Abstract
Hintergrund
Etwa 35.000 Menschen in Deutschland erlitten im Jahr 2019 eine Aphasie infolge eines Schlaganfalls. Eine der häufigsten Manifestationen einer Aphasie stellen Wortfindungsstörungen dar. In Zeiten der COVID-19-Pandemie ermöglicht die befristete Zulassung der Videotherapie die Aufrechterhaltung einer sprachtherapeutischen Behandlung. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zu untersuchen, welche Wirksamkeit eine Screen-to-Screen-Therapie über ein Videokonferenzsystem gegenüber einer herkömmlichen Face-to-Face-Therapie bei erwachsenen Aphasiepatient*innen auf die Benennleistungen hat.
Methode
Im Rahmen eines Scoping Reviews wurde eine Literaturrecherche in den Datenbanken Cochrane, Pubmed und Web of Science für den Zeitraum Februar 2010 bis 2020 durchgeführt. Eingeschlossen wurden deutsch- und englischsprachige Studien, welche die Wirksamkeit einer klassischen Face-to-Face-Therapie mit einer Screen-to-Screen-Therapie bei Erwachsenen mit Aphasie miteinander vergleichen und als einen Outcome die Benennleistung erhoben haben. Die Auswahl der Studien erfolgte mithilfe des PRISMA-Flussdiagramms.
Ergebnisse
Insgesamt konnten fünf Studien gefunden werden. Sowohl die Face-to-Face-Therapie als auch die Screen-to-Screen-Therapie zeigten in einer italienischen Crossover-Studie, einer kanadischen randomisierten Studie und einer in Großbritannien durchgeführten quasi-randomisierten Studie signifikante Verbesserungen der Benennleistungen. Keine Verbesserungen wurden für beide Interventionsformen in einer israelischen Crossover-Studie festgestellt. In einer deutschen Vergleichsstudie wurden für die Face-to-Face-Therapie signifikante Verbesserungen der Benennleistungen gemessen, deren Ergebnis sich jedoch nicht signifikant von der Interventionsgruppe der Screen-to-Screen-Therapie unterschied.
Diskussion
In allen eingeschlossenen Studien hatten die Screen-to-Screen-Therapie und die Face-to-Face-Therapie eine vergleichbare Wirksamkeit auf die Benennleistungen. Die Ergebnisse sprechen für die Realisierbarkeit einer Screen-to-Screen-Therapie unter Alltagsbedingungen. Möglicherweise ist diese Therapieform jedoch nicht immer umsetzbar. Barrieren für eine Screen-to-Screen-Therapie können die Bedienung von Technologien sowie Einschränkungen des Gesichtsfeldes infolge eines Neglects sein. Limitationen des Scoping Reviews sind, dass lediglich die Benennleistungen als Outcome betrachtet wurden sowie die geringe Anzahl der eingeschlossenen Studien.
Schlussfolgerung
Im Hinblick auf die Tatsache, dass eine Screen-to-Screen-Therapie während der COVID-19-Pandemie für viele Patient*innen die einzige Möglichkeit einer sprachtherapeutischen Behandlung darstellt, ist es positiv zu werten, dass die Screen-to-Screen-Therapie genauso wirksam ist wie die Face-to-Face-Therapie. Die Screen-to-Screen-Therapie kann einen erweiterten Zugang zu der Gesundheitsversorgung sowie fachlicher Expertise im Gesundheitswesen ermöglichen. Die Aufrechterhaltung der sprachtherapeutischen Versorgung während der COVID-19-Pandemie kann dadurch weitestgehend gesichert werden. Es bedarf weiterer Forschung zu evidenzbasierten Behandlungsmethoden und anwenderorientierten Apps für die Videotherapie.
Schlüsselwörter: Aphasie, Review, Sprachtherapie, Telemedizin, Videotherapie, Wirksamkeit
Abstract
Introduction
About 35,000 people in Germany suffered from stroke-related aphasia in 2019. One of the most frequent manifestations of aphasia are word finding disorders. In times of the COVID-19 pandemic, the temporary approval of video therapy enables the maintenance of speech therapy treatment. This leads to the necessity to investigate the effectiveness of screen-to-screen therapy via a video conferencing system compared to conventional face-to-face therapy of adult aphasia patients.
