Abstract
Der Einschlag des im Durchmesser 14 km messenden Asteroiden vor 66 Millionen Jahren auf unserem Planeten kam urplötzlich – und hatte gravierende Folgen 1 . Geologisch hinterließ er im Durchmesser den 180 km messenden Chicxulub-Krater auf der mexikanischen Halbinsel Yukatan, biologisch war er der Anfang vom Ende der Dinosaurier. Von diesen „schrecklichen Echsen“ (griechisch: „deinos sauros“) stammen die beindruckend großen Fossilien, welche heute in Naturkundemuseen weltweit zu bestaunen sind. Das mit diesem Ereignis verbundene Sterben von drei Vierteln aller Arten – nicht nur bei den Sauriern – als Folge eines globalen Winters und einer anschließenden anhaltenden Abkühlung erstreckte sich vermutlich über Tausende von Jahren. Es markierte den Übergang von der Kreidezeit in ein neues Erdzeitalter, welches insbesondere den Säugetieren neue ökologische Nischen zur weiteren erfolgreichen Entfaltung bot. Es war das fünfte massenhafte Artensterben innerhalb der letzten 500 Millionen Jahre gewesen. Deren Auslöser waren neben dem beschriebenen Asteroideneinschlag (Ereignis fünf) eine rasche alternierende Abfolge von Kalt- und Warmzeiten (Ereignis eins), eine globale Kaltzeit infolge der Besiedlung des Landes durch Pflanzen (Ereignis zwei), intensive vulkanische Aktivitäten mit Übersäuerung durch Kohlendioxid und Schwefelwasserstoffe zu Lande und zu Wasser (Ereignis drei) sowie tiefseeische Vulkanausbrüche mit globaler Erwärmung und chemischen Veränderungen in den Ozeanen (Ereignis vier) 2 .
Handelt es sich hier nur um interessantes Wissen aus dem akademischen Elfenbeinturm oder um Wissen mit praktischer Relevanz auch für die Menschheit im 21. Jahrhundert unserer Zeitrechnung und konkret auch für das Gesundheitswesen? Wohl Letzteres. Klimamodelle, welche für geologische Großereignisse wie Vulkaneruptionen konzipiert wurden, lassen sich hinsichtlich möglicher Konsequenzen auch auf die Folgen der zunehmenden Konzentration von anthropogenen, von Menschen gemachten Treibhausgasen in unserer Atmosphäre anwenden und – dem Himmel sei’s geklagt – auch auf andere menschengemachte „Sonnenlicht-blockierende Ereignisse“, wie die klimatischen Folgen eines Nuklearkriegs 3 4 . Die Problemstellung eines anthropogenen nuklearen Klimawandels wäre zwar wiederum ein Ereignis von sehr plötzlicher Natur, gleichzeitig ist die Beschäftigung mit dessen Prävention langfristig geboten. Bezogen auf eine mögliche nukleare Katastrophe haben Ärztinnen und Ärzte in der Vergangenheit in verschiedener Weise Stellung bezogen. Die sich in Folge einer Initiative der Kardiologen Bernard Lown (USA) und Jewgenji Tschasow (UdSSR) organisierende Ärztevereinigung „International Physicians for the Prevention of Nuclear War“ (IPPNW) erhielt in Anerkennung ihrer Arbeit 1985 den Friedensnobelpreis.
Doch auch ohne Bezug zu einer solchen nuklearen Katastrophe wurde die These aufgestellt, dass wir uns derzeit am Beginn eines sechsten globalen Artensterbens befinden, diesmal als Folge eines sich vergleichsweise langsam entwickelnden Geschehens mit ebenfalls überwältigendem Katastrophenpotential 5 . Als dem zu Grunde liegend wird ein „Anthropozän“ postuliert, ein vom Menschen (griechisch: anthropos) und seinen Aktivitäten geprägtes neues Erdzeitalter mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die menschliche und planetare Gesundheit 6 . Die „Kommission zu Planetarer Gesundheit“ von Lancet und Rockefeller-Stiftung stellte dazu 2016 ernüchternd fest, dass die durchaus gegebenen ökonomischen und auch gesundheitlichen Fortschritte der menschlichen Entwicklung der letzten zwei Jahrhunderte mit einer „Kreditaufnahme“ auf Kosten der natürlichen planetaren Lebensgrundlage kommender Generationen verbunden sind. Die Folgen dieser in Teilen fehlgeleiteten Entwicklung treten dabei u. a. als Klimawandel in Erscheinung, als Übersäuerung der Ozeane, als Bodendegradation, Wasserknappheit, Überfischung und Verlust der Biodiversität. Die ungerechte Verteilung der Lebenschancen, Ineffizienzen der Produktion und Distribution von Lebensmitteln und anderen Gütern und deren fehlende Nachhaltigkeit fallen dabei aktuell in negativer Verstärkung mit einem globalen Bevölkerungswachstum zusammen.
