Seit Dezember 2021 ist eine lang erkämpfte Richtlinie in Kraft, die der Verbesserung der Versorgung von psychisch Kranken dienen soll, die "Richtlinie über die berufsgruppenübergreifende koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf", kurz: KSVPsych-RL. Bevor diese Richtlinie allerdings umgesetzt werden kann, muss die Vergütung für die darin beschriebenen Leistungen verhandelt werden. Wir fachärztlich und auch die beteiligten psychotherapeutisch Tätigen erhoffen ein Vergütungsmodell, das die notwendige Intensivierung unser aller Arbeit sowie den erforderlichen Managementaufwand abbildet.
Versorgung im Lebensumfeld der Patienten gelingt
Die vergangenen zwei Jahre im COVID-19-Ausnahmezustand haben - bei verminderter Bettenbelegung der Kliniken - die hohe Leistungsfähigkeit des ambulanten Sektors vor Augen geführt, speziell bei der Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Soziale und sozialmedizinische Versorgungsstrukturen standen plötzlich nicht mehr zur Verfügung. Nervenärzte und Psychiater mussten verstärkt komplexe Versorgung in Krisen leisten. Dabei wurde deutlich, dass die Versorgung der Patienten in deren Lebensumfeld gelingt. Gleichzeitig wurde nach jahrelangem Bemühen die KSVPsych-RL beschlossen.
Vernetztes und patientenzentriertes Arbeiten ist in Kliniken Standard. Nun soll es mit folgenden Zielen auch ambulant realisiert werden:
Die Wartezeitproblematik bei Nervenärzten, Psychiatern und Psychotherapeuten in der Versorgung der schwer erkrankten Menschen kann durch bevorzugte Terminvergaben innerhalb eines Netzverbundes behoben werden.
Eine engmaschige patientenzentrierte Abstimmung der an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen ist gefordert.
Gruppentherapieangebote von niedrigschwelligen bis hin zu differenzierten und diagnosespezifischen Angeboten können entstehen, damit werden Therapieressourcen intensiver genutzt.
Durch eine qualifizierte und intensivierte ambulante Behandlung können Klinikeinweisungen und damit verbundene Setting-Wechsel, die in der Regel zu einem Bruch der vertrauten Therapeutenbeziehung führen, verhindert werden.
Intensivierte Leistungen auch angemessen honorieren
Für diese vernetzte Versorgung muss die Vergütung jedoch klar und absehbar auskömmlich garantiert sein. Werden durch die Vermeidung stationärer Behandlung Mittel frei, müssen diese dem Versorgungsbereich zugeführt werden, der die intensivierte ambulante Behandlung ermöglicht. Dieser neue Versorgungsbereich kann nur entstehen und wachsen, wenn die dafür erforderlichen finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Die Berufsverbände der Psychiater, Neurologen und Nervenärzte fordern deshalb:
Die Leistungen der KSVPsych-RL müssen in ihrer Gesamtheit angemessen honoriert werden, sonst erfolgt diese intensivierte Versorgung absehbar nicht ambulant.
Formale Umsetzungshürden der Richtlinie müssen ausgeräumt werden (z. B. Festlegung von Doppeluntersuchungen und vollen Versorgungsaufträgen).
Der Managementaufwand muss durch die GKV entsprechend vergütet werden.
Wir bemerken einen Wandel in der vertragsärztlichen ambulanten Versorgung. Die Einzelpraxis dominiert die Versorgungslandschaft immer weniger. Neben Berufsausübungsgemeinschaften bilden sich Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und viele junge Kolleginnen und Kollegen interessieren sich für die Tätigkeit in einem MVZ ohne wirtschaftliche Eigenverantwortung. Unabhängig davon streben zumeist im Kliniksetting Ausgebildete eine Tätigkeit an, die sich im Kontext mit anderen Berufsgruppen bedarfsgerecht für den Patienten nutzen lässt. Durch die KSVPsych-RL wird sowohl aus der Einzel- als auch aus der Gemeinschaftspraxis heraus vernetztes und multiprofessionelles Arbeiten möglich.
Die Vorstände der Berufsverbände setzen sich für die Verbesserung der Versorgung der Patienten und die Weiterentwicklung und Optimierung der Arbeitsbedingungen der ambulant-vertragsärztlich tätigen Psychiater, Neurologen und Nervenärzte ein. Wir stehen mit Konzepten bereit, und werden uns nicht unter Wert verkaufen!
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