Impfen - impfen - impfen: Das gilt nicht nur in der Prävention von COVID-19, sondern auch gegen Influenza- und Pneumokokkeninfekte. Mit praxisrelevanten Neuerungen können auch diese beiden Impfungen aufwarten.
Die Grippewelle ist in den beiden vergangenen Jahren ausgefallen, die Immunlage in der Bevölkerung ist laut Prof. Susanne Herold, Professur für Infektionskrankheiten der Lunge an der Justus-Liebig-Universität Gießen, völlig unklar. Mit Spannung wird nun deshalb die postpandemische Saison erwartet. Es könne zu einer starken Grippe-Saison kommen. Schon bislang wird die Häufigkeit der Grippeerkrankungen unterschätzt. Die Fallzahlen der laborbestätigten Influenzafälle lagen 2018/19 und 2019/20 bei etwa 180.000. Da nur der direkte Erregernachweis meldepflichtig ist, geht das Robert-Koch-Institut von einer 20-fach höheren Fallzahl aus. Dabei beschränkt sich Influenza nicht auf die Lunge, sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit für kardiovaskuläre Erkrankungen. So steigt kurz nach dem Infekt das Risiko für Myokardinfarkt etwa um das Zehnfache, für Apoplex um das Achtfache. Dennoch: Die Impfung gegen Influenza wird schlecht angenommen. Nur etwa ein Drittel der über 60-Jährigen lässt sich regelmäßig gegen Grippe impfen.
Simultanimpfung COVID-Grippe möglich
Dabei sind die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) glasklar: Geimpft werden sollen alle Personen ab 60 Jahre, Schwangere ab dem zweiten Trimenon, bei erhöhter Gesundheitsgefährdung ab dem ersten Trimenon. Dazu kommen Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens, etwa chronische Atemwegserkrankungen oder multiple Sklerose. Auch Bewohner von Pflege- oder Altenheimen oder Personen mit berufsbedingt erhöhtem Risiko gehören dazu. Und: Die Simultanimpfung mit Corona-Impfstoff en ist möglich.
Grippeimpfung bei Älteren besser hochdosiert
Zu berücksichtigen bei der Impfstrategie ist, dass gerade ältere Menschen ein erhöhtes Risiko für mit Influenza assoziierte Morbidität und Mortalität haben. So ist die Zahl der mit Influenza assoziierten Hospitalisierungen und auch Sterbefälle bei den über 60-Jährigen deutlich erhöht. Als Grund dafür nannte Herold die Immunoseneszenz, die u. a. zu einer schlechteren Wirksamkeit des Impfstoffs führt. Beim Vergleich verfügbarer Impfstoffe zeigte sich eine Überlegenheit des Hochdosis-Impfstoffs gegenüber rekombinanten, adjuvantierten oder zellkulturbasierten Vakzinen. "Neu" ist laut Herold die Impfempfehlung für Influenza (Epid Bull 1/2021): Nun empfiehlt die STIKO allen über 60-Jährigen ab Herbst eine jährliche Impfung gegen die saisonale Influenza mit einem inaktivierten quadrivalenten Hochdosisimpfstoff mit aktueller von der WHO empfohlener Antigenkombination. Herold verwies dabei auf eine Studie mit 32.000 Teilnehmern im Alter über 64 Jahre, nach der die Hochdosis-Vakzine die relative Effektivität um 24 % verbessert (Diaz Granadas CA et al. N Engl J Med 2014¸371 (7):635-45). Mit dem Hochdosis-Impfstoff ist das Ende der Fahnenstange bei den Influenza-Impfstoffen aber noch nicht erreicht. In der Entwicklung befinden sich mRNA-basierte, universelle Impfstoffe, die keine jährliche Anpassung an die Zielstruktur erfordern, sowie mukosal applizierbare Impfungen, die die mukosale Immunität durch lokale Deposition verbessern.
Impfstoff gegen mehr Pneumokokken-Serotypen
Besonders niedrig sind die Impfquoten bei der Pneumokokkenimpfung in Deutschland. Geimpft werden sollen alle Personen ab 60 Jahren sowie Patienten mit einer Indikation, etwa einem chronischen Immundefekt. "Aber bei den über 60-Jährigen mit einer Komorbidität liegt die Impfquote im einstelligen Bereich", machte Prof. Martin Kolditz, Universitätsklinikum Dresden, das Dilemma deutlich. Bei den verfügbaren Impfstoffen hat sich Wesentliches verändert: Bislang standen konjugierte Vakzine gegen - nur! - 13 Serotypen zur Verfügung, allerdings mit überzeugender Immunanwort (B-und T-Zell-Antwort; Memory-Effekt). Wer mehr Serotypen abdecken wollte, musste zum 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff greifen und eine schlechtere Immunantwort in Kauf nehmen. Nun steht ein 20-valenter Konjugatimpfstoff zur Verfügung, zugelassen von der Europäischen Kommission. Die 20-valente Vakzine PCV20 kann bei Personen ab 18 Jahren zur Prävention von invasiven Erkrankungen und Pneumonie durch Streptococcus pneumoniae eingesetzt werden.
Quelle: DGP-Kongress-Symposium: Update - Impfungen bei pneumologischen Infektionen, 26. Mai 2022 in Leipzig und online