Skip to main content
Springer Nature - PMC COVID-19 Collection logoLink to Springer Nature - PMC COVID-19 Collection
. 2022 Sep 9;93(11):1089–1094. [Article in German] doi: 10.1007/s00104-022-01713-9

Patienten* nach unauffälliger elektiver laparoskopischer Cholezystektomie können ohne Laborwertkontrollen entlassen werden – Ergebnisse einer prospektiven Studie

After inconspicuous elective laparoscopic cholecystectomy patients can be discharged without control of laboratory parameters

L Fischer 1,, K Watrinet 2, G Kolb 1, C Segendorf 1, B Huber 1, B Huck 1
PMCID: PMC9461431  PMID: 36083303

Abstract

Hintergrund

Die Bedeutung postoperativer Laborkontrollen nach elektiver laparoskopischer Cholezystektomie (lap. CHE) ist umstritten. Das Ziel dieser prospektiven Studie war es, herauszufinden, ob Patienten* bei unauffälligem perioperativem Verlauf nach lap. CHE ohne Laborwertkontrollen sicher entlassen werden können.

Methodik

Vom 09/20 bis 03/22 wurden alle Patienten* mit einer lap. CHE gescreent und nach Erhalt des Einverständnisses in die Studie eingeschlossen. Der Verlauf wurde mit einem Scoring- (Punktewert 3–15 Punkte) und Befragungsbogen strukturiert verfolgt. Ein Scoringwert von ≤ 9 Punkten beschrieb einen unauffälligen perioperativen Verlauf. Die Ethikkommission Heidelberg hat dieser Studie zugestimmt (S-026/2020).

Ergebnisse

Es wurden 275 Patienten* mit Gallenblasenoperation erfasst. Davon unterzogen sich 80 % einer elektiven lap. CHE. 56 Patienten* (25 %) wurden in die Studie eingeschlossen, 51 Patienten* wurden bei einem Scoringwert ≤ 9 Punkten ohne Blutentnahme entlassen. Das Durchschnittsalter der 51 Patienten* war 50,8 Jahre, der durchschnittliche Krankenhausaufenthalt betrug 2,6 Tage. 40 von 51 Patienten* (78,4 %) konnten postoperativ befragt werden. Bei keinem der Patienten* kam es nach Entlassung zu relevanten Komplikationen. 27 der 40 Patienten* (67,5 %) sind postoperativ noch einmal zum Hausarzt gegangen. Aufgrund anderer Operationen und einer endoskopischen Intervention sind 4 Patienten* erneut stationär behandelt worden. Alle Patienten* waren mit dem chirurgischen Verlauf zufrieden.

Diskussion

Patienten* mit unauffälligem perioperativem Verlauf nach elektiver lap. CHE (Scoringwert ≤ 9 Punkten) können ohne postoperative Laborwertkontrolle entlassen werden.

Schlüsselwörter: Laparoskopie, Laborwertkontrolle, Postoperativer Verlauf, Scoringwert, Komplikationen


Die laparoskopische Gallenblasenentfernung ist einer der häufigsten und sichersten Eingriffe in Deutschland. Die Bedeutung postoperativer Laborkontrollen bei regulärem Verlauf nach elektiver laparoskopischer Cholezystektomie (lap. CHE) ist umstritten. Diese prospektive Studie untersucht, ob Patienten* nach elektiver lap. CHE und einem Scoringwert von ≤ 9 Punkten ohne postoperative Blutwertkontrolle entlassen werden können.

Hintergrund

Die laparoskopische Gallenblasenentfernung (lap. CHE) ist mit mehr als 200.000 Eingriffen einer der häufigsten Eingriffe in Deutschland [1, 2]. Die lap. CHE ist ein sicherer Eingriff mit einer Sterblichkeitsrate von ca. 0,3 % [3]. Diese Operation könnte aufgrund ihrer hohen Standardisierung und geringen Komplikationsrate nach Leitlinien auch ambulant durchgeführt werden [4]. Vor dem Hintegrund abrechnugsrelavanter Faktoren werden allerdings nahezu alle laparoskopischen Cholezystektomien in Deutschland stationär durchgeführt. Dies schließt in den meisten Fällen auch mindestens eine routinemäßige postoperative Blutwertkontrolle ein.

