Bei der zweiten Booster-Impfung gegen das Coronavirus stehen v. a. ältere Menschen im Fokus. Neben den Impfungen in der Praxis sind deshalb auch Hausbesuche angesagt. Dafür wurde bereits eine eigene Ziffer geschaffen - bei der Abrechnung kann es aber kompliziert werden!
Der Hausbesuch zum Zweck einer Covid-Impfung kann nach § 6 Abs. 1 S. 4 der aktuell gültigen Coronavirus-Impfverordnung (CoronaImpfV) des Bundesgesundheitsministeriums mit der Nr. 88 323 abgerechnet werden. Wenn bei dem Besuch nicht nur die Corona-Impfung verabreicht, sondern auch andere, kurative Maßnahmen erbracht werden, kommt alternativ auch die EBM-Abrechnung nach der Nr. 01 410 in Betracht. (Für den Mitbesuch siehe S. 33.) Grundsätzlich ist die EBM-Nr. schlechter bewertet; sie sollte deshalb in der Regel für die Abrechnung eines Impfbesuches nicht angesetzt werden. Es gibt aber Ausnahmen!
Ein Fallbeispiel
Emma W., 78 Jahre alt, seit Kurzem in einem Pflegeheim, hat die COVID-19-Grundimmunisierung und die erste Auffrischimpfung längst hinter sich. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt aber inzwischen ab dem 60. Lebensjahr und bei besonders gesundheitlich gefährdeten bzw. exponierten Personengruppen eine zweite Auffrischimpfung) mit einem mRNA-Impfstoff. Da sie wegen einer mäßigen Herzinsuffizienz und einer schweren Gonarthrose bds. nur noch begrenzt beweglich ist, wird die Impfung bei einem Hausbesuch vorgenommen.
Würde nun der Hausbesuch ausschließlich zum Zweck der Covid-Impfung stattfinden, könnte nur die Nr. 88 323 berechnet werden. Gegenüber der EBM-Abrechnung ergäbe sich ein leichter Vorteil. Tatsächlich finden aber im Rahmen des Besuchs auch Kontrolluntersuchungen wegen der chronischen Erkrankungen statt. Besteht mit dem Pflegeheim ein Versorgungsvertrag gemäß Anlage 27 zum BMV-Ä, kann deshalb das Ergebnis der EBM-Abrechnung überlegen sein (Tab. 1).
Legende | CoronaImpfV | Euro | EBM | Euro |
---|---|---|---|---|
Besuch im Rahmen einer Impfung | 88 323 | 35 | 01 410 | 23,88 |
Kilometerpauschale (Beispiel) | - | - | - | 4,42 |
Zuschlag zu Nr. 01 410 bzw. 01 413 bei Kooperationsvertrag mit Pflegeheim | - | - | 37 102 | 14,08 |
Summe | 35 Euro | 42,38 Euro |
Hinzu kommen die Impfung mit mRNA-Impfstoff im Pflegeheim (Nr. 88 331, 28 Euro) und die Ausstellung eines Impfzertifikats (Nr. 88 350, 6 Euro).
MMW-Kommentar
Der Arzt oder die Ärztin hat nämlich ein Wahlrecht: Kommt im Rahmen des Besuchs ein kurativer Anlass hinzu, können entweder die Nrn. der Corona-Impfverordnung oder die EBM-Leistungen angesetzt werden. Bei Anwendung der "Covid-Hausbesuchsziffer" ist das finanzielle Ergebnis mit 35 Euro gegenüber 23,88 Euro zuzüglich Kilometerpauschale bei der EBM-Abrechnung deutlich besser. Besteht dagegen ein Versorgungsvertrag nach nach § 119b SGB V mit dem Pflegeheim, wird die EBM-Abrechnung zur "Bestwert-Regelung": Im Beispiel bringt sie 42,38 Euro.
Dies gilt aber nur dann, wenn es sich um den ersten Kontakt im Quartal handelt, da die Nr. 37 102 EBM nur einmal im Behandlungsfall berechnungsfähig ist. In diesem Fall kämen zusätzlich auch die altersspezifische Versichertenpauschale und der Chronikerzuschlag I nach Nr. 03 220 zum Ansatz. Fände der geschilderte Kontakt dagegen erst später im Quartal statt, wäre die Nr. 37 102 EBM nicht mehr verfügbar, und die Nr. 88 323 wäre der Nr. 01 410 EBM trotz des Versorgungsvertrags wieder überlegen.