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. Author manuscript; available in PMC: 2018 Mar 8.
Published in final edited form as: Gefasschirurgie. 2018 Jan 26;23(1):28–33. [Article in German] doi: 10.1007/s00772-017-0349-5

Stammzell-basierter biologischer Gefäßersatz

Stem cell-based strategies in vascular surgery

M Gasser 1, M H Frank 2,3, A M Waaga-Gasser 4,5
PMCID: PMC5842705  NIHMSID: NIHMS943425  PMID: 29527101

Zusammenfassung

Eine chronisch-kritische Ischämie bei Patienten mit zugrunde liegender arterieller Verschlusskrankheit erfordert rekonstruktive vaskuläre chirurgische Eingriffe, die bislang mit körpereigenen Venensegmenten oder synthetischem Gefäßmaterial durchgeführt werden. Die begrenzte Verfügbarkeit von geeigneten autologen Gefäßtransplantaten mit niedrigem Durchmesser bei vielen Patienten und die offensichtlichen Nachteile von synthetischem Bypassmaterial zeigen die Notwendigkeit zur Entwicklung von klinisch verwendbaren biologisch konstruierten Blutgefäßsubstituten auf. Trotz erheblicher Fortschritte in diesem Bereich in den letzten zwei Jahrzehnten war ihre Implementierung in die klinische Routine eine Herausforderung. Die begrenzte replikative Lebensdauer von menschlichen adulten Gefäßzellen und ihre langsame Rate bei der Produktion von Kollagenmatrix in vitro stellten gravierende Probleme bei der Entwicklung mechanisch robuster und biologisch funktioneller künstlicher Transplantate dar. Mit den jüngsten Fortschritten in der Stammzellenforschung sind neue Zelltypen für das vaskuläre Tissue-Engineering verfügbar geworden. Insbesondere die Entdeckung von humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen), die aus adulten differenzierten Zellen stammen, sowie von humanen multipotenten adulten mesenchymalen Stammzellen (ohne Genmodifizierungen und den mit ihnen verbundenen Sicherheitsbedenken) können die Entwicklung von neuem autologem Zellgewebe vorantreiben. Wir stellen die aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet der vaskulären Progenitorzellen vor und diskutieren die Möglichkeiten und Herausforderungen für den klinischen Einsatz von biologisch konstruierten Gefäßsubstituten.

Schlüsselwörter: Chronische kritische Ischämie, Stammzell-therapie, Mesenchymale Stammzellen, Biologischer Gefäßersatz, Tissue-Engineering

Einleitung

Bis heute werden bei der chronisch-kritischen Ischämie bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit autologe Venen sowie nachrangig künstliche Gefäßprothesen aus Polyethylentere-phthalat (PET, Dacron) oder Polytetra-fluorethylen (PTFE) als Gefäßersatz in der Bypasschirurgie eingesetzt. Erstere stehen bei zugrunde liegenden komplexen kardiovaskulären Erkrankungen und vorausgegangener Verwendung bei den betroffenen Patienten vielfach nicht mehr zur Verfügung. Der synthetische Gefäßersatz aus polymerer Grundstruktur ist zwar weiterentwickelt worden und kommt entsprechend zum Einsatz, beinhaltet aber unverändert Probleme der akuten Thrombosierung bei initial mangelnder endothelialer Auskleidung der Prothese, speziell bei einem unter 6 mm betragenden Innendurchmesser, der Restenosierung bei chronisch inflammatorischer Reaktion im Verlauf und der verstärkten Intimahyperplasie sowie der Anfälligkeit zum Protheseninfekt. Der gegenwärtig verwendete Gefäßersatz bei der chronisch-kritischen Ischämie bei zugrunde liegender peripherer arterieller Verschlusskrankheit (pAVK) zum Extremitätenerhalt ist damit bei vielen Patienten insgesamt als nicht ideal einzustufen.

