Andererseits stellen sich in der Praxis von Dermatolog*innen zunehmend Patient*innen mit entzündlichen Kopfhaarbodenerkrankungen (seborrhoisches Ekzem u. a.), autoimmunologisch bedingten Haarerkrankungen (vernarbende Alopezien, Alopecia areata), diffusem Haarausfall durch entzündliche Dermatosen (atopisches Ekzem, Psoriasis u. a.), Kontaktallergien und diffusem Effluvium nach Infekten, nach SARS-CoV-2-Infektionen, Post-COVID-Vakzinierung etc. vor.
Bisher zählten Patient*innen mit Haar- und Kopfhauterkrankungen aufgrund ihres geringen Krankheitswerts im Verhältnis zu anderen schwerwiegenden Hauterkrankungen und zugleich fehlenden erfolgreichen Therapieansätzen bei vielen Fach-Kolleg*innen zu den ungeliebten Problemstellungen in der täglichen Konsultation. Heute sind wir einige Schritte weiter, wissen mehr über diese Entitäten und ihre Therapie und haben ein besseres Verständnis für die Schwere und die Folgen dieser Erkrankungen.
Ein verbessertes Verständnis häufiger Krankheitsbilder, neue zielgerichtete therapeutische Ansätze, speziell die Identifizierung und die Bedeutung der JAK-Inhibitoren in der Behandlung der Alopecia areata, haben neue Hoffnung keimen lassen, diese schwierig anzugehende Erkrankung möglicherweise langfristig in den Griff zu bekommen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse können so translational in der täglichen Praxis Einfluss nehmen, wenn auch die Zulassung speziell der JAK-Inhibitoren für die Indikation Alopecia areata und auch ihre Erstattungsfähigkeit in der Zukunft sicherlich noch diskutiert werden.
Aber auch neue Krankheitsbilder wie die frontal fibrosierende Alopezie und ein deutlicher Anstieg der vernarbenden Alopezien vom Typ des Lichen planopilaris haben der Sprechstunde des/der Dermatolog*in eine neue Ausrichtung gegeben. Der exponentielle Anstieg der Inzidenz in den letzten 10 Jahren der frontal fibrosierenden Alopezie weltweit hat innerhalb kürzester Zeit zu internationalen Projekten zum verbesserten Verständnis dieser vernarbenden Alopezie und Standardisierung von Beurteilungsskalen geführt. Ziel ist es, hier international klinische Studien anzuregen einerseits zur Ursachenforschung, aber andererseits auch zur Beurteilung von Behandlungsstrategien.
Zur Unterstützung des Managements von Haarlosigkeit speziell bei der androgenetischen Alopezie gibt es auch gerade bei den Ansätzen zur Haartransplantation neue technologische Verbesserung durch Transplantation follikulärer Einheiten mit einem verbesserten kosmetischen natürlich erscheinenden Ergebnis. Für Betroffene, aber speziell auch die behandelnden Dermatolog*innen, ergeben sich so sehr gute Möglichkeiten, nach therapeutisch erfolgreich kontrolliertem Haarverlust eine ergänzende haarchirurgische optische Verbesserung zusätzlich zu erzielen.
Der Schwerpunkt der Haarsprechstunde liegt v. a. auf der Diagnostik, der Suche nach auslösenden Faktoren sowie der Fokussierung auf gezielte Therapieansätze, basierend auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Lösungsansätzen, dies v. a. bei autoimmunologisch bedingten Haar‑/Kopfhauterkrankungen, aber auch in der verbesserten Beratung zu kosmetischen Maßnahmen einschließlich PRP („platelet rich plasma“), Camouflage und zu den verschiedenen Möglichkeiten der chirurgischen Therapieansätze mit Schwerpunkt Haartransplantation.
Interessenkonflikt
U. Blume-Peytavi und D. Kopera geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Footnotes
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Contributor Information
Ulrike Blume-Peytavi, Email: ulrike.blume-peytavi@charite.de.
Daisy Kopera, Email: daisy.kopera@medunigraz.at.