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. 2022 Dec 12;19(1):8–14. [Article in German] doi: 10.1007/s11428-022-00981-7

Schulungskonzepte mithilfe von Telemedizin in der pädiatrischen Diabetologie

Training concepts with telemedicine in pediatric diabetology

Sarah Biester 1,, Britta Klusmeier 1,
PMCID: PMC9743096

Abstract

The high level of technologization in the treatment of type 1 diabetes mellitus made it possible to provide outpatient care during the coronavirus pandemic with the help of video consultations. The increasing experience of families’ e‑learning in school or professional life and the structures created in practices and clinics to provide telemedical consultations has allowed the continued development of different training concepts in pediatric diabetology. The use is diverse and individual, such as having additional caregivers participate in a face-to-face training sessions, to jointly perform timely processing in the case of acute questions from parents through data analysis, or to avoid long travel distances to attend a consultation. Important for implementation is a structured approach with all necessary tools, a quiet workplace, and the expectation of the possible occurrence of technical problems on both sides. Backup contact by telephone is helpful. Telemedicine training concepts in diabetes counselling is a new exciting experience and complements the care of the entire family with a child or adolescent with diabetes mellitus and should be used and expanded in the future.

Keywords: Diabetes counseling; Insulin, automated delivery; Video education; Ambulatory care; Type 1 diabetes

Einleitung

Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV: gesetzliche Krankenversicherung) wurde festgelegt, dass auch Kontakte mit Patienten*innen telemedizinisch stattfinden können, wobei Telemedizin einen Kontakt zum Erkrankten durch Einsatz audiovisueller Kommunikationstechnologien trotz räumlicher Trennung bedeutet (bundesregierung.de). Während der coronabedingten Kontaktbeschränkungen stellte sich heraus, dass über diese Kontaktform verschiedene Themen der Diabetesberatung mit den Familien, Kindern und Jugendlichen besprochen werden können. In diesem Rahmen entstanden im Diabeteszentrum des Kinder- und Jugendkrankenhauses AUF DER BULT, in Orientierung an bestehenden Leitlinien und Schulungsprogrammen, unterschiedliche Schulungskonzepte mit Telemedizin.

Schulungskonzepte in der pädiatrischen Diabetologie

Diabetes mellitus Typ 1 bei Kindern und Jugendlichen bedeutet immer, die ganze Familie zu sehen und gemeinsam einen Weg aufzuzeigen, damit die Diagnose mit Zuversicht und Kraft verarbeitet werden kann.

Behandlungsleitlinien sind Orientierungshilfen und können dem interdisziplinären Team Struktur geben und eine evidenzbasierte Behandlung der Kinder und Jugendlichen sicherstellen.

Die Schulung der Familien, Kinder und Jugendlichen findet curricular mithilfe evaluierter Schulungsprogramme statt. Kinder im Alter von 6–12 Jahren erfahren die Inhalte und das Behandlungskonzept mit Hilfe des Diabetesbuch für Kinder und dessen Protagonisten Jan. Schritt für Schritt werden sie und ihre Familien im stationären Setting an die Therapie herangeführt. Das Behandlungs- und Schulungsprogramm für Jugendliche mit Diabetes mellitus besteht aus 4 Heften. Der Basisteil ermöglicht eine strukturierte Schulung bei Diagnosestellung, während die 3 Erweiterungen verschiedene Themen behandeln, die während der Entwicklung zwischen dem 12. und 18. Lebensjahr auftreten können und dann besprochen werden. Beide Schulungskonzepte beinhalten einen Lese- bzw. Vorleseanteil mit anschließenden Fragen am Ende. In der Beratung können anhand deren Beantwortung Inhalte nochmals wiederholt werden, und sie dienen als Überprüfung, ob das Besprochene und Gelesene verstanden wurden.

Die initiale Schulung sollte weiterhin persönlich stattfinden

Die initiale Schulung sollte sicherlich weiterhin persönlich stattfinden, um eine sofortige Verständigung für die Inhalten zu erhalten und den hohen praktischen Anteil, der zur Behandlung gehört, zu üben. Jedoch ist gerade die Therapie des Diabetes mellitus Typ 1 mittlerweile hoch technologisiert – durch automatische Insulinpumpensysteme, Glukosesensoren, digitale Pens und viele Apps, die Unterstützung bei der Ermittlung der Kohlenhydrate oder dem Errechnen der korrekten Insulinmenge bieten können. Die Technologien ermöglichen, dass die Therapie elektronisch sichtbar wird, was eine gute Voraussetzung ist, um telemedizinisch beraten und die Behandlung optimieren zu können.

Veränderungen der Schulungsform im Lockdown

Aufgrund der Coronapandemie musste innerhalb kürzester Zeit eine Lösung für die ambulante Behandlung chronisch Erkrankter gefunden werden. Persönliche Kontakte waren nicht möglich, aber die Entwicklung der Kinder und die damit verbundenen Anpassungen der Insulindosis fanden weiter statt. Mithilfe sicherer Arzt‑/Patientenportale konnte eine Videokonsultation stattfinden. Hierfür waren und sind verschiedene Vorbereitungen notwendig, auf die weiter unten eingegangen wird.

Während der Zeit des Lockdowns konnten die telemedizinischen Konsultationen nach Erfüllen bestimmter Voraussetzungen abgerechnet werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das jedoch nicht mehr ohne Beschränkungen möglich. Viele Familien und Jugendlichen wünschen jedoch weiterhin die Option einer Videosprechstunde, und auch die Einschränkungen der räumlichen Möglichkeiten mit ausreichend Abstand in den Praxis- oder Klinikräumlichkeiten führen dazu, dass die Telemedizin ein wichtiger Bestandteil in der Behandlung und Unterstützung von Familien mit einem Kind mit Diabetes mellitus Typ 1 ist. Zusätzlich ist es wichtig, die erlangte Kompetenz und die Ausarbeitung der Konzepte im Diabetesteam nicht zu verlieren, sondern zu stärken und zu verbessern.

Neben den pandemiebedingten Einschränkungen der Versorgung im ambulanten Bereich gab es im stationären Setting Vorschriften über die Anzahl der Begleitpersonen bei einer Aufnahme. Damit nicht nur 1 Elternteil die Schulung erhalten konnte, wurde das andere Elternteil via Video dazugeschaltet. In derartigen Fällen dient die Telemedizin als ergänzendes Tool.

Nachdem die Möglichkeit der Kontaktaufnahme per Video beim Diabetesteam und bei den Familien viel positive Resonanz fand und die Kontaktbeschränkungen bei Schulungen von Gruppen in Schulen, Kindergärten oder vulnerablen Gruppen (Großeltern) fortlaufend bestanden, kristallisierten sich weitere Ideen für telemedizinische Schulungskonzepte heraus. Verschiedene Möglichkeiten hierfür sind in der Infobox dargestellt.

Infobox Telemedizinische Möglichkeiten in der pädiatrischen Diabetesberatung

  • Ein Elternteil kann nicht anwesend sein und wird zur Schulung per Video dazugeschaltet.

  • Glukosekurven werden ausgewertet und erörtert; eine Insulinanpassung kann besprochen werden.

  • Individuelle Themen können behandelt werden, wie:
    • Schulung der AID-Funktion (AID: automatische Insulindosierung),
    • Klassenfahrt,
    • Verhalten bei Alkoholkonsum,
    • Wiederholung von Schulungsinhalten: Vermeidung einer diabetischen Ketoazidose, Verhalten bei Krankheit, Vorbereitung bei Sport.
  • Insulinpumpen können vorgestellt werden.

  • Informationen für Erzieher*innen, Lehrer*innen, Schul- oder Kindergartenassistenz, Großeltern können bereitgestellt und vermittelt werden.

Notwendige Voraussetzungen für Telemedizin

Um eine erfolgreiche telemedizinische Beratung bzw. Schulung durchzuführen, sind folgende Voraussetzungen notwendig:

Familie und Patient*in

  • Ein Computer mit Monitor oder ein Laptop müssen vorhanden sein. Das Smartphone ist meist nicht ausreichend, da das Display zu klein ist, um Präsentationen lesen oder Berichte zur Datenanalyse gut einsehen zu können.

  • Eine stabile Internetverbindung wird benötigt.

  • Familien und Patient*in müssen das Auslesen aller notwendigen Diabetesgeräte (Insulinpumpe, BZ-Messgerät [BZ: Blutzucker], Glukosesensoren) beherrschen.

  • Der persönliche Account ist mit der Klinik/Praxis verbunden, sodass die Daten einsehbar sind.

  • Die Umgebung zu Hause sollte möglichst ruhig sein, damit die Kommunikation nicht durch Geräusche beeinflusst wird.

  • Die Telefonnummer der Diabetesberatung muss griffbereit sein, um bei Ton- oder Internetstörungen bzw. Unterbrechungen schnell Kontakt aufnehmen zu können.

Diabetesberater*in

  • Ein ruhiger Raum mit Tür stellt sicher, dass sensible Daten nicht von Anderen zu hören sind.

  • Es wird ein sicheres Arzt‑/Patientenportal benötigt.

  • Ein stabiles Internet ist Voraussetzung.

  • Optimal sind 2 verstellbare Monitore mit Kamera.

  • Die Sitzposition sollte vorher getestet werden, damit die zugeschaltete Person die Anwesenden auch sehen kann.

  • An alle Teilnehmenden sollten elektronische Einladungen versendet werden.

  • Es muss ausreichende Vor- und Nachbereitungszeit eingeplant werden.

  • Notwendige Materialien sollten bereitgelegt werden, damit man nicht aufstehen muss und aus dem Sichtbereich verschwindet.

  • Es sollten Präsentationen zum Thema aufgerufen werden (eigene Erstellung zu den Themen möglich, bei gerätespezifischen Schulungen den Hersteller um Unterstützung bitten).

  • Schriftliches Schulungsmaterial sollte der eingeladenen Person vorher zugesandt werden.

  • Die Telefonnummer der Patient*in sollte griffbereit sein.

  • Vor der ersten Durchführung empfiehlt sich ein Testlauf mit Kolleg*innen, um die Ansicht, die Dauer, bis die Verbindung aufgebaut ist, und den Ton zu prüfen.

Durchführung einer Hybridschulung

Es kann verschiedene Gründe geben, warum ein Elternteil möglicherweise nicht mit an der Schulung vor Ort teilnehmen kann: Betreuung von Geschwisterkindern, Quarantäne, weite Distanz zur Klinik und keine Möglichkeit, täglich zu pendeln, Patchworkfamilien. Da die Schulungskapazität in der Diabetesberatung begrenzt ist und doppelte Schulungen kaum machbar sind, ist es hilfreich, weitere Personen, die das Kind oder den Jugendlichen begleiten, mit einzuladen (Abb. 1). Natürlich können praktische Aspekte nur vor Ort geübt werden, jedoch sind die gesprochenen Inhalte für beide Parteien identisch.

  • Zu Beginn der Beratung sollte darauf hingewiesen werden, dass die Personen, die vor Ort sind, als Hauptansprechpartner*in gelten. Das ist wichtig, damit die Diabetesberatung nicht immer zwischen Bildschirm und anwesenden Personen hin und her schauen muss. Die Konzentration liegt bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen und der anwesenden Betreuungsperson vor Ort.

  • Verständnisfragen können sofort gestellt werden, sodass nicht ein Elternteil dem anderen die Inhalte übermitteln muss. Gerade in Situationen der Erstschulung bei Manifestation sind die Aufnahmekapazitäten der Eltern durch die schockierende Diagnose oft begrenzt.

  • Schriftliches Schulungsmaterial kann vorab per E‑Mail zugesandt werden.

  • Praktische Übungen (z. B. Vorbereitung und Injektion mit dem Pen) werden vor Ort geübt und mittels der Videokonsultation beobachtet.

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Beratung bei akuten Problemen

Bei der Schulung zur Datenanalyse bei akuten Problemen, wie z. B. hyperglykämischen Phasen oder wiederholten hypoglykämischen Episoden, handelt es sich meistens um einen ungeplanten Kontakt. Der Betroffene oder dessen Eltern nehmen Kontakt per Telefon oder E‑Mail mit dem Krankenhaus bzw. der Praxis auf und erbitten Hilfe. Auch in solchen Fällen sind eine Vorbereitung und ein strukturiertes Vorgehen wichtig.

Um eine konkrete Bearbeitung zu gewährleisten, sollten folgende Punkte vorab durch den Betroffenen/dessen Eltern mitgeteilt werden:

  • Name und Geburtsdatum des Patienten,

  • Informationen zur Diabetestherapie,

  • ob ein Datenupload erfolgte und wenn ja, über welche Software,

  • konkrete Fragestellung.

Die Diabetesberatung kann dann eine Kontaktaufnahme vorschlagen, und eine Videokonsultation mit elektronischer Einladung kann erfolgen.

Bei technischen Problemen mit den Systemen oder beim Hochladen der Daten wird konsequent auf die Hotline der zuständigen Firmen verwiesen.

Der Diabetesberater*in evaluiert vor der Kontaktaufnahme die hochgeladenen Daten/das Problem. Zu Beginn derselben besprechen dann beide Parteien die zu analysierenden Daten, um konkret das Problem herauszustellen. Während des telemedizinischen Kontaktes sollte mit der Familie und ggf. dem Patient*in zusammen die Lösung erarbeitet werden, damit es ein Verständnis für die mögliche Änderung im Insulintherapieplan gibt und in Zukunft vielleicht selbstständige Anpassungen durchgeführt werden können. Das gemeinsame Besprechen der Berichte kann auch simple Änderungen, wie z. B. die Bolusabgabe vor dem Essen, verständlicher machen und so zu einer Verbesserung führen.

Gerade in der Pädiatrie ist es notwendig, den Familien die Möglichkeit zur kurzfristigen Kontaktaufnahme zu geben, da bei Kindern immense Veränderungen im Insulinbedarf möglich sind, wenn Entwicklungssprünge stattfinden. Die reguläre Kontrolle der Entwicklung und die Überprüfung der Stoffwechseleinstellung mittels HbA1c (Glykohämoglobin) finden allerdings weiterhin zu den regelmäßigen Ambulanzbesuchen statt. Vorteile solcher akuter Schulungen sind eine schnelle Kontaktaufnahme und Bearbeitung der Fragestellung. Sie geben den Familien Sicherheit, gerade in der ersten Zeit zu Hause nach der Diagnose. Probleme werden zeitnah bearbeitet und nicht vergessen, wenn der Ambulanzkontakt möglicherweise erst in einigen Wochen stattfindet. Akute Stoffwechselveränderungen und mögliche Komplikationen werden erkannt und verhindert.

Vorteile akuter Videoschulungen sind die schnelle Kontaktaufnahme und rasche Behandlung des Problems

Als Nachteil kann sich ergeben, dass die Familien ständig eine Rückversicherung einfordern und „kurz eine E‑Mail schreiben“. Die Bearbeitung der dann entstehenden Menge der Anfragen ist sehr zeitaufwendig und stört den regulären Ablauf.

Schulung der Systeme zur automatischen Insulindosierung (AID)

Die zunehmende Technologisierung der Diabetestherapie bringt neue Themen mit sich:

  • Was ist eine Software zum Auslesen der Geräte?

  • Wie setzte ich den Upload der Insulinpumpe um?

  • Was mache ich mit den Informationen?

Es müssen erst einige Tage vergehen, damit AID-Systeme Daten zu Verfügung stellen, die eine Auswertung möglich machen. Weiterhin können einige dieser Systeme erst nach einer sog. Aufwärmphase die automatische Abgabe starten. Die Charakteristika der AID-Funktion können sehr gut in einem telemedizinischen Kontakt geschult werden (Abb. 2). Diesem muss eine technische Einweisung in das Insulinpumpensystem mit Glukosesensor vor Ort vorausgegangen sein. Je nach Voraussetzungen der Familie mit dem Kind findet diese mehrere Tage stationär, teilstationär oder ambulant statt.

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Beim telemedizinischen Termin werden zuerst die hochgeladenen Daten zusammen angesehen und besprochen. Anhand dieser Informationen können Veränderungen einzelner Parameter festgelegt und Fragen gestellt werden, wie die Familie und das Kind/der Jugendliche mit dem System im Alltag zurechtgekommen sind.

Die Schulung zur AID-Funktion kann durch eine Präsentation unterstützt werden, die von den Herstellern zur Verfügung gestellt werden sollte. Solche Präsentationen geben einen strukturierten Ablauf vor, und alle Details der Funktionen werden besprochen. Wenn die AID-Funktion dann gestartet wird, kann die Pumpe zur Überprüfung in die Kamera halten werden. Nach Ende des Kontakts werden die Daten der Insulinpumpe erneut hochgeladen, und alle besprochenen Veränderungen können durch den Diabetesberater*in kontrolliert werden.

Diese Art von Schulungsmodulen hat sich in letzter Zeit bewährt. Für die Familien entstehen keine Anfahrtszeiten in die Klinik. Das Üben des Uploads und das Analysieren der Daten mittels elektronischer Berichterstattung werden erlernt. Der Diabetesberater*in erklärt die einzelnen Inhalte der Software und welche sinnvoll sind, um die Therapie zu überprüfen. Die Erfahrung, auf diese Weise Kontakt mit dem Diabetesteam aufnehmen zu können, schafft für die Familien Sicherheit.

Beratung zu individuellen Themen

Eine weitere Möglichkeit, den telemedizinischen Kontakt zu nutzen, sind Schulungen zu individuellen Themen, wie z. B. Klassenfahrt, Zeitverschiebung bei Fernreisen, Aktivurlaub, Ketoazidose.

Hierbei ist es sinnvoll, Merkblätter mit allen wichtigen Informationen zu dem jeweiligen Thema zu erstellen. Diese können als Tool individuell eingesetzt werden. Sie werden während der telemedizinischen Schulung gezeigt bzw. der Familie vorab per E‑Mail zugesandt. Das ist die Basis, um speziell auf die Bedürfnisse des Erkrankten eingehen und Fragen bearbeiten zu können. Werden Einstellungen in der Insulinpumpe verändert, können diese durch das Hochladen der Systemdaten in die jeweilige Datenbank kontrolliert werden.

Vorstellung von Insulinpumpensystemen

Durch die Weiterentwicklung der Technologien im Bereich Diabetes sind Modelle von Insulinpumpen und Glukosesensoren für Kinder/Jugendliche von unterschiedlichen Herstellern auf dem Markt verfügbar. Um die Kinder und Jugendlichen und deren Eltern bei der Entscheidung für ein System zu unterstützen, können diese an einer Schulung zu Insulinpumpen teilnehmen. Im ersten Teil derselben wird die allgemeine Handhabung der Insulinpumpe und des Glukosesensors erklärt. Dabei wird auf die Funktionsweise der Insulinpumpe, des AID-Systems, das Tragen des Katheters und den Nutzen im Alltag eingegangen. Im weiteren Verlauf der Schulung werden den Kindern und Jugendlichen und deren Eltern die Schritte der Beantragung und das Vorgehen zur Anlage des Insulinpumpensystems erklärt. Im letzten Teil wird auf die einzelnen Insulinpumpenmodelle eingegangen. Hierbei werden jedes Modell einzeln vorgestellt und die unterschiedlichen Funktionen erklärt. Für welches Modell sich das Kind bzw. der Jugendliche entscheidet, ist individuell.

Bei der Schulung zur Insulinpumpenvorstellung kann man 2 Gruppen unterscheiden:

  • Gruppen mit bestehender CSII-Therapie (CSII: kontinuierliche subkutane lnsulininfusion) und

  • mit ICT (intensivierte konventionelle Insulintherapie) Behandelte.

Es empfiehlt sich, diese beiden Gruppen getrennt zu schulen, da das Wissen über die CSII-Therapie sehr unterschiedlich ist. Die Schulung kann dabei einzeln oder in einer Gruppe stattfinden.

Grundlegende Informationen zur Insulinpumpentherapie werden in einer Präsentation bereitgestellt

Alle grundlegenden Informationen der Insulinpumpentherapie und die verschiedenen Pumpenmodelle werden in einer Präsentation bereitgestellt. Viele Bilder schaffen die Möglichkeit, dass sich die Familie und das Kind oder der Jugendliche die Systeme besser vorstellen können. Auch hier kann wieder auf Informationsmaterial der jeweiligen Hersteller zurückgegriffen werden. Zusätzlichen können Demonstrationspumpen in die Kamera gehalten bzw. eine Dokumentenkamera verwendet werden. Hierbei können Vergleichsobjekte, z. B. ein 2‑€-Stück, verwendet werden, um die Größen der Katheter zu veranschaulichen. Auch der Hinweis auf entsprechende Internetseiten und Apps der Hersteller ist hilfreich. Mit diesem Vorgehen können die Größe und das Aussehen eines Infusionssets besser vorgestellt werden.

Dieses Schulungskonzept setzte sich jedoch nicht durch, sodass die Vorstellungen meistens wieder vor Ort durchgeführt werden. Als großen Nachteil gaben die Kinder und Jugendlichen mit ihren Familien an, dass das Anfassen der Modelle („Pumpe mal in die Hosentasche stecken“) und das Legen eines Katheters zur Entscheidungsfindung notwendig sind.

Schulung von Betreuungspersonen

Teilhabe ist gerade für Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes besonders wichtig. Der Besuch eines Kindergartens, das Training im Sportverein sowie der Schulbesuch mit voller Konzentration auf die Inhalte des Unterrichts sollten hier im Vordergrund stehen. Damit die Kinder in der Therapie unterstützt werden bzw. diese im Notfall von den Erzieher*innen, Lehrer*innen, Trainer*innen und Schul- oder Kindergartenassistenz übernommen werden kann, sind eine Information und Schulung notwendig. Neben Schulungen vor Ort in den Einrichtungen oder mit Einzelpersonen in der Klinik erwies sich auch hier eine telemedizinische Möglichkeit als sehr hilfreich. Fast alle Berufsgruppen haben in der Phase des Lockdowns Besprechungen und Informationsveranstaltungen als Webinare kennengelernt und können sich so auch eine Fortbildung zum Thema Diabetes gut vorstellen. Außerdem ist es ein enormer zeitlicher Gewinn auf Seiten der Diabetesberatung, weil die z. T. weit entfernten Einrichtungen nicht persönlich besucht werden müssen.

Zur Vorbereitung erstellt die Diabetesberatung eine Präsentation mit folgenden Inhalten.

  • Diabetes mellitus Typ 1 und Unterschied zum Typ 2

  • Insulintherapie mit dem Pen oder einer Pumpe

  • Glukosesensoren

  • Ernährung

  • Unter- und Überzuckerung

  • Während der Schulzeit: handeln, unterstützen, begleiten

Diese Präsentation dient als Struktur. Um eine lebhafte Beratung zu ermöglichen, sollten Fragen immer zugelassen sein. Besonders wichtig ist die Individualisierung der Präsentation. Im Vorfeld sollten die Therapie des Kindes und die Art des Glukosesensors betrachtet werden, um dann in der Schulung entsprechende Bilder und Bespiele zeigen zu können. Grundfolien zu den allgemeinen Themen sind immer gleich, aber die Bilder der Insulinpumpe, des Pens, des Sensors usw. können ausgetauscht werden. Wichtig ist auch, die Maßeinheit der Glukose (mg/dl oder mmol/l) vorab zu klären und auf die Folien zu übernehmen. Mittlerweile entstanden auf diese Weise viele Präsentationen mit allen Kombinationen, und jeder Kolleg*in hat Zugang dazu.

Wenn alle Teilnehmer*innen anwesend sind, werden Regeln, wie z. B. Ton an oder aus, besprochen, um Störungen durch Umgebungsgeräusche zu minimieren.

Fazit für die Praxis

  • Telemedizin ist eine sehr gute ergänzende Möglichkeit, Familien mit Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes zu beraten.

  • Bestimmte strukturelle Voraussetzungen sind notwendig, um Telemedizin durchführen zu können.

  • Telemedizin ist ein ergänzendes Tool in der ambulanten und stationären Diabetesberatung.

  • Schulungsmaterialien müssen in elektronischer Form vorhanden sein, erstellt oder von den Herstellern bereitgestellt werden.

  • Die Möglichkeit, telemedizinische Beratungen zu erhalten, sollte allen Familien und deren Kinder und Jugendlichen zur Verfügung stehen.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt

S. Biester und B. Klusmeier geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Für diesen Beitrag wurden von den Autorinnen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.

Footnotes

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Contributor Information

Sarah Biester, Email: sarah.biester@hka.de.

Britta Klusmeier, Email: britta.klusmeier@hka.de.


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