Als drei große Herausforderungen für den Umgang mit dieser Problemstellung benennt die Kommission: (1) die Herausforderungen an die menschliche Vorstellungskraft , welche sich z. B. in fehlerhaften Messgrößen für den Fortschritt wie dem aktuellen Bruttosozialprodukt ohne Berücksichtigung externalisierter zukünftiger Effekte ausdrücken, (2) die Herausforderungen an Forschung und entscheidungsbegründende Informationen , welche die sozialen und umweltbezogenen Ursachen von Gesundheit und Krankheit und Unsicherheiten des Wissens nicht genügend berücksichtigen und (3) die Herausforderungen für die politische Steuerung und Lenkung , welche speziell die Zögerlichkeit institutionellen Regierungshandelns bei Restunsicherheit und größeren Zeitintervallen zwischen Ursachen und ihren Wirkungen betrifft. Eine Lösung dieser Problemstellung ist nach Ansicht dieses Kommissionsberichts grundsätzlich möglich, würde jedoch unter anderem eine Neudefinition von Wohlstand bedingen, welche auf die Förderung der Lebensqualität und ein Mehr an „Gesundheit für alle“ fokussiert, zusammen mit einer expliziten und konsequenten Rücksichtnahme auf die Intaktheit der natürlichen Ökosysteme. Dafür wären u. a. Nachhaltigkeit und Fairness in Bezug auf konsumierte Ressourcen erforderlich, ein Rückgang des Bevölkerungswachstums sowie eine gerichtete Investition in Technologien mit transformativem Potential.
Wie ist der aktuelle Sachstand dazu? Seitens des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) wurde 1988 das „ Intergovernmental Panel on Climate Change “ (IPCC, deutsch: Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) ins Leben gerufen, welches auch als „Weltklimarat“ bezeichnet wird. Neben verschiedenen Sonderberichten wurden seither sechs Sachstandsberichte erstellt, zuletzt für die Jahre 2021–2023. Im für Entscheidungsträger gedachten Synthesebericht zum sechsten Sachstandsbericht ist zunächst nüchtern ein weiterer Anstieg der globalen Erwärmung im Jahrzehnt 2011–2020 auf einen Wert von 1,1 Grad Celsius gegenüber dem Mittel der Jahre 1850–1900 sowie ein weiterer Anstieg der Treibhausgas-Emissionen festgehalten, wenn auch in der Wachstumsgeschwindigkeit gegenüber dem vorherigen Jahrzehnt halbiert. Der mögliche Einfluss von natürlichen solaren oder vulkanischen Aktivitäten wird auf +/- 0,1 Grad Celsius geschätzt, die natürliche Schwankungsbreite des Klimas wird mit +/- 0,2 Grad Celsius für einen 10-Jahreszeitraum angegeben. Vier Fünftel der Treibhausgas-Emissionen entstammen den Sektoren Energieerzeugung, Transport, Industrie und Wohngebäude, das restliche Fünftel den Sektoren von Land- und Forstwirtschaft oder anderweitiger Landnutzung 7 .
Eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch Auswirkungen des Klimawandels in den natürlichen und den sozioökonomischen Systemen wird sowohl hinsichtlich der körperlichen als auch der psychischen Gesundheit gesehen. Dazu gehören direkte körperliche und seelische Auswirkungen durch Hitzewellen, Brände und Extremwetterereignisse und die erweiterten Lebensräume von Erregern übertragbarer Krankheiten einschließlich der Cholera und ihrer Reservoire bzw. Vektoren. Hinzu kommen die indirekten gesundheitlichen Auswirkungen einer regional beeinträchtigten Nahrungsmittelproduktion wie auch die Beeinträchtigung der Lebensmittelsicherheit bei Lagerung, Distribution und Zubereitung, die Auswirkungen von schwerem Wassermangel bei Dürre und von Erregereinschwemmungen in die Trinkwasserversorgung bei Starkniederschlägen, die Auswirkungen eines Verlusts der wirtschaftlichen Existenzgrundlage und der Armutsmigration, die Auswirkungen von Wald- und Flächenbränden auch auf Städte und ihre Luftqualität und die Folgen von Störungen der Verkehrs-, Wasser-, Abwasser- und Energiesysteme. Die Hälfte der Weltbevölkerung leidet zumindest zeitweise unter schwerem Wassermangel, allerdings teilweise ohne Bezug zum Klimawandel, ein gutes Drittel der Erdbevölkerung lebt unter klimavulnerablen Bedingungen. Unter den Szenarien einer weiteren globalen Erwärmung bis zum Jahr 2100 wäre eine Begrenzung des Anstiegs auf etwa 2 Grad Celsius und eine nachhaltige Stabilisierung auf diesem Niveau gegenüber dem Referenzzeitraum 1850–1900 eine vergleichsweise günstige und derzeit noch mögliche Entwicklung. Möglich ist aber auch ein kontinuierlicher Anstieg um bis zu 5 Grad Celsius, der dann für das 22. Jahrhundert weiter nach oben offen ist – die Weichen auch dafür werden noch in diesem Jahrzehnt gestellt.
In einer regionalen Betrachtung werden in beiden Fällen neben kleinen pazifischen Inselstaaten vor allem äquatornahe, teilweise überaus bevölkerungsreiche Gebiete von den negativen Klimafolgen am stärksten betroffen: Südostasien mit Indonesien, Malaysia und den Philippinen, Indien mit über 1,4 Milliarden Menschen, das äquatoriale Afrika, Mittelamerika und Teile von Südamerika einschließlich des brasilianischen Amazonasgebietes. Alles nur ein Problem „der Anderen“? In einer Risikoanalyse des „Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“ schon aus dem Jahr 2007 ist die zentrale Botschaft, „ dass der Klimawandel ohne entschiedenes Gegensteuern bereits in den kommenden Jahrzehnten die Anpassungsfähigkeit vieler Gesellschaften überfordern wird. Daraus könnten Gewalt und Destabilisierung erwachsen, die die nationale und internationale Sicherheit in einem bisher unbekannten Ausmaß bedrohen “ 8 . Verstärkte Migrationsbewegungen aus den hauptsächlich betroffenen Gebieten sind damit mit großer Sicherheit zu erwarten – in der alten Hoffnung, etwas Besseres als den Tod dann doch überall zu finden.
Die klimatische Betroffenheit in den gemäßigten Zonen ist schwerer abschätzbar und wird wie in den Äquator-nahen Gebieten durch Risikokaskaden und komplexe, zusammengesetzte Gesamtrisiken beeinflusst, welche wiederum in Wechselwirkungen mit sog. Kipppunkten stehen. Darunter werden Entwicklungen verstanden, die mit dem Schicksal einer Kaffeetasse verglichen werden können, welche langsam über den Schreibtischrand geschoben wird – zunächst passiert lange nichts, dann kann plötzlich ein heftiges Ereignis mit unumkehrbaren Folgen eintreten (siehe 9 10 ). Kipppunkte schon im Möglichkeitsbereich des Pariser Klimaabkommens von 2015 mit einer angezielten Begrenzung auf 1,5 Grad, jedenfalls unter 2 Grad Celsius globaler Erwärmung, sind das Abschmelzen des (Sommer-)Meereises in Arktis und Antarktis, des grönländischen Eisschildes und der Hochgebirgsgletscher, das schon weltweit stattfindende Absterben der tropischen Korallenriffe sowie Störungen der asiatischen Monsunsysteme und die Entstehung eines Sahelmonsuns. Kipppunkte bei einer höhergradigen globalen Temperaturänderung ab 3 Grad Celsius in Richtung 4 bis 6 Grad – dann mit großer Sicherheit – betreffen ein Austrocknen und Absterben der Amazonaswälder ebenso wie der nördlichen Nadelwälder und einen Verlust der Atlantikzirkulation (Golfstrom) und darüber dann auch das Auftauen der Permafrost-Böden der hohen Breitengrade mit Freisetzung der darin gespeicherten weiteren Treibhausgase, das Schmelzen des arktischen Winter-Meereises sowie des antarktischen Festlandeisschildes. Die derzeitigen Eisdecken von Grönland und Antarktis haben das Potential, den Meeresspiegel bei ihrem Abschmelzen um 65 Meter ansteigen zu lassen. „Wenn wir in Richtung 3 Grad gehen würden, wäre das das Ende der menschlichen Zivilisation“, ist die Einschätzung des langjährigen Direktors des Potsdam-Instituts für Klimafolgen und nun Generaldirektors des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA), Hans Joachim Schellnhuber 11 .
