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. 2016 Jun 14:994–997. [Article in German] doi: 10.1007/978-3-662-50444-4_71

Hypothermie

Reinhard Larsen 4,
PMCID: PMC7531394

Abstract

Die Funktionen des Körpers hängen in engen Grenzen von einer normalen Körpertemperatur ab. Die Körpertemperatur entsteht durch die Aktivität des Stoffwechsels. Sie beträgt im Körperkern 36,5–37,5°C rektal. Die Temperatur ist nicht an allen Stellen des Körpers gleich, vielmehr besteht ein Wärmegefälle vom Körperkern zur Körperschale. Die Temperatur der Körperschale wechselt je nach Durchblutung und Bluttemperatur, während die Kerntemperatur konstant bleibt. Die Körpertemperatur ist in gewissen Grenzen von der Außentemperatur unabhängig. 28°C ist die Indifferenztemperatur für einen unbekleideten Erwachsenen. Bei dieser Temperatur kann er seine Körpertemperatur ohne zusätzliche Stoffwechselregulationen aufrechterhalten.


Die Funktionen des Körpers hängen in engen Grenzen von einer normalen Körpertemperatur ab. Die Körpertemperatur entsteht durch die Aktivität des Stoffwechsels. Sie beträgt im Körperkern 36,5–37,5°C rektal. Die Temperatur ist nicht an allen Stellen des Körpers gleich, vielmehr besteht ein Wärmegefälle vom Körperkern zur Körperschale. Die Temperatur der Körperschale wechselt je nach Durchblutung und Bluttemperatur, während die Kerntemperatur konstant bleibt. Die Körpertemperatur ist in gewissen Grenzen von der Außentemperatur unabhängig. 28°C ist die Indifferenztemperatur für einen unbekleideten Erwachsenen. Bei dieser Temperatur kann er seine Körpertemperatur ohne zusätzliche Stoffwechselregulationen aufrechterhalten.

Wärmeregulation

Der Körper hält seine Temperatur durch folgende Mechanismen konstant:

Chemische Wärmeregulation

Sie schützt durch eine Steigerung des Stoffwechsels vor Unterkühlung. Die Stoffwechselreaktion setzt bei 24°C Lufttemperatur ein. Wichtigste äußere Zeichen sind: Muskelzittern und „Gänsehaut“.

Physikalische Wärmeregulation

Sie schützt durch vermehrte Wärmeabgabe vor Überwärmung. Die Wärmeabgabe geschieht durch Leitung, Strahlung und Verdunstung von der Körperoberfläche. Bei bewegter Luft (Ventilator) nehmen die Verluste durch Leitung erheblich zu. Durch Verdunstung von Schweiß wird dem Körper ebenfalls Wärme entzogen. Die Kombination mit einem Ventilator steigert zusätzlich die Wärmeabgabe.

Hypothermie

Definition und Klassifikation

Hypothermie

Hypothermie ist ein Abfall der mittleren Körperkerntemperatur auf unter 36°C. Die klinische Grenze wird allerdings bei einer Kerntemperatur von 35°C angesetzt. Eine absichtlich herbeigeführte Unterkühlung wird als induzierte Hypothermie bezeichnet, eine unbeabsichtigte als akzidentelle.

Klassifikation

Nach der Tiefe der Kerntemperatur können folgende Hypothermiegrade unterschieden werden:

  • Milde oder leichte Hypothermie: 35–32°C,

  • mäßige Hypothermie: 32–28°C,

  • schwere Hypothermie: ≤28°C.

Ein Abfall der Körpertemperatur unter 32°C gilt als medizinischer Notfall.

Nach der Dauer wird eine Hypothermie als akut (wenige Stunden), verlängert (mehrere Stunden) und chronisch (Tage–Wochen) bezeichnet.

Pathophysiologie und klinische Zeichen

Der gefährliche Grenzbereich einer Unterkühlung liegt bei 31–32°C Kerntemperatur. Oberhalb dieser Temperatur setzen Gegenregulationsmechanismen ein, um die Körperkerntemperatur aufrechtzuerhalten. Dies sind das Muskelzittern und die Umverteilung des Blutstromes von der Körperschale zum Körperkern. Unterhalb dieser Temperaturen versagen die Regulationsmechanismen: Die Körpertemperatur fällt weiter ab. Zwischen 30 und 27°C löst zunehmende Muskelsteife das Muskelzittern ab.