Routinemäßige Blutentnahmen sollen unter anderem dazu dienen, schwere Komplikationen wie die unwissentliche Durchtrennung von Gefäßen oder des Gallengangssystems zu detektieren. Retrospektive Daten zeigen jedoch, dass eine Verletzung des Gallengangsystems unter Anwendung des „critical view of safety“ in weit unter 1 % der Fälle auftritt [5]. Zum anderen konnte dargestellt werden, dass die Bestimmung von Laborparametern, auch der leberspezifischen Enzyme, nach lap. CHE keine sichere Aussage über den weiteren Verlauf bietet [69]. Selbst unmittelbar postoperativ erhöhte Leberwerte sind offensichtlich kein Prädiktor für postoperative Komplikationen [79]. Ähnlich ist die postoperative Sonographie einzuschätzen [4].

Im Rahmen einer bereits durchgeführten retrospektiven Untersuchung [10] konnten wir anhand eines Scoringbogens (Tab. 1) bei 100 Patienten* zeigen, dass postoperative Laborwertkontrollen nach elektiver lap. CHE und einem Scoringwert von ≤ 9 Punkten zu keiner Veränderung des weiteren Verlaufs führten; also die Patienten* auch ohne Laborwertkontrolle nach Hause hätten entlassen werden können. Der verwendete Scoringbogen (Tab. 1) hatte dabei eine Sensitivität und Spezifität von 75 % bzw. 80 % [10].

Punktwert Präoperativ Intraoperativ Postoperativ
1

Unkomplizierte Cholezystitis

Gallenblasenpolyp

ASA 1–3

OP-Dauer < 60 min

Keine Drainage

VSS ≤ 3 unter Schmerztherapie WHO I°

Kostaufbau und Mobilisation am 1. po Tag komplettiert

3

Wie 1, jedoch mit …

… relevanten Begleiterkrankungen (NIDDM, IDDM, KHK, blutverdünnende Medikamente etc.)

Offene Voroperationen

OP-Dauer > 60 min

Drainagenanlage

Ausgedehnte Verwachsungen

GB-Perforation

VSS 3–5 unter Schmerztherapie WHO I°

Kostaufbau oder Mobilisation nicht komplett am 1. po Tag

5

Jede Notfallcholezystektomie

Jede diagnosespezifische Intervention (z. B. ERCP)

Jeder diagnosespezifischer KH-Aufenthalt

Auffällige Blutwerte, die eine Nachkontrolle notwendig machen (z. B. K+, Leukozyten, Bilirubin)

Jede Konversion

OP-Dauer > 90 min

VSS > 5 unter jeglicher Schmerztherapie

Fieber, Erbrechen

Notwendigkeit von Diagnostik (z. B. CT, Sonographie)

Aufenthalt auf Intensivstation

ASA American Society of Anesthesiologists, GB Gallenblase, K+ Kalium, OP Operation, KH Krankenhaus, KHK koronare Herzkrankheit, NIDDM „non insulin dependent diabetes mellitus“, IDDM „insulin dependent diabetes mellitus“, ERCP endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie, VSS visuelle Schmerzskala, po postoperativ, CT Computertomographie, WHO Weltgesundheitsorganisation

aDie minimal erreichbare Punktzahl beträgt 3, die maximale Punktzahl 15

Das Ziel dieser prospektiven Untersuchung war es, zu untersuchen, ob Patienten* nach unkomplizierter elektiver laparoskopischer Gallenblasenentfernung (Scoringwert von ≤ 9 Punkten) ohne postoperative Laborwertkontrolle sicher entlassen werden können.