Dass die Weltklimakonferenz COP28 von 2023 in Dubai (sic!) unter Leitung des Ministers für Industrie und Fortschrittstechnologien in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Chief Executive Officers (CEO) der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) (sic!) darauf ausgerichtet gewesen sei, dass vereinbarte Ziel von maximal 1,5 Grad Klimaerwärmung in Reichweite zu halten, scheint angesichts des tatsächlichen Verlaufs und der Ergebnisse eher bei den morgenländischen Tausendundeine Nacht-Erzählungen anzusiedeln zu sein. Nicht nur kleine Ölstaaten, sondern auch die weltweit größten Erdöl-Exporteure Saudi-Arabien und Russland sowie verschiedene multinationale Konzerne hängen in ihrer wirtschaftlichen Existenz am Export der fossilen Energieträger und dürften ihren Partikularinteressen entsprechende Aktivitäten entfaltet haben. Die zwingend gebotene weltweit nachhaltige, dekarbonisierte Produktion von Gütern und die zugehörige nachhaltige Distribution von Produktionsfaktoren und produzierten Gütern beinhaltet eine Vielzahl an technischen, ökonomischen und lokalen wie auch globalen politischen Problemstellungen, welche häufig nur in internationaler Abstimmung gelöst werden können. Dies weist Unterorganisationen der Vereinten Nationen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Welternährungsorganisation (FAO), der Organisation für industrielle Entwicklung (Unido) und in Zusammenhang mit dem Weltklimarat/IPPC den UN-Organisationen für Umwelt und für Meteorologie (UNEP, WMO) eine besondere Bedeutung und Verantwortung zu. Die Schaffung eines Ausgleichsfonds für die vom Klimawandel besonders betroffenen Staaten und Regionen ist ein bemerkenswerter Schritt in Richtung planetarer Verantwortlichkeit.
Der konkrete Bezug zu Medizin und Public Health? §1 der Ärztlichen Berufsordnung stellt fest: „ Ärztinnen und Ärzte dienen der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung “. Der Bezug zum ärztlichen Beruf und zum Gesundheitswesen im Allgemeinen ist bei den großen Themen von globaler und planetarer Gesundheit offensichtlich: Er betrifft zum einen die aus den geschilderten Entwicklungen sich ergebende individualmedizinisch-klinische Sorge um die menschliche Gesundheit bei den Betroffenen, angesichts einer Vielzahl möglicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen. Er ist aber auch im bevölkerungsmedizinischen Bereich der öffentlichen Gesundheit evident. Zum einen betrifft er den Beitrag des Gesundheitssektors zu den anthropogenen Treibhausgasen und das Bewusstsein um die eigene Verantwortung bei Mitarbeitern und Patienten 12 13 – der Beitrag des Gesundheitswesens zur Treibhausgas-Emission wird global auf 4,4% geschätzt 14 . Zum anderen können die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den verschiedenen Professionen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes Wesentliches zur Milderung der gesundheitlichen Folgen des Klimawandels beitragen: Durch Hitzeaktionspläne, Gesundheitsberichte und Präventivkonzepte hinsichtlich übertragbarer Krankheiten, durch die Überwachung der Qualität von Trink- und Badewasser, die Beteiligung an städtischen Planungen mit Blick auf Luftschneisen, Wasserflächen und Grünflächen, an Arbeitsgemeinschaften zum Klimawandel u.v.a.m. (siehe dazu auch 15 )