Herz-Kreislauf-System

Zunächst tritt eine ausgeprägte kompensatorische Konstriktion der peripheren Gefäße auf, später erweitern sich die Gefäße wieder und der Wärmeverlust nimmt zu:

  • Herzfrequenz, HZV und O2-Verbrauch des Herzens sinken ab.

  • Im EKG bestehen ein verlängertes PR-Intervall, Verbreiterung des QRS-Komplexes und ST-Hebung.

  • Unter 30°C treten Herzrhythmusstörungen auf.

  • Bei Temperaturen zwischen 20 und 30°C droht Kammerflimmern.

  • Der Blutdruck ist häufig stark erniedrigt.

  • Meist besteht eine Hypovolämie, vorwiegend bedingt durch eine kälteinduzierte Diurese.

Atmung

Mit zunehmendem Temperaturabfall nehmen Atemfrequenz und Atemtiefe ab. Bei 24°C hört die Atmung in der Regel auf.

Zentrales Nervensystem

Durch den Abfall der Körpertemperatur wird die Funktion des ZNS gedämpft. Die motorische Aktivität nimmt ab, der Unterkühlte wird still:

  • bei 33°C treten Bewusstseinsstörungen auf, bei 30°C Bewusstlosigkeit.

  • Hirnschäden entstehen durch die Unterkühlung vermutlich nicht.

Grundsätze für die Behandlung von Unterkühlten

  • Überwachung: kontinuierliche Messung der Körperkerntemperatur, EKG-Monitor, Pulsoxymeter, direkte arterielle Blutdruckmessung, ZVK bei tiefer Hypothermie, Blutgasanalysen, Blutzucker (Normbereich anstreben), Elektrolyte (Normbereich anstreben), Laktat, CK (wegen möglichen Muskelzerfalls).

  • Bei tiefer Hypothermie und Kreislaufstillstand zunächst Reanimation. Die Hypothermie senkt den Stoffwechsel so stark, dass selbst in scheinbar aussichtslosen Situationen eine Wiederbelebung nach Erwärmung erfolgreich sein kann. Reanimation während der Aufwärmung mindestens 1 h lang fortsetzen! Kammerflimmern bei 28–30°C kann meist nicht durch Defibrillation beseitigt werden. Vasoaktive Substanzen sind entweder nicht wirksam oder gefährlich (Kumulationsgefahr) und sollten daher in diesem Stadium nicht gegeben werden (10.1007/978-3-662-50444-4_46). Am effektivsten ist die Wiedererwärmung mit der extrakorporalen Zirkulation.

  • Bei hypothermem Koma: Immer endotracheale Intubation wegen der Aspirationsgefahr. Wenn erforderlich, maschinelle Beatmung. Hierbei ist der Ventilationsbedarf wegen des reduzierten Stoffwechsels vermindert.

  • Sofortiger Schutz vor weiteren Wärmeverlusten durch Decken; Immobilisierung.

  • Bei Temperaturen ≥30°C: aktive Wiedererwärmung in warmer Umgebungstemperatur, z. B. mit konvektiven Wärmedecken. Keine rasche Erwärmung der Oberfläche (z. B. mit Strahlen) durchführen. Kältezittern und damit Steigerung des Stoffwechsels vermeiden.

  • Bei Temperaturen <30°C und erhaltener Herz-Kreislauf-Funktion: Aktive Erwärmung. Am wirksamsten ist die innere Erwärmung mit extrakorporalen Verfahren. Hierzu gehören: Hämodialyse/-filtration, venovenöse und arteriovenöse Wärmetherapie, ECMO und kardiopulmonaler Bypass. Andere Methoden: Warmluftzufuhr mit Wärmegeräten, Magen- und Blasenspülungen mit warmen Infusionslösungen. Angewärmtes und angefeuchtetes Atemgas ist kaum temperatursteigernd wirksam.

  • Komplikationen bei der extrakorporalen Aufwärmung: Kammerflimmern, periphere Vasodilatation mit Blutdruckabfall, lokale Verbrennungen (besonders bei schlecht durchbluteter Haut), Hirnblutungen durch hypothermiebedingte Gerinnungsstörungen (Heparingabe).

Induzierte Hypothermie

Induzierte Hypothermie

Die künstliche Hypothermie ist eine absichtliche Senkung der Körpertemperatur, meist auf Temperaturen zwischen 36–32°C.

