Abstract
Die Klimakrise stellt eine große Herausforderung für die menschliche Gesundheit sowie das Gesundheitssystem dar und droht, den medizinischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte zu gefährden. In der Bewältigung des Klimawandels könnte jedoch auch die größte Chance für die globale Gesundheit im 21. Jahrhundert liegen.
Die Klimakrise und ihre Folgen, wie steigende Temperaturen, Waldbrände, Überschwemmungen, Dürren, Veränderungen in der Qualität und Quantität von Nahrungsmitteln und des Wassers wirken sich direkt und indirekt auf die physische und psychische Gesundheit des Menschen aus. Intensivere und häufigere Hitzewellen und die abnehmende Luftqualität erhöhen nachweislich die Gesamtmortalität, insbesondere bei den am meisten vulnerablen Personen. Die Klimaerwärmung verändert die bestehenden Ökosysteme und begünstigt biologische Invasionen von Arten, die Wärme und Trockenheit besser tolerieren. Die Erregerprofile verändern sich, die Übertragung und Verbreitung von durch Vektoren übertragene Krankheiten nehmen zu. Durch die Ausbreitung von Neophyten in Europa, wie beispielsweise der Ambrosiapflanze, entstehen neue Pollenquellen, die die Allergenexposition für Allergiker*innen erhöhen. Darüber hinaus verändert die insgesamt mildere Witterung, gerade in Kombination mit der Luftverschmutzung und einem erhöhten CO2-Gehalt, die Produktion und Allergenität von Pollen. Das Phänomen Thunderstorm-Asthma tritt zudem häufiger auf. Angesichts der durch den Klimawandel zunehmenden Prävalenz von allergischen Erkrankungen ist eine frühzeitige kausale immunmodulierende Therapie umso wichtiger.
Im Rahmen einer Klimasprechstunde können Patient*innen individuell bezüglich einer Klimaadaption und -resilienz und der Vorteile einer CO2-Reduzierung beraten werden - für die eigene und die planetare Gesundheit. Fast 5 % aller Treibhausgasemissionen in Europa stammen aus dem Gesundheitssektor. Er hat damit eine zentrale Verantwortung für eine klimaneutrale und nachhaltige Transformation.
Zitierweise: Luschkova D, Traidl-Hoffmann C, Ludwig A. Climate change and allergies. Allergo J Int 2022;31:114-20
https://doi.org/10.1007/s40629-022-00212-x
Schlüsselwörter: planetare Gesundheit, Klimawandel, Hitze, Schadstoffexposition, Allergien, Pollen, Ambrosia, Thunderstorm-Asthma, COVID-19, Gesundheitssektor
Bereits 2015 stellte die Lancet-Kommission für Gesundheit und Klimawandel fest, dass die Bewältigung des Klimawandels die größte Chance für die globale Gesundheit im 21. Jahrhundert sein könnte, und warnte zugleich, dass der Klimawandel alle Fortschritte zerstören könnte, die in den vergangenen Jahrzehnten im Bereich Gesundheit und Entwicklungszusammenarbeit erzielt wurden [1]. Der Generalsekretär der UN, Antonio Guterres, bemerkte 2020, dass menschliche Aktivitäten die Ursache für unseren Abstieg ins Chaos seien. Aber das bedeute auch, dass menschliches Handeln dazu beitragen könne, die Probleme zu lösen [2].
Eingang
14. Februar 2022
Annahme
19. April 2022
Englische Fassung
https://link.springer.com/journal/40629
1. Temperatur- und Schadstoffexposition und die Auswirkung auf die Gesundheit
Der Weltklimarat der Vereinten Nationen IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) hält in seinem Sachstandsbericht von 2021 fest, dass die zunehmende Häufigkeit und Intensität von Hitzeextremen, marinen Hitzewellen und Starkniederschlägen, landwirtschaftlichen und ökologischen Dürren sowie der Anteil heftiger tropischer Wirbelstürme mit der globalen Erwärmung unmittelbar zusammenhängt [3].
Der Juli 2021 war der weltweit heißeste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen vor 142 Jahren [4]. Eine Exposition gegenüber Hitze führt neben mentaler wie physischer Leistungsminderung auch zu einer erhöhten Gesamtmortalität [5, 6]. Besonders vulnerabel sind Senioren, Kleinkinder und chronisch Kranke, insbesondere mit pulmonalen oder kardialen Vorerkrankungen, Niereninsuffizienz, Demenz oder Diabetes mellitus [7]. Zudem spielen sozioökologische Faktoren, wie das Leben in dicht bebauten Stadtgebieten, eine Rolle. In Deutschland leben 75 % der Bevölkerung in Städten. In diesen kommt es zu einem Wärmeinseleffekt, synergetisch verstärkt durch erhöhte Ozon- und Feinstaubwerte.
