Abstract
Hintergrund
Obwohl die Zahl der alten Menschen mit geistiger Behinderung (MmgB) in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen ist, gibt es in Deutschland noch viel zu wenige, speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Wohn- und Betreuungsangebote. Zudem ist unklar, wie MmgB sich ihr eigenes Alter vorstellen, und ob sie überhaupt dazu in der Lage sind, sich in das eigene Altsein hineinzuversetzen.
Methode
Die Grundlage dieser qualitativen Studie bilden leitfadengestützte Interviews mit 16 erwachsenen MmgB (10 Frauen, 6 Männer; Alter: 24 bis 59 Jahre; sprachliche Fähigkeiten: sehr gut bis mittel; Grad der geistigen Behinderung [GgB]: sehr leicht bis mittel; sozioemotionaler Entwicklungsgrad [SEO-Grad]: SEO 4 bis ≥ SEO 5). Die Interviews wurden einer strukturierenden Inhaltsanalyse nach Mayring unterzogen (induktives Vorgehen).
Ergebnisse
Bei den Proband:innen hatten der GgB, der SEO-Grad und die sprachlichen Fähigkeiten deutlichen Einfluss auf ihre Fähigkeiten, sich in ein zukünftiges Selbst hineinzuversetzen. Wie Menschen ohne Behinderung möchten jedoch fast alle – unabhängig vom GgB – auch im Alter dort wohnen bleiben, wo sie derzeit wohnen, mit ihren engsten Verwandten und Freunden zusammen sein und von den Personen betreut werden, die sie jetzt betreuen. Anders als Menschen ohne Behinderung reagierten fast alle recht gelassen bei der Vorstellung, im Alter aufgrund zusätzlicher Erkrankungen weitere Hilfen zu benötigen.
Schlussfolgerungen
Bei der Planung von Wohn- und Betreuungsangeboten sollen in Zukunft vermehrt die Bedürfnisse der MmgB mit einbezogen werden. Hierbei ist jedoch der Grad der intellektuellen, sozioemotionalen und sprachlichen Einschränkungen zu berücksichtigen. Dies wird u. a. auch eine größere Flexibilität hinsichtlich der Planung und Bereitstellung entsprechender Wohnmöglichkeiten und Hilfen erfordern.
Schlüsselwörter: Alter, Geistige Behinderung, Behinderungsgrad, Bedürfnisse im Alter, „Episodic future thinking“
Abstract
Background
Although the number of elderly people with intellectual and developmental disabilities (IDD) has increased significantly in recent decades, there are still far too few offers for housing and care in Germany that are specially tailored to the needs and wishes of this group. In addition, it is unclear how people with IDD perceive their own age and whether they are even able to empathize with their future selves.
Methods
This qualitative study was based on structured interviews with 16 adults with IDD (10 women, 6 men; age: 24–59 years; language skills: very good to moderate; degree of intellectual disability: very mild to moderate; socioemotional stage of development: SEO 4 to ≥ SEO 5). Based on the interviews, a structuring content analysis according to Mayring was carried out using an inductive approach.
Results
There was strong evidence that the level of intellectual disability and socioemotional development, as well as the level of language skills may influence the ability of people with IDD to empathize with their future selves. However, like people without disabilities and regardless of the degree of their disabilities, in old age almost all of them would like to remain where they currently live, to be with their closest relatives and friends, and to be cared for by the people who are caring for them now. However, unlike people without disabilities, everyone reacted quite calmly to the idea of having to make use of additional tools or assistance in old age due to illness.
Conclusions
In the future when planning housing and care offers, the needs, ideas, and wishes of people with IDD should be included. In doing so, their degree of intellectual and socioemotional disability and their language skills must also be taken into account. This of course will require greater flexibility in the planning and providing of appropriate housing and care services.
Keywords: Old age, Disabled persons, Degree of disability, Needs in old age, Episodic future thinking
Einleitung und Problemstellung
Noch vor einigen Jahrzehnten lag die Lebenserwartung von Menschen mit geistiger Behinderung (MmgB) in vielen westlichen Ländern erheblich unter der der Durchschnittsbevölkerung. Aufgrund einer verbesserten medizinischen Versorgung und dank intensiver Betreuung haben sich jedoch die Chancen, ein höheres Lebensalter zu erreichen, auch für MmgB deutlich verbessert [7]. Es fehlt aber noch immer an Einrichtungen, die speziell auf die Bedürfnisse von alten MmgB eingestellt sind und über entsprechendes Fachpersonal verfügen [15]. Dass etwa 40 % der Betreuungskräfte in Behinderteneinrichtungen das zunehmende Durchschnittsalter der von ihnen betreuten MmgB und die damit verbundenen zusätzlichen Aufgaben als belastend erleben, ist daher nicht verwunderlich [17]. Unklar ist jedoch, ob MmgB in ihrem Alter überhaupt in solchen Einrichtungen betreut werden möchten und wie sie sich das eigene Alter(n) vorstellen. Nach dem aktuellen Bundesteilhabegesetz (BTHG) sollen alle MmgB ihre eigenen Vorstellungen im Rahmen von regelmäßig stattfindenden Besprechungen zur Ermittlung ihrer Teilhabebedarfe („personenzentrierte Gesamtplanung“) einbringen, sodass ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Ressourcen sowie ihre individuellen Lebenslagen dort jeweils berücksichtigt werden können. Bislang gab es allerdings noch keine Untersuchungen dazu, ob MmgB überhaupt grundsätzlich dazu in der Lage sind, sich selbst in die Zukunft zu projizieren. Können sich alle MmgB das eigene Alter(n) vorstellen und auf dieser Basis dann auch Wünsche und Vorstellungen hinsichtlich des eigenen Altseins äußern? Oder sind ihre Möglichkeiten hierzu nicht vielmehr von der Art und dem Grad ihrer geistigen Behinderung abhängig? Erste Ergebnisse unserer vorgeschalteten explorativen Studie zum episodischen Zukunftsdenken (EFT) weisen darauf hin, dass sowohl der Grad der geistigen Behinderung als auch der Grad der sozioemotionalen Entwicklung sowie das Niveau der sprachlichen/narrativen Fähigkeiten, die Art der geistigen Behinderung und das Vorhandensein zusätzlicher neurokognitiver Störungen Einfluss auf die Fähigkeiten von MmgB haben könnten, sich in ein zukünftiges Selbst als alter Mensch hineinzuprojizieren [16].
Zielsetzung
Ziel der vorliegenden Untersuchung war es nun, mehr darüber zu erfahren, welche Vorstellungen MmgB vom eigenen Altsein haben und ob es ggf. Unterschiede in Abhängigkeit etwa von ihrem jeweiligen intellektuellen bzw. sozioemotionalen Entwicklungsgrad gibt. Antworten hierauf sollten im Rahmen einer qualitativen Studie mit Hilfe von fokussierten, teilstrukturierten Interviews gefunden werden, in denen nach den subjektiven Meinungen, Motiven und Einstellungen der Proband:innen zu diesem Thema gefragt wurde. Diese Interviewform bietet einen breiten Raum für freie Antworten, die von der subjektiven Wirklichkeit der Interviewten geprägt sind. Die grob strukturierte Interviewform erlaubt dabei eine bessere Vergleichbarkeit der Interviews. Durch das Festlegen von Fragenbereichen und durch konkrete Nachfragen können jedoch gleichzeitig eigene Hypothesen zum Thema überprüft werden. Die Auswertung ist bei einer Vorstrukturierung zudem weniger zeitaufwändig als beim rein narrativen Interview. Auf diese Weise sollten nun möglichst viele Aspekte hinsichtlich der Vorstellungen von MmgB vom eigenen Altwerden und Altsein sichtbar gemacht werden.
Methode
Stichprobenerstellung und Kontaktaufnahme
Das wichtigste Kriterium der konstruierten Stichprobenerstellung im Rahmen einer qualitativen Studie ist neben der klar definierten Reichweite die Repräsentanz [12, 18]. Um eine kontrastierende Stichprobenzusammenstellung zu erreichen, wurden daher aus der Gruppe „erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung“ Personen ausgesucht, die möglichst unterschiedliche Merkmale dieser Grundgesamtheit repräsentieren sollten (Beschreibung der Studienteilnehmenden s. u.).
Der Kontakt zu den befragten MmgB wurde jeweils über eine Betreuungskraft hergestellt. Potenzielle Studienteilnehmer:innen wurden vorab mit einem kurzen, in einfacher Sprache verfassten Schreiben über das Vorhaben informiert. Sobald sich eine Person bereiterklärt hatte, an der Studie teilzunehmen, wurde von ihr bzw. den gesetzlich Betreuenden eine Einwilligungserklärung zur Studienteilnahme eingeholt. Abschließend wurden die Betreuungskräfte gebeten, wenn möglich zusammen mit dem Probanden/der Probandin, einen kurzen Fragebogen zur interviewten Person (Name, Alter und Geschlecht, Art und Grad der geistigen Behinderung, kommunikative Fähigkeiten, zusätzliche Erkrankungen oder psychische Störungen, Angaben zu Fähigkeiten, aus denen sich auf den sozioemotionalen Entwicklungsgrad der interviewten Person schließen ließ) auszufüllen. Bei der Terminvereinbarung wurden die Bedürfnisse und Wünsche der Studienteilnehmer:innen berücksichtigt.
Studienteilnehmende
Für die Teilnahme an der Studie konnten schließlich 10 Frauen und 6 Männer mit geistiger Behinderung im Alter von 24 bis 59 Jahren (Mittelwert [MW]: 43,06; Standardabweichung [SD]: ± 11,64 Jahre) gewonnen werden. Alle Personen stammten aus Süddeutschland, wo sie in verschiedenen stationären Behindertenwohneinrichtungen (n = 6) und Außenwohngruppen stationärer Einrichtungen (n = 6) betreut wurden bzw. in inklusiven Wohngemeinschaften (n = 2) und im ambulant betreuten Einzelwohnen (n = 2) lebten. Ursache der geistigen Behinderung war in einigen Fällen das Prader-Willi-Syndrom, das Down-Syndrom bzw. eine Autismus-Spektrum-Störung, meist wurde die Art der geistigen Behinderung jedoch nicht konkret angegeben. Zusätzlich zur geistigen Behinderung wiesen 2 Probandinnen eine körperliche Behinderung, 7 Proband:innen eine psychische Störung auf.
Da Menschen mit einer schwereren geistigen Behinderung in der Regel eingeschränkte kommunikative Fähigkeiten haben, können fokussierte Interviews nur mit Personen durchgeführt werden, die einen leichten bis mittleren Grad einer geistigen Behinderung aufweisen. Die sprachlichen Fähigkeiten der Studienteilnehmenden wurden von ihren Betreuungspersonen – in einzelnen Fällen gemeinsam mit den jeweiligen Proband:innen – auf einer intervallskalierten Antwortskala von „sehr gut“ (1) bis „sehr schlecht“ (5) ausschließlich als „sehr gut“ (1), „gut“ (2) oder „mittel“ (3) eingestuft. Den Grad der geistigen Behinderung schätzten die Betreuungskräfte (ggf. wieder gemeinsam mit der betreuten Person) auf einer Antwortskala von „sehr leicht“ (1) bis „sehr stark“ (5) ein. Alle Proband:innen wiesen einen Grad der geistigen Behinderung von „sehr leicht“ (1) bis „mittel“ (3) auf. Das sozioemotionale Leistungsniveau der Studienteilnehmenden wurde auf der Basis des SEO-Konzepts (sozioemotionaler Entwicklungsgrad) nach Došen [8] und Sappok/Zepperitz [27] anhand von 5 Aussagen zu zentralen Fähigkeiten aus den Bereichen „Umgang mit dem eigenen Körper“, „Umgang mit Bezugspersonen“, „Umgang mit Peers“, „Kommunikation“ und „Affektregulation“ ermittelt, die entsprechend dem Diagnostikinstrument SEED (Skala der emotionalen Entwicklung) im Verlauf der SEO-Entwicklungsstufe 5 erreicht werden [28]. Die Betreuer:innen schätzten auch hier die Fähigkeiten der Proband:innen anhand einer Antwortskala ein. Jeder angekreuzten Aussage wurde dann ein Punktwert zugeordnet. Antwortmöglichkeiten waren hier „Ja“ (1 Punkt [P.]), „Ja, mit leichten Einschränkungen“ (2 P.), „Ja, mit deutlichen Einschränkungen“ (3 P.), „Nein“ (4 P.). Die Einordnung in die SEO-Entwicklungsstufe ≥ 5 erfolgte dann, wenn bei den 5 Aussagen überwiegend (d. h. in mehr als der Hälfte der Fälle) „Ja“ bzw. „Ja, mit leichten Einschränkungen“ angekreuzt wurde und der errechnete durchschnittliche Punktwert bei ≤ 2,0 von 4 lag. Eine Einordnung in die SEO-Entwicklungsstufe 4 wurde dann vorgenommen, wenn überwiegend „Ja, mit deutlichen Einschränkungen“ bzw. „Nein“ angekreuzt wurde und der errechnete durchschnittliche Punktwert bei > 2,0 lag. Dem SEO-Grad 4,5 wurden Proband:innen dann zugeordnet, wenn zwar überwiegend „Ja“ bzw. „Ja, mit leichten Einschränkungen“ angekreuzt wurde, der durchschnittliche Punktwert aber bei > 2,0 lag. Die Einordnung in die SEO-Entwicklungsstufe 4 bzw. 4–5 erfolgte unter der begründeten Annahme, dass keiner der Studienteilnehmenden einen SEO-Grad ≤ 3 aufwies, da sich bei diesen Personen in den Angaben der Betreuungskräfte bzw. in den Interviews nur vereinzelt und nicht durchgängig Anhaltspunkte für ein typisches SEO-3-Verhalten zeigte (Beispiel für typisches SEO-3-Verhalten im Interview: „Kommuniziert überwiegend über das Hier und Jetzt.“). Das beschriebene Vorgehen erlaubt nur eine grobe Einordnung des sozioemotionalen Entwicklungsstandes der Proband:innen. Es wurde gewählt, da eine vollständige SEO-Testung für alle Beteiligten zu zeitintensiv gewesen wäre. Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass es bei MmgB durchaus auch ausgeprägte Diskrepanzen zwischen körperlichem, sozioemotionalem und intellektuellem Entwicklungsstand geben kann. Zur Einteilung der SEO-Grade s. a. [16].
Eine ausführliche statistische Beschreibung der Studienteilnehmenden, auch hinsichtlich ihrer sprachlichen/narrativen Fähigkeiten, des Grades ihrer geistigen Behinderung und des grob eingeschätzten Grades ihrer sozioemotionalen Entwicklung (SEO-Grad) zeigt Tab. 1.
Tab. 1.
Beschreibung der Studienteilnehmenden hinsichtlich des Geschlechts, der Altersgruppe (1 = < 45 Jahre, 2 = ≥ 45 Jahre), der Behinderungsart, wichtiger zusätzlicher Erkrankungen, der Wohnform, des Grades der geistigen Behinderung (1 = sehr leicht, 2 = leicht, 3 = mittel), des SEO-Grades und der sprachlichen/narrativen Fähigkeiten (1 = sehr gut, 2 = gut, 3 = mittel). Der Grad der geistigen Behinderung, der Grad der sozioemotionalen Entwicklung und die sprachlichen/narrativen Fähigkeiten wurden von den Betreuungskräften (ggf. mit den Proband:innen) anhand einer Skala eingeschätzt
Nr | Geschlecht | Altersgruppe | Art der Behinderung, Erkrankung | Wohnform | GdgB | SEO-Grad | Sprachliche/narrative Fähigkeiten |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | w | 1 | GB, PS | aEW | 2 | 5 | 1 |
2 | m | 1 | GB, ASS, PS | Stat | 3 | 4–5 | 2 |
3 | w | 2 | GB, PS | Stat | 2 | 5 | 1 |
4 | m | 2 | GB, Trisomie 21 | Stat | 3 | 5 | 3 |
5 | w | 2 | GB, ASS | AWG | 3 | 4 | 2 |
6 | m | 1 | GB, ASS, PS | AWG | 1,5 | 4 | 2 |
7 | w | 2 | GB | Stat | 3 | 4–5 | 2 |
8 | w | 2 | GB | AWG | 3 | 5 | 2 |
9 | w | 2 | GB | Stat | 1 | 4 | 1 |
10 | m | 1 | GB, ASS, PS | Stat | 2 | 5 | 1 |
11 | w | 1 | GB, Prader-Willy-Syndrom | AWG | 2 | 4–5 | 1 |
12 | w | 1 | GB, PS | AWG | 2 | 5 | 1 |
13 | m | 1 | GB, Trisomie 21 | Ink | 3 | 4 | 1 |
14 | w | 2 | GB, KB | AWG | 2 | 4 | 3 |
15 | m | 1 | GB, PS | Ink | 1 | ≥ 5 | 1 |
16 | w | 1 | (GB), ASS, KB | aEW | 1 | ≥ 5 | 1 |
w weiblich, m männlich, GB geistige Behinderung, KB Körperbehinderung, PS psychische Störung, ASS Autismus-Spektrum-Störung, GdgB Grad der geistigen Behinderung, SEO-Grad Grad der sozioemotionalen Entwicklung, aEW ambulant betreutes Einzelwohnen, stat. Wohngruppe in stationärer Einrichtung, AWG Außenwohngruppe einer stationären Einrichtung, Ink. ambulant betreutes Wohnen in inklusiver Wohngemeinschaft
Leitfadenerstellung und Durchführung der Interviews
Die Interviews fanden im September und Oktober 2021 überwiegend als telefonische Befragungen oder über Videotelefonie (n = 4) statt. Die Personen mit geistiger Behinderung führten die Telefonate in einem ruhigen Raum selbstständig durch. Wenn gewünscht, war während der Interviews eine Betreuungskraft anwesend, um bei möglichen Kommunikationsproblemen zu unterstützen. Die Interviewdauer betrug zwischen 13 und 27 min (MW: 20 min 43 s, SD: ±4 min 52 s; Median 20 min 31 s). Die Interviews wurden mit Zustimmung der Proband:innen aufgezeichnet.
Der Interviewleitfaden wurde so gestaltet, dass mittels verschiedener Frageoptionen die relevanten Themenbereiche abgedeckt werden konnten, es gleichzeitig aber auch möglich war, dass die Befragten selbst Impulse setzen konnten. Daher konnten die Reihenfolge und die Anzahl der Fragen sowie die Frageoptionen in den Interviews leicht variieren [24]. Buchner [2] betont, dass dies besonders für die Interviewsituation bei MmgB wichtig ist, da hier oft eine situationsspezifische Modifikation des Vorgehens nötig ist, um das Gespräch aufrecht zu erhalten und ein möglichst breites Spektrum an Informationen zu gewinnen. Im Verlauf des Interviews wurden folgende Themenbereiche angesprochen (1) Erinnern an die Kindheit, (2) Vergleich der Kindheit mit der jetzigen Situation, (3) Vorstellungen vom Altsein (z. B. Charakteristika des Altseins, Einordnen des eigenen Alters etc.), (4) gesundheitliche Einschränkungen im Alter, (5) Wohnen im Alter, (6) Zeitgestaltung im Alter, (7) soziales Umfeld und Betreuung im Alter. Die einzelnen Fragenbereiche wurden jeweils zu Beginn mit Leitfragen bzw. Erzählaufforderungen eingeleitet (z. B. „Können Sie sich noch daran erinnern, wie Sie ein Kind waren?“). Falls die Proband:innen hierauf nur sehr knapp und einsilbig antworteten, wurden zusätzlich Aufrechterhaltungsfragen gestellt. Wenn auch dies nicht zum Ziel führte, wurde konkret nachgefragt. Es wurde dabei jeweils angestrebt, einen Bezug zur Situation des eigenen Altseins herzustellen. Nach dem Interview wurde den Studienteilnehmer:innen zugesichert, dass sie – wenn gewünscht – über die Ergebnisse der Studie informiert werden.
Datenbearbeitung, Datenanalyse und Gütekriterien
Die aufgezeichneten Interviews wurden im nächsten Schritt transkribiert und einer strukturierenden Inhaltsanalyse nach Mayring unterzogen [22]. Die Transkription der Interviews erfolgte durch Personen mit langjähriger Erfahrung im persönlichen Umgang mit MmgB. Basiselement der strukturierenden Inhaltsanalyse war die induktive Kategorienbildung. Hierbei wurde anhand von Textbausteinen durch Paraphrasierung und Abstrahierung bzw. Generalisierung der einzelnen Aussagen eine frühe Reduktion der Komplexität der Daten erreicht. Zudem wurde nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden geschaut, um zentrale Themen in den Daten analytisch herauszuarbeiten. Auf dieser Basis wurden dann zentrale inhaltliche Kategorien identifiziert, die anschließend spezifiziert wurden. In einem Kodierleitfaden wurde definiert, welche Textbestandteile unter eine Kategorie fallen sollten. Darüber hinaus wurden konkrete Textstellen als Ankerbeispiele festgehalten. Wo ggf. Abgrenzungsprobleme zwischen Kategorien bestanden, wurden Kodierregeln formuliert, um eindeutige Zuordnungen zu ermöglichen [22]. Anschließend fand zur Kontrolle noch eine Rücküberprüfung statt, bei der das Kategoriensystem erneut mit dem Ausgangstext abgeglichen wurde [23]. Im Rahmen der Inhaltsanalyse wurde dann jede Kategorie im Hinblick auf die dort genannten Inhalte, die Häufigkeit ihrer Nennung und hinsichtlich eines möglichen Bezugs zu den Eigenschaften der Proband:innen (Alter, Geschlecht, Wohnform, Art und Grad der geistigen Behinderung, sprachliche/narrative Fähigkeiten, SEO-Grad) betrachtet.
Da die klassischen Gütekriterien aus der quantitativen Forschung (Objektivität, Reliabilität, Validität) hier nicht anwendbar waren, wurde stattdessen nach Transparenz, Intersubjektivität und Reichweite als häufig angegebene Gütekriterien der qualitativen Forschung geschaut [34]. Darüber hinaus wurden die Gütekriterien Gegenstandsangemessenheit und Regelgeleitetheit des Vorgehens nach Mayring [22] berücksichtigt.
Ergebnisse
Im Folgenden werden nun die von den Studienteilnehmer:innen angesprochenen Inhalte aus den 5 zentralen Themenbereichen (1) Vorstellungen vom Altsein, (2) gesundheitliche Einschränkungen im Alter, (3) Wohnen im Alter, (4) Zeitgestaltung im Alter und (5) soziales Umfeld und Betreuung im Alter zusammengefasst dargestellt. Dabei werden die einzelnen Abschnitte jeweils auch mit Zitaten unterlegt. Bei den Angaben zur Häufigkeit der Nennung einzelner Aspekte ist zu berücksichtigen, dass die Proband:innen oftmals mehrere Punkte angesprochen haben.
Vorstellungen vom Altsein
Elf der 16 Studienteilnehmer:innen gaben an, schon einmal über das Altern bzw. das Altsein nachgedacht zu haben, eine Person verneinte dies und 4 Proband:innen machten hierzu keine Aussage. Nur 5 Befragte mit stärkeren intellektuellen/sozioemotionalen Einschränkungen hatten schon einmal mit jemandem über das Altsein geredet. Meist war es die Mutter, in einem Fall die Schwester, von denen hier die Initiative ausging. Die meisten Studienteilnehmer:innen kannten jemanden, der ihrer Ansicht nach alt ist. Genannt wurden die Eltern (die in diesen Fällen zwischen 54 und 70 Jahre alt waren), die Großeltern (meist in den 80ern), Mitbewohner:innen in der Wohngruppe für ältere Menschen mit Behinderung und eine Physiotherapeutin in der Werkstatt. Ein Proband mit geringen kognitiven/sozioemotionalen Einschränkungen fragte hier zuerst, welches Alter denn gemeint sei:
Interviewerin.1: Kennen Sie ältere Leute?
Proband (PB) 15: „Ehm … Ab was für’m Alter spricht ma dann …“
I.: Ja, das möchte ich Sie fragen? Ab wann ist man alt? Was meinen Sie?
PB15: „Ehm … (nachdenklich) Ab was is mer alt? Also gene … alt … wenn mer alt is? … Schwierig zu beantworte … Also meine Eltern sin jetzt … mein Vater is 64 und meine Mutter is 65. … Ich würd’ sagen, also jetzt von mei’m Gefühl her so … ich würde so ab 60 einstufen. … Also meine Meinung is, wie gesagt, so ab 60.“
Bei 5 Personen war es unklar, ob sie ihr Alter richtig einordnen konnten, eine Person gab hier keine Antwort. 10 Proband:innen schätzten das eigene Alter korrekt als jung, relativ jung oder „scho bissle alt“ (PB7) ein. Einige Personen mittleren Alters relativierten ihre Einschätzung, noch jung zu sein und erwähnten in diesem Zusammenhang z. B. ihre bereits vorhandenen Einschränkungen.
I.: Und wie alt sind Sie?
PB1: „Ich werde jetzt kommenden Freitag siebenunddreißig.“
I.: Denken Sie, dass das alt ist?
PB1: „Wenn ich so meine Rückenbeschwerden manchmal […] betrachte, ja. … Ja, sag ma’s mal so, ich fühl mich schon irgendwie, schon noch so ziemlich jung, aber wenn halt meine Wehwehchen da sind, dann fühl ich mich schon manchmal alt.“
Auf die Frage, wie das denn ist, wenn man alt ist, nannten die Befragten überwiegend die zunehmenden Einschränkungen im Alter.
I.: Wie ist es denn, wenn man alt ist? Was ist da anders als jetzt?
PB14: „Traurig. Ja.“
Betreuerin: Wenn ma alt wird, wie isch des?
PB14: „Nit gut. Weil älter.“
Insbesondere die Proband:innen mit geringeren kognitiven/sozioemotionalen Einschränkungen betonten, dass man dann noch mehr Krankheiten bekomme bzw. unter noch mehr gesundheitlichen Einschränkungen leide. Man werde unbeweglicher und habe (noch mehr) Schmerzen. Es gehe einem nicht mehr so gut, man brauche für manche Dinge länger und könne Vieles nicht mehr alleine machen. Man komme leicht ins Schwitzen, habe nicht mehr so viel Hunger und kriege Falten. Manche alten Menschen bekämen Alzheimer. Alte Menschen seien deswegen auf ärztliche Hilfe und auf Betreuung angewiesen, wären oft pflegebedürftig und brauchten meist Hilfsmittel wie einen Rollator oder Rollstuhl. Zwei dieser Proband:innen betonten, dass alte Menschen bzw. sie selbst im Alter dann in ein Altersheim oder in eine spezielle Wohngruppe für alte Menschen ziehen müssten.
PB1: „Ja, das wäre auf jeden Fall, also Hilfe im hohen Alter oder ab ’nem gewissen Alter bräucht’ ich wahrscheinlich schon. … Also ich denke, so lang, dass ich alleine wohnen kann, bin ich glücklich. Aber wenn ich jetzt sagen muss, ich halt das jetzt hier in der Wohnung eh nicht mehr aus, oder es geht einfach nicht mehr und ich muss jetzt irgendwo hin, weil ich jetzt 24-h-Betreuung bräuchte, weil dann ist es halt so, dann muss ich mich halt dann auseinandersetzen. Aber zurzeit mach’ ich mir da über ’s Altwerden oder über ’s später in paar Jahren überhaupt gar keine so großen Gedanken net, weil vielleicht betrifft’s mich ja gar nicht so. … Oder nicht so schlimm, sag ich’s jetzt mal …“
PB15: „Ja, bissle schon und bissle Angst auch devor …“
I.: Warum haben Sie Angst davor?
PB15: „Dass … dass das mit der Gesundheit nachher nit mehr so funktioniere könnte und so … Dass Probleme auftreten in dem Alter werden, woran ich noch gar nicht gedacht habe.“
Manche Proband:innen waren der Ansicht, dass alte Menschen nicht mehr alleine rausgehen oder einkaufen gehen können, während andere meinten, dass man dann (nur) noch einkaufen und spazieren gehen, handarbeiten, basteln oder malen könne. Im Rahmen dieses Fragenbereichs wurde auch noch einmal konkret nachgefragt, ob man denn im Alter noch zur Arbeit bzw. in die Werkstatt geht. Neun Proband:innen war klar, dass man irgendwann in Rente gehen kann. Einige meinten, dass sie dann mehr Zeit haben würden. Andere befürchteten, dass es langweilig sei, wenn man nicht mehr zur Werkstatt gehen kann.
PB12: „Eh alt ist, glaube ich, zum Teil so, dass man, wie soll ich’s sagen, ja da geht man dann in Rente, dann hat man viel Zeit für sich selber, ja.“
I.: Und finden Sie das gut, dass man dann in Rente geht und nicht mehr arbeiten muss?
PB12: „Ja, schon.“
I.: Wieso?
PB12: „Weil, man dann Zeit hat für sich selber.“
I.: Finden Sie das gut, dass man dann nicht mehr arbeiten muss, wenn man alt ist?
PB7: „Da wird’s ma bissle teils ganz langweilig, wenn i nichts mehr arbeiten dät.“
Es gab auch Studienteilnehmer:innen, die mit dem Begriff Rente nichts anfangen konnten. Eine Person war bereits aufgrund ihrer körperlichen/seelischen Einschränkungen in relativ jungem Alter berentet.
Alt werden wollten 10 der 16 Befragten. Einige ergänzten hier, dass sie gerne leben oder dass doch jeder Tag ein Geschenk sei, dass sie irgendwann schon, aber jetzt noch nicht alt werden wollen bzw. nur alt werden wollen, solange die Gesundheit mitmacht.
I.: Möchten Sie denn gerne alt werden?
PB8: „Ja, klar.“
I.: Warum?
PB8: „Oh mei, ich fühl mich wohl.“
Eine Person wollte gerne 80 Jahre, eine andere 100 Jahre alt werden. 4 Personen betonten dagegen, dass sie generell jung bleiben oder nicht so schnell alt werden wollten, bzw. dass sie grundsätzlich nicht alt werden wollten, weil sie nicht sterben möchten oder weil man ja nicht wisse, was da alles auf einen zukomme.
I.: Möchten Sie denn gerne alt werden?
PB9: „Naa, net so gern.“
I.: Warum?
PB9: „Weil ma net woaß, was dann alles auf ein zukommt.“
I.: Und was für Dinge können dann auf einen zukommen?
PB9: „Na, z. B. dass ma dann vielleicht nimmer so kann. Wie man will.“
In diesem Zusammenhang sprachen 4 Proband:innen – überwiegend mit nur geringeren kognitiven/sozioemotionalen Einschränkungen – von sich aus das Thema Sterben und Tod an.
I.: Haben Sie sich früher schon mal Gedanken zum eigenen Altwerden gemacht?
PB2: „Hab ich auch schon mal gemacht.“
I.: Und was waren das so für Gedanken?
PB2: „Wie es aussieht, wenn man irgendwann nicht mehr lebt oder so, genau. Mhm, okay. Genau. Wie es dann zum Beispiel aussieht, ob man dann die wiedersieht oder so, keine Ahnung oder was auch immer.“
I.: Also verbinden Sie jetzt auch mit dem Altwerden, dass Sie dann sterben und was dann nach dem Tod passiert?
PB2: „Genau, genau.“
I.: Warum möchten Sie denn jetzt noch nicht alt werden?
PB7: „Weil, dann denk i wieder ans Sterben oder so. … Wenn i bissle erst 70 oder 75 … da denk i scho wieder an Tod oder so. Da will i no net so schnell mache … de Tod selber.“
I.: Sie verbinden dann das Altsein mit dem Tod?
PB7: „Ja.“
PB16: „Ja, ich denke, schon. Ich leb’ sehr, sehr gern’. Ich bin … lebensfroh, sag ich mal. Lebensbejahend. … Ich hoff’, ich werde alt. … Ich würde vielleicht dort hingehen wollen, in ein Hospiz, wenn ich sterbe. Vielleicht das dann schon, aber das ist jetzt mal was, wo ich auch große Schwierigkeiten hab’. Also mit dem Tod. Mit dem Gedanken. Sag’ ich mal. Also ich hoffe, das so weit wie möglich rauszögern zu können. Sag ich mal. Auch mit medizinischen Mitteln. Technischen Mitteln. Dass ich solang’ wie möglich leben kann.“
Die meisten Proband:innen erläuterten an dieser Stelle des Interviews noch von sich aus, wie sie ihr eigenes Altsein gestalten möchten. Fünf Personen erwähnten, dass sie dann in ein Haus bzw. eine Wohngruppe für ältere Menschen mit Behinderung ziehen werden bzw. möchten. Zwei der 4 Proband:innen mit den stärksten intellektuellen/sozioemotionalen Einschränkungen sagten, sie möchten im Alter die Natur genießen bzw. Kaffee trinken. Eine Person merkte an, dass das Älterwerden für Menschen mit Lernschwierigkeiten besonders schwer sei.
PB13: „Weil behinderte Menschen mit Lernschwierigkeiten … ist das Älterwerden ein bisschen schwer. … Sehr schwer.“
Gesundheitliche Einschränkungen im Alter
Seheinschränkungen
Viele Teilnehmer:innen verbanden also bereits bei der ersten Frage das Altsein mit gesundheitlichen Einschränkungen. Auf die Frage, wie das für sie wäre, wenn sie im Alter nicht mehr so gut sehen könnten, meinten 11 der 16 Befragten, dass dies nicht so schön, nicht so gut, doof oder schlimm sei bzw. die Vorstellung ihnen Angst mache.
PB12: „Ganz schwierig, also ja, also es schränkt halt wahnsinnig ein, denk i, und ich denk, dass es halt (…) eh sieht man halt nicht mehr/also kriegt halt nicht mehr so viel mit oder ja.“
PB15: „Also des wär’ schon weng schwierig, ja. Ja, die Vorstellung macht mir a bissle Angst. Weil, wenn i ni mehr richtig sehen kann, das würde ja bedeuten, ich wär’ dann auf Hilfe angewiesen.“
Dies waren fast ausschließlich Personen mit geringeren intellektuellen/sozioemotionalen Einschränkungen. Fast alle Personen mit einer mittleren geistigen Behinderung und einem SEO-Grad 4 konnten sich nicht in diese Situation hineinversetzen bzw. berichteten von jüngeren Menschen aus ihrem Umkreis, die schlecht sehen.
I.: Manche können z. B. nicht mehr so gut sehen, wenn sie alt sind. Wie wäre das denn, wenn Sie nicht mehr so gut sehen könnten?
PB 14: „I seh’ gut“.
Es waren auch ausschließlich Personen mit geringeren Einschränkungen, die jemanden mit altersbedingten Seheinschränkungen kannten. Genannt wurden hier z. B. die Oma oder die Freundin der Mutter. Sechs Proband:innen kannten niemanden oder konnten hierzu nichts sagen. Auf die Frage, ob es denn im Fall einer Seheinschränkung im Alter Hilfsmittel gibt, mit denen die Situation verbessert werden könnte, nannten 6 Personen die Brille2, 2 die Lupe, eine Person Kontaktlinsen und eine weitere Person sprach allgemein von einer Sehhilfe. Genannt wurden darüber hinaus die Operation, Augentropfen, (Blinden)stock und (Blinden)hund. Die Personen, die jemanden mit altersbedingten Seheinschränkungen kannten, nannten hier meist die Hilfsmittel, die sie bei den betroffenen Personen gesehen hatten. Eine noch recht junge Frau mit sehr geringen Einschränkungen meinte, dass es dann, wenn sie alt sei, sicherlich neue Techniken gebe, um ihr zu helfen. Ein Mann mit stärkeren Einschränkungen war der Überzeugung, dass eine Heilung nur durch göttliche Hilfe möglich sei. Eine Frau wies zudem darauf hin, dass bei Personen mit Seheinschränkungen alles auf dem gleichen Platz stehen müsse. Zwei weitere Probandinnen würden in diesem Fall Betreuungskräfte um Hilfe bitten.
Höreinschränkungen
Auf die Frage, wie das für sie wäre, wenn sie im Alter nicht mehr so gut hören könnten, meinten nur 7 der 16 Befragten, dass dies nicht so gut, schwierig, schlecht oder doof sei bzw. dass ihnen die Vorstellung Angst mache. Auch hier waren es ausschließlich Personen mit leichteren Einschränkungen. Alle Personen mit einer mittleren geistigen Behinderung und einem SEO-Grad 4 konnten sich nicht in diese Situation hineinversetzen, erzählten von der eigenen Höreinschränkung in der Kindheit oder meinten, dass dies nicht schlimm sei. Bei dieser Frage gaben doppelt so viele Proband:innen an, jemanden mit einer solchen altersbedingten Einschränkung zu kennen als beim Thema Seheinschränkung. Genannt wurden Mutter, Vater, Oma, Opa, Tante und jemand aus dem Bekanntenkreis. Nur eine Person konnte hierzu nichts sagen. Unabhängig vom Behinderungsgrad gaben 11 Personen das Hörgerät als wichtiges Hilfsmittel bei Höreinschränkungen an.
I.: Sie haben gerade eben gesagt, das Hörgerät [aus der Werbung] sieht man nicht. Wäre das für Sie wichtig, dass man das nicht sehen kann? Wenn Sie sowas brauchen würden?
PB15: „Eigentlich isch egal, Hauptsach’, durch des Hilfsmittel kann i gut hör’n.“
Eine Person mit geringen kognitiven Einschränkungen bemerkte hierzu, dass das Hören mit Hörgerät kein natürliches Hören sei. Genannt wurden darüber hinaus eine Operation, das Anwenden von Zeichen- bzw. Gebärdensprache, das Ablesen von den Lippen, lautes Sprechen und ein Telefon mit Lesevorrichtung. Auch hier wurde wieder darauf hingewiesen, dass es dann vielleicht schon eine neue, bessere Technik gebe bzw. dass man sich Hilfestellung von Betreuungskräften holen könne. Eine Person kannte keinerlei Hilfsmittel.
Geheinschränkungen
Auf die Frage, wie das für sie wäre, wenn sie im Alter nicht mehr so gut gehen könnten, meinten ebenfalls nur 7 der 16 Befragten, dass dies nicht so gut, schwierig, schlimm oder „beschissen“ sei. Für eine Person war die Vorstellung nicht so schlimm, eine andere Probandin meinte, mit Hilfsmitteln ginge das schon. Insgesamt 7 Proband:innen mit überwiegend stärkeren intellektuellen/sozioemotionalen Einschränkungen betonten, sie könnten noch gut laufen, berichteten allgemein davon, was man dann nicht mehr tun kann oder gingen gar nicht auf die Frage ein. Drei Probandinnen erzählten von ihren derzeit schon eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten.
PB16: „Und dass ich, wenn ich mal einen Rollstuhl brauche, dann akzeptier’ ich das. Ich mein, ich saß schon mal im Rollstuhl. Also ich … ja, das ist jetzt nicht was völlig Neues für mich. Aber ich hoff’, dass ich, wie gesagt, auf den Beinen bleib und wenn es mit dem Rollator ist. Im Haus oder so. Und draußen im Rollstuhl. … Es gibt, glaub ich, sehr wenig Dinge, wo ich sagen würde, ich würde damit nicht leben können. Weil ich eben schon behindert bin. Da weiß ich’s schon. … Ja, wie man Hilfe bekommt.“
Anders als beim eingeschränkten Sehen und Hören nannte nur eine Probandin die Oma als Person mit altersbedingter Geheinschränkung. Mehrere Teilnehmer:innen berichteten von (jüngeren) Personen mit einer Gehbehinderung im unmittelbaren Umfeld oder bejahten, jemanden zu kennen, ohne näher darauf einzugehen. Unabhängig vom Behinderungsgrad gaben neun Personen den Gehwagen/Rollator als wichtiges Hilfsmittel bei Einschränkungen des Gehens an. Fünf Personen nannten darüber hinaus den Rollstuhl, eine Person den Gehstock, und eine Person sprach allgemein von anderen Fortbewegungsmitteln. Weitere Optionen waren für die Befragten, sich Hilfestellung von Betreuungskräften zu holen, von ihnen versorgt zu werden, zum Arzt zu gehen bzw. im Bett zu liegen. Fünf Proband:innen wiesen darauf hin, dass hier auch Krankengymnastik, sich fit halten, regelmäßig laufen oder Sport machen und gesunde Ernährung wichtig seien. Eine Person betonte, dass sie keine Hilfsmittel brauche.
I.: Es gibt ja z. B. auch Hilfen. Wenn man z. B. einen Rollator nimmt oder so was. Haben Sie das schon Mal überlegt?
PB8: „Naa, so was brauch i net.“
Kognitive Einschränkungen
Für 10 der 16 Proband:innen wäre es nicht so gut, nicht so schön, „e bissele doof“, blöd, schwierig, schlimm, ganz schrecklich oder „Scheiße“, wenn sie im Alter nicht mehr so gut denken könnten wie jetzt. Eine Person sah das nicht als Problem an, 2 weitere Personen konnten sich dies nicht vorstellen bzw. erzählten von Menschen aus ihrer Umgebung mit Gedächtnisproblemen, und eine Person betonte, dass sie gut denken könne.
PB6: „Mir passiert sowas gar nicht.“
PB8: „Also denken kann i schon noch gut. Ja. [….] Also, wissen Sie was, aber mein Gedächtnis funktioniert …“
Auch hier kannten nur 3 Proband:innen jemanden mit altersassoziierten kognitiven Einschränkungen (Oma, Onkel und – auf Nachfrage einer Betreuerin – eine ehemalige Mitbewohnerin). Vier Personen mit stärkeren kognitiven/sozioemotionalen Einschränkungen konnten hierauf keine Antwort geben bzw. betonten, sie kennen niemanden, der schlecht denken kann.
PB2: „Für mich wäre das kein Problem.“
I.: Wieso wäre das kein Problem für Sie?
PB2: „Das weiß ich selber auch nicht.“
I.: Aber Sie fänden es nicht so schlimm, wenn Ihnen das passiert?
PB2: „Genau.“
I.: Wenn jemand schlecht denken kann, kann man dann etwas tun, dass er sich trotzdem gut fühlt?
PB2: „Ja.“
I.: Und was kann man da tun?
PB2: „Zum Beispiel Hilfe holen. … Beim Betreuer oder so.“
I.: Kennen Sie denn jemanden, der schlechter denken kann, weil er jetzt alt ist?
PB2: „Das weiß ich jetzt grad nicht.“
Neun Personen gaben unabhängig vom Behinderungsgrad und z. T. auf Nachfrage an, dass die wichtigste Hilfe hier die Unterstützung bzw. Hilfestellung sei. So könnten Betreuungskräfte z. B. immer wieder an Vergessenes erinnern. Mehrmals genannt wurden auch Gedächtnishilfen, Gedächtnistraining, Gedächtnisspiele und Sudoku. Einzelne Personen meinten auch, die Betroffenen sollten mehr Wasser trinken bzw. es gebe hierfür Medikamente, andere gaben Musik, Malen und Tiertherapie als Hilfsmöglichkeiten an. Weitere Möglichkeiten sahen die Befragten im Zeigen von Zuneigung, im Trösten und Helfen, dem Äußern „guter Worte“, dem gemeinsamen Kaffee trinken oder spazieren gehen. Ein Proband betonte, dass hier keine medizinische Hilfe möglich sei, eine andere Probandin, dass sie hoffe, dass es bis dahin auch hier neue Techniken geben werde. Mehrere Personen gaben keine Möglichkeiten der Hilfestellung an, sondern beschrieben, wie das ist, wenn man nicht mehr so gut denken kann oder sagten, dass sie auch jetzt schon manche Dinge vergessen.
PB10: „Da wär’ ich durcheinander und verstreut, wenn ich nicht mehr g’scheit denken könnt. Dann kenn ich mich nimmer aus, wo vorne und hinten ist, welche Sache da … ist, da kenn ich mich nimmer aus.“
PB9: „Wenn ma’ was vergisst oder was, dann sag’n die Erzieher oder die Betreuer manches Mal: Du des und des hast vergessen. Des und des musst no’ mache.“
Eine Teilnehmerin mit stärkeren kognitiven/sozioemotionalen Einschränkungen meinte, die Betroffenen müssten dann im Bett liegen. Sehr viele und tiefgehende Gedanken hierzu hatte sich bereits eine Probandin mit nur leichten Einschränkungen gemacht:
PB16: „Ich denke, ein angenehmes Leben wäre das Ziel. Wenn’s nur akzeptabel ist, das wäre zu wenig. Also das ist für die meisten Menschen zu wenig. Aber ich denke, die Menschen, die dement sind, sollten weiterhin gefördert werden. Also mit Musik z. B., also mit Tieren, Tier-Therapie gibt’s ja im Krankenhaus. Und man sollte noch schauen, was die Menschen früher gemacht haben. Was sie gern gemacht haben. Als Kinder. Was sie gegessen haben, was sie gespielt haben. Und dann das eben, zumindest mit Bildern arbeiten. Je nachdem, was sie dann können. Ich denk’, man kann viel machen. Man kann auch vorbeugen mit Denksport, mit Aufgaben oder so.“
Wohnen im Alter
Die Hälfte der Befragten möchte auch im Alter dort wohnen bleiben, wo sie derzeit wohnen (z. B. in ihrer Wohngruppe oder im ambulant betreuten Einzelwohnen). Vier Proband:innen würden dann gerne in eine Altersgruppe ihres Wohnheims oder ein spezielles Altersheim für MmgB ziehen. Einige wussten schon genau, welche Einrichtung bzw. Wohngruppe das sein soll.
PB8: „Also wenn, dann würd ich in die Lebenshilfe rüberziehn, nach L. … Also zur E. nüber, wenn da dann noch n Platz frei ist.“
PB12: „Also bei uns ist es ja so, wenn ich in einer Einrichtung lebe, dann kommt man halt so ja in ein Altenstock. … Das ist, also bei uns ist es so in H., wo man für ältere Leut’, die dann da untergebracht sind.“
Genannt wurden zudem der Umzug in eine Parterrewohnung, in ein Mehrgenerationenhaus, nach Hause zu den Geschwistern und das Zusammenziehen mit der Freundin. Die wenig realistischen Möglichkeiten, im Alter nach Hause zu den Geschwistern zu ziehen bzw. mit der Freundin zusammenzuziehen, wurden von Personen mit einem mittleren Grad einer geistigen Behinderung und einem SEO-Grad 4 bzw. 4–5 geäußert. Den Umzug in eine Parterrewohnung bzw. in ein Mehrgenerationenhaus erwogen Personen mit einer leichten geistigen Behinderung und einem SEO-Grad ≥ 5. Unabhängig vom Behinderungsgrad war der Wunsch, auch im Alter dort wohnen zu bleiben, wo man derzeit wohnt. Den Umzug in eine Altersgruppe eines Behindertenwohnheims oder ein spezielles Altersheim für MmgB nannten v. a. Personen mit leichten bis sehr leichten kognitiven/sozioemotionalen Einschränkungen.
Keinesfalls in ein Altersheim wollten 7 Personen ziehen, während andererseits das Altersheim von 4 Personen durchaus als Wohnmöglichkeit im Alter erwogen wurde. Drei Personen konnten sich vorstellen, dann in einem Seniorenheim, nicht jedoch in einem Altersheim zu leben, wobei nicht klar wurde, wo sie hier den Unterschied sahen. Die z. T. sehr bestimmt und heftig geäußerte Aussage, nicht ins Altersheim zu wollen, wurde unabhängig vom Behinderungsgrad genannt. Als Gründe gaben die Proband:innen an, dass es dort zu langweilig sei und die Bewohner:innen dort nicht so gut betreut würden.
PB1: „Weil ich manchmal auch schon mitbekommen hab, dass die im Altersheim, die Leute, nicht gut betreut werden, und das Essen nicht gut ist und, und die nicht so viel mit dene Bewohner auch machen, die Pflegekräfte. … Und ich bin halt eine, die wo des halt nicht so möchte, sag i jetzt a mal.“
PB4: „Deswegen wollt ich, […] ich geh deshalb nicht ins Altersheim sowas, sondern da drüben in Altersheim, dann langweiliger als hier in der Gruppe.“
Auf die Frage, wo sie denn gerne leben möchten, wenn es aufgrund einer schweren Erkrankung im Alter nicht mehr möglich sei, in ihrer jetzigen Wohnung bzw. einer Altenwohnung zu bleiben, antworteten jeweils vier Personen, dass sie dann nicht ins Alters- oder Pflegeheim bzw. nicht in ein Krankenhaus gehen möchten. Sechs Proband:innen würden dann in ein Altenpflegeheim oder ein Hospiz wechseln. Fast alle betonten jedoch, dass sie dies nur im Notfall tun würden oder wenn sie sterben müssten. Dies waren v. a. Personen mit einer leichten geistigen Behinderung und einem SEO-Grad ≥ 5. Auch hier gaben wieder einige Befragte an, dass sie dann in ihrer jetzigen Wohnung bleiben, ins Alters- oder Seniorenheim wechseln bzw. in eine Altersgruppe ihres Wohnheims oder ein spezielles Altersheim für MmgB ziehen würden. Dies waren überwiegend Personen mit etwas stärkeren kognitiven/sozioemotionalen Einschränkungen. Eine Person wünschte sich, dann in ein Haus zu ziehen, wo man gut aufgehoben ist und versorgt wird. Ein anderer Proband betonte, dass er in diesem Fall nicht zu den Eltern ziehen würde, um ihnen nicht zur Last zu fallen, ohne nachvollziehen zu können, dass die Eltern dann ja wahrscheinlich selbst nicht mehr leben würden.
PB15: „Weil ich kann mir net vorstellen, bei meine Eltern wieder noch einzuzieh’n und mich von dene pflegen zu lassen, weil das wär für meine Eltern bestimmt au net leicht. Ich will ja, wie g’sagt, meiner Familie auch net zur Lascht fallen. Obwohl se für mich da sind. Aber da hätt i kein gutes Gefühl debei.“
Insbesondere bei der Frage nach dem gewünschten Aufenthaltsort im Fall einer schweren Krankheit im Alter wurde deutlich, dass sich Personen mit einem mittleren Grad einer geistigen Behinderung und/oder einem SEO-Grad 4 bzw. 4–5 deutlich schlechter in die beschriebene Situation hineinversetzen konnten. Sie tendierten dazu, auf Signalwörter in der Frage wie „krank“ oder „alt“ mit entsprechenden Begriffen wie „Krankenhaus“ bzw. „Altersheim“ zu antworten oder konnten sich gar nicht in die Situation hineinversetzen, alt und krank zu sein.
I.: Da gibt es ja zum Beispiel die Möglichkeit, im Krankenhaus, im Altersheim oder im Hospiz betreut zu werden.
PB14: „Ja.“
Betreuerin: Also möchtest Du dann ins Krankenhaus?
PB14: „Nee. … G’sund.“
Zeitgestaltung im Alter
Ähnlich wie bei den Wünschen bezüglich des Wohnortes nannten Proband:innen auch bei der Frage, was sie im Alter gerne den ganzen Tag über machen möchten, oft die Dinge, mit denen sie aktuell ihre Zeit verbringen.
I.: Und was wollen Sie dann machen, wenn Sie alt sind, den ganzen Tag?
PB2: „Das weiß ich noch nicht.“
I.: Was machen denn alte Leute so den ganzen Tag?
PB2: „Manche stricken. Genau, und ich tu ja stricken.“
I.: Also möchten Sie das dann auch machen, wenn Sie alt sind?
PB2: „Genau.“
I.: Und was werden Sie dann den ganzen Tag machen, wenn Sie alt sind?
PB7: „… ab und zu a Kunst malen und i war bei de Frau H. bei Lesegruppe scho dabei und was ham ma noch? Trauergruppe hab i bei der Frau H. scho gemacht.“
I.: Das wollen Sie dann auch machen, wenn Sie alt sind?
PB7: „Ja, Lesen ist bei mir […], Malen und das Lesen und sowas ist mei Hobby.“
I.: Sie wollen, wenn Sie alt sind, dann auch Ihre Hobbies machen.
PB7: „Ja, ganz genau.“
Andere beschrieben, was alte Menschen, die sie kennen, tagsüber tun. Nur Personen mit geringeren Einschränkungen waren dabei in der Lage zu berücksichtigen, dass man im Alter aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen manche Dinge vielleicht nicht mehr tun kann.
PB12: „Ja, also bei uns, wenn ich das so mitkrieg’, die geh’n spazieren und spielen […] so Spiele, dann ja, das ist halt ganz unterschiedlich, wie jeder halt, glaube ich, auch drauf ist oder halt wie man das noch machen kann.“
Einige Probandinnen wiesen darauf hin, dass es für sie die Möglichkeit gibt, auch im Alter noch an tagesstrukturierenden Maßnahmen teilzunehmen.
PB9: „Wenn ich no kann, wie g’sagt, dann in die TENE3 geh’n. Wenn i no kann.“
Unabhängig vom Behinderungsgrad nannten die Proband:innen bei dieser Frage am häufigsten spazieren gehen bzw. raus gehen, etwas anschauen, Ausflüge machen oder in eine Ferienfreizeit fahren. Ebenfalls häufiger genannt wurden Handarbeiten wie Stricken und Häkeln (von Männern und Frauen), aber auch Spiele spielen, Kreuzworträtsel oder Sudoku lösen und (Zeitung‑)Lesen bzw. in die Lesegruppe gehen. Jeweils nur 1‑ oder 2‑mal angegeben wurden Schwimmen und Massage, Malen und Basteln sowie Musik, Hörbücher oder Radio hören, Filme anschauen und Fernsehen. Zwei Personen wollten im Alter v. a. Pause machen, d. h. für sich alleine im Zimmer sein bzw. viel nachdenken. Eine Person mit nur leichten Einschränkungen betonte, dass sie auch im Alter so lange wie möglich reiten und mit Tieren zusammen sein möchte. Zudem möchte sie ihre Online-Kontakte aufrechterhalten. Mehrere Proband:innen legten Wert darauf, dass sie auch im Alter gerne mit anderen Menschen bzw. mit Freunden zusammen sein, sich unterhalten oder gemeinsam Kaffee trinken möchten. Dies waren meist Personen, die schon einmal in einem Altersheim zu Besuch waren und es dort langweilig fanden.
Soziales Umfeld und Betreuung im Alter
Auf die Frage „Mit wem möchten Sie denn zusammen sein, wenn Sie alt sind?“ wurden v. a. Freunde, die beste Freundin oder der bzw. die Freund:in bzw. Partner:in genannt. Einige Personen blieben bei dieser Frage recht allgemein. Sie möchten im Alter gerne mit anderen Menschen, mit lieben Menschen oder mit Leuten zusammen sein, mit denen sie sich gut verstehen. Auch konkrete Mitbewohner:innen und Betreuungskräfte wurden hier mit ihren Namen genannt. Dass einige der Befragten große Probleme hatten, sich vorzustellen, dass auch ihr Umfeld mitaltern wird, wurde v. a. bei der Nennung der Eltern oder Geschwister deutlich. Eine Probandin sagte, sie habe sich noch keine Gedanken gemacht, mit wem sie im Alter zusammen sein möchte und wer sie dann (auch im Fall einer schweren Krankheit) betreuen soll.
Fast alle Befragten wollten im Alter von ihren Betreuungskräften oder von speziellen Pflegekräften versorgt werden. Auch hier wurden z. T. Namen der aktuellen Betreuer:innen bzw. Personen eines Fachdienstes genannt.
PB1: „… aber im Großen und Ganzen möchte ich von dem Team, wo ich jetzt betreut werde, auch betreut werden.“
I.: Also wollen Sie da ja keine Veränderung haben bei der Betreuung.
PB1: „Nein, weil, ich bin mit dem Betreuer sehr zufrieden.“
Eine Probandin nannte ihre gesetzliche Betreuerin. Einige Proband:innen betonten, dass es jemand Bekanntes sein sollte, keine fremde Person. Es waren nicht nur Personen mit stärkeren Einschränkungen, die hier nicht berücksichtigten, dass die von ihnen genannten Personen (z. B. Verwandte wie Mutter oder Bruder) ebenfalls älter werden. Ein weiterer Proband meinte jedoch explizit, dass er dann von „den Jüngeren“ betreut werden möchte. Die Probandin, die im Alter gerne in einem Mehrgenerationenhaus leben möchte, wünschte sich, dass ihre Mitbewohner:innen dann für sie da sein könnten.
Auf die Frage, wer sie denn bei einer schweren Krankheit im Alter betreuen bzw. bei ihnen sein soll, gaben nur wenige Proband:innen Betreuungskräfte, Krankenpflegepersonal oder Ärzt:innen an. Einige nannten jedoch auch hier wieder Namen ihrer Betreuungskräfte oder äußerten sich sehr allgemein (gute Menschen; jemand, den ich kenne; die Zuständigen). Besonders häufig wurden hier enge Freunde sowie Verwandte wie Eltern, Geschwister, Oma oder Nichte genannt, bzw. es wurde explizit darauf hingewiesen, dass man in so einem Fall die Eltern nicht in Anspruch nehmen möchte.
I.: Wenn Ihnen das passiert, wenn Sie so krank sind, dass sie nicht mehr in der WG bleiben können, wer soll dann bei Ihnen sein? Wer soll Sie da begleiten?
PB10: „Ja, meine Eltern sollen mich begleiten.“
I.: Wenn Sie alt sind, dann sind Ihre Eltern ja auch schon sehr alt und können das vielleicht nicht mehr.
PB10: „Mhm.“
I.: Fällt Ihnen da vielleicht jemand anderes ein, den Sie da bei sich haben wollen?
PB10: „Vielleicht Oma.“
I.: Aber die Oma ist ja dann noch älter.
PB10: „Mhm.“
Überraschenderweise schienen sich bei dieser Frage auch Personen mit sehr geringen intellektuellen/sozioemotionalen Einschränkungen nicht im Klaren darüber zu sein, dass die Eltern oder die Oma dann ebenfalls deutlich älter wären und somit für eine Betreuung bzw. Begleitung nicht mehr in Frage kämen.
Ergebnisdiskussion
Bedeutung der Fähigkeit zum Hineinversetzen ins eigene Altsein
Bislang war kaum etwas darüber bekannt, wie sich MmgB ihr eigenes Alter vorstellen. Insbesondere war unklar, ob sie grundsätzlich überhaupt dazu in der Lage sind, sich in ein zukünftiges Selbst hineinzuversetzen oder ob ihre Fähigkeit hierzu nicht vielmehr von der Art und vom Grad ihrer geistigen Behinderung abhängt. Im Rahmen einer ersten explorativen Studie [16] auf der Basis der hier diskutierten fokussierten Interviews konnten wir Anzeichen dafür finden, dass die Proband:innen mit leichter geistiger Behinderung, sehr guten sprachlichen/narrativen Fähigkeiten und einem SEO-Grad 5 im Durchschnitt eine deutlich bessere Fähigkeit aufwiesen, sich in zukünftige Situationen wie das eigene Altsein hineinzuversetzen (Fähigkeit zum EFT), als solche mit stärkerer geistiger Behinderung, eingeschränkteren sprachlichen Möglichkeiten und SEO-Grad 4. Es fanden sich zudem erste Hinweise darauf, dass auch Geschlecht, Alter und Art der Behinderung die EFT-Fähigkeit beeinflussen können. In der folgenden Diskussion wird dies an vielen Stellen ebenfalls deutlich, was die Resultate unserer ersten Studie nochmals unterstreicht. Welche Bedeutung die eingeschränkte Fähigkeit zum episodischen Zukunftsdenken bei MmgB hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur aktiven Teilhabe an Maßnahmen der Gesundheitsförderung und an inklusiven Forschungs- und Public-Health-Projekten haben kann, wird zum Schluss dieser Arbeit diskutiert.
Vorstellungen vom Altsein und Einordnen des eigenen Alters
Nachdenken über das Altern und das Alt-Sein
Von alleine über das Altern und Alt-Sein nachgedacht hatten v. a. Proband:innen mit geringeren intellektuellen/sozioemotionalen Einschränkungen. Personen mit stärkeren Einschränkungen hatten sich hierzu nur dann Gedanken gemacht, wenn sie zuvor aus dem familiären Umfeld darauf angesprochen worden waren. Bezeichnenderweise ging die Initiative dann von weiblichen Familienangehörigen (Mutter, Schwester) aus. Insbesondere die Mütter haben nach Seltzer et al. [30] in der Regel eine besonders starke emotionale Bindung zu ihren erwachsenen Kindern mit geistiger Behinderung und kümmern sich deutlich intensiver als andere um die Aufrechterhaltung des Kontakts, auch wenn die Kinder bereits seit langem in einer Behinderteneinrichtungen leben. Es ist anzunehmen, dass sie das Thema „Was passiert mit Dir, wenn ich alt sein werde?“ spätestens dann ansprechen, wenn es absehbar ist, dass sie sich bald nicht mehr um ihr Kind kümmern können. Einige Angehörige hatten offenbar bereits eine Lösung hierfür gefunden (z. B. eine mögliche Betreuung in einer Wohneinrichtung für alte MmgB), mit denen ihre nun ebenfalls schon älteren Töchter einverstanden waren.
Einschätzen des eigenen Alters und des Alters anderer Personen
Bei der Einschätzung des eigenen Alters und des Alters anderer Personen (jung oder alt?) hatten Proband:innen mit stärkeren Einschränkungen Probleme. Personen mit geringeren Einschränkungen gelang das in der Regel recht gut. Sie konnten z. T. sogar erläutern, warum sie aufgrund ihres kalendarischen Alters eigentlich noch jung seien, sich aber andererseits – etwa aufgrund von körperlichen Einschränkungen oder im Vergleich zu noch jüngeren Leuten – manchmal schon etwas alt fühlten. Wie bereits in unserer explorativen Studie diskutiert [16], nimmt u. a. die Gedächtnisleistung bei normal entwickelten Kindern erst im Alter von drei bis fünf Jahren deutlich zu. Ursache hierfür ist die ontogenetisch relativ später Ausreifung einiger Endhirnbereiche (z. B. des Hippocampus; [31]). Das hat Folgen für die EFT-Fähigkeit, aber auch für die Fähigkeit, Zeit in ihrer Dauer einzuschätzen [9, 25] und dies dann mit gespeichertem Wissen (z. B. „Alte Menschen haben Falten.“) zu verknüpfen. Entsprechend zeigen die Antworten der SEO-4-Proband:innen4 deutlich, dass diese zwar durchaus bereits Anzeichen für das Alt-Sein nennen konnten (wie etwa die Falten), dass sie aber Probleme damit hatten, ihr Alter bzw. das Alter anderer Menschen einzuschätzen – was SEO-5-Personen hingegen gut gelang.
Altersbild
Die meisten der befragten Proband:innen verknüpften Alt-Sein mit gesundheitlichen Einschränkungen, mit dem Angewiesen-Sein auf Hilfe und damit, dass man dann nicht mehr alles machen kann. Auch bei Burke et al. [4] gab fast die Hälfte der befragten MmgB negative Ansichten über die Folgen des Alterns an. Anders als in der Literatur, die diese Konzentration auf körperliche bzw. psychisch-kognitive Einbußen und die daraus folgende Hilfebedürftigkeit als ein in unserer Gesellschaft weit verbreitetes negatives Altersbild (mit einer Minderbewertung des Alters; [1, 3]) bezeichnet, waren die Aussagen der Proband:innen hinsichtlich des Alters jedoch durchaus nicht immer negativ. Viele der Befragten wollten alt werden, meist in der Hoffnung oder Annahme, dass sie persönlich nicht oder nicht so stark von gesundheitlichen Einschränkungen betroffen sein werden. Dass sie dann möglicherweise nicht mehr in ihrer jetzigen Wohnung bleiben können und ggf. auf Hilfsmittel oder Hilfestellung angewiesen sein werden, betrachteten die meisten sehr pragmatisch. Einige meinten sogar dazu, dass ihnen diese Situation ja bekannt sei. Dies stimmt überein damit, dass auch bei Burke et al. [4] nur knapp 25 % der Befragten Bedenken oder Sorgen hinsichtlich des Älterwerdens hatten. Knapp zwei Drittel der Befragten meinten dort, dass alte Leute die meisten Sachen noch so tun können wie junge Leute (auch Sport und Bewegung sowie soziale Aktivitäten) und dass auch alte Menschen MmgB unterstützen und betreuen können. Nur wenige machten sich Sorgen wegen körperlicher Veränderungen oder Krankheiten bzw. dem Verlust der Unabhängigkeit. Allerdings sah sich eine große Mehrheit der Befragten wohl gar nicht in der Lage, die Frage nach möglichen Sorgen zu beantworten. Es könnte daher sein, dass an dieser Stelle v. a. Personen mit geringeren kognitiven/sozioemotionalen Einschränkungen antworteten, die diese Fragestellung besser nachvollziehen konnten.
Überraschenderweise verknüpften nur wenige Personen von sich aus das Thema „Alt-Sein“ mit „in Rente gehen/nicht mehr arbeiten müssen“. Bei einigen Aussagen schimmerte durch, dass man dann ja noch nicht so richtig alt sei. Einige wollten gerne länger arbeiten gehen, weil es sonst zu langweilig sei oder weil sie ja Geld verdienen müssten. Dass sie dann Rentenzahlungen bekommen, ohne arbeiten zu müssen, war diesen Personen unklar bzw. unverständlich. Bereits in einer früheren Studie zur Situation von MmgB während der COVID-19-Pandemie („coronavirus disease 2019“) war deutlich geworden, dass einige MmgB nicht verstehen, warum sie in manchen Situationen Geldleistungen bekommen, obwohl sie nicht arbeiten [14, 35] Schäper et al. [29] betonen in diesem Zusammenhang, dass insbesondere das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben (meist aus der Werkstatt für behinderte Menschen [WfbM]) für viele MmgB zu einem Verlust der gewohnten Tagesstruktur und der bisherigen sozialen Kontakte führe. Es seien daher Maßnahmen nötig, die frühzeitig auf den Ruhestand vorbereiten, wie z. B. „die (Wieder)entdeckung von Hobbys und Freizeitaktivitäten fördern, aber auch die Etablierung zusätzlicher tagesstrukturierender Angebote“.
Verknüpfung mit Sterben und Tod
Nur wenige Proband:innen (überwiegend Personen mit geringen kognitiven/sozioemotionalen Einschränkungen) kamen von sich aus während des Interviews auf das Thema „Sterben und Tod“ zu sprechen und verknüpften dabei „alt sein“ mit „sterben müssen“. Auch in der umfangreichen Studie von Burke et al. [4] gaben nur 20 der 367 Studienteilnehmer:innen mit geistiger Behinderung an, dass es ihnen Sorgen bereite, wenn sie an das eigene Alter denken, da man dann ja sterben müsse.
Gestaltung des eigenen Alters
Es waren v. a. Personen mit leicht- bis mittelgradigen intellektuellen/sozioemotionalen Einschränkungen, die schon einmal mit ihren Angehörigen darüber gesprochen hatten, wo sie im Alter leben und betreut werden sollen, und die daher sehr konkrete, gleichzeitig aber auch wenig flexible Vorstellungen von ihrem zukünftigen Leben im Alter hatten (PB8: „… und zu der zieh ich dann auch. […] Weil, da beißt die Maus kein’ Faden ab.“; PB9: „Ich muss dann zu die Älteren später mal in’d Gruppen nauf.“). Aus der Art ihrer Aussagen hierzu lässt sich schließen, dass sie dabei meist die Vorstellungen der Angehörigen unreflektiert übernommen haben. Im Gegensatz dazu hatte sich z. B. die Probandin mit den geringsten intellektuellen/sozioemotionalen Einschränkungen bereits sehr intensive, eigenständige Gedanken über ihr eigenes Altern und ihre Lebensumstände im Alter gemacht. Bei den meisten Personen mit stärkeren Einschränkungen zeigte sich immer wieder, dass sie kaum oder nicht in der Lage waren, sich in diese Situation hineinzuversetzen.
Bedeutung von gesundheitlichen Einschränkungen im Alter
In Deutschland leiden mehr als 80 % der 75- bis 79-Jährigen Durchschnittsbevölkerung an mehreren chronischen Erkrankungen [26]. Ab einem Lebensalter von 85 Jahren berichten über 70 % der Menschen von Einschränkungen aufgrund von Störungen der Sinnesfunktionen (v. a. beim Sehen und Hören) bzw. der körperlichen Funktionen (u. a. Bewegungs- und kognitive Einschränkungen; [10]).
Verlässliche epidemiologische Daten zu gesundheitlichen Einschränkungen bei alten MmgB wurden in Deutschland bislang nicht erhoben. Eine Studie aus dem Jahr 1998 fand in Großbritannien bei älteren MmgB (> 65 Jahre) einen höheren Prozentsatz an Harninkontinenz, Immobilität, Hörstörungen, Arthrose, Bluthochdruck und zerebrovaskulären Erkrankungen im Vergleich zu jüngeren MmgB [5]. Zander betont, dass der individuelle Hilfebedarf von MmgB – insbesondere, wenn sie in einer Einrichtung leben – oftmals schon deutlich früher ansteigt als in der Durchschnittsbevölkerung [35]. Bereits seit längerem ist bekannt, dass etwa das Risiko, im Verlauf des Lebens eine Demenz zu entwickeln, bei Menschen mit Down-Syndrom erheblich größer ist als in der Durchschnittsbevölkerung. Die Erkrankung setzt hier viel früher ein, sodass schon im Alter von 55 bis 59 Jahren fast ein Drittel der Menschen mit Down-Syndrom betroffen ist. Die Demenz führt dann zu einer hohen Rate an vorzeitigen Todesfällen [6, 15].
In unserer Untersuchung konnten sich Proband:innen mit leichteren intellektuellen bzw. sozioemotionalen Einschränkungen deutlich besser in die Situation hineinversetzen, im Alter mit einer Seh‑, Hör‑, Geh- oder kognitiven Behinderung zu leben, als Personen mit stärkeren Einschränkungen. Diejenigen, die sich in die Situation zumindest ansatzweise hineinversetzen konnten, fanden diese Vorstellung nicht so schön bis schlimm oder sogar angstauslösend. Auch hier konnten sich dies Personen mit einem SEO-Grad 4 jedoch kaum oder überhaupt nicht vorstellen. Besonders deutlich zeigten sich die Unterschiede bei dem Versuch, sich in (zusätzliche) altersbedingte kognitive Einschränkungen hineinzuversetzen, am wenigsten deutlich war dies bei der Vorstellung von Höreinschränkungen im Alter. Die meisten Proband:innen gingen jedoch recht pragmatisch mit der Vorstellung um, irgendwann altersbedingt etwas nicht mehr so gut machen zu können, wie dies aktuell der Fall ist. Oftmals klang in ihren Antworten an, dass für sie entsprechende Einschränkungen aufgrund ihrer Behinderungen bereits etwas Normales, Bekanntes sind, mit denen man leben muss und kann. Sie nannten eine breite Palette an in der Regel adäquaten Hilfsmitteln bzw. Hilfsmöglichkeiten, wie sie sie beispielsweise bei Angehörigen gesehen hatten oder die sie und ihre Mitbewohner:innen bereits heute nutzten.
Vorstellungen vom Wohnen im Alter
Die meisten der befragten MmgB würden auch im Alter gerne in ihrem Zuhause bleiben, also weiterhin dort wohnen, wo sie derzeit leben (etwa in ihrer aktuellen Wohngruppe oder im ambulant betreuten Einzelwohnen). Damit unterscheiden sie sich kaum von der Durchschnittsbevölkerung. Nach einer für Deutschland repräsentativen Untersuchung möchten mehr als zwei Drittel der Befragten (Alter > 50 Jahre) mit 70 Jahren gerne noch zu Hause wohnen [19]. Dabei ist der von einer Probandin unserer Studie genannte Umzug in eine altersgerechte Parterrewohnung eine Option, die sich auch viele Menschen ohne Behinderung vorstellen könnten. Die von einer weiteren Probandin mit nur leichten Einschränkungen genannte Möglichkeit, im Alter in ein Mehrgenerationenhaus zu wechseln, ist auch für etwa ein Drittel der Durchschnittsbevölkerung eine akzeptable, wenn auch angesichts der niedrigen Zahl der derzeit deutschlandweit geförderten Mehrgenerationenhausprojekte, in der Praxis oft nicht umsetzbare Alternative. Deutlich weniger als ein Viertel der Durchschnittsbevölkerung möchte mit 70 Jahren in einem Pflegeheim, einer Seniorenresidenz oder im Betreuten Wohnen mit/ohne Pflegeheimanschluss leben. Für einen Teil der von uns befragten MmgB war die Vorstellung, im Alter in eine spezielle Gruppe oder ein spezielles Haus für alte MmgB zu ziehen, jedoch eine durchaus annehmbare oder sogar selbstverständliche Vorstellung. Insbesondere bei den Proband:innen mit stärkeren Einschränkungen war hierbei nicht klar, ob dies ihren eigenen Wünschen entsprach oder ob sie hier die Vorstellungen von Angehörigen oder Betreuungskräften unreflektiert übernommen haben. Überraschend war allerdings die Vehemenz, mit der es einige Proband:innen ablehnten, im Alter in ein Alters(pflege)heim für Menschen ohne geistige Behinderung zu wechseln. Angesichts der oft prekären Situation in vielen Altersheimen in Deutschland sind die hier angegebenen Gründe (schlechte Betreuung, dort ist es langweilig, Pflegekräfte können nicht mit MmgB umgehen) durchaus nachvollziehbar. Genannt wurden diese Argumente von Proband:innen mit geringeren Einschränkungen, die selbst schon einmal zu Besuch oder im Rahmen eines Praktikums im Altersheim waren bzw. die durch Angehörige von Missständen gehört hatten.
Selbst bei schwerer Krankheit im Alter konnten sich die meisten Befragten nicht oder nur für den Notfall vorstellen, in ein Alters- oder Pflegeheim bzw. Hospiz5 zu wechseln. Hier ist allerdings wieder zu berücksichtigen, dass es selbst den Befragten mit leichten Einschränkungen schwerfiel, sich in diese Situation hineinzuversetzen. Die Anmerkung eines Probanden mit geringen Einschränkungen, dass er in diesem Fall nicht zu den Eltern ziehen würde, weil er ihnen nicht zur Last fallen möchte, deutet auf das große Bedürfnis nach Nähe zu einer primären Bezugsperson im Krankheitsfall hin. Dieses Bedürfnis scheint so stark zu sein, dass es ihn die eigentlich vorhandene Fähigkeit vergessen lässt, hierbei das ebenfalls zunehmende Alter bzw. den dann schon möglichen Tod der Eltern zu berücksichtigen. Nach Strüber und Roth dominierte in dieser Situation wahrscheinlich die u. a. für das Bindungsverhalten zuständige, entwicklungsgeschichtlich und ontogenetisch ältere untere limbische Ebene des Gehirns (Amygdala etc.) über die bei dem Probanden nicht vollständig ausgereifte obere limbische Ebene (z. B. den ventromedialen präfrontalen Kortex; [31]).6
Die Realität alter MmgB sieht jedoch in vielen Fällen anders aus als von ihnen gewünscht. So lebten z. B. im Jahr 2014 in der Region Westfalen-Lippe (NRW) 21,0 % der MmgB, die 65 Jahre und älter waren, in (Alten‑)Pflegeeinrichtungen für nicht behinderte Menschen. Diese sind in der Regel nicht auf MmgB eingerichtet. Die meisten verbrachten dort einen deutlich längeren Lebensabschnitt als Menschen ohne geistige Behinderung [32]. Auch Zander betont, dass Menschen mit Behinderung, die in ein Altenpflegeheim ziehen, in der Regel 15 bis 20 Jahre jünger sind als die übrigen Bewohner:innen [35]. Nach Thimm et al. wurden in der NRW-Studie zudem knapp 60 % der altem MmgB in stationären Behinderteneinrichtungen betreut (hiervon 4,5 % in einer Außenwohngruppe), wobei unklar bleibt, wie viele dieser Einrichtungen über spezielle Angebote für ältere Bewohner:innen verfügten. Nur 8,0 % der alten MmgB lebten im ambulant betreuten Wohnen und 8,9 % selbstständig in einer eigenen Wohnung oder bei Angehörigen [32].
Vorstellungen der Zeitgestaltung im Alter
In Deutschland empfinden nur 34 % der 80- bis 85-jährigen Menschen ihren Alltag als abwechslungsreich. Es sind v. a. diejenigen, die ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut bezeichnen. Zu den häufigsten Alltagsbeschäftigungen der über 80-jährigen Durchschnittsbevölkerung gehören das Fernsehen (78 %) und Zeitung lesen (67 %). Nur etwa die Hälfte der Personen kocht in diesem Alter noch regelmäßig (52 %) bzw. geht einkaufen (44 %). Jeweils gut 40 % sind häufig mit der Familie zusammen oder ruhen sich oft aus. Aktive Beschäftigungen wie gärtnern (37 %), Bücher lesen (27 %), Freunde und Bekannte treffen (24 %), basteln oder heimwerken (14 %), sich sportlich bewegen (12 %) und in Vereinen etc. aktiv sein (12 %) werden nur noch selten wahrgenommen. Für die stark eingeschränkte Alltagsgestaltung sind insbesondere Behinderungen aufgrund zunehmender gesundheitlicher Einschränkungen verantwortlich [11].
Ähnlich wie in der jüngeren Durchschnittsbevölkerung entsprachen die Vorstellungen unserer Proband:innen darüber, wie sie im Alter gerne ihre Zeit verbringen möchten, meist ihren aktuellen Vorlieben bzw. ihren aktuell üblichen Tätigkeiten. Diejenigen, die direkten Kontakt zu speziellen Gruppen für alte MmgB hatten oder wo es eine solche Wohn- bzw. Tagesstrukturgruppe im Haus gab, schilderten stattdessen meist die Tätigkeiten, die sie bei den alten Menschen dort sahen. Eine Reihe von Beschäftigungsmöglichkeiten, wie etwa das Spazierengehen, wurde von vielen Befragten unabhängig von ihrem Behinderungsgrad genannt. Andere Tätigkeiten – z. B. Online-Kontakte aufrecht erhalten – gaben nur Personen mit geringen Einschränkungen an. Auch wenn die meisten Proband:innen jeweils nur wenige Tätigkeiten nannten, zeigte sich insgesamt ein sehr breites Spektrum an Möglichkeiten, im Alter die Zeit zu verbringen. Dabei war jedoch nicht immer klar, ob sich die Befragten bei ihren Antworten in die Situation des Altseins hineinversetzt hatten oder stattdessen ihre aktuellen Freizeitbeschäftigungen nannten. Zudem kann nicht eindeutig gesagt werden, ob sie jeweils in der Lage waren zu berücksichtigen, dass sie im Alter evtl. bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausführen können. Nur einzelne Proband:innen wie PB12 wiesen klar darauf hin, dass man im Alter nur noch die Dinge tun kann, zu denen man in der Lage ist.
Mehrere Personen betonten, dass sie auch im Alter gerne mit anderen Leuten zusammen sein und sich mit ihnen austauschen möchten. Eine Probandin führte hier als Negativbeispiel die Situation in Altersheimen an, wo die Bewohner:innen ihrer Ansicht nach die meiste Zeit alleingelassen werden und keiner sinnvollen Beschäftigung nachgehen können. Dies war für sie ein wichtiger Grund dafür, dass sie keinesfalls in ein Altersheim umziehen möchte. Auch anderen Befragten war bewusst, dass es in Deutschland einen deutlichen qualitativen Unterschied hinsichtlich der Freizeitgestaltung in vielen Einrichtungen der Behindertenhilfe einerseits und der Altenpflege andererseits gibt.
Vorstellungen von sozialen Beziehungen und Betreuung im Alter
In der Durchschnittsbevölkerung nimmt die Zahl der sozialen Kontakte mit zunehmendem Alter parallel zur Verschlechterung des subjektiven Gesundheitszustands ab. Nur noch ein Viertel der 80- bis 85-Jährigen trifft sich regelmäßig mit Freunden oder Bekannten. Soziale Kontakte innerhalb der Familie bleiben meist länger bestehen. Allerdings geben auch hier fast 60 % der Menschen dieser Altersgruppe an, keine entsprechenden Beziehungen mehr zu pflegen. Im Alter nehmen sowohl die Anzahl als auch die Intensität der sozialen Beziehungen ab. Dabei sagen 70 % der Personen dieser Altersgruppe, dass sie eigentlich gerne unter Menschen sind [11].
Die sozialen Netzwerke von MmgB, die in Behinderteneinrichtungen leben, sind unabhängig vom Alter im Durchschnitt deutlich kleiner als die der Menschen ohne Behinderung. Engere Beziehungen bestehen meist nur zu den primären Bezugspersonen (i. d. R. zu den Eltern, deren zentrale Rolle später oft von Geschwistern übernommen wird) bzw. zu den unmittelbaren Betreuungskräften, ergänzt durch die Kontakte zu Mitbewohner:innen und durch Werkstattkontakte. Wie viele der dort lebenden MmgB eine Partnerschaft (meist innerhalb der Einrichtung) eingehen, ist unbekannt [14]. Nach Schäper et al. kommt es bei MmgB im Alter – insbesondere dann, wenn die primären Bezugspersonen verstorben sind – meist zu einer „Singularisierung“, also zu einem Abbau familiärer Unterstützung und zur Ausdünnung der sozialen Netzwerke [29].
Wie nicht behinderte Menschen möchten auch MmgB im Alter gerne mit Personen zusammen sein, die sie kennen und mögen. Die Mehrzahl der von uns befragten Proband:innen konnte sich allerdings nur schwer oder gar nicht vorstellen, dass ihr soziales Umfeld ebenfalls altern wird, sodass die Großeltern bzw. Eltern dann wahrscheinlich nicht mehr leben und auch ihre aktuellen Betreuungskräfte nicht mehr da sein werden. Besonders häufig war dies bei der Frage der Fall, wer denn im Alter bei schwerer Krankheit bei ihnen sein solle. Auch hier ist wieder davon auszugehen, dass in diesem Fall selbst bei den Personen mit leichteren sozioemotionalen Einschränkungen die untere limbische Ebene des Gehirns über die obere limbische Ebene dominierte, sodass eigentlich in Ansätzen vorhandene Fähigkeiten nicht zum Tragen kamen [31]. Immer wieder zeigte sich in den Antworten, dass v. a. die Proband:innen mit stärkeren sozioemotionalen Einschränkungen die Beziehungen zu den für sie zuständigen Betreuungskräften nicht als professionelle, distanziertere Beziehungen sahen, sondern als enge Freundschaften. Sie gingen davon aus, dass diese zweifellos auch bis ins Alter bestehen bleiben würden. Dies macht deutlich, dass es sich – anders als in der Sonderpädagogik in den letzten Jahrzehnten immer wieder thematisiert – bei den Beziehungen zwischen MmgB in Betreuungseinrichtungen und ihren Betreuungskräften eben nicht um rein professionelle Verhältnisse zwischen Erwachsenen handelt. Die Fähigkeiten und Bedürfnisse von MmgB in Einrichtungen sind stark von ihrem jeweiligen intellektuellen und sozioemotionalen Entwicklungsstand abhängig. Basierend auf der Maslowschen Bedürfnishierarchie [21] stehen bei MmgB und einem SEO-Grad 1–3 (bzw. 4) Sicherheit – vermittelt etwa durch die Anwesenheit bekannter Personen, zu denen ein Vertrauensverhältnis besteht – und das soziale Bedürfnis nach Nähe und Zuneigung im Vordergrund. Erst SEO-Grad-4-Personen beginnen langsam, soziale Regeln (wie etwa das Einhalten einer gewissen Distanz zu Betreuungskräften) zu verstehen und zu akzeptieren [28]. Betreuungskräften, die auf die Nähe-Bedürfnisse von Menschen mit stärkeren sozioemotionalen Einschränkungen eingehen, sollte daher nicht ein Mangel an Professionalität attestiert werden [33]. Im Gegenteil, es kann sich hierbei durchaus um ein professionelles Eingehen auf die jeweiligen Bedürfnisse der MmgB handeln.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Wie in unserer vorgeschalteten explorativen Studie zum episodischen Zukunftsdenken [16] finden sich auch in der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring deutliche Hinweise darauf, dass insbesondere der Grad der geistigen Behinderung und der Grad der sozioemotionalen Entwicklung sowie das Niveau der sprachlichen/narrativen Fähigkeiten Einfluss auf die Fähigkeiten von MmgB haben könnten, sich in ein zukünftiges Selbst als alter Mensch hineinzuprojizieren. Die Antworten der Personen mit entsprechend geringeren Einschränkungen waren in der Regel erkennbar durchdachter, fundierter und inhaltlich passender. Sie zeigten in unterschiedlicher Ausprägung Ansätze der Fähigkeit zum episodischen Zukunftsdenken und waren weniger im Hier und Jetzt verhaftet.
Dies hatte jedoch keinen Einfluss darauf, dass die meisten Proband:innen unabhängig vom Grad ihrer Einschränkungen direkt oder indirekt den Wunsch äußerten, dass ihre Lebensumstände auch im Alter so bleiben mögen, wie sie derzeit sind. Ähnlich wie Menschen ohne Behinderung möchten sie gerne dort wohnen bleiben, wo sie gegenwärtig wohnen, und auch von den Personen betreut werden, die sie jetzt betreuen. Ausnahmen bildeten hier nur Proband:innen, die gemeinsam mit Angehörigen bereits festgelegt hatten, wo sie im Alter betreut werden sollen, und Proband:innen mit geringen Einschränkungen, die nachvollziehen konnten, dass es im Alter Situationen geben kann, die einen Umzug in eine passende Pflegeumgebung unumgänglich machen. Fast alle Proband:innen möchten auch im Alter gerne den Kontakt zu ihren engsten Verwandten und Freunden aufrechterhalten. Hier zeigte sich jedoch deutlich, dass selbst Proband:innen mit geringeren Einschränkungen Probleme damit hatten nachzuvollziehen, dass diese Personen dann ebenfalls alt sein werden. Mit der Vorstellung, im Alter aufgrund zusätzlicher Erkrankungen weitere Hilfsmittel oder Hilfestellung in Anspruch nehmen zu müssen, gingen fast alle recht gelassen um, da dies bereits heute zu ihrem Alltag gehört. Bei der Frage, wie sie ihre Zeit im Alter gestalten möchten, nannten viele ihre derzeitigen Freizeitbeschäftigungen oder Beschäftigungsformen, die sie bei alten Menschen gesehen hatten. Personen mit geringeren Einschränkungen wiesen darauf hin, dass sie dann vielleicht aus gesundheitlichen Gründen einiges davon nicht mehr tun können.
Limitationen der Studie
Qualitative Studien, wie die vorliegende, erfassen bewusst die subjektive Sichtweise einer bestimmten Zielgruppe. Die klassischen Gütekriterien aus der quantitativen Forschung (Objektivität, Reliabilität, Validität) sind daher nicht anwendbar. Stattdessen wurden hier Transparenz, Intersubjektivität und Reichweite sowie Gegenstands-Angemessenheit und Regelgeleitetheit des Vorgehens als häufig angegebene Gütekriterien der qualitativen Forschung berücksichtigt.
Um mit MmgB mündliche Interviews durchführen zu können, müssen diese über eine ausreichende Kommunikationsfähigkeit verfügen. Daher kamen nur erwachsene Menschen mit einer leichteren geistigen Behinderung und entsprechenden kommunikativen Fähigkeiten als Proband:innen in Frage. Nicht eingeschlossen werden konnten Menschen mit einer schwereren geistigen Behinderung und/oder einem SEO-Grad < 4. Da bei den meisten MmgB keine über objektive Messverfahren erhobenen Werte zum Grad ihrer geistigen Behinderung und zum Grad ihrer sprachlichen/narrativen Fähigkeiten vorliegen, wurden diese Fähigkeiten von ihren Betreuungskräften subjektiv eingeschätzt. Auch der Grad der sozioemotionalen Entwicklung wurde anhand von Fragen zu den vorhandenen sozioemotionalen Fähigkeiten eingeordnet. Die Gewinnung der Proband:innen erfolgte nicht direkt, sondern über die Einrichtungen, in denen sie leben bzw. von denen sie ambulant betreut werden. Wie in anderen Studien [2] trafen auch hier Betreuungskräfte als ‚Gatekeeper‘ die Vorauswahl und sprachen die aus ihrer Sicht passenden Personen an. Leider konnten auf diese Weise keine MmgB im Alter von ≥ 60 Jahren für die Teilnahme gewonnen werden. Da die Anwesenheit einer Betreuungskraft während des Interviews zu sozial erwünschten Antworten führen kann und Betreuungskräfte bei Verständnisproblemen ggf. auch Antwortmöglichkeiten vorgeben können, wurden die Interviews abschließend daraufhin analysiert – mit dem Ergebnis, dass sich beides hier weitgehend ausschließen lässt. Leider war es aufgrund der technischen Ausstattung der Einrichtungen größtenteils nicht möglich, wie ursprünglich vorgesehen, alle Interviews per Videotelefonie durchzuführen. Dies hätte über die Sinneskanäle Hören und Sehen einen intensiveren Kontakt mit den Teilnehmenden ermöglicht, sodass evtl. noch zusätzliche Informationen hätten gewonnen werden können.
Fazit für die Praxis
Eine Konsequenz dieser Studie ist, dass in Zukunft die Bedürfnisse und Wünsche älterer Menschen mit geistiger Behinderung (MmgB) vermehrt in die Planung von Wohn- und Betreuungsangeboten einbezogen werden sollten, wobei jeweils der Grad ihrer intellektuellen und sozioemotionalen Einschränkungen zu berücksichtigen ist. Folglich muss dann auch die Bereitstellung entsprechender Wohnmöglichkeiten und Hilfen flexibler gehandhabt werden.
Die Berücksichtigung des jeweiligen Behinderungsgrades ist zudem bei allen Maßnahmen der aktiven Teilhabe von MmgB am alltäglichen Leben erforderlich. Dies gilt v. a. für die Gesundheitsförderung und inklusive Forschungs- und Public-Health-Projekte. Nur so können die Beiträge der MmgB richtig eingeordnet und eine Überforderung verhindert werden.
Wegen der weitreichenden Folgen hinsichtlich des Umgangs mit MmgB und ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sollten die Forschungsergebnisse zudem durch weitere, umfangreichere qualitative und quantitative Studien überprüft werden.
Acknowledgments
Danksagung
Die Autorinnen bedanken sich herzlich bei allen Studienteilnehmer:innen und ihren Betreuungskräften, dass sie uns ihre Zeit für die Studie zur Verfügung gestellt haben.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
L. Habermann-Horstmeier und L. Breinlinger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen oder an menschlichem Gewebe wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Die vorliegende Studie wurde am 23.08.2021 von der Ethikkommission einer Hochschule in Deutschland genehmigt. Alle Studienteilnehmenden und ihren gesetzlichen Betreuer/-innen wurden umfassend über die Durchführung der Studie aufgeklärt, ihre Einwilligung zur Studienteilnahme wurde eingeholt.
Footnotes
Im folgenden Text mit I. abgekürzt.
Eine Person wies darauf hin, dass es Brillen mit Lesefeld gebe.
TENE: Tagesstätte für Erwachsene nach dem Erwerbsleben.
Nach dem SEO-Konzept entspricht SEO 4 in sozioemotionaler Hinsicht einem Referenzalter von 3 bis 6/7 Jahre, SEO 5 einem Referenzalter von 6/7 bis 12 Jahre [8, 13, 27].
Nur eine Probandin mit geringen Einschränkungen kannte die Bedeutung des Begriffs ‚Hospiz‘. Andere hatten ihn schon einmal gehört, konnten aber nicht genau sagen, was damit gemeint ist.
Personen mit frühen Stresserfahrungen, wie sie bei MmgB sehr häufig vorkommen, weisen oft strukturelle und funktionelle Gehirnveränderungen auf. Typisch ist z. B. eine Volumenreduktion im lateralen und medialen präfrontalen Kortex, der eine wichtige Rolle bei kognitiven und emotionalen Kontrollfunktionen spielt [20].
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