In diesem Sinne einer Wissenschaft für die Menschen, neben den natürlichen auch in ihren sozialen Lebenswelten, setzen sich die Beiträge in dieser Ausgabe wieder mit einer Vielfalt an Themen auseinander: Mit dezentraler Gesundheitsförderung nach dem Präventionsgesetz in Nürnberg und den Erfahrungen aus dem Projekt „Gesundheit für alle im Stadtteil“, mit partizipativer Gesundheitsforschung und der Erprobung des „Community Based Participatory Research (CBPR) Model“ für den deutschsprachigen Raum, mit der Arbeitszeit von Ärztinnen und Ärzten in Deutschland anhand der Ergebnisse des Mikrozensus mit Fokus auf Niedergelassene, mit der realen Dauer der fachärztlichen Weiterbildung in Deutschland, mit der Bekanntheit und Verbreitung von Patientenverfügungen in Deutschland, mit der Häufigkeit chronischer Schmerzen nach Arbeitsunfall im BG-lichen Heilverfahren, mit dem Betäubungsmittelkonsum unter Bewährungs-und Führungsaufsicht sowie mit Urinscreenings auf Betäubungsmittel unter gerichtlichen Abstinenzauflagen.
Um am Ende den Anfang aufzugreifen, das Aussterben der „schrecklichen Echsen“ vor 66 Millionen Jahren: Alles hat mindestens zwei Seiten – durch dieses Artensterben eröffneten sich für die Säugetiere neue Möglichkeiten, denen auch die Menschheit ihr Dasein und ihre Entwicklungschancen verdankt. In einer langen Sukzession menschlicher Generationen – man geht von 8000 Generationen für den Homo sapiens aus – wurde es vor wenigen Generationen durch wissenschaftlich-technische Innovation und sozialen Wandel erstmals möglich, die Knappheit lebenswichtiger Güter zumindest dem Grundsatz nach zu überwinden. Dieser Erfolg, aber auch seine ökologischen Konsequenzen, stellen uns Menschen vor eine ethische Wahl, individuell wie im Kollektiv: Die Welt hätte zwar genug für jedermanns Bedürfnisse, aber eben nicht für jedermanns Gier („ There's enough for everyones need in this world, but not enough for everyones greed “, Mahatma Gandhi zugeschrieben).
Es bleibt die leise Hoffnung, dass die Krisen des Anthropozäns, welche ja wesentlich menschengemacht scheinen, vielleicht weniger als Katastrophe denn als warnendes Menetekel und Wegscheide zu einer Abkehr von den modernen politischen und ökonomischen, hypertrophierten „Dinosauriern“ führen könnten. Damit sind diejenigen „erschreckenden“ Systeme gemeint, welche als regionale, nationale und multinationale Institutionen nicht willens sind, aus Fehlern und offensichtlichen Fehlentwicklungen zu lernen und zum gelingenden Ganzen auf unserem „Blauen Planeten“ ihren Teil solidarisch beizutragen und welche konträr dazu ihre Existenz parasitär mit der fortlaufenden rücksichtslosen Nutzung und den für sie selbst vorteilhaften Verkauf von natürlichen Ressourcen verknüpft halten. Das planetare Menschheitserbe gehört nicht ihnen und auch mehr als nur uns heute Lebenden auch den zukünftigen Generationen – weltweit. Wohlgemerkt: Mit dem Begriff der Ressource sind auch und derzeit prioritär die nachhaltig verträglichen planetaren Kapazitäten für die Absorption von Treibhausgasen und anderer Verschmutzung gemeint, mithin die planetaren Aufnahmekapazitäten für die Abbauprodukte der genutzten fossilen Brennstoffe. Ergänzend zu den Grenzen dieser natürlichen Ressourcen sei in stiller Hoffnung aber auch auf die grundsätzlich unerschöpflichen und ökologisch wie sozioökonomisch potentiell höchstverträglichen Ressourcen an gerichteter Innovation und humaner Entwicklung verwiesen: Als eine Bewegung nach vorne, eine Ausrichtung der menschlichen Entwicklung auf Nachhaltigkeit – ein ideenloser „Stillstand im Tunnel“ ist zu vermeiden. Einem in diesem Sinn zukunftsorientierten, das Leben auf unserem Planeten wieder nachhaltig tragenden politischen und ökonomischen Klimawandel seien unumkehrbare Kipppunkte und eine rasche Ankunft gewünscht – auch in Hinblick auf die 2024 folgende, nächste Weltklimakonferenzen im Ölstaat Aserbeidschan.