Der Temperaturanstieg begünstigt Waldbrände, die neben unmittelbaren Todesfällen auch zu posttraumatischen Belastungsstörungen sowie aufgrund der freigesetzten Luftschadstoffe zu erhöhter kardiovaskulärer und respiratorischer Mortalität führen können [6]. Neben Waldbränden sind anthropogene Emissionen für eine abnehmende Luftqualität verantwortlich. Die wichtigsten gesundheitsschädlichsten Stoffe nach der WHO (World Health Organization) sind dabei Ozon, Stickstoff- und Schwefeldioxid und Feinstaub [8]. Weitere Luftschadstoffe umfassen Gase wie Benzol, Toluol, Xylol, flüssige Aerosole (Perchlorethylen, Methylenchlorid), inhalierbare an Partikel gebundene Schadstoffe wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Cadmium, Chrom, Blei und Quecksilber. Die Emissionen haben eine lange Verweildauer in der Atmosphäre und können lange Strecken über Kontinente und Ozeane überwinden. Kumulative Schäden, oxidativer Stress, proinflammatorische und inflammatorische Reaktionen sowie epigenetische Veränderungen sind mögliche Folgen [6]. Eine Ausweitung der Forschung in diesem Bereich ist essenziell [9].
Durch den Klimawandel nehmen mentale Erkrankungen wie Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörungen zu [6], aber auch Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen, wie zum Beispiel Diabetes mellitus [10], Allergien und insbesondere Vektor-übertragene Infektionen [6, 11]. Faktoren, die den Klimawandel beschleunigen, wie die Vernichtung natürlicher Habitate und von Tier- und Pflanzenarten, erhöhen zudem das Risiko von Pandemien, wie zum Beispiel der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie [12]. Überschwemmungen können unter anderem zu vermehrter Belastung mit Schimmelpilzen und Hausstaubmilben führen und damit sekundär zu Asthma und allergischer Rhinitis [4].
2. Zunahme allergischer Erkrankungen
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich allergische Erkrankungen epidemieartig ausgebreitet. Mehr als 128 Millionen Europäer sind betroffen. Vor allem in der jüngeren europäischen Bevölkerung sind Allergien mit über 30 % weit verbreitet. Allergien sind durch Umweltfaktoren verursacht oder getriggert und werden in Prävalenz, phänotypischer Ausprägung und Schwere durch den Klimawandel und die Luftverschmutzung verstärkt [9]. Sie führen neben dem Verlust an Lebensqualität zu enormen Schäden sozioökonomischer Art. Luftschadstoffe wie zum Beispiel Ozon, Stickstoffoxide (NOx) und ultrafeine Partikel befeuern Entzündungsprozesse an den Schleimhäuten der oberen und unteren Atemwege. Hinzu kommt, dass Luftschadstoffe und Aeroallergene miteinander interagieren [9]. Die Urbanisierung trägt durch Luftschadstoffe und die Abnahme der Biodiversität auch zur Entstehung und Verschlechterung einer Neurodermitis bei [13].
3. Änderungen der Aeroallergenexposition
Der Klimawandel, die sich dabei einstellende mildere Witterung und die Luftverschmutzung wirken sich auf die Freisetzung und die atmosphärische Verbreitung der Pollen und dadurch auf allergische Erkrankungen aus (Tab. 1).
— Verschiebung der Vegetationszonen in nördlichere Regionen |
— Veränderungen der Pollenflugsaison (Früherer Pollenflugbeginn, Ausdehnung der Pollenflugsaison) |
— Steigerung der Konzentration der Pollen in der Luft |
— Einwanderung und Verbreitung von Neophyten: z. B. Ambrosia artemisiifolia, Olivenbäume, Parietaria, Zypresse |
— Änderung der Pollenallergenität: Veränderungen der Allergenfreisetzung, Modulation des Profils an Begleitsubstanzen aus Pollen (z. B. PALMS, LPS) |
— Das Phänomen "Gewitterasthma": erhöhte Exposition gegen kleine Allergenfragmente nach Gewitter |
— Auswirkung auf Zeitspanne und Symptomstärke der Beschwerden bei Allergiker*innen |
3.1. Veränderungen der Pollenflugsaison und der Pollenkonzentration in der Umgebungsluft
Phänologische Merkmale der Pflanzen wie Blüte und Pollenproduktion reagieren sehr sensibel auf die Veränderungen der Umwelt. Die zunehmende Erwärmung, gerade in Kombination mit dem erhöhten CO2-Gehalt (ein natürlicher Düngeeffekt), verändert die Intensität und den Zeitpunkt der Blüte, bewirkt eine Verschiebung und eine Verlängerung der Vegetationsperiode und eine Vergrößerung der Biomasse. Dies resultiert in einem jahreszeitlich früheren Pollenflugbeginn (Hasel, Erle, Birke), der Ausdehnung der Pollenflugsaison (Spätblüher), dem Auftreten neuer allergener Pflanzen und deren Pollen in Europa (z. B. Ambrosia artemisiifolia, Olivenbäume, Parietaria, Zypresse) sowie in Verbindung mit Luftschadstoffen zu einer Steigerung der Pollenallergenität und Konzentration der Pollen in der Umgebungsluft [6, 9]. Dies wirkt sich sowohl auf die Zeitspanne als auch auf die Symptomstärke der Beschwerden der Allergiker aus. Durch die stärkere Allergenexposition steigt zudem die Möglichkeit einer Sensibilisierung.