Methods
For this scoping review, a literature search in the databases Cochrane, Pubmed and Web of Science was conducted for the period February 2010 to 2020. We included German- and English-language studies comparing the effectiveness of a classic face-to-face therapy with a screen-to-screen therapy of adults with aphasia. The studies were selected using the PRISMA flowchart.
Results
A total of five studies were identified. Both face-to-face therapy and screen-to-screen therapy showed significant improvements in naming performance in an Italian crossover study, a Canadian randomized study and a quasi-randomized study conducted in the UK. No improvements were found for both forms of intervention in an Israeli crossover study. In a German comparative study, significant improvements in naming performance were found for face-to-face therapy, but the results did not differ significantly from the screen-to-screen therapy intervention group.
Discussion
In all included studies, screen-to-screen therapy and face-to-face therapy had a comparable effectiveness on naming performance. The results demonstrate the feasibility of a screen-to-screen therapy under everyday conditions. However, it is possible that this form of therapy cannot always be implemented. Barriers to screen-to-screen therapy can be the use of technologies and restrictions in the visual field due to a neglect. One limitation of the scoping review was that only the naming performance was considered as an outcome, another was the small number of studies included.
Conclusion
For many patients screen-to-screen therapy is currently the only possibility to receive speech therapy treatment. Therefore it is a positive aspect that screen-to-screen therapy is as effective as face-to-face therapy. Screen-to-screen therapy can provide expanded access to health care and professional expertise in health services. In this way, speech therapy care during the COVID-19 pandemic can be largely maintained. Further research is needed on evidence-based treatment methods and user-oriented apps for video therapy.
Keywords: Aphasia, Review, Speech therapy, Telemedicine, Video consultation, Efficacy
Einleitung
Unter dem Begriff Aphasie versteht man eine erworbene Sprachstörung infolge einer Hirnverletzung, die meist im Bereich der linken Hemisphäre des Gehirns verortet ist [1]. Merkmale einer Aphasie sind Störungen der verbalen und schriftsprachbasierten Kommunikation, wodurch die Modalitäten Lesen, Schreiben, Benennen und Sprachverstehen leicht bis schwer beeinträchtigt sein können [1]. Ursachen für eine Aphasie können Schlaganfälle, Hirntumore, Schädel-Hirn-Traumata und entzündliche Krankheiten sein. In Zeiten der demografischen Alterung kann mit einem weiteren Anstieg von Aphasien infolge eines Schlaganfalles gerechnet werden [2], [3]. Untersuchungen zufolge liegt die Inzidenzrate für eine Aphasie infolge eines erstmaligen Schlaganfalles bei 43/100.000 Einwohner*innen [3]. Ausgehend von einer deutschen Gesamtbevölkerung von 83,1 Millionen, lag die Inzidenzrate 2019 demzufolge bei etwa 35.000 Einwohner*innen [4].
Abhängig von dem Ort und der Schwere der Läsion, kann eine Aphasie verschiedene Formen der sprachlichen Beeinträchtigung annehmen und unterschiedlich klassifiziert werden [5]. Eine der häufigsten Manifestationen von Aphasien sind Wortfindungsstörungen, bei denen das Schreiben und Benennen von Wörtern sowie das Zuordnen der Wortbedeutung gestört sein können [6]. Ursachen für Wortfindungsstörungen können Defizite des semantischen Systems, des phonologischen Lexikons oder beider Komponenten sein [7]. In der Sprachtherapie wird die Schwere von Wortfindungsstörungen unter anderem anhand der Benennleistung (z.B. Anzahl der sprachlich richtig benannten Items) mit standardisierten Testverfahren diagnostiziert [6], [8].