Entwicklung eines biologischen Gefäßersatzes

Seit Mitte der 1980er-Jahre wurde der zu dieser Zeit als hoch innovativ angesehene Forschungs- und Entwicklungsansatz von künstlich generierten biologischen Gefäßsegmenten aus in vitro gezüchteten, humanen Gefäßzellen in biologischen oder synthetischen, biodegradierbaren Grundstrukturen (Scaffolds) ent-scheidend weiterverfolgt [28]. In Bioreaktoren wurden diese künstlichen und anfänglich teils porösen Gefäßsegmente unter Zugabe verschiedener löslicher zellulärerWachstumsfaktoren zu stabilen tubulären Konstrukten weiterentwickelt und einer kontinuierlichen Druck- und Flusskonditionierung unterzogen, um sie mit den notwendigen biologischen Eigenschaften auszustatten.

Zur Herstellung stabiler Blutgefäße bedarf es bekanntlich neben Endothelzellen zur Auskleidung des Gefäßlumens glatter Muskelzellen als Gefäßwandzellen sowie sogenannter Perizyten als periendotheliale Zellen. Kultiviert wurden in der Vergangenheit entsprechend glatte Muskelzellen, Endothelzellen und Fibroblasten anfänglich in dreidimensionalen Kollagengelen. Aufgrund unzureichender Widerstandskraft wurden relativ frühzeitig Dacron-Netze in den Nährmedien zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften zusätzlich mit eingesetzt. Große Anstrengungen wurden in der Zwischenzeit darauf verwendet, die funktionellen Eigenschaften in vitro aufgebauter, biologischer Gefäße zu verbessern. Mangelnde mechanische Eigenschaften, inadäquate Nahtfestigkeit, unzureichende Manipulierbarkeit der Wachstumsbedingungen in vitro und die Anfälligkeit gegenüber immunologischer Abstoßung allogener Aus-gangsmaterialien schmälerten allerdings die möglichen Vorteile und klinischen Erfolgsaussichten eines vollständig biologischen Gefäßersatzes.

Erste In-situ-Ansätze folgten erst Ende der 1990er-Jahre, bei denen biologische Pulmonalarterien-Konduits nach Anzüchtung und Expansion von Gefäßzellen in tubulären biodegradierbaren Polyglactin/Polyglykolsäure (PGA) Scaffolds und Remodellierung in einem bovinen Pulmonalarterienmodell eingepflanzt wurden [19]. Bereits we-nig später berichtete die Arbeitsgruppe nach deren Großtierversuchen über ihr erstes klinisch eingesetztes biologisches Gefäß, hergestellt mit patienteneigenen Zellen in einem biologischen Scaffold, zur Rekonstruktion der Pulmonalarterie in einem 4-jährigen Mädchen mit ange-borenem Herzdefekt [20]. Postoperativ zeigten sich, leider nur kurzzeitig nach-beobachtet, keinerlei Hinweise für eine Transplantatstenose oder aneurysmatische Degeneration.

Ermutigt durch diesen Ersteinsatz folgten weitere klinisch erfolgreiche Rekonstruktionen im pulmonalen Aus-flusstrakt mit biodegradierbaren Scaffolds, die zuvor mit autologen Knochen-markzellen besetzt wurden. Im Jahre 2005 wurde so in weiterer Folge über 23 damit gefäßchirurgisch behandelte pädiatrische Patienten mit kongenitalen Defekten der pulmonalarteriellen Ausstrombahn und vorherrschender Zyanose berichtet [21]. Die später ver-öffentlichten Langzeitergebnisse dieser tubulären Gefäßkonstrukte aus autologen mesenchymalen Stammzellen in der A. pulmonalis zeigten eine primäre Offenheit von 32 Monaten ohne aneurysmatische Veränderungen oder Kalzifikationen. Wenig später erschienen von einer weiteren Arbeitsgruppe deren Ergebnisse verwendeter biologisch aufgebauter Gefäße bei der Shuntchirurgie bei sechs Dialysepatienten [14]. 2012 und 2014 folgten Berichte über klinische Ergebnisse zu biologischen Gefäßkonstrukten, bei denen allogene Fibroblasten die Grundlage zu einem biologischen Gefäßaufbau mittels Tissue-Engineering darstellten und die bei extrahepatischem Pfortaderverschluss sowie wiederum als Dialyseshunts eingesetzt wurden [15,32]. Letztere zeigten Funktionsraten bis zu 11 Monate ohne Hinweis für eine immunologische Abstoßung bei allogenem Ansatz.