So blühten die ersten Haselsträucher des Bezugsjahres 2016 im Westen Deutschlands bereits Anfang Dezember. Somit fiel dort der Beginn des meteorologischen Winters mit dem Beginn des phänologischen Vorfrühlings zusammen [14]. Aufgrund der Kreuzreaktionen zu Hasel- und Erlenpollen können Birkenpollenallergiker auch bereits im Dezember Symptome zeigen. Eine möglichst genaue Vorhersage der lokalen Pollenbelastung (Pollenflug, Ferntransport) mithilfe des Pollenmonitorings ist wichtig, damit sich Betroffene rechtzeitig auf die Allergenexposition einstellen können. Dabei ist zu beachten, dass die Veränderungen im Pollenspektrum und der Pollenemission nicht nur von klimatischen Faktoren abhängen, sondern beispielsweise auch durch landwirtschaftliche Aktivitäten sowie Änderungen der Landnutzung und des Mikroklimas infolge zunehmender Urbanisierung beeinflusst werden [15].
3.2. Neue Pollenquellen in Europa
Die Rahmenbedingungen - zunehmend heißere und trockenere Sommer sowie mildere und niederschlagsreichere Winter - führen zu einer Veränderung der bestehenden Ökosysteme, des Artenspektrums und der Verschiebung der Vegetationszonen. Die Abundanz wärmeliebender und Trockenheit tolerierender Arten steigt. Parallel dazu werden kälteangepasste Arten in nördlichere Regionen und höhere Lagen verdrängt. Die allergenarmen Rückzugsorte für Allergiker*innen, wie zum Beispiel die Alpen, gehen verloren. Zudem wird eine Invasion gebietsfremder Spezies begünstigt.
Die Anzahl der invasiven Arten Deutschlands geht in die Tausende. Zuvor gebietsfremde Pflanzen, wie zum Beispiel Glaskraut, Olivenbäume und Zypressen, werden in Deutschland heimisch und stellen damit neue Pollenquellen dar [9]. Allergologisch gesehen verdient insbesondere die Ambrosia artemisiifolia (Beifußblättriges Traubenkraut) als Neophyt aus Nordamerika Beachtung. Die klimatischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte begünstigen die Einbürgerung und Ausbreitung der gebietsfremden Pflanze. Seit den 1980er-Jahren wird eine rasche Expansion in Mitteleuropa verzeichnet [15]. Die Pflanze breitet sich vor allem an Ruderalstellen, Brachflächen und entlang von Verkehrswegen aus [15]. Das allergene Potenzial dieser Pflanze ist erheblich. Die Blütenstände produzieren mit circa einer Milliarde Pollen eine enorme Pollenmenge, die zudem kleiner als Graspollen sind und größere Distanzen zurücklegen können. Die späte Hauptblühzeit (August bis September) verlängert die Symptome der spezifisch sensibilisierten Personen bis in den Herbst. Bereits geringe Konzentrationen von fünf bis zehn Pollenkörnern pro Kubikmeter Luft reichen aus, um allergische und insbesondere asthmatische Symptome auszulösen [11]. Die Prävalenz der Sensibilisierungsrate für Ambrosia artemisiifolia steigt rasch an (aktuell über 8 % der deutschen Erwachsenen) [16]. Zudem ist die Kreuzreaktivität zu Beifuß problematisch. Eine Neusensibilisierung gegen Ambrosiapollen ist nämlich oftmals nicht notwendig, um allergische Symptome hervorzurufen [9]. Ein komplettes Zurückdrängen des Neophyts wird inzwischen als nicht mehr realistisch angesehen (Abb. 1).
3.3. Steigerung der Allergenität und der Konzentration der Pollen in der Umgebungsluft
Luftschadstoffe und Klimaszenarien wie ein hoher CO2-Gehalt oder Trockenheit wirken als zusätzliche Stressfaktoren auf die Pflanzen. Sie reagieren oftmals mit einer Veränderung der allergenkodierenden Transkripte, Protein- und Metabolitenprofile und steigern die Allergenität ihrer Pollen. Gerade in den urbanen Mikroklimaten oder an stark befahrenen Straßen steigert die schadstoffbelastete Umgebungsluft die Pollenkonzentration und die Allergenität der Pflanzen [18]. In Studien wurde zum Beispiel an Birkenpollen in Regionen mit einem hohen atmosphärischen Ozongehalt eine stärkere Allergenität nachgewiesen. In den Pollenproben waren nicht nur die Menge des Hauptallergens Bet v 1, sondern auch adjuvante Substanzen (wie pollenassoziierte Lipidmediatoren [PALMs], Lipopolysaccharide [LPS], Adenosin) moduliert [19, 20]. Diese wirken sowohl entzündungsfördernd als auch immunmodulierend und können eine Allergie fördern oder verstärken [18]. Sowohl Klimakammer- als auch Feldexperimente zeigen eine erhöhte Allergenität von Ambrosiapollen bei höherer Konzentration an Luftschadstoffen. Ein Anstieg des CO2-Gehaltes und Trockenstress führen zu einer deutlich vermehrten Produktion von Ambrosiapollen. Zudem wird das Ambrosia-Majorallergen Amb a 1 unter solchen Bedingungen verstärkt gebildet [21]. Höhere NO2-Konzentrationen können die Entstehung neuer Allergene in Pollen bewirken [22]. Die Pollen können sich zudem an Feinstaub- und Dieselrußpartikeln anlagern und bei Einatmung in dieser Kombination zu einer stärkeren allergischen Wirkung führen. Neben Pollen kann die Allergenität auch bei Pilzsporen im Zuge des Klimawandels zunehmen.