Aus Beobachtungsstudien ist bekannt, dass ein partieller bis vollständiger Erholungsprozess nach dem Erwerb einer Aphasie stattfifnden kann, der als Netzwerkreorganisation bezeichnet wird [9]. Die größten Verbesserungen der Sprachfähigkeit können während der ersten Tage und Wochen nach Ereignis der Aphasie beobachtet werden. Nach etwa sechs Monaten erreicht der Erholungsprozess ein Plateau [10]. Ab diesem Zeitpunkt dauert es länger, merkbare Fortschritte der Sprachfähigkeit bei einer Aphasie zu erzielen [11]. Es wurde in verschiedenen Studien belegt, dass eine Sprachtherapie die Prozesse der Netzwerkreorganisation verstärken kann [5]. Des Weiteren liegen Evidenzen vor, dass der Erfolg einer Sprachtherapie von der Höhe der wöchentlichen Therapiefrequenz abhängt [11]. Demzufolge bewirkt eine Sprachtherapie an mindestens fünf Tagen in der Woche signifikant bessere Ergebnisse als eine niedrigere Therapiefrequenz [12]. In einer prospektiven randomisierten Aphasieversorgungsstudie von Breitenstein et al. [13], welche 156 Studienteilnehmer*innen mit chronischer Aphasie untersuchte, konnten signifikante Verbesserungen der verbalen Kommunikationsleistung nach einer mindestens dreiwöchigen Intensivsprachtherapie (mindestens zehn Stunden Sprachtherapie und fünf Stunden Eigenübungen pro Woche) gemessen werden, die auch sechs Monate nach der Intervention fortbestanden. Dieser Effekt konnte lediglich für den Zeitraum der Intensivsprachtherapie, nicht aber für den vorangegangenen dreiwöchigen Wartezeitraum der Kontrollgruppe gemessen werden, welcher mit eineinhalb Stunden Sprachtherapie pro Woche begleitet wurde.
Eine Aphasie geht häufig mit körperlichen Einschränkungen einher, wodurch es für betroffene Menschen nicht oder nur im begrenzten Maße möglich ist, den Weg zu einer sprachtherapeutischen Praxis auf sich zu nehmen [1]. Darüber hinaus zählt ein Großteil der von einer Aphasie betroffenen Menschen in Zeiten der COVID-19-Pandemie zur Risikogruppe und sollte daher weitgehend direkte Kontakte vermeiden [2], [14].
Um auch diesen Patientengruppen eine Therapie zu ermöglichen, können telemedizinische Modelle herangezogen werden. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie war die Screen-to-Screen Therapie (STST) für die Heilmittelberufe in Deutschland von Mitte März bis zum 30. Juni 2020 zugelassen [15]. Bei einer STST findet die Kommunikation zwischen Patient*in und Therapeut*in über Videotelefonie ortsunabhängig und in Echtzeit statt. Voraussetzungen sind eine funktionierende Internetverbindung, ein Computer oder Tablet mit Mikrofon und Kamera sowie eine Software zur Videotelefonie. Die Therapieinhalte werden entweder virtuell über eine App, bzw. ein Computerprogramm dargestellt oder gezeigt (z.B. in Form von Bildkarten). Eine weitere Möglichkeit ist, dass die Patient*innen die Therapiematerialien in physischer Form, wie z.B. ein Übungsbuch, vorliegen haben [16], [17], [18], [19]. Diese STST könnte für Menschen mit Aphasie eine interessante Möglichkeit darstellen, um einen ortsunabhängigen Zugang zum maximalen Potenzial einer Rehabilitation sowie fachlicher Expertise, zu erhalten [1], [20]. Ferner stellt die Teletherapie während der Pandemie des COVID-19 die derzeit einzige Möglichkeit für Sprachtherapeut*innen dar, die sprachtherapeutische Behandlung mit Risikopatient*innen aufrecht zu erhalten. Die dauerhafte Implementierung der Teletherapie in den Heilmittelkatalog wurde durch den gemeinsamen Bundesausschuss noch nicht umgesetzt [21]. Bevor ein telemedizinisches Versorgungsmodell mittels STST in Deutschland dauerhaft implementiert werden kann, muss untersucht werden, welche Wirksamkeit diese Methode gegenüber der bisher üblichen Face-to-Face Therapie (FTFT), bei der Patient*in und Therapeut*in in einem Raum sitzen und die Therapieinhalte im direkten Kontakt vermittelt werden, hat. Ein systematischer Review von Laver et al. [22] kann keine eindeutigen Schlussfolgerungen bezüglich der Wirksamkeit einer telemedizinischen Behandlung nach Schlaganfall ziehen, da viele Studien ein hohes Risiko für Bias aufweisen. Daher liegt nur ein niedriges bis moderates Level an Evidenz vor, dass eine Telerehabilitation wirksamer oder genauso wirksam ist, wie eine FTFT [22]. Ein weiterer systematischer Review von Lavoie et al. [1] kam zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Technologien, wie z.B. therapeutische Applikationen (Apps), bei Wortfindungsstörungen wirksam sein kann. Jedoch untersuchten die meisten eingeschlossenen Studien die Technologien nicht gezielt in Verbindung mit einer Sprachtherapie [1], [23].