Ein wesentliches Argument aus Sicht des Klinikers für oder gegen ein biologisch hergestelltes Gefäßkonstrukt aus körpereigenen, d.h. autologen Zellen stellte bislang vorrangig die Zeit dar, die es benötigte, künstliche Gefäße aus körpereigenen Zellen aufzubauen. Bislang wurden dazu unterschiedliche Zeiträume von 8 bis 24 und mehr Wochen benötigt, die Gefäße unter entsprechenden Kulturbedingungen herzustellen [23].

Zur Herstellung künstlicher Gefäße wurden bislang 8 bis 24 Wochen benötigt

Für einen kurzfristigen klinischen Einsatz unter den Bedingungen einer chronisch-kritischen Ischämie eines Patienten kämen somit nur solche biologischen Gefäße in Frage, die durch allogene Stammzellen bereits fertig und abruf-bar vorlägen (Tissue engineered vascular grafts „off-the-shelf“).

Nur während mehrwöchiger Kulturbedingungen ist es bis heute möglich, ausreichend extrazelluläre Matrixproteine zellulär aufzubauen, damit ein biologisch konstruiertes Gefäß mittels Tissue-Engineering die notwendigen mechanischen Eigenschaften in vivo aufweist. In dieser Zeit sind wie schon länger zurück-liegend berichtet durchaus 45 bis 60 Zellkultur-Ansätze zur Verdoppelung glatter Muskelzellen und Fibroblasten zu erreichen, um mechanisch ausreichend robuste Gefäße herzustellen [13, 17].

Fötale und neonatale Zellen verschie-dener Spezies (bovin, porcinund human) teilten sich unter entsprechenden Kulturbedingungen durchaus effektiv, während adulte humane Muskelzellen häufig nur zwischen 10 und 30 Zellkultur-Verdoppelungen erreichten, bevor sie einer Zell-alterung (zelluläre Seneszenz) und damit ineffektiven Teilungsrate unterlagen [1]. Die mechanische Stärke und Wider-standkraft eines Gefäßtransplantats war somit durch das Ausgangsalter der eingesetzten Fibroblasten und glatten Muskelzellen (alter vs. junger Patient) und der aus diesen Zellen entstandenen extrazellulären Matrix, d.h. Kollagen und Elastin, in inverser Weise gewissermaßen vordefiniert.

Die produzierte Kollagenstruktur ist wesentlich für die hohe Reißfestigkeit der Gefäßwand und damit die strukturelle Gefäßintegrität verantwortlich, während Elastin als Recoil-Protein für seine Compliance sorgt. Entsprechend zeigten Fibroblasten alter Spender bedingt durch Zellalterung und herunterregulier-te Proteinsynthese weit weniger vorlie-gende Extrazellulärmatrix und Elastizität als junge Spender. Der Berstungsdruck und die Nahtfestigkeit der biologisch aufgebauten Gefäßwand waren entsprechend schwach ausgeprägt. Transplantate mit funktionell ausreichenden mechanischen Eigenschaften ließen sich entsprechend aus älteren Spendern nur schwer gewinnen [10].