Methodik

Im Rahmen dieser prospektiven Studie wurden von 20.09.2020 bis 31.03.2022 alle Patienten* mit Indikation zur Entfernung der Gallenblase erfasst und Patienten* mit geplanter elektiver laparoskopischer Cholezystektomie bez. Studienteilnahme gescreent. Die Ein- und Ausschlusskriterien sind in Tab. 2 dargestellt. Die Aufklärung bez. der Operation und der Studie erfolgte im Rahmen der prästationären Abklärung. Das entsprechende Studienprotokoll ist von der Ethikkommission Heidelberg positiv begutachtet worden (S-026/2020).

Einschlusskriterien Ausschlusskriterien

Elektive Indikation zur laparoskopischen Cholezystektomie

Patient* ist fähig zur Einwilligung

Alter zwischen 18 Jahre und 80 Jahre

Bereitschaft zur freiwilligen Teilnahme

Erwartbarer Scoringwert ≤ 9

Fehlende Einwilligungsfähigkeit

Alter unter 18 Jahre

Alter über 80 Jahre

Sprachliche Barriere

Erwartbarer Scoringwert > 9

Konversion (Umstieg von minimal-invasiver auf eine offene Operationstechnik)

Die Stratifizierung der Patienten* erfolgte aufgrund des bereits publizierten Scoringbogens (Tab. 1). Dabei konnten Patienten Punktwerte zwischen 3 und 15 Punkte erreichen. Dabei entsprechen 3 Punkte einem gesunden Patienten mit unkomplizierter Operation und unkompliziertem postoperativen Verlauf. Der Wert von 15 Punkten entspräche einem Patienten mit erheblichen Begleiterkrankungen, komplexer Operation und z. B. Schmerzen oder Erbrechen nach der Operation. Der Scoringbogen wurde vom verantwortlichen Chirurgen ausgefüllt. Eingeschlossene Patienten* mit einem Scoringwert von ≤ 9 Punkten wurden postoperativ ohne Blutentnahme entlassen. Bei der Dauer des Krankenhausaufenthalts wurden Aufnahme- und Entlasstag als je 1 Tag gewertet. Bei allen in die Studie eingeschlossenen Patienten* wurde ca. 4 Wochen postoperativ eine telefonische Kontaktaufnahme durchgeführt. Dabei wurde der in Tab. 3 gezeigte Fragebogen verwendet. Die Patienten* wurden mindestens 3‑mal, maximal 5‑mal kontaktiert. Falls nach 5‑maligem Versuch keine Kontaktaufnahme zustande kam, wurde der Patient* zusätzlich im elektronischen Krankenhausinformationssystem gesucht, um den weiteren medizinischen Verlauf zu eruieren.

Hatten Sie Schmerzen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus?
Wenn ja, wie lange hatten Sie noch Schmerzen?

Sind Sie nach der Entlassung aus dem Krankenhaus noch einmal zum Hausarzt gegangen?

Wenn ja, wie oft?

Wenn ja, warum?

Mussten Sie nach der Entlassung noch einmal ins Krankenhaus?
Sind Sie nach der Operation gelb geworden?
Waren Sie mit dem chirurgischen Verlauf zufrieden?
Haben Sie am Entlassungstag alle Dokumente erhalten?
Hat am Entlassungstag ein Abschlussgespräch stattgefunden?
Was hat Ihnen im Krankenhaus nicht gut gefallen?
Haben Sie Verbesserungsvorschläge für unser Team?

Die Einschlussquote nach Gross et al. ([11]; auch „enrollment fraction“) wurde aus dem Quotienten von Patienten*, die die Einschlusskriterien erfüllen, und Patienten*, die in die Studie eingeschlossen wurden, gebildet.

