Nicht erst die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Impfen ist, gerade bei Krebskranken. Impfstatus und der aktuelle Impfkalender sollten auch bei Patientinnen und Patienten mit Myelom beachtet werden, wie im Rahmen der Heidelberger Myelomtage deutlich wurde.
Die Geschichte der Impfung ist eine Erfolgsgeschichte. Viele der impfpräventablen Infektionskrankheiten würden daher in der Klinik kaum noch gesehen, erklärte Nicola Giesen, Stuttgart, im Rahmen der Ärztefortbildung der Heidelberger Myelomtage. Die Corona-Pandemie habe aber die Brisanz virusbedingter Infektionen eindrücklich vor Augen geführt. Dabei tragen Tumorpatientinnen und -patienten unter aktiver onkologischer Therapie mit das höchste Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf, mit hoher krankheitsbedingter Morbidität und Mortalität. Dies, so Giesen, zeigten Daten des Robert-Koch-Instituts vom Mai 2021, wonach das höchste Risiko bei hämatologischer Neoplasie unter aktiver Therapie bestand, also auch beim Myelom.
Dass Krebskranke erfolgreich geimpft werden können, ergab eine Studie bei Patientinnen und Patienten nach autologer Stammzelltransplantation (SCT). Die Impfung mit einem Herpes-zoster-Totimpfstoff führte bei ihnen zu einer Impfeffektivität von knapp 70 % [Bastidas Q et al. JAMA. 2019;322(2):123-33]. Allerdings, so Giesen, habe die Effektivität bei älteren, gesunden Erwachsenen in den Zulassungsstudien dieses Impfstoffes bei über 90 % gelegen. Impfen bei Krebskranken sei also möglich, die Effektivität könne aber reduziert sein, betonte Giesen.
Optimal sei es, Impflücken vor einer aktiven Tumortherapie zu schließen. Jedoch sei dies in der Praxis nicht immer umsetzbar, da andere Dinge meist im Vordergrund stünden. Der nächste beste Zeitpunkt wäre dann nach Abschluss der antineoplastischen Behandlung. Aber auch das Impfen unter antineoplastischer Therapie sei möglich, insbesondere, wenn etwa wie bei Myelompatientinnen und -patienten eine Erhaltungstherapie erfolge. Jedoch dürfen nach Giesen dann aus Sicherheitsgründen nur Totimpfstoffe eingesetzt werden und die Betroffenen sollten sich in bestmöglicher Remission befinden.
Beim Impfen von Patientinnen und Patienten mit multiplem Myelom muss Giesen zufolge zwischen dem Impfen im Transplantationssetting oder außerhalb eines solchen unterschieden werden. Da nach einer SCT - sowohl nach autologer als auch nach allogener - die Impftiter stark abfallen, benötigten die Betroffenen eine Grundimmunisierung wie ein Neugeborenes, mit mehreren Impfdosen pro Erkrankung, erklärte Giesen. Außerhalb des Transplantationssettings bewege man sich hingegen im Impfkalender der Ständigen Impfkommission (STIKO) im Bereich der Impfungen von Erwachsenen, wo es mehr oder weniger um Auffrischimpfungen gehe oder um Indikationsimpfungen wie die Grippeimpfung. Empfohlen würden alle Impfungen, die der Impfkalender hergebe [Laws HJ et al. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2020;63(5):588-644]. Hinzu komme noch die Impfung gegen COVID-19.
Auch nach der Chemotherapie seien die meisten Antikörpertiter erniedrigt, sodass auch hier Auffrischimpfungen notwendig würden. Anders als nach SCT reiche eine einzelne Impfdosis in der Regel aus, um die verlorene Seroprotektion wieder herzustellen, erläuterte Giesen. Impfungen unter laufender Therapie beträfen vor allem die Indikationsimpfungen oder solche gegen Erkrankungen, die mit speziellen Risiken verbunden sind, etwa Atemwegserkrankungen wie Influenza und COVID-19.
COVID-19-Impfung
In Bezug auf die COVID-19-Impfung konnte in der CAPTURE-Studie gezeigt werden, dass auch Krebskranke auf die mRNA- und Vektor-Impfstoffe ansprechen [Fendler A et al. Nat Cancer. 2021; 2(12):1305-20]. Wie Giesen erklärte, liege die Effektivität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung bei Personen mit soliden Tumoren bei nur 85 % und bei jenen mit hämatologischen Neoplasien bei nur 59 %. Auch bei Myelompatientinnen und -patienten sei das Impfansprechen meist beeinträchtigt. Risikofaktoren für ein besonders schlechtes Ansprechen sei etwa eine gegen CD38 oder BCMA gerichtete Therapie, hohes Alter, multiple Vortherapien, ein schlechter Remissionsstatus und eine niedrige Lymphozytenzahl.
Beim Impfen unter laufender Therapie habe der Zeitpunkt der Impfung jedoch kaum Einfluss auf den Impferfolg, so Giesen. Wichtig sei es aber, dass es keine überlappenden Nebenwirkungen zwischen antineoplastischer Therapie und Impfung gebe. Nach der Grundimmunisierung, die gemäß Onkopedia-Leitlinie bei erhöhtem Risiko für ein Impfversagen 3 Impfdosen beinhalte, seien im Verlauf zudem Boosterimpfungen indiziert.
Werde dennoch kein ausreichender Impfschutz erreicht, so stünde mittlerweile eine auch gegen die Omikron-Variante von SARS-CoV-2 wirksame Präexpositionsprophylaxe mit monoklonalen Antikörpern (Tixagevimab plus Cilgavimab) zur Verfügung.
Bericht von den Heidelberger Myelomtagen, die vom 16. bis 17. September 2022 virtuell stattfanden.