Wiederum wurde recht vielversprechend in jüngerer Vergangenheit über biologisch zusammengesetzte Transplantate dermaler neonataler Fibroblasten in Scaffolds aus 7- bis 9-wöchiger Kultur in Biorektoren mit transmuraler Perfusion berichtet, die ausreichend extrazelluläre Matrix synthetisierten. Bei einem Berstungsdruck von 1400 bis 1600 mmHg und guter Compliance erreichten diese durchaus die mechanischen Eigenschaften nativer Arterien. Sowohl 2 mm als auch 4 mm große Arte-riensegmente wurden so mit adäquater Nahtfestigkeit für eine Implantation in einem experimentellen Modell hergestellt [24]. Initial verwendete allogene glatte Muskelzellen konnten nach ausreichendem Aufbau der extrazellulären Matrix mittlerweile auch durch andere allogene, nach Dezellularisierung des Transplantats nicht mehr immunogene Gefäßzellen ausgetauscht werden (Prinzip der Dezellularisierung des Transplantats, um die immunogene zelluläre Komponente zu entfernen) [2]. So ist es mittlerweile möglich, nahezu jedem Patienten prinzipiell ein passendes biologisches Gefäßtransplantat „off-the-shelf“ anzubieten. Die dezellularisierten Transplantate wiesen ausreichend große Durchmesser von 6 mm und einen hohen Berstungsdruck von sogar 3000 mmHg auf, was nativen Gefäßen dieses Durchmessers in vivo entsprach. Auch nach 12-monatiger Zwischenlagerung bei +4°C veränderten sich diese Parameter nicht und die biologischen Gefäßkonstrukte zeigten nach 1 bis 6 Monaten eine nahezu 90%ige primäre Offenheit als arteriovenöse Fisteln im Großtiermodell [24].

Fast jeder Patient kann ein passendes biologisches Gefäßtransplantat erhalten

Zusammenfassend bedarf es für ein Tissue-Engineering eines klinisch einsetz-baren biologischen Gefäßersatzes im arteriellen Stromgebiet glatter Muskelzellen und Endothelzellen. Derzeit werden noch mehrwöchige Zellkulturbedingun-gen in entsprechend zertifizierten Labors benötigt, um ausreichend Zellen zu ent-wickeln und funktionell intakte extrazelluläre Matrix aus vitalen Fibroblasten und glatten Muskelzellen im Gefäßkonstrukt zu synthetisieren. Damit bleibt die Suche nach besser geeigneten autologen oder nicht immunogenen Ausgangszellen für das Tissue-Engineering biologisch aufgebauter Gefäße weiter bestehen.

Adulte Progenitorzellen

Mesenchymale Stammzellen

Mesenchymale Stammzellen wurden in der Vergangenheit üblicherweise aus heterogenen mononukleären Zellen des Knochenmarks gewonnen, können aber mittlerweile auch aus anderen Geweben heraus isoliert werden. Sie sind phänotypisch nicht durch ein bestimmtes Profil charakterisiert, definieren sich aber gewöhnlich durch Anwesenheit einiger Oberflächenmarker und Nicht-Nachweisbarkeit von Oberflächenstrukturen, die auf andere Zelllinien bzw. Osteoblasten, Adipozyten oder Chondrozyten hinweisen [23].

Unter den Wachstumsfaktoren spielt offensichtlich TGFβ1 eine signifikante Rolle bei der Differenzierung hin zu glatten Muskelzellen, wogegen die Differenzierung zu Endothelzellen aus mesenchymalen Stammzellen eher noch ein unge-löstes Problem darstellt [6]. Hierzubedarf es spezifischer Faktoren in der Zellkultur, die dazu führen, dass Endothelzellen mit Oberflächenmarkern wie Flk-1, Tie-1, Tie-2 und vWF nachweisbar wurden. Allerdings wurden dazu widersprüchliche Erfahrungen berichtet [16].

Humane mesenchymale Stammzellen aus dem Knochenmark benötigten zu ihrer Differenzierung zu glatten Muskelzellen in der Zellkultur neben TGFβ1 auch die Faktoren PDGF-BB und bFGF so-wie regelmäßige zyklische mechanische Belastung und extrazelluläre Matrixproteine wie das Fibronektin [6]. Die fertigen biologischen Gefäßkonstrukte zeigten nach acht Wochen nachweisbares Actin (smooth muscle actin, SMA) und Calponin als Marker für glatte Muskelzellen, was die Differenzierung der mesenchymalen Stammzellen zu Muskelzellen bestätigte. Der Berstungsdruck der Gefäß-segmente lag bei über 200 mmHg und war als adäquat für einen In-vivo-Einsatz einzuschätzen.