3.4. Das Phänomen "Gewitterasthma"
Das Phänomen "gewitterbedingtes Asthma" oder "Thunderstorm Asthma" bezeichnet das gehäufte Auftreten teilweise schwerer Asthmaanfälle im zeitlichen und räumlichen Umfeld von Gewittern. Bei schweren Gewittern, deren Häufigkeit und Intensität im Zuge des Klimawandels zunehmen wird, und gleichzeitig hoher Pollenbelastung können Asthma-Exazerbationen oder starke Heuschnupfen-Symptomatik auftreten. Als Pathomechanismus wird vermutet, dass Pollen (insbesondere von Gräsern) und Pilzsporen (Alternaria und Cladosporium) im Vorfeld eines Gewitters verstärkt aufgewirbelt werden, durch die elektrostatische Ladung und die atmosphärische Luftfeuchtigkeit osmotisch bedingt aufquellen und bersten. In Pollenkörnern vorhandene zytoplasmatische Komponenten werden in die Umgebungsluft abgegeben. Dadurch entstehende kleinere, lungengängigere Pollenfragmente dringen tiefer in die Bronchien als gewöhnlich vor und können zu akuten Bronchospasmen führen [23, 24] (Abb. 2). Die Expositionssituation für auf das Allergen sensibilisierte Personen verschlechtert sich massiv. Auch Personen mit allergischer Rhinitis können plötzlich schwere Bronchialobstruktionen und Asthmaattacken erleiden [9]. Ein erhebliches Risiko besteht vor allem bei Patienten mit nicht adäquat behandeltem Asthma.
Eines der größten gewitterbedingten Asthmaereignisse geschah in Melbourne, Australien. Dabei stieg die Anzahl der Notaufnahmen aufgrund von Atemproblemen nach einem Sturm am 21. November 2016 innerhalb weniger Stunden um 672 % an (3.365 Fälle mehr als erwartet). Die Folge waren zahlreiche Behandlungen auf Intensivstationen und insgesamt zehn Todesfälle [23]. Auch in Europa wird das Phänomen "Gewitterasthma" immer häufiger beobachtet [25].
4. Pollen und SARS-CoV-2-Viren
Die Exposition gegenüber Pollen schwächt unabhängig vom Vorliegen einer Allergie die Immunabwehr gegenüber bestimmten Rhinoviren durch Verringerung der Interferonantwort. Dies trifft auch für SARS-CoV-2-Viren zu, wie eine weltweite epidemiologische Studie zeigt [26]. Ein Mund-Nasen-Schutz kann nicht nur die Übertragung von SARS-CoV-2-Viren, sondern auch die Aufnahme von Pollen verringern. Die Autoren empfehlen daher in Pandemiezeiten vor allem bei starkem Pollenflug das Tragen von FFP2-Masken auch im Freien [11, 26].
5. Steigerung der Prävalenz des Eichenprozessionsspinners durch den Klimawandel
Eichen können die aus allergologischer Sicht bedeutsamen Raupen des Eichenprozessionsspinners (Thaumetopoea processionea) beherbergen [11, 27]. Dieser Nachtfalter ist seit Jahren auf dem Vormarsch in Europa, auch in Deutschland. Die Häufigkeit des Vorkommens kann nur geschätzt werden. Für das menschliche Auge unsichtbare Brennhärchen der Raupen, die weit durch die Luft getragen werden können, lösen toxische und auch IgE-vermittelte Reaktionen aus. Zu den Symptomen gehören Urtikaria und andere Hautreaktionen, Reizung der Atemwege, Konjunktivitis, Atemnot bis hin zum anaphylaktischen Schock. Der Klimawandel begünstigt eine frühere Triebzeit und das Wachstum der Eichen. Aus Sicht des Gesundheitsschutzes sind eine Bekämpfung der Raupen oder Absperrungen rund um befallene Bäume in der Nähe von Kindergärten, Schulen oder Erholungsgebieten nötig.