Aufgrund der geringen Evidenzlage soll in diesem Scoping Review daher untersucht werden, welche Wirksamkeit eine STST im Vergleich zur FTFT auf die Benennleistungen von Menschen mit Aphasie hat.
Methodik
Vor der Entwicklung einer Suchstrategie wurde eine unsystematische explorative Recherche durchgeführt, um einen Überblick zu der vorhandenen Literatur zu gewinnen und Suchbegriffe zu generieren. Aufgrund der geringen Studien- und Evidenzlage wurde als Design dieser Arbeit ein Scoping Review gewählt, in welchem Studien mit niedriger Evidenzstufe, wie nicht-randomisierte Studien, Dissertationen und Untersuchungen von kleinen Studienpopulationen, eingeschlossen werden können [24].
Suchstrategie
Im Februar 2020 wurde in den Datenbanken Cochrane, Pubmed und Web of Science eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Eine Handrecherche erfolgte zusätzlich auf der Website der American Speech-Language-Hearing Association (ASHA), die Studien für die Disziplin der Sprachtherapie beinhaltet. Ferner wurde für die Suche das Schneeballsystem verwendet. Die Suchstrategie erfolgte nach dem Patient-Intervention-Comparison-Outcome-Schema (PICO-Schema), wie im Folgenden dargestellt.
((((((((aphasia) OR stroke) OR post stroke) OR aphasie*) OR anomia)) AND (((((((((((video consultation) OR video-consultation) OR computer) OR screen) OR tablet) OR telemedicine) OR tele education) OR tele-education) OR remote treatment) OR Telemedizin) OR Fernbehandlung)) AND ((((((speech therap*) OR language therap*) OR speech patholog*) OR SLT) OR sprachtherap*) OR logopad*)) AND ((((efficacy) OR effectiveness) OR naming task) OR word finding)
Ein- und Ausschlusskriterien
Eingeschlossen wurden deutsch- und englischsprachige Studien, deren Publikationsdaten zwischen Februar 2010 und 2020 liegen. Weitere Einschlusskriterien für die Studien sind, dass eine Vergleichsintervention zwischen der FTFT und STST durchgeführt wurde, die Studienteilnehmer*innen von einer Aphasie nach Schlaganfall betroffen sind und die Benennleistung als ein Outcome vor- und nach der Intervention gemessen wurde. Ausgeschlossen wurden Studienprotokolle, systematische Reviews sowie telemedizinische Interventionen, in denen lediglich Interventionen mit einer Therapiesoftware ohne Behandlung durch Sprachtherapeut*innen stattfinden. Zur transparenten Darstellung und Strukturierung der Recherche wurde das PRISMA Flussdiagramm in angepasster Form verwendet (siehe Abbildung 1 ) [25].
Ergebnisse
Mit der zuvor beschriebenen Suchstrategie wurden insgesamt 243 Treffer in den Datenbanken und 5 Treffer aus anderen Quellen generiert (siehe Abbildung 1). Nach Ausschluss von Duplikaten wurden von 217 Studien die Titel hinsichtlich der Fragestellung überprüft und 90 Studien in die Vorauswahl aufgenommen. Weitere 61 Studien wurden nach Begutachtung der Abstracts unter Berücksichtigung der Ein- und Ausschlusskriterien ausgeschlossen. Im Rahmen des Selektionsprozesses wurden 29 Volltexte gelesen und von diesen 24 Studien ausgeschlossen.
Studiencharakteristika
Insgesamt konnten fünf Studien in den Scoping Review eingeschlossen werden.