Stammzellen aus Fettgewebe und anderen Geweben

Aufgrund ihrer relativ leichten Verfüg-barkeit gewannen Stammzellen aus dem Fettgewebe als Quelle autologer pluripotenter Ausgangszellen für ein Tissue-Engineering biologisch aufgebauter Gefäße vor etwa 15 Jahren zunehmendes Interesse. Sie sind phänotypisch durchaus ver-gleichbar den mesenchymalen Stammzellen aus dem Knochenmark, weisen aber keine Expression von z.B. CD106 neben anderen Markern auf [18]. Das lässt auf eine eigenständige Population mesenchymaler Stammzellen schließen.

Stammzellen aus dem Fettgewebe wurden erfolgreich sowohl in myogene als auch osteogene, chondrogene und neurogene Zelllinien weiterentwickelt. So ließen sich insbesondere aus den Fettgewebsaspiraten, d.h. Liposuktionen, funktionelle, kontraktile glatte Muskelzellen und Endothelzellen entwickeln, wobei der Anteil an Stammzellen im Fettgewebe bei etwa 3% lag [18]. Alter, Adipositas und Komorbiditäten wie eine Niereninsuffizienz oder Arteriosklerose mit Ausnahme eines Diabetes mellitus spielten interessanterweise eine geringere Rolle in ihrer Stammzellkapazität für ein effektives vaskuläres Tissue-Engineering [3].

Embryonale Stammzellen

Embryonale Stammzellen wurden nach deren erfolgreicher initialer Isolierung aus dem Blastozystenstadium von Embryonen ebenfalls dazu verwendet, um Endothelzellen und glatte Muskelzellen zu züchten [4]. Zu diesem Zweck wurden CD34-positive Progenitorzellen aus spontan differenzierten bzw. 10–15 Tage alten embryonalen Körpern oder aus Kokulturen isoliert und mit Faktoren wie TGFβ1, PDGF-BB und Retinolsäure zur Differenzierung in glatte Muskelzellen stimuliert [4, 7]. Weitergehende tierexperimentelle Studien daraus entstandener Gefäßsegmente zeigten deren biologische Funktionalität in situ [12].

Aus entsprechend humanen embryonal abgeleiteten Transplantaten existieren jedoch bislang keinerlei funktionelle Daten. Es bestehen auch aus ethischer Sicht berechtigte Zweifel an der weitergehenden therapeutischen Nutzung von humanen Embryonen und daraus abgeleiteter Stammzellen für ein vaskuläres Tissue-Engineering.

Induzierte pluripotente Zellen und Stammzellen

Sogenannte induzierte Stammzellen stellen eine der vielleicht wichtigsten bio-medizinischen Entdeckungen der letzten 10 Jahre dar. Mittlerweile können ausgereifte Körperzellen durch einen Cocktail definierter Transkriptionsfaktoren in pluripotente Zellen zurückentwickelt werden [25]. Ursprünglich geschah das durch retroviralen Gentransfer von Oct4, Sox2 zusammen mit Klf4, c-myc oder lin28 und Nanog. Zwischenzeitlich wurden nicht integrierende Genvektoren verwendet, um die permanente Integrierung von Transgenen und damit potenzielle genomische Veränderungen zu vermeiden. Dazu untersuchte Methoden umfassten die transiente Transfektion von Plasmiden, nicht integrierende Adenoviren, ein PiggyBAC-Transposon-System und Cre/loxP zur Entfernung von Transgenen nach komplettierter genetischer Reprogrammierung der so induzierten Stammzellen [22, 30]. Elegant ließ sich durch eine andere beschriebene Strategie die in den vorgenannten Methoden notwendigerweise verwendete und inserierte DNA ins Genom durch Reprogrammierung humaner Hautzellen allein mit synthetischer modifizierter RNA auch vollständig vermeiden.