Im Rahmen der elektronischen Dokumentation wurden die Patienten* pseudonymisiert erfasst, auf die elektronische Erfassung von Name und Geschlecht zu Auswertungszwecken wurde verzichtet. Patienten*, die der Studie nicht zugestimmt haben, Patienten*, die mehr als 9 Punkte aufwiesen oder Patienten*, die erwartbar mehr als 9 Punkte erreichen würden, wurden weiter nach dem bisherigen Standard behandelt. Das schloss eine Blutwertkontrolle am Entlasstag (in der Regel am 2. postoperativen Tag) ein. Die Auswahl der Laborwerte orientierte sich an der Leitlinie [4].

Statistik

Die Parameter wurden als Mittelwert mit Standardabweichung angegeben. Um Unterschiede zwischen verschiedenen Untergruppen zu untersuchen, wurde ein t‑Test verwendet. Als statistisch signifikant wurden p-Werte ≤ 0,05 angenommen. Die statistische Analyse wurde mit dem Programm Microsoft Excel 2016, Microsoft Corporation, Redmond, USA durchgeführt.

Ergebnisse

Vom 20.09.2020 bis 31.03.2022 wurden 275 Patienten* mit einer Gallenblasenoperation erfasst. Davon wurden 220 (80 %) Patienten* elektiv operiert. Davon wiederum konnten 56 Patienten* (25 %) in diese prospektive Studie eingeschlossen werden. Abb. 1 zeigt, dass 5 Patienten* perioperativ ausgeschlossen werden mussten; bei 3 Patienten* war der Scoringbogen unvollständig ausgefüllt und 2 Patienten* hatten einen zu hohen Scoringwert (beide hatten präoperativ 5 Punkte, ein Patient* intraoperativ ebenso 5 Punkte [Operationsdauer > 90 min] und der 2. Patient* hatte intra- und postoperativ jeweils 3 Punkte). Von den 51 verbliebenen Patienten* konnten 40 (78,4 %) Patienten* postoperativ telefonisch kontaktiert werden. Da 56 von 220 potenziell möglichen Patienten* in die Studie eingeschlossen werden konnten, beträgt die Einschlussquote („enrollment fraction“) dieser prospektiven Studie 25,5 %.

graphic file with name 104_2022_1713_Fig1_HTML.jpg

Das Durchschnittsalter der 51 eingeschlossenen und auswertbaren Patienten* war 50,8 Jahre (Standardabweichung [SD]: 14,11 Jahre, Minimum 18 Jahre, Maximum 80 Jahre) Jahre (Daten nicht gezeigt). Der durchschnittliche Krankenhausaufenthalt betrug 2,6 Tage (SD 1,3 Tage). Von den 51 innerhalb der prospektiven Studie behandelnden Patienten* erreichten 26 Patienten* 3 Punkte (Gruppe 1), 19 Patienten* 4–6 Punkte (Gruppe 2) und 6 Patienten* 7–9 Punkte (Gruppe 3, Tab. 4). Im Vergleich zu Gruppe 1 war die Dauer des stationären Aufenthaltes (KH) in Gruppe 2 und Gruppe 3 nicht signifikant verlängert (Tab. 4; p > 0,1).

Gruppe Scoringwert Anzahl Patienten*
(n [%])
Krankenhausaufenthalt
(Mittelwert und SD in Tagen)a
Stationäre Wiederaufnahme
(n [%])
1 3 26 (51 %) 2,1; SD 0,46 0
2 4–6 19 (37,2 %) 2,4; SD 0,6 2 (3,9 %)
3 7–9 6 (11,8 %) 3,7; SD 1,2 2 (3,9 %)

