Das ósterreichische Gesundheitswesen sieht sich die letzten Jahre zunehmend dem Druck ausgesetzt, auf die veränderten Anforderungen hinsichtlich Versorgungsqualität und Ressourceneffizienz zu reagieren.
Die aktuelle COVID-19-Pandemie hat den Krankenhaussektor zusätzlich gefordert und die Handlungsnotwendigkeit verdeutlicht. Gerade im Klinikalltag wurden die Herausforderungen hinsichtlich gesicherter und qualitativer Patientenversorgung, zeit- und raumgleicher Ressourcenbereitstellung sowie koordinierter und transparenter Kommunikation verstärkt aufgezeigt. Die veränderten Anforderungen verlangen nach einem System, welches sowohl die Standardisierung der Prozesse als auch Raum für organisationale Flexibilität gewährleisten.
Der aus der Automobilindustrie bekannte Lean-Management-Ansatz kann, bei korrekter Umsetzung, zu einer Steigerung der Patientenzufriedenheit, Absicherung der Arbeitgeberattraktivität, Mitarbeiterzufriedenheit, Ressourceneffizienz und zu einem kulturellen Wandel in Richtung lernende Organisation führen.
Lean Management — mehr als eine Bündelung von Werkzeugen
Lean Management fand seine Ursprünge in der Fertigungsindustrie und resultiert aus einer 70-jährigen Entwicklung des Toyota Production Systems. Die Zielsetzung dieser Ideologie ist die fortlaufende Optimierung der Prozesse entlang der Wertschópfungskette, wobei die übergeordnete Bestrebung stets die Zufriedenheit des Kunden ist.
Die Kernaufgabe hierbei ist das Aufzeigen von Verschwendung (Muda), Unausgeglichenheit (Mura) und Überlastung (Mudi) innerhalb der Prozesse. Für die Beseitigung dieser Ineffizienzen steht dem Lean Management eine Reihe von Werkzeugen zu Verfügung, welche bei richtigem Einsatz zu einer hochgradig effizienten Organisation, gesicherter Qualität und steigender Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit führen.
Es lassen sich viele Beispiele für eine erfolgreiche Einführung der Lean-Management-Philosophie in diversen Branchen finden, jedoch ist nur selten ein nachhaltiger Erfolg im Sinne einer dauerhaften Umsetzung verzeichnet. Dies beruht auf der Tatsache, dass Lean Management oft als reine Umsetzung der Tools zur Prozessverbesserung verstanden wird. Die Rolle der Führung und die organisationale Kultur werden in den meisten Fällen gänzlich au×er Acht gelassen.
Die adäquate Herangehensweise im Zuge der Lean-Management-Implementierung umfasst sowohl die Prozessoptimierung als auch die Entwicklung und Fórderung einer entsprechenden Organisationskultur, indem die Führungskräfte die Werte und Prinzipien des Lean Managements im täglichen Betrieb durch alle Ebenen hindurch vorleben und umsetzen.
Weltweit findet das Lean Management auch im Gesundheitswesen Einzug und führt bei richtiger Umsetzung zur Verbesserung sämtlicher Aspekte der Behandlungsqualität und Leistungseffizienz.
Das Bestreben, das klinische Qualitätsmanagementsystem auszubauen und innovative Ansätze zu etablieren, veranlasste das Qualitätsmanagement des Kepler Universitätsklinikums, diesen vielversprechenden Ansatz auf klinischer Ebene umzusetzen. Dem Zweck der ganzheitlichen Betrachtung dienend findet aktuell ein Pilotprojekt an einer medizinischen Fachabteilung statt, welches zu Erkenntnissen bezüglich der Chancen und Grenzen des Lean Managements im Bereich des klinischen Qualitätsmanagements führen soll.
Umsetzung der Lean-Philosophie im klinischen Betrieb
Um den maximalen Erfolg und die richtige Interpretation dieses Konzeptes zu ermóglichen, ist es essenziell, im Zuge der Umsetzung des Lean Hospital Managements von Beginn an die Gesamtheit der Aspekte entlang der Lean-Philosophie zu berücksichtigen. Die nachfolgende Grafik soll das Zusammenspiel und die Bedeutung der Aspekte „Prozess“ „Führung“ und „Management“ verdeutlichen.

Die Prozessoptimierung ist ein verbreiteter und bekannter Aspekt des Qualitätsmanagements in Krankenanstalten. Die Optimierung entlang der Prozesse wird im klinischen Betrieb jedoch durch die 3-Säulen-Führung und die arbeitsteiligen Abläufe erschwert. Besonders kritisch ist hier die Berücksichtigung und Betrachtung der Schnittstellen, da Optimierungen oftmals innerhalb der jeweiligen Organisationseinheit durchgeführt und abgeschlossen werden. Dies hat jedoch unbekannte Auswirkungen auf vor- und nachgelagerte Prozesse und kann zu Prozessstórungen in anderen Fachabteilungen führen.
Lean Management verfolgt die Optimierung entlang der Wertschópfung unter Einbeziehung sämtlicher Schnittstellen und am Prozess beteiligter Personen und Organisationseinheiten. Um diese Verbesserung fortlaufend zu optimieren und halten zu kónnen, benótigt es einen Wandel der Organisationsstruktur sowie Organisationskultur. Lean Management fordert sowohl eine Dezentralisierung als auch eine Abflachung der Hierarchien. Problemlósungen und Entscheidungen werden vor Ort und faktenbasiert, unter Einbeziehung sämtlicher, am Prozess beteiligter, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter getroffen. Eine Aufgabe der Führung ist es, Mitarbeiter zu motivieren, Fehler aufzuzeigen und Verbesserungsvorschläge einzubringen. Die Lean-Philosophie besagt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die täglich den Prozess abarbeiten, auch diejenigen sind, die das Potenzial und Verbesserungsmóglichkeiten am besten kennen. Daraus resultiert eine verbesserte Fehlerkultur und die Entstehung einer lernenden Organisation.
Die Herausforderung in der Umsetzung dieses Lean-Management-Konzeptes an medizinischen Fachabteilungen besteht darin, dass sich die Rolle eines Qualitätsmanagements von der Identifizierung und Verfolgung unerwünschter Ereignisse hin zur Verringerung des Risikos unerwünschter Ereignisse und zur Unterstützung der Health Professionals bei der Neugestaltung von Prozessen zur Verbesserung der Qualität verändern muss.
NATASA NEUHOLD MA
Kepler Universitätsklinikum GmbH Stabsstelle Qualitätsmanagement natasa.neuhold@kepleruniklinikum.at www.kepleruniklinikum.at