Eine streng kontrollierte Crossover Studie von Agostini et al. [16] untersucht fünf monolingual italienisch sprechende Patient*innen mit einer seit mehr als zwei Jahre bestehenden chronischen amnestischen Aphasie. Die Rekrutierung erfolgte über zwei Krankenhäuser in Venedig. Eingeschlossen wurden Studienteilnehmer*innen, die im Benenntest des Aachener Aphasie Test (AAT) weniger als 80% der Items richtig benannten. Eine Schwereeinteilung der Aphasie wurde nicht vorgenommen. Ziel der Studie war die Machbarkeit und Wirksamkeit einer Videotherapie auf die Benennleistungen bei chronischen amnestischen Aphasien zu untersuchen.
Eine weitere Studie im Crossover-Design von Fridler et al. [26] untersucht acht muttersprachlich hebräisch sprechende Studienteilnehmer*innen mit postakuter (n = 1) und chronischer Aphasie (n = 7, ≥ 6 Monate) unterschiedlicher Schwere. Die Studie vergleicht die Effekte der STST und FTFT einer sprachtherapeutischen Behandlung anhand verschiedener Parameter, wie z.B. dem Sprachverstehen, Sprechen und Benennen und untersuchte außerdem die subjektive Zufriedenheit der Studienpopulation mit der STST.
Außerdem wurde eine kanadische randomisierte Studie von Meltzer et al. [27] mit einer Studienpopulation von 11 Personen mit kognitiv-linguistischen Sprachstörungen und 33 Personen mit chronischen Aphasien unterschiedlicher Schwere eingeschlossen und getrennt voneinander untersucht. In diesem Scoping Review finden lediglich die Ergebnisse der Studienteilnehmer*innen mit Aphasie Berücksichtigung. Ziel der randomisierten Studie war, zu untersuchen, ob bei unterschiedlich schwerer Aphasie die STST gleiche Verbesserungen der Sprachfähigkeiten erzielt, wie die FTFT.
Darüber hinaus wurde eine prospektive Vergleichsstudie aus Deutschland von Vauth et al. [18] mit 17 Studienteilnehmenden, die von mittelschweren bis schweren chronischen Aphasien betroffen sind, eingeschlossen. Die Wirksamkeit eines motivations-, interaktions- und emotionsorientierten Behandlungsansatzes wurde für die FTFT und STST im klinischen Setting überprüft und anschließend die Interventionsgruppen miteinander verglichen. Eine detaillierte Darstellung der Ergebnisse erfolgte im Rahmen einer Dissertation von Richter [28].
Eine quasi-randomisierte Machbarkeitsstudie von Woolf et al. [17], welche 20 Studienteilnehmer*innen aus Großbritannien untersuchte, wurde ebenfalls eingeschlossen. Es wurden lediglich Studienteilnehmer*innen eingeschlossen, die im Comprehensive Aphasia Test (CAT) 20-70% der Items des Wortfindungstests richtig benannten und bei denen eine postakute oder chronische Aphasie vorliegt. Eine Schwereeinteilung der Aphasie erfolgte nicht. Aus logistischen Gründen erhielt eine Studiengruppe die STST im häuslichen Setting von Sprachtherapeut*innen eines Universitätslabors ohne randomisierte Gruppenzuordnung. Weitere drei Gruppen wurden folgenden Interventionen randomisiert zugeordnet: FTFT in einem Universitätslabor, STST von einer sprachtherapeutischen Einrichtung des National Health Services sowie einer STST als Kontrollintervention. Ziel der Studie war die Machbarkeit und Wirksamkeit einer STST zu untersuchen.