Mittlerweile gelang es unter diesen Ansätzen nicht nur aus adulten Fibroblasten, sondern auch aus Keratinozyten, Blutzellen, neuronalen Zellen und Gefäßwandzellen der Aorta sowie Endothelzellen pluripotente (Stamm-)Zellen zu reprogrammieren, die wiederum in der Lage waren zu verschiedenen gewünschten Zelltypen neu auszudifferenzieren. Die Proliferationskapazität und Funktionalität so entstandener Gefäßzellen aus induzierten oder auch reprogrammierten pluripotenten Stammzellen scheint dabei sowohl vom jeweiligen Differenzierungsprotokoll als auch von deren ursprünglichen Abstammung abzuhängen.

In einer Proof-of-concept-Studie wurde in jüngerer Vergangenheit demonstriert, dass induzierte pluripotente Stammzellen aus adulten humanen vaskulären Ausgangszellen wieder in glatte Muskelzellen weiter differenziert werden können [11]. Diese aus induzierten Stammzellen differenzierten glatten Muskelzellen zeichneten sich durch funktionelle Charakteristika aus, die denen der parentalen Zellen durchaus sehr ähnlich waren.

Insgesamt erscheinen die aus den bisherigen Studien genannten Ergebnisse sehr ermutigend und beweisen die Abstammung funktioneller glatter Muskelzellen aus humanen induzierten pluripotenten Stammzellen. Vor ihrem denkbaren Einsatz in einem biologischen Gefäßersatz im Patienten bleiben jedoch noch offene Fragen zu deren Aufreini-gung und vor allem Steigerung der Zell-zahlen bestehen.

Die Vorteile bei Verwendung humaner induzierter pluripotenter Stammzellen gegenüber embryonalen Stammzellen in der regenerativen Medizin liegen eindeutig in den nicht bestehenden grundsätzlichen ethischen Bedenken sowie nicht existierenden immunologischen Reaktionen begründet. Wiederum müssen sie für ihren klinischen Einsatz nachweisbar frei von kritischen genetischen Veränderungen und beispielsweise der Gefahr einer potenziellen Karzinogenese sein. Sie dürfen dauerhaft nur in den für ihre Zwecke vorgesehenen Zelltyp ausdifferenzieren und nur diesen während ihres Zellzyklus phänotypisch aufrechterhalten. Langzeitergebnisse auf dem Gebiet sind bislang abzuwarten und der klinische Einsatz induzierter pluripotenter Stammzellen aus adulten Zellen ist bis dato als noch verfrüht anzusehen.

Idealerweise wären natürliche Stammzellen für ein vaskuläres Tissue-Engineering gegenüber den vorgenannten induzierten Stammzellen vorzuziehen, wenn sie über die notwendigen Eigenschaften der raschen und effektiven Ausdifferenzierung in glatte Muskelzellen und Endothelzellen sowie die Fähigkeit eines adäquaten Kollagen-/Elastinaufbaus verfügen. Ihr geringer Anteil in den begrenzt dafür verfügbaren humanen Geweberessourcen (Haut und Knochenmark neben dem Fettgewebe) im Verhältnis zu den adulten, ausgereiften Zellen sowie die unklare Frage ihrer Isolierung, abgesehen von den mesenchymalen Stammzellen des Knochenmarks, stellen derzeit die größten Herausforderungen dar.