6. Neue Nahrungsmittelallergene
Der Klimawandel kann zum Beispiel durch Dürren oder Überschwemmungen die Nahrungsmittelproduktion bremsen bis hin zu Hungersnöten [5]. Daher sind als neue Nahrungsmittel(quellen) beispielsweise Insekten interessant, die als proteinreiche Alternative für tierische Nahrungsmittel den Klimawandel wiederum bremsen können [5]. Die Larven des Mehlkäfers (Tenebrio molitor), Heimchen beziehungsweise Hausgrille (Acheta domesticus) und europäische Wanderheuschrecken (Locusta migratoria) wurden in der Europäischen Union bisher als "Novel Food" zugelassen [28]. Anaphylaktische Reaktionen beim Verzehr von Insekten wurden beobachtet, insbesondere infolge von Kreuzreaktionen zum Beispiel über die auch in anderen Arthropoden enthaltenen hitze- und verdauungsstabilen Panallergene Tropomyosin beziehungsweise Argininkinase bei Hausstaubmilben-, Küchenschaben- und oder Krustentierallergikern. Aber auch zum Beispiel (allergene) Algen, Säugetiere, Pflanzen und Pilze könnten mit Insekten kreuzreagieren [29].
7. Fazit für den Gesundheitssektor
Zahlreiche negative Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit sind erkannt. Allerdings stellte der Lancet Countdown on Health and Climate Change 2021 für Deutschland fest, dass in den Bereichen Hitzeschutz, Reduktion des CO2-Fußabdruckes des Gesundheitssektors und Integration des Themas in Aus-, Fort- und Weiterbildung in den letzten zwei Jahren bei der Umsetzung der Empfehlungen des Lancet Policy Briefs für Deutschland von 2019 "wesentliche Fortschritte jedoch ausblieben" [30].
Angesichts der durch den Klimawandel zunehmenden Häufigkeit von Atemwegsallergien ist eine frühzeitige kausale immunmodulierende Therapie umso wichtiger. Hierfür steht die AIT (allergenspezifische Immuntherapie, Hyposensibilisierung) in subkutaner oder sublingualer Form zur Verfügung und ist besonders mit Gräser- und Birkenpollen bei allergischer Rhinitis und/oder Konjunktivitis sehr erfolgversprechend, aber auch effektiv bei allergischem Asthma bronchiale. Allerdings gibt es für die AIT bereits jetzt eine erhebliche Unterversorgung der Betroffenen in Deutschland [31]. Dies hat vielfältige Ursachen, denen entgegengewirkt werden sollte (Tab. 3). Es besteht hoher Forschungsbedarf im Bereich der Immunologie und Allergologie. Beispielsweise könnten neue Erkenntnisse über die Wirkungsweise der AIT, deren Langzeiteffekte sowie geeignete Biomarker für die Auswahl der zu Behandelnden und auch für die Prognose des Therapieerfolges die Versorgung der Patient*innen effektiver und kosteneffizienter machen. Die Pathomechanismen und molekularen Prozesse der Allergieentwicklung sind noch teilweise ungeklärt [31] (Tab. 2).
— Nationaler Aktionsplan Allergie [37] |
— Förderung der Forschung auf allergologischem Gebiet |
— Allergologie als verpflichtender Inhalt in Aus- und Weiterbildung aller Gesundheitsberufe und für erziehendes und lehrendes Personal |
— Schaffung von separaten und unabhängigen, vollwertigen Lehrstühlen für Allergologie und für Umweltmedizin |
— finanzielle Unterstützung von Informationskampagnen für die Bevölkerung z. B. zur allergenspezifischen Immuntherapie (AIT) |
— Erstattung der Pharmakotherapie der allergischen Rhinitis durch die gesetzliche Krankenversicherung |
— Erhalt der Verordnungs- und Erstattungsfähigkeit auch seltener Allergene für die AIT |
— Finanzielle Förderung der Standardisierung von Präparaten für AIT und Hauttestung |
— Sicherung der Finanzierung für Entwicklung, klinische Prüfung und Herstellung von Allergiediagnostika |
— Erstattung der Patientenschulungen für Neurodermitis, Anaphylaxie und Asthma durch die gesetzliche Krankenversicherung |
— Vorschreiben von Vorsorgeuntersuchungen bzw. Berufseingangsberatungen für Berufe mit besonderer Gefährdung [31, 38] |
Primärprävention |
— Förderung von Grundlagen-, angewandter oder klinischer Forschung im Bereich der Immunologie und Allergologie: Allergenforschung, Erforschung von Sensibilisierungswegen, Entstehung und Chronifizierung der allergischen Erkrankungen |
— Erforschung protektiver Umweltfaktoren in Hinsicht auf Allergien (Biodiversität, traditioneller Lebensstil) |
— Erforschung der Barrierefunktion und des Mikrobioms der Haut, des Darmes und der Atemwege |
— Bedeutung psychosozialer Faktoren auf Entstehung und Manifestation allergischer Erkrankungen |
— Veränderung atmosphärischer Zirkulationsmuster: Auswirkung auf Quantifizierung der Pollenkonzentration |