In allen Studien wurden Erwachsene (> 18 Jahre) eingeschlossen. Ausgeschlossen wurden in allen Studien demenzielle Erkrankungen, sowie Patient*innen mit auditiven, visuellen und kognitiven Defiziten, die in Agostini et al. [16], Fridler et al. [26]. Vauth et al. [18] und Woolf et al. [17] durch eine neurologische Untersuchung aller Studienteilnehmer*innen zuvor überprüft wurden. Eine Klassifizierung der Aphasieformen wurde außerdem in Agostini et al. [16], Fridler et al. [26], Meltzer et al. [27] und Vauth et al. [18] vorgenommen. Demgemäß wurden in der Gesamtheit der eingeschlossenen Studien amnestische Aphasien, Broca-Aphasien, Leitungsaphasien und globale Aphasien vor Interventionsbeginn bei den Studienteilnehmer*innen diagnostiziert. Die Information, ob ein ischämischer oder hämorrhagischer Schlaganfall vorliegt, geht nicht aus allen Studien hervor. Die Altersstruktur der eingeschlossenen Studien ist ähnlich und liegt zwischen 53 und 67 Jahren. Über alle Studien hinweg wurden insgesamt 57 (69%) Männer und 26 (31%) Frauen eingeschlossen [16], [17], [18], [26], [27].
Sprachtherapeutische Interventionen
In allen eingeschlossenen Studien fand die STST in Echtzeit zwischen Sprachtherapeut*in und Studienteilnehmer*in mittels unterschiedlicher Anwendungen zur Videotelefonie statt. Die FTFT erfolgte ebenfalls in allen Studien in einer Eins-zu-Eins-Situation, jedoch in physischer Form an einem Tisch sitzend in einem Raum [16], [17], [18], [26], [27].
In der Studie von Agostini et al. [16] beinhaltete die Intervention der FTFT und STST das Benennen von Bildern, die auf einem Computerbildschirm in zufälliger Reihenfolge präsentiert wurden. Bei Nichtgelingen gab der/ die Sprachtherapeut*in nach zehn Sekunden phonetische Hilfestellungen, wie z.B. durch das Vorsprechen des Anfangslautes. Die STST fand in der eigenen Häuslichkeit des Patienten statt.
In der Studie von Fridler et al. [26] ist die Intervention gegliedert in ein Konversationstraining mit einem darauffolgenden Benenntest, dem gezielten Training der Benennleistung von Bildern, die in der Erstdiagnostik nicht benannt werden konnten und einer darauffolgenden individuellen Sprachtherapie. Die Studienteilnehmer*innen erhielten die Intervention der STST im häuslichen Setting und der FTFT im klinischen Setting.
In der Studie von Meltzer et al. [27] beinhaltete die Intervention in beiden Gruppen Sprachübungen mit einem iPad. Zusätzlich sollten im häuslichen Rahmen neben der Intervention Sprachübungen mit der auf dem iPad installierten App Talkpath durchgeführt werden. Die Sprachtherapeut*innen legten zuvor die Übungen entsprechend den individuellen Anforderungen der Studienteilnehmer*innen fest. Die Studienteilnehmer*innen der STST befanden sich während der Intervention entweder im häuslichen Raum oder in einem Nebenraum der/des Sprachtherapeut*in, ohne dieser/m persönlich zu begegnen. Die FTFT fand in einer sprachtherapeutischen Praxis statt. Außerdem erwählten die Studienteilnehmer*innen der STST eine Person aus dem Umfeld. Diese Person wurde durch die Sprachtherapeutin oder den Sprachtherapeuten zu unterstützenden Kommunikationstechniken und dem Umgang mit dem Softwareprogramm im Rahmen der Intervention geschult. In beiden Interventionsgruppen wurden mit der App Talkpath individuell für den Studienteilnehmenden ausgewählte Übungen für das Sprechen, Schreiben, Hören und Gedächtnistraining auf dem Tablet durchgeführt, welche zusätzlich zur sprachtherapeutischen Intervention im häuslichen Rahmen durchgeführt wurden.
Studienteilnehmer*in und Sprachterapeut*in saßen in der Studie von Vauth et al. [18] in getrennten Räumen vor jeweils zwei Bildschirmen. Auf einem Bildschirm wurde das Videobild der/ des Sprachtherapeut*in projiziert und auf den zweiten Bildschirm virtuelle Therapiematerialien. In der STST wurde ein neues Therapieverfahren, die synchrone Teletherapie, welche eine speziell für diese Therapieform entwickelte Software, Videos und Therapiematerialien beinhaltet, durchgeführt. Die Interventionsgruppe der FTFT erhielt eine vergleichbare modell- und handicaporientierte Intervention.
In