Biography
Manfred Wildner
Footnotes
Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Literatur
- 1.Chiarenza A A, Farnsworth A, Mannion P D et al. Asteroid impact, not volcanism, caused the end-Cretaceous dinosaur extinction. Proc Natl Acad Sci U S A. 2020;117:17084–17093. doi: 10.1073/pnas.2006087117.. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
- 2.Ritchie H.There have been five mass extinctions in Earth’s history (2022-11-30). Im Internet verfügbar unterhttps://ourworldindata.org/mass-extinctions
- 3.Coupe J, Bardeen C G, Robock A et al. Nuclear winter responses to nuclear war between the United States and Russia in the Whole Atmosphere Community Climate Model version 4 and the Goddard Institute for Space Studies ModelE. J Geophys Res Atmos. 2019;124:8522–8543. [Google Scholar]
- 4.Wilson N, Valler V, Cassidy Met al. Impact of the Tambora volcanic eruption of 1815 on islands and relevance to future sunlight-blocking catastrophes Sci Rep 2023133649Im Internet verfügbar unter 10.1038/s41598-023-30729-2 [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
- 5.Barnosky A D, Matzke N, Tomiya S et al. Has the Earth’s sixth mass extinction already arrived? Nature. 2011;471:51–57. doi: 10.1038/nature09678. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
- 6.Whitmee S, Haines A, Beyrer Cet al. Safeguarding human health in the Anthropocene epoch: report of The Rockefeller Foundation-Lancet Commission on planetary health Lancet 20153861973–2028. 10.1016/S0140-6736(15)60901-1Epub 2015 Jul 15. Erratum in: Lancet. 2015 Nov 14;386(10007):1944. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
- 7.IPCC Sixth Assessment Report (AR6). Im Internet verfügbar unterhttps://www.de-ipcc.de/250.php
- 8.WBGU – Wissenschaftlicher Beirat Globale Umweltveränderungen, 2007: Sicherheitsrisiko Klimawandel. Berlin: WBGU 268 Seiten. Im Internet verfügbar unter:https://www.wbgu.de/de/publikationen/publikation/welt-im-wandel-sicherheitsrisiko-klimawandel
- 9.Rahmstorf S, Levermann A, Winkelmann R et al. Kipppunkte im Klimasystem. Im Internet verfügbar unterhttps://www.pik-potsdam.de/~stefan/Publications/Kipppunkte%20im%20Klimasystem%20-%20Update%202019.pdf
- 10.Lenton T, Held H, Kriegler E et al. Tipping elements in the Earth's climate system. Proceedings of the National Academy of Sciences. 2008;105:1786–1793. doi: 10.1073/pnas.0705414105. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]
- 11.Hans Joachim Schellnhuber, TV-Interview ORF 2, 2023-12-04. Im Internet verfügbar unterhttps://www.youtube.com/watch?v=CjwV0zlHxOo
- 12.Mezger NC S, Thöne M, Müller B Set al. Krankheitsprävention: Klimaschutz wird praktisch Dtsch Arztebl 2021118A-1296 / B-1070 [Google Scholar]
- 13.Gießelmann K, Osterloh F.Klimaschutz im Gesundheitswesen: Klimaneutralität bis 2030 Dtsch Arztebl 2021118A-2088 / B-1724 [Google Scholar]
- 14.Meincke M, Kuhn J.Klimawandel und Gesundheit. In Roller G & Wildner M (Hrsg.) Lehrbuch Öffentliche Gesundheit. Hogrefe, 2024 (in Druck)
- 15.Health Care Without Harm (HCWH). Health care’s climate footprint: how the health sector contributes to the global climate crisis and opportunities for action (2019). Im Internet verfügbar unterhttps://noharm-global.org/documents/health-care-climate-footprint-report