SD Standardabweichung

aAufnahme- und Entlassungstag wurden als jeweils 1 Tag gewertet

Insgesamt konnten 51 Patienten* unter Berücksichtigung der Ein- und Ausschlusskriterien studienprotokollgerecht ohne Blutentnahme entlassen werden; davon wiederum wurden 40 (78,4 %) postoperativ telefonisch erreicht und strukturiert befragt. Bei keinem der Patienten* kam es zu akuten Problemen, die eine stationäre Wiederaufnahme notwendig gemacht hätte. 27 der 40 postoperativ erreichbaren Patienten* (67,5 %) sind nach der Entlassung mindestens noch einmal zum Hausarzt gegangen (im Durchschnitt 1,3-mal). Der Grund für die Hausarztbesuche waren in 75 % reguläre Nachsorgetermine, Wundkontrollen in 10,0 %, Laborkontrollen in 7,5 % und die Erstellung von Arbeitsunfähigkeitsattesten in 2,5 % der Fälle. Von den 40 telefonisch erreichbaren Patienten* hatten 13 Patienten (32,5 %) noch postoperative Schmerzen. Die durchschnittliche Schmerzdauer betrug 4,1 Tage (Range 1–10 Tage). Von den postoperativ erreichbaren 40 Patienten* mussten 4 Patienten (10,0 %) wieder stationär aufgenommen werden. Die Ursache für diese erneuten stationären Aufnahmen waren Operationen in 3 Fällen (orthopädische Operation, Blinddarmentfernung, Whipple bei Pankreaskarzinom; Daten nicht gezeigt). Die Diagnose des Pankreaskarzinoms wurde 5 Monate nach der laparoskopischen Gallenblasenentfernung gestellt. Bei einem Fall erfolgte die erneute stationäre Aufnahme 20 Tage nach der Entlassung beim Verdacht auf ein erneutes Steinleiden im Hauptgallengang bei beginnendem Ikterus. Die Re-ERCP(endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie) zeigte allerdings keine Steine, sodass der Stent geplant entfernt wurde (Daten nicht gezeigt).

Von den 40 erreichbaren Patienten* waren alle mit dem chirurgischen Verlauf zufrieden. 3 Patienten* (7,5 %) gaben an, dass sie am Entlassungstag nicht alle Dokumente erhalten haben. Ein Patient* gab an, dass am Entlassungstag kein Entlassgespräch stattgefunden hat. Die Kritiken von 4 Patienten* (10 %) bezogen sich auf die mangelnde Kommunikation während der Wartezeit auf die Operation und der damit verbundenen langen Zeit ohne Essen und Trinken. Zwei Patienten* (5 %) waren mit dem Zimmer nicht zufrieden. Bezüglich der Verbesserungsvorschläge wünschten sich 4 Patienten* (10 %) eine bessere Kommunikation und 1 Patient* hätte sich ein ausführlicheres Entlassgespräch gewünscht.

Diskussion

Gallenblasenoperationen sind hochstandardisierte und sichere Eingriffe, die in der überwiegenden Anzahl der Fälle laparoskopisch durchgeführt werden können [12]. Die hier aufgeführten prospektiven Daten zeigen, dass Patienten* nach elektiver laparoskopischer Cholezystektomie mit unauffälligem perioperativem Verlauf (Scoringwert ≤ 9 Punkte) sicher ohne Blutentnahme entlassen werden können. Der Fokus des perioperativen Verlaufs richtet sich dabei im Wesentlichen auf 3 Punkte. Das wäre zum ersten das präoperative Labor. Dieses sollte weitgehend normal sein. Relevante Abweichungen (z. B. Elektrolyte, Bilirubin oder Entzündungswerte) erfordern natürlich eine postoperative Verlaufskontrolle. Zum zweiten sollte die Operation laparoskopisch durchgeführt werden und die Operationsdauer nicht deutlich länger als eine Stunde betragen. Im postoperativen Verlauf kommt drittens der raschen, selbständigen und schmerzarmen Mobilisation große Bedeutung zu. Die postulierte Punktzahl dient dabei als Orientierung. Bereits in der retrospektiven Vorstudie [10] konnte gezeigt werden, dass ca. 80 % der Patienten* nach elektiver Gallenblasenentfernung trotz eines „erhöhten“ Scoringwertes von mehr als 9 Punkten ohne Laborwertkontrolle hätten entlassen werden können [10].