— Langzeittrends der Ambrosia-Allergie in Deutschland |
Sekundärprävention |
— Förderung von Studien zu Interaktion zwischen Exposom, Risiken von Umwelteinflüssen und allergischen Erkrankungen, bessere Verbreitung dieser Informationen |
— Verbesserung der molekularen Diagnostik, Entwicklung neuer Allergentherapeutika |
— Biomarker zur Auswahl geeigneter Patienten und Prognoseermittlung für die SIT |
— Ansprechen von Systemtherapien unter verschiedenen Umweltfaktoren wie Hitze, UV-Strahlung, Pollenexposition |
— Auswirkungen des Mikrobioms auf allergische Erkrankungen |
— Individuelles Pollenmonitoring |
— Personalisierte Frühwarnsysteme (z. B. Gewitter für Pollenallergiker) |
Eine gesetzliche Verankerung von gesundheitsbezogenem Hitzeschutz ist Voraussetzung, um Hitzeaktionspläne zu priorisieren [30]. Diese sollten auch Handlungsszenarien für außergewöhnlich extreme und komplexe Situationen beinhalten [32]. Durch entsprechende Stadtplanung, zum Beispiel dem Ausbau von Parks, Straßenbäumen und Dachbegrünung, kann dem Hitzeinseleffekt entgegengewirkt werden [11, 32]. Dabei ist es wichtig, von vornherein interdisziplinär und sektorübergreifend zusammenzuarbeiten unter Einbeziehung von unter anderem Stadtplanern, Architekten, Verkehrsexperten und Angehörigen der Gesundheitsberufe [33]. Gerade letztere wurden bisher vielfach nicht einbezogen. So erklärt sich etwa, dass am Potsdamer Platz in Berlin ausgerechnet Birkenalleen angelegt wurden. Die Bepflanzung sollte sich also (auch) nach dem Allergierisiko richten [11].
Eine Beratung der Patienten zu individueller Klimaadaptation und -resilienz kann zum Beispiel im Rahmen einer Klimasprechstunde erfolgen [11].
Lehrinhalte zum Thema Klimawandel und Gesundheit sowie zur planetaren Gesundheit ("Planetary Health") und Allergologie sollten in den Pflichtcurricula, Fort- und Weiterbildungen aller Gesundheitsberufe verankert werden [32, 34].
Das Gesundheitswesen trägt mit 5,2 % zu den deutschen Treibgasemissionen bei. Die WHO-Initiative "Healthy Hospitals, Healthy Planet, Healthy People" [35] unterscheidet sieben Bereiche für Klimaschutz im Krankenhaus: Energieeffizenz, Baudesign, alternative Energien, Verkehr (Anfahrt der Mitarbeiter*innen und Patient*innen), Essen, Abfall und Wasser. Klimaschutzmaßnahmen lassen sich auch in Praxen, Ärztekammern, auf Ärztetagen et cetera umsetzen. Hierzu gibt es bisher weder auf Landes-, Bundes- noch auf europäischer Ebene Gesetzesvorschläge [32]. Der 125. Deutsche Ärztetag 2021 forderte Klimaneutralität im deutschen Gesundheitswesen bis zum Jahr 2030. Als Voraussetzungen wurden die Initiierung der erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen, die Benennung von Klimabeauftragten und die Verabschiedung von Klimaschutzplänen genannt. In Deutschland existieren bereits einige Initiativen wie das Gütesiegel "Energiesparendes Krankenhaus", das Projekt KLIKgreen, das Fachkräfte in Kliniken zu Klimamanager*innen ausbildet, oder die Green Hospital Initiative Bayern. Wichtig sind Bereitstellung von Fördermitteln durch die Bundes- und Landesregierungen, Identifikation und Abbau rechtlicher Barrieren sowie Fortschrittskontrolle durch Bilanzierung und Reporting der Treibgasemissionen in den beteiligten Einrichtungen [32].
Im Sinne der Planetary Health ist die Erde ein medizinischer Notfall [36]. Es liegt an uns Leser*innen des Allergo Journal, aufzustehen, aufzuklären, Bewusstsein zu schaffen und gerechte Lösungen für Klima und Gesundheitspolitik zu fordern [4]. Ärzt*innen können hierbei den Vertrauensvorschuss in der Bevölkerung nutzen, um Impulsgeber und Vorbilder zu sein. Die Entscheidungen, die wir heute treffen, einschließlich unseres individuellen Handelns oder Nichthandelns werden sich auch auf zukünftige Generationen auswirken. Wir haben die Verantwortung, die Auswirkungen des Klimawandels auf die öffentliche Gesundheit zu verringern.
Daria Luschkova.
Lehrstuhl und Hochschulambulanz für Umweltmedizin
Medizinische Fakultät der Universität Augsburg
Stenglinstraße 2
86156 Augsburg
Deutschland
daria.luschkova@tum.de
Abkürzungen.
AIT allergenspezifische Immuntherapie
LPS Lipopolysaccharide
NOx Stickstoffoxide
PAK polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
PALM Pollenassoziierte Lipidmediator
WHO World Health Organization
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Klimawandel und Allergien
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Welche der folgenden Aussagen rund um den Klimawandel ist richtig?