Interessant erscheinen aus jüngerer Zeit beschriebene natürliche adulte multipotente mesenchymale Stammzellen, die neben anderen Oberflächenmarkern durch ein membranständiges Transportprotein aus der Gruppe der ABC-Transporter, das ABCB5, charakterisiert sind [8]. ABCB5 ist verantwortlich für die Ausschleusung spezifischer Substanzen aus der Zelle und wird durch die Multidrug-resistence (MDR-)Gene kodiert [5]. Ursprünglich in Vorläuferzellen der Haut aufgezeigt [5, 19, 28], wurden zwischenzeitlich ABCB5-positive Stammund Vorläuferzellen in unterschiedlichsten zusätzlichen Geweben wie der Plazenta, den Kolonkrypten, und dem Limbus der Augenhornhaut beschrieben [9, 26, 27, 29]. ABCB5 reguliert dabei durch antiapoptotische Funktionen die Aufrechterhaltung des Stammzellphänotyps dieser Zellen. Zusätzlich besitzen dermale ABCB5-positive Zellen wichtige immunitätsmodulierende und antiinflammatorische Funktionen, die im Rahmen einer möglichen Anwendung im Tissue-Engineering wichtige Vorteile bieten könnten [19, 28]. Möglicherweise stellen dermale ABCB5-positive Stammzellen somit zukünftig eine neue Ressource für autologe, d.h. nicht zu reprogrammierende Stammzellen für ein effektiveres vaskuläres Tissue-Engineering dar. Weitergehende Ergebnisse aus der eigenen Arbeitsgruppe sind vielversprechend, aber bleiben derzeit noch abzuwarten.

Fazit für die Praxis.

  • Ein stammzellbasierter biologischer Gefäßersatz bei peripheren Revaskularisationseingriffen stellt aufgrund der beschriebenen Nachteile des bisher verfügbaren Materials und vor dem Hintergrund des weiter zunehmenden Bedarfs bei vielen Patienten ein anzustrebendes Therapieziel dar. Biologisch aufgebaute Gefäße als „tissue engineered vascular grafts“ fänden ihren Einsatz sowohl bei der chronisch-kritischen Ischämie als auch in der septischen Chirurgie bei Protheseninfekt zum Extremitätenerhalt.

  • Um dieses Ziel zu erreichen, sind jedoch noch offene Fragen zu den idealerweise zu verwendenden Stammzellen und ihrer Differenzierung in glatte Muskelzellen und Endothelzellen weiter zu klären.

  • Am geeignetsten erscheinen dazu unzweifelhaft autologe Stammzellen aufgrund ihrer fehlenden immunologischen Barriere, ihrer Multipotenz und auch Proliferationsfähigkeit. Induzierte autologe Stammzellen, z.B. aus adulten Fettzellen, sind aufgrund ihrer genetischen Reprogrammierung in ihrer langfristigen Wertigkeit in situ noch unzureichend einzuschätzen.

  • Als Grundgerüst für kleine und mittelgroße Gefäße dienen ent-weder synthetische Scaffolds oder biologische, dezellularisierte Spendergefäße mit bereits vorhandenen extrazellulären Matrixproteinen.

  • Biologische Grundgerüste könnten als Gefäßsegmente konditioniert und mit den körpereigenen Stammzellen besiedelt in der Zukunft ihren breiteren klinischen Einsatz finden.

  • Mindestzeiträume von 3 bis 6 Wochen erscheinen allerdings noch notwendig, um daraus funktionsfähige vitale und damit klinisch einsetzbare Gefäßsegmente herzustellen.

  • Für den umgehend indizierten Not-falleingriff bei chronisch-kritischer Ischämie stünden folglich nur biologische Gefäße mit Stammzellen zur Verfügung, die nicht immunogen und kurzfristig induziert im Gefäß-transplantat angesiedelt werden (entsprechend „tissue engineered vascular grafts , off-the-shelf‘“).

  • Die bisherigen präklinischen und klinischen Ergebnisse sind vielversprechend. Sie berechtigen die Annahme, dass in absehbarer Zukunft einsetzbare autologe oder auch allogene stammzellbasierte biologische Gefäße für die klinische Anwendung zur Verfügung stehen werden.

Acknowledgments

Förderung. Diese Arbeit wurde vom National Eye Institute, National Institutes of Health (NEI/NIH), mit Forschungsgeldern für M.H. Frank gefördert (RO1EY025794).

Footnotes

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. M. Gasser, M. H. Frank und A. M. Waaga-Gasser geben an, dass kein Interessen-konflikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.

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