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. 2022 Oct 17;65(4):251–252. [Article in German] doi: 10.1007/s42212-022-00510-z

Long‑/Post-Covid-Syndrome

Drei typische Fallbeispiele mit Behandlungsverläufen

Long/post-COVID syndromes

Christian Thede 1,
PMCID: PMC9574829

Entsprechend dem Grundsatz in der chinesischen Medizin, dass der klinische Verlauf von Erkrankungen davon abhängt, in welcher Weise das sogenannte aufrechte Qi (Zhengqi ~ Konstitution) mit dem jeweiligen pathogenen Faktor in Interaktion tritt – eine Interdependenz, die das Erscheinungsbild der im Krankheitsverlauf entstehenden energetischen Störung (Xieqi) bestimmt –, wird bei Post-Covid-Syndromen eine außerordentlich vielfältige Symptomatik beobachtet.

Diese Vielfalt soll hier an 3 Fallbeispielen demonstriert werden:

Fall 1

Ein 57-jähriger Marketingmanager, sportlich, von schlanker drahtiger Konstitution und ohne ernsthafte Vorerkrankungen, infiziert sich 5 Monate nach der dritten Corona-Impfung mit SARS-CoV‑2. Die Akuterkrankung manifestiert sich mit Fieber, Schüttelfrost sowie Beschwerden der oberen Atemwege wie Husten, Rhinokonjunktivitis sowie Geruchs- und Geschmacksverlust. Nach 10 Tagen nimmt der Patient – noch etwas geschwächt – die Arbeit wieder auf. 4 Monate nach der Infektion klagt der Patient über eine im Tagesverlauf zunehmende Erschöpfbarkeit (ohne plötzliche Einbrüche), ungewohnte Vergesslichkeit und Konzentrationsstörungen, fortbestehenden partiellen Geschmacks- und Geruchsverlust sowie anhaltende Sinusitis-Symptome mit Produktion zähen, gelbgrünen Schleims. Die Zunge ist leicht geschwollen und gelb-schmierig belegt, die Pulse an der rechten mittleren („Mitte“) und distalen (Funktionskreis Lunge) Position sind deutlich schlüpfrig.

Unter der Hauptdiagnose „heißer Schleim, der die oberen Atemwege und die Sinnesöffnungen blockiert“, wurde eine Modifikation der „Pille, die das Qi klärt und Schleim transformiert“ (s. Schwerpunkt-Beitrag „Chinesische Arzneimitteltherapie von Long- bzw. Post-Covid-Syndromen“ von C. Thede in dieser Ausgabe), verordnet:

  • Pinelliae Rhiz (Banxia): 9,

  • Citri reticulatae pericarpium (Chenpi): 4,

  • Poria (Fuling): 6,

  • Glycyrrhizae Rx (Gancao): 3,

  • Scutellariae Rx (Huangqin): 6,

  • Trichosanthis Sm (Gualouren): 6,

  • Zingiberis recens Rhiz (Shengjiang): 3,

  • Fritillariae thunbergii Bulb (Zhebeimu): 6,

  • Atractylodis macrocephalae Rhiz (Baizhu): 6.

Zum Freimachen von Nase und Nebenhöhlen sowie zur Klärung des Sensoriums wurden folgende Arzneien ergänzt:

  • Angelicae dahuricae Rx (Baizhi): 6,

  • Magnoliae Fl (Xinyi): 6,

  • Acori graminei Rhiz (Shichangpu): 6.

Nach 4‑wöchiger Einnahme der Rezeptur hatten sich kognitive und sensorische Defizite normalisiert

Nach vierwöchiger Einnahme der Rezeptur hatten sich die kognitiven und sensorischen Defizite normalisiert und die Schleimabsonderung aus dem Nasennebenhöhlenbereich entfärbt und reduziert. Bei noch vorhandener, jedoch deutlich gebesserter Schwächesymptomatik wurden im Folgerezept die kühlenden Arzneien Scutellariae Rx, Trichosanthis Sm und Fritillariae Bulb abgesetzt und dafür Codonopsis Rx (Dangshen) ergänzt, sodass sich nunmehr ein modifiziertes „Dekokt der 6 Edlen“ ergab.

Nach weiterer Einnahme über 4 Wochen waren Nase und Nebenhöhlen wieder frei bei normalisiertem Energieniveau, sodass die Behandlung beendet werden konnte.

Fall 2

Ein 59-jähriger leitender Angestellter einer IT-Firma mit schlanker, primär gesunder Konstitution, regelmäßig Sport treibend und Qigong praktizierend, erlitt nach einer folgenlosen Corona-Erstinfektion im Jahr 2020 7 Monate nach der zweiten Corona-Impfung eine Zweitinfektion, die als leichter Infekt der oberen Atemwege verlief. Wochen danach entwickelte er eine zunehmende Dauererschöpfung, verschlimmert durch leichtere physische oder kognitive Belastungen, mit häufigen plötzlichen energetischen Einbrüchen im Tagesverlauf, ohne Besserung durch Ruhepausen, wie z. B. Mittagsschlaf. Außerdem klagte der Patient über Steifigkeit und diffuse Schmerzen in der Muskulatur sowie neu aufgetretenen Schwankschwindel und Unwohlsein. Wegen zusätzlicher kognitiver Defizite mit deutlich verkürzten Konzentrationsphasen, Vergesslichkeit und Wortfindungsstörungen war er über mehrere Wochen arbeitsunfähig. Der Zungenbefund war außer eines dünnen Belags (weißgelb) im Seitenbereich unauffällig, die Pulse an beiden mittleren Taststellen angedeutet saitenförmig.

Es wurde die Diagnose einer Disharmonie im Shaoyang gestellt und eine Modifikation des „kleinen Bupleurum Dekokts“ (s. Schwerpunkt-Beitrag „Chinesische Arzneimitteltherapie von Long- bzw. Post-Covid-Syndromen“ von C. Thede in dieser Ausgabe) rezeptiert:

  • Bupleuri Rx (Chaihu): 9,

  • Scutellariae Rx (Huangqin): 6,

  • Pinelliae Rhiz (Banxia): 9,

  • Zingiberis Rhiz recens (Shengjiang): 3,

  • Codonopsis Rx (Dangshen): 6,

  • Glycyrrhizae Rx (Gancao): 3,

  • Jujubae Fr (Dazao): 3,

  • Acori graminei Rhiz (Shichangpu): 6,

  • Agastachis Hb (Huoxiang): 6,

  • Magnoliae Cx (Houpo): 6.

Nach zehntägiger Einnahme wurde bei ansonsten gleichbleibendem Befinden über Schnupfen mit flüssigem farblosen Nasensekret berichtet, woraufhin die Verordnung um folgende Zutat erweitert wurde:

  • Angelicae dahuricae Rx (Baizhi): 6.

Nach weiteren 3 Wochen hatten sich die kognitiven und muskulären Beschwerden weitgehend reduziert

Nach weiteren 3 Wochen hatten sich die kognitiven und muskulären Beschwerden weitgehend reduziert. Der Patient gab an, die Schwächesymptomatik habe sich „zu 50 %“ gebessert und energetische Einbrüche seien seit Kurzem nicht mehr aufgetreten. Er habe seine Berufstätigkeit sukzessive wieder aufnehmen können.

Daraufhin brauchte das Therapieziel einer Harmonisierung des Shaoyang nicht weiter verfolgt zu werden. Es wurde noch für 8 Wochen eine Modifikation des „Dekoktes der 6 Edlen“ verordnet, was eine komplette Wiederherstellung des ursprünglichen Gesundheitszustandes zur Folge hatte.

Fall 3

Eine 38-jährige Mutter von 2 Kindern, in Teilzeit berufstätig, schlank, bisher sehr leistungsfähige Freizeit-Ausdauersportlerin, kam 7 Monate nach einer milden Covid-Erkrankung erheblich geschwächt zur Erstkonsultation. Sie gab an, zeitweilig aufgrund der Schwäche arbeitsunfähig gewesen zu sein und neben der Versorgung des Haushalts und der Kinder ihre Arbeit aktuell allenfalls im Homeoffice „gerade so eben“ bewältigen zu können. Ihren Ausdauersport (vor der Corona-Infektion 5‑mal pro Woche) habe sie seit der Covid-Erkrankung nicht mehr ausüben können, weil sie bereits nach kurzer Laufstrecke mehrmals die Kräfte vollkommen verlassen hätten. Sie leide seit der Infektion noch immer unter gestörtem Geruchs- und Geschmackssinn sowie Schwankschwindel und körperliche Anstrengungen würden neben Schwächeanfällen auch zu „Herzunruhe“ mit Herzrasen, Schweißausbrüchen und Angstzuständen führen (kardiologische Diagnostik ohne pathologischen Befund). Außerdem würde ihr nach Anstrengungen kurzzeitig heiß werden, was oft von einem Frostschauer gefolgt werde. Die Zunge wies seitlich Abflachungen auf und einen leicht orangefarbenen Teint im Seitenbereich. Die Pulse waren an beiden distalen Taststellen dünn bzw. zart. Biografisch wurde zudem eine Hypermenorrhö (ohne Schmerzen) angegeben und es habe zeitweilig ein Eisenmangel behandelt werden müssen.

Diagnostisch wurde eine postinfektiöse Disharmonie im Shaoyang angenommen bei einer vorbestehenden „Blutschwäche“ (Xue-Defizit). Therapeutisch wurde mit der Patientin ein Stufenplan vereinbart, in dessen Verlauf zunächst die Shaoyang-Störung behandelt werden sollte, mit der Ankündigung, dass vorübergehend leichte Infektsymptome und Unruhe auftreten könnten. Anschließend sollte die für die „Herzunruhe“ verantwortliche Blutschwäche ausgeglichen werden.

Zunächst wurde folgende Abwandlung des „kleinen Bupleurum Dekokts“ verordnet:

  • Bupleuri Rx (Chaihu): 9,

  • Scutellariae Rx (Huangqin): 6,

  • Pinelliae Rhiz (Banxia): 9,

  • Zingiberis Rhiz recens (Shengjiang): 3,

  • Ginseng Rx (Renshen): 4,

  • Glycyrrhizae Rx (Gancao): 3,

  • Jujubae Fr (Dazao): 3,

  • Polygalae Rx (Yuanzhi): 6,

  • Polygoni multiflori Cl (Yejiaoteng): 6,

  • Ostreae Concha (Muli): 9.

Nach zweiwöchiger Einnahme wurden milde Symptome der oberen Atemwege berichtet und die Rezeptur wurde für 2 weitere Wochen verordnet.

Nach Abklingen dieser Symptome konnte angenommen werden, dass die Shaoyang nunmehr gelöst worden war, sodass mit der geplanten Stärkung der Konstitution begonnen werden konnte. Dazu wurde eine Modifikation des „Dekoktes der 8 Juwelen“ (Bazhen Tang) verordnet:

  • Ginseng Rx (Ren Shen): 4,

  • Atractylodis Macrocephal. Rhiz (Baizhu): 6,

  • Scleroticum Poriae Cocos (Fuling): 6,

  • Glycyrrhizae Rx (Gan Cao): 3,

  • Rehmanniae praeparatae Rx (Shu Di Huang): 9,

  • Paeoniae albae Rx (Bai Shao): 6,

  • Angelicae sinensis Rx (Dang Gui): 6,

  • Ligustici Chuanxiong Rhiz (Chuan Xiong): 6,

  • Zizyphi Sm (Suanzaoren): 6,

  • Polygoni multiflori Cl (Yejiaoteng): 6.

Im Verlauf normalisierten sich sowohl die Schwächesymptomatik als auch die Unruhezustände

Die Rezeptur wurde für 12 Wochen eingenommen, in deren Verlauf sich sowohl die Schwächesymptomatik als auch die Unruhezustände normalisierten. Auch Ausdauertraining konnte in der Zwischenzeit ohne erneute Krafteinbrüche wieder begonnen werden, sodass die Behandlung beendet werden konnte.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

C. Thede gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.


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