Die zunehmende Häufigkeit und Intensität von Hitzeextremen, Starkniederschlägen, Dürren sowie der Anteil heftiger tropischer Wirbelstürme steht nicht im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung.
Die wichtigsten gesundheitsschädlichen Stoffe nach der WHO sind Ozon, Stickstoffoxid, Schwefeldioxid und Feinstaub.
Viele anthropogene Emissionen von Schadstoffen haben zwar eine lange Verweildauer in der Atmosphäre, können aber keine langen Strecken über Kontinente und Ozeane überwinden.
Die Häufigkeit von Erkrankungen wie Depressionen oder Diabetes mellitus wird durch den Klimawandel nicht beeinflusst.
Die Vernichtung natürlicher Habitate sowie von Tier- und Pflanzenarten beschleunigt den Klimawandel, erhöht aber nicht das Risiko von Pandemien (wie zum Beispiel die durch SARS-CoV-2 verursachte Pandemie).
Welche Personen gehören nicht zu den für Hitzewellen besonders vulnerablen Gruppen?
Kleinkinder
Demenzkranke
Diabetiker
Jugendliche
Patienten mit Niereninsuffizienz
Welche Aussage zum Klimawandel und dessen Auswirkung auf Pollen ist falsch?
Der Klimawandel kann zu einem jahreszeitlich früheren Pollenflugbeginn und einer Ausdehnung der Pollenflugsaison führen.
Der Klimawandel bewirkt ein Auftreten neuer allergener Pflanzen (z. B. Ambrosia artemisiifolia, Olivenbäume, Parietaria, Zypresse) und deren Pollen in Europa.
Der Klimawandel kann eine Änderung der Pollenallergenität bewirken (Steigerung der Pollenallergenität, Modulation des Profils an Begleitsubstanzen aus Pollen [z. B. pollenassoziierte Lipidmediatoren, Lipopolysaccharide]) und eine Veränderung der Allergenfreisetzung.
Der Klimawandel kann sowohl die Zeitspanne als auch die Symptomstärke der Beschwerden der Allergiker beeinflussen.
Aufgrund von Kreuzreaktionen mit Hasel- und Erlenpollen können Birkenpollenallergiker auch bereits im Juni Symptome zeigen.
Welche Aussage zu Ambrosia artemisiifolia trifft zu?
Das allergene Potenzial dieser Pflanze ist sehr gering, Konzentrationen von fünf bis zehn Pollenkörnern pro Kubikmeter Luft können allergische Symptome auslösen.
Die Hauptblühzeit der Pflanze ist im Frühsommer und die Pollen sind genauso groß wie die Graspollen.
Eine Neusensibilisierung gegen Ambrosiapollen ist wegen einer Kreuzreaktivität zu Lieschgras (Phl p 2) oftmals nicht notwendig, um allergische Symptome hervorzurufen.
Die klimatischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte begünstigen die Einbürgerung und Ausbreitung der gebietsfremden Pflanze - ein komplettes Zurückdrängen des Neophyten wird inzwischen als nicht mehr realistisch angesehen.
Bei höheren atmosphärischen CO2-Gehalten wurde eine verringerte Pollenbildung der Ambrosia artemisiifolia nachgewiesen.
Welche Aussage zu Klimawandel und Temperaturveränderungen ist richtig?
Durch schwere Regenfällen, deren Häufigkeit und Intensität im Zuge des Klimawandels zunehmen wird, und gleichzeitig hoher Pollenbelastung können Asthma-Exazerbationen oder starke Heuschnupfen-Symptomatik auftreten (gewitterbedingtes Asthma).
Die Populationsstärke, die geografische Reichweite, das Übertragungspotenzial vieler infektiöser Erreger auf den Menschen und die Vektorökologie werden durch den Klimawandel beeinflusst. Die Abundanz kälteliebender Arten kann bei uns durch den Klimawandel zunehmen.
Der Temperaturanstieg bedingt eine Abnahme der weltweiten Gesamtbelastung durch Malaria.
In Studien wurde an Birkenpollen in Regionen mit einem niedrigen atmosphärischen Ozongehalt und mit Luftverschmutzung, wie in den urbanen Mikroklimaten, eine stärkere Allergenität nachgewiesen.
Personen, die Medikamente einnehmen, die sich auf den Elektrolythaushalt auswirken (wie Diuretika, Psychopharmaka), haben ein höheres Risiko, während einer Hitzewelle zu sterben.
Welche der folgenden Aussagen zu Pollen ist richtig?
Die Pollenexposition schwächt die Immunabwehr gegenüber bestimmten Rhinoviren nur bei Allergikern.
Es gibt in Studien keine Hinweise, dass eine gleichzeitige Pollenexposition die Immunabwehr gegen SARS-CoV-2-Viren schwächen kann.
Das Tragen von FFP2-Masken kann vor der Exposition gegenüber Viren schützen, aber nicht gegenüber Pollen.
Pollen können die Immunabwehr der Schleimhäute des Atemtraktes durch eine Verringerung der Interferon-Antwort beeinträchtigen.
Die meisten ganzen Pollenkörner haben einen Durchmesser von < 30 µm.
Welche Antwort zum Eichenprozessionsspinner ist richtig?
Die Brennhärchen der Raupen können nur bei bereits sensibilisierten Personen Symptome an Haut, Augen oder Atemwegen auslösen.
Die Brennhärchen der Raupen können weit durch die Luft getragen werden.
Die Brennhärchen der Raupen sind für das menschliche Auge gerade noch sichtbar.
Die Brennhärchen der Raupen können Symptome an Haut, Augen, Nase und Bronchien auslösen, aber keinen anaphylaktischen Schock.
Wenn die Raupen als Prozession ihr Nest verlassen haben, ist es ungefährlich, sich diesem zu nähern.
Welche Aussage zu Klimawandel und zur Nahrungsmittelallergien ist richtig?
Der Verzehr durcherhitzter Insekten(-bestandteile) kann keine allergischen Allgemeinreaktionen auslösen, weil die auslösenden Allergene wie zum Beispiel Tropomyosin oder Argininkinase hitzelabil sind.
Patienten mit Allergien/Sensibilisierungen gegenüber Hausstaubmilben, Küchenschaben oder Krustentieren können bereits beim ersten Verzehr von Insekten(-bestandteilen) mit allergischen Symptomen reagieren.
Ein vermehrter Verzehr von Insekten(-bestandteilen) als proteinreiche Alternative zu Fleisch, Fisch, Milch oder Eiern hätte keinen Einfluss auf den Klimawandel.
Kreuzsensibilisierungen mit Insekten konnten nur mit anderen Arthropoden wie Hausstaubmilben, Küchenschaben und Krustentieren, aber nicht mit Säugetieren, Algen, Pflanzen oder Pilzen nachgewiesen werden.
In der EU wurden bisher keine Insekten(-bestandteile) über die Novel-Food-Verordnung zugelassen.
Welche Aussage zum Einfluss des Gesundheitswesens auf Klimawandel und Gesundheit ist falsch?
Deutschland hat nach dem Lancet Countdown on Health and Climate Change 2021 in den letzten zwei Jahren wesentliche Fortschritte gemacht, die von dort 2019 gegebenen Empfehlungen zur Reduktion des CO2-Fußabdruckes des Gesundheitssektors und zum Hitzeschutz umzusetzen.
Das Gesundheitswesen verursacht 5,2 % der Treibgasemissionen in Deutschland.
Eine WHO-Initiative unterscheidet beim Klimaschutz im Krankenhaus die sieben Bereiche Baudesign, Energieeffizienz, alternative Energien, Verkehr, Essen, Wasser und Abfall.
Um die vom Deutschen Ärztetag 2021 geforderte Klimaneutralität des deutschen Gesundheitswesens bis 2030 zu erreichen, müssen unter anderem die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, Klimabeauftragte in den einzelnen Einrichtungen ernannt und Klimaschutzpläne verabschiedet werden.
Die ärztliche Beratung im Rahmen von "Klimasprechstunden" kann Patienten helfen, Klimaresilienz zu entwickeln. Dies, sowie auf synergistische Effekte von gesundem und klimafreundlichem Verhalten (z. B. bei Fortbewegung, Ernährung) hinzuweisen, sollte aber auch in die normalen Sprechstunden mit einfließen.
Zur Anpassung an den Klimawandel besteht im Bereich Allergologie und Umweltmedizin besonderer Forschungsbedarf und es sind Forderungen an den Gesetzgeber zu stellen. Welche Antwort hierzu ist falsch?
Entwicklung personalisierter Frühwarnsysteme für Pollenallergiker, zum Beispiel vor Gewitter
Erforschung von protektiven Umweltfaktoren im Hinblick auf die Allergieentwicklung wie Biodiversität, "Bauernhofeffekt"
Entwicklung von Biomarkern zur Auswahl besonders geeigneter Patienten für die spezifische Immuntherapie mit Allergenextrakten.
Umsetzung/Neuauflage des "Nationalen Aktionsplan Allergie" in Deutschland.
Erstattung der Bioresonanzmethode für die Diagnostik und Therapie von pollenassoziierten Nahrungsmittelallergien durch die gesetzliche Krankenversicherung.
Interessenskonflikt
Die Autorinnen geben an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Der Verlag erklärt, dass die inhaltliche Qualität des Beitrags durch zwei unabhängige Gutachten geprüft wurde. Werbung in dieser Zeitschriftenausgabe hat keinen Bezug zur CME-Fortbildung. Der Verlag garantiert, dass die CME-Fortbildung sowie die CME-Fragen frei sind von werblichen Aussagen und keinerlei Produktempfehlungen enthalten. Dies gilt insbesondere für Präparate, die zur Therapie des dargestellten Krankheitsbildes geeignet sind.
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