Indikationen

Im Rahmen der Intensivbehandlung gelten als mögliche Indikationen für eine induzierte Hypothermie:

  • Zustand nach Reanimation (10.1007/978-3-662-50444-4_46),

  • Hyperpyrexie nach Schädel-Hirn-Trauma und intrakraniellen Eingriffen,

  • Hyperpyrexie anderer Genese,

  • zerebrale Hypoxie.

Erwünschter Effekt bei der Unterkühlung ist die Senkung des Stoffwechsels, beim Gehirn eine hirnschützende Wirkung nach Kreislaufstillstand und anderen Formen der zerebralen Hypoxie.

Methoden zur Kühlung

Zahlreiche Methoden zur induzierten Hypothermie sind entwickelt worden. Auf Intensivstationen wird am häufigsten die Oberflächenkühlung angewandt. Auch hierfür stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung.

Wadenwickel/Alkoholwickel

Dies ist die einfache Form der Oberflächenkühlung . Hierbei werden Wasser- oder Alkoholwickel locker um die Extremitäten gelegt. Die Wärmeabgabe erfolgt durch Verdunstung. Kombination mit einem Ventilator steigert den Effekt. Die Wickel müssen immer feucht gehalten werden! Das Verfahren wird v. a. zur Fiebersenkung eingesetzt.

Eisbeutel

Bei dieser Methode werden Eisbeutel auf Regionen gelegt, in denen größere Arterien unmittelbar unter der Haut verlaufen, so z. B. in Achselhöhlen, Leistenbeugen, Herzregion, Hals. Die Eisbeutel dürfen niemals direkt auf die Haut gelegt werden, damit keine Kälteschäden auftreten. Häufig werden statt Eisbeuteln auch spezielle Kühlelemente (Eisakkus) eingesetzt. Auch diese Methode dient v. a. der Fiebersenkung.

Kühlgeräte und Kühlmatten

Mit diesen Geräten können die Patienten abgekühlt und erwärmt werden. Hierzu wird der Patient zwischen die schlafsackartige Kühlmatte gelagert. Die Kühlflüssigkeit in der Matte besteht aus Aqua dest. mit Frostschutzmittel. Die Kühlung erfolgt über ein Kühlaggregat. Der Temperaturbereich der Flüssigkeit liegt zwischen 3 und 43°C.

Interne Kühlung

Zu den einfachen Verfahren der inneren Kühlung gehört die Zufuhr kalter Infusionslösungen (4°C). Hierbei gelten bis zu 30 ml/kgKG innerhalb von 60–180 Minuten als effektiv und sicher. Bei Herzkranken kann diese Infusionsmenge allerdings eine kardiale Dekompensation auslösen.

Am besten steuerbar ist die endovaskuläre Kühlung über spezielle Kühlkatheter. Sie werden über die V. jugularis interna, V. subclavia oder V. femoralis bis zum rechten Vorhof vorgeschoben. Durch den Katheter wird kaltes, steriles Wasser geleitet, das den Patienten „von innen“ abkühlt. Die Vorlauftemperatur und die Vorlaufmenge der Kühlflüssigkeit werden – je nach Körperkerntemperatur – automatisch geregelt.

Ausschaltung der Gegenregulation

Bei allen Methoden der Oberflächenkühlung muss die Gegenregulation des Körpers durch entsprechende Sedierung des Patienten ausgeschaltet werden.

Zeichen der nachlassenden Wirkung sind: Tachykardie, motorische Unruhe, Muskelzittern.

Contributor Information

Collaborators: Tobias Fink and Tilmann Müller-Wolff

Nachschlagen und Weiterlesen

  • [1].Lebiedz P, Oberfeld J, Waltenberger J. Therapeutische Hypothermie in der Intensivmedizin. Intensivmed up2date. 2012;8:157–165. doi: 10.1055/s-0032-1310031. [DOI] [Google Scholar]

Internet

  • [2].AWMF (2014) S3-Leitlinie Vermeidung von perioperativer Hypothermie. www.awmf.org
  • [3].DGBMT (2013) VDE-Positionspapier. Akzidentelle Hypothermie – Diagnose, Prävention und Therapie. www.vde.com/de
  • [4].DGAI (2004). Hypothermie bei Schädel-Hirn-Trauma. Mitteilung des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Neuroanästhesie der DGAI. www.bda.de/docman/

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