Die Beendigung einer Schwangerschaft bis zur 10. Schwangerschaftswoche kann als ein telemedizinisch begleiteter medikamentöser Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden, wobei die Medikamente (Misoprostol und Mifepriston) telemedizinisch begleitet Zuhause eingenommen werden. In den USA wurde diese Option im April 2020 im Rahmen der COVID-19-Pandemie zugelassen. In Studien war der telemedizinisch begleitete medikamentöse Schwangerschaftsabbruch hinsichtlich Effektivität und Komplikationsrate dem Standardvorgehen nicht unterlegen, berichtete Dr. Jana Maeffert, Berlin.
In Großbritannien wurde in der Pandemie ebenfalls ein solches Vorgehen untersucht. Mittels eines fünfteiligen Fragebogens wurde ausgeschlossen, dass die Schwangerschaft bereits länger als zehn Wochen besteht oder eine Eileiterschwangerschaft vorliegt. Mit diesem Verfahren wurde eine gleich hohe Effektivität und eine gleich hohe Sicherheit erzielt wie bei einer Ultraschall-gestützten Einschätzung vor dem medikamentösen Abbruch [Aiken A et al. BJOG 2021;128:1464-74]. Zudem gaben 96 % der Frauen eine hohe Zufriedenheit mit der Methode an. Gleichzeitig sanken die Anfragen an der Initiative "Women on web" in Großbritannien um 88 %.
"Women on web" bietet über Ländergrenzen hinweg die Unterstützung beim medikamentösen Schwangerschaftsabbruch an. Die Initiative versendet die Medikamente auch in Regionen, wo diese Form des Abbruchs illegal ist. In Deutschland gilt das zwar nicht, die Rate der medikamentösen Schwangerschaftsabbrüche ist mit 35 % aber relativ gering und vielen Betroffenen wird diese Möglichkeit nicht angeboten, so Maeffert. "Women on web" erhielt alleine im Jahr 2019 1.090 Anfragen aus Deutschland. Als Grund wurde häufig der Wunsch nach Geheimhaltung und Schutz der Privatsphäre angegeben. Inzwischen soll die Zahl der Anfragen gestiegen sein auf 2.285 in 2020 und 2.041 in 2021. Damit ziehen 1-3 % aller ungewollten Schwangeren in Deutschland diesen Online-Dienst gegenüber dem regulären Gesundheitssystem vor, besonders Frauen aus vulnerablen Gruppen.
Der Schwangerschaftsabbruch Zuhause kann auch hierzulande telemedizinisch betreut werden, sagte Maeffert. In einem ersten Kontakt per E-Mail oder Telefon werden die Voraussetzungen für einen medikamentösen Abbruch geklärt. Dazu gehört auch das Vorlegen des Beratungsscheins. Bei einem Videotermin mit der Ärztin oder dem Arzt wird der Ablauf geklärt, Fragen werden beantwortet. Sobald alle notwendigen Dokumente vorliegen, wird der Patientin ein Paket mit den Medikamenten und genauen Informationen zugesandt. Misoprostol und Mifepriston wird unter ärztlicher Videobegleitung eingenommen. Nach zwei Tagen Wartezeit wird in Anwesenheit einer vertrauten Person Prostaglandin eingenommen. Ein telefonischer Bereitschaftsdienst ist verfügbar.
Wissenschaftliche Sitzung "Reproduktive Gesundheit", 64. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, München, 12. Oktober 2022