Von den 56 Patienten*, die in die Studie eingeschlossen werden konnten, sind 51 Patienten* ohne Blutentnahme entlassen worden. Von diesen konnten wiederum 40 nach der Entlassung telefonisch kontaktiert werden. Die Zufriedenheit mit dem chirurgischen Verlauf war in allen Fällen gegeben. Es gab bei diesen Patienten* keine mit der Operation ursächlich in Zusammenhang bestehende notfallmäßige Akutsituation, die eine erneute stationäre Aufnahme notwendig gemacht hat. Weit über die Hälfte der Patienten* hat sich nach der Entlassung nochmals beim Hausarzt vorgestellt. Dabei wurde in 3 Fällen eine Blutentnahme durchgeführt. Dies war nach Aussage der Patienten eine Routinetätigkeit, die standardisiert durchgeführt wurde. Soweit eruierbar hatte keine dieser hausärztlichen Blutentnahmen eine Konsequenz. Vier Patienten mussten im Verlauf wieder stationär aufgenommen werden. Einmal aufgrund einer geplanten Stententfernung bei Zustand nach präoperativ durchgeführter endoskopischer Stentplatzierung. Die anderen 3 Wiederaufnahmen standen nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Gallenblasenoperation.

Die von Kollegen* geäußerte Angst, man könnte postoperative Nachblutungen, Steindurchtritt mit passagerer Cholestase, Insuffizienz des Zystikusstumpfes und akzidentelle Verletzung des Ductus hepaticocholedochus oder eine perioperative Verschlechterung der Nierenfunktion und Elektrolytentgleisungen übersehen, ist nach aktueller Literaturlage nicht ausreichend belegbar. Denn eine der Fragen ist doch, ob man diese Komplikationen eher klinisch oder in der Laboruntersuchung nach der Operation sehen kann? Bei Patienten* mit relevanten Nachblutungen, mit Steindurchtritt oder einer Insuffizienz des Zystikus würde man Schmerzen, Fieber, Kreislaufprobleme (Hypotonie, Tachykardie) oder eine verzögerte Mobilisation erwarten. Dies sollte in erster Linie klinisch auffallen. Die Nierenfunktion und die Elektrolyte sind im präoperativen Labor abgebildet. Wann können signifikante Veränderungen der Nierenfunktion und der Elektrolyte bei einem Patienten*, der normal trinkt und isst (=unauffälliger postoperativer Verlauf), im Labor erwartet werden? Studien haben gezeigt, dass die Blutwerte nach der lap. CHE kein sicherer Prädiktor für den weiteren Verlauf sind. Somit schließen selbst normale Blutwerte schwerwiegende Komplikationen nicht aus [610]. Unserer Auffassung nach genügt die vorhandene Evidenz auch aus medikolegaler Sicht, um bei Patienten* mit geplanter laparoskopischer Cholezystektomie bei weitgehend unauffälligen präoperativen Blutwerten, regulärer laparoskopischer Operation und unauffälligem postoperativem Verlauf auf eine postoperative Blutwertkontrolle zu verzichten.

Prospektive Studien fordern ein hohes Maß an Engagement vom gesamten Team. Wir haben am Klinikum Mittelbaden kein Studienzentrum. Die Planung, Durchführung und Auswertung dieser prospektiven Studie erfolgte parallel zum Routinebetrieb. Das initiale Ziel war es, 100 Patienten* einzuschließen („proof of concept“). Es wurde relativ schnell deutlich, dass wir dies nicht in der beabsichtigten Zeit schaffen werden. Ein wesentlicher Grund dafür waren die Auswirkungen der COVID(„coronavirus disease“)-Pandemie, die nicht nur zu einer signifikanten Reduktion der Gallenblasenoperationen geführt hat, sondern auch die Mitarbeiter* durch Krankheitsfälle und durch immer wieder notwendige Strukturveränderungen (COVID-bedingte Stationsschließungen, Stationsverlegungen und Entsendung von Mitarbeitern in fachfremde Abteilungen, …) stark belastet haben. Trotz all dieser Herausforderungen konnten 25,5 % aller potenziell geeigneten Patienten* in die Studie eingeschlossen werden („enrollment fraction“ [11]). Eine Zahl, die durchaus vergleichbar mit anderen Studien ist [13, 14]. Zu überlegen wäre, eine solche Studie prospektiv, randomisiert und multizentrisch durchzuführen. Die probeweise durchgeführte Fallzahlberechnung (mögliche Fragestellung: der Zeitpunkt der Erkennung von Komplikationen bei Patienten* nach lap. CHE mit ≤ 9 Punkten und postoperativem Labor vs. Patienten* nach lap. CHE mit ≤ 9 Punkten ohne postoperatives Labor; die Randomisierung bez. Blutentnahme erfolgt vor Entlassung) zeigt allerdings je nach Wichtung notwendige Zahlen von mehreren hundert bis mehreren tausend einzuschließenden Patienten*.

Ohne die Notwendigkeit von Laborwertkontrollen nach lap. CHE kann die Entlassprozedur sowohl für die Patienten* als auch für die pflegerischen und ärztlichen Stationsteams einfacher und schneller gestaltet werden. Zusätzlich kann durch eine nicht durchgeführte Blutentnahme der Stress der Patienten* in vielen Fällen gesenkt werden, da ein nicht unerheblicher Anteil der Patienten Angst vor Blutabnahmen hat [15].

Limitierungen

  • Die Daten von nur 51 Patienten* konnten analysiert werden. Unser Ziel, in diese Studie 100 Patienten* einzuschließen, scheiterte unter anderem an den Auswirkungen der COVID-Pandemie.

  • Prospektive Studien in einem Setting einer chirurgischen Klinik der erweiterten Grund- und Regelversorgung sind schwierig durchzuführen. Es konnten nicht alle Patienten* in die Studie eingeschlossen werden. Dies hatte vor allem organisatorische Gründe. Ein Selektionsbias könnte somit vorliegen.

Fazit für die Praxis

  • Elektiv operierte Patienten* mit laparoskopischer Cholezystektomie und einem unauffälligen perioperativen Verlauf (Scoringwert ≤ 9 Punkte) können sicher ohne postoperative Laborwertkontrolle entlassen werden.

  • Postoperative Blutwertkontrollen sollten weiterhin bei allen anderen Patienten* durchgeführt werden.

  • Der hier genutzte Scoringbogen ist sehr zuverlässig (Sensitivität und Spezifität) in der Einschätzung des Verlaufs nach elektiver laparoskopischer Cholezystektomie auch über die Entlassung hinaus.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

L. Fischer, K. Watrinet, G. Kolb, C. Segendorf, B. Huber und B. Huck geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen oder an menschlichem Gewebe wurden mit Zustimmung der Ethikkommission Heidelberg (S-026/2020), im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patient/-innen liegt eine Einverständniserklärung vor.

Footnotes

Zur besseren Lesbarkeit (und Vereinfachung des Sprachduktus) wird hier nur eine Form der Geschlechter verwendet. Alle im Artikel genannten Bezeichnungen (*) schließen weibliches, männliches und diverses Geschlecht ein.

Die Autoren L. Fischer und K. Watrinet teilen sich die Erstautorenschaft.

graphic file with name 104_2022_1713_Figqr_HTML.jpg

QR-Code scannen & Beitrag online lesen

Contributor Information

L. Fischer, Email: L.Fischer@klinikum-mittelbaden.de.

K. Watrinet, Email: k.watrinet@t-online.de

G. Kolb, Email: g.kolb@klinikum-mittelbaden.de

C. Segendorf, Email: c.segendorf@klinikum-mittelbaden.de

B. Huber, Email: b.huber@klinikum-mittelbaden.de

B. Huck, Email: b.huck@klinikum-mittelbaden.de

Literatur

  • 1.https://de.statista.com. Zugegriffen: März 2020
  • 2.https://sqg.de/front_content.php. Zugegriffen: März 2020
  • 3.Scollay JM, Mullen R, McPhillips G, Thompson AM. Mortality associated with the treatment of gallstone disease: a 10-year contemporary national experience. World J Surg. 2011;35:643–647. doi: 10.1007/s00268-010-0908-3. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  • 4.Gutt C, Jenssen C, Barreiros A-P, et al. Updated S3-Guideline for prophylaxis, diagnosis and treatment of gallstones. German Society for Digestive and Metabolic Diseases (DGVS) and German Society for Surgery of the Alimentary Tract (DGAV)—AWMF Registry 021/008. Z Gastroenterol. 2018;56:912–966. doi: 10.1055/a-0644-2972. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  • 5.Strasberg SM, Brunt LM. Rationale and use of the critical view of safety in laparoscopic cholecystectomy. J Am Coll Surg. 2010;211:132–138. doi: 10.1016/j.jamcollsurg.2010.02.053. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  • 6.Ahmad NZ. Routine testing of liver function before and after elective laparoscopic cholecystectomy: is it necessary? JSLS. 2011;15:65–69. doi: 10.4293/108680811X13022985131291. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
  • 7.Kaldor A, Akopian G, Recabaren J, Alexander M. Utility of liver function tests after laparoscopic cholecystectomy. Am Surg. 2006;72:1238–1240. doi: 10.1177/000313480607201219. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  • 8.Strohäker J, Wiegand L, Beltzer C, Königsrainer A, Ladurner R, Bachmann R. Routine postoperative blood tests fail to reliably predict procedure-related complications after laparoscopic cholecystectomy. Langenbecks Arch Surg. 2021;406:1155–1163. doi: 10.1007/s00423-021-02115-x. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
  • 9.Ben-Ishay O, Zeltser M, Kluger Y. Utility of routine blood tests after elective laparoscopic cholecystectomy for symptomatic gallstones. World J Gastrointest Surg. 2017;9:149–152. doi: 10.4240/wjgs.v9.i6.149. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
  • 10.Fischer L, Kolb G, Segendorf C, Huber B, Watrinet K, Horoba L, Huck B, Schultze D. Welcher Patient benötigt Laborwertkontrollen nach elektiver laparoskopischer Cholezystektomie? – Kann ein Score helfen? Chirurg. 2021;92:369–373. doi: 10.1007/s00104-020-01258-9. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  • 11.Gross CP, Mallory R, Heiat A, Krumholz HM. Reporting the recruitment process in clinical trials: who are these patients and how did they get there? Ann Intern Med. 2002;137(1):10–16. doi: 10.7326/0003-4819-137-1-200207020-00007. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  • 12.Scollay JM, Mullen R, McPhillips G, Thompson AM. Mortality associated with the treatment of gallstone disease: a 10-year contemporary national experience. World J Surg. 2011;35:643–647. doi: 10.1007/s00268-010-0908-3. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  • 13.Rothwell PM. Factors that can affect the external validity of randomised controlled trials. PLoS Clin Trials. 2006;1(1):e9. doi: 10.1371/journal.pctr.0010009. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
  • 14.Fischer L, Knaebel HP, Golcher H, et al. To whom do the results of the multicenter, randomized, controlled INSECT trial (ISRCTN 24023541) apply?—assessment of external validity. BMC Surg. 2012;12:2. doi: 10.1186/1471-2482-12-2. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
  • 15.McLenon J, Rogers MAM. The fear of needles: a systematic review and meta-analysis. J Adv Nurs. 2019;75:30–42. doi: 10.1111/jan.13818. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]

Articles from Chirurgie (Heidelberg, Germany) are provided here courtesy of Nature Publishing Group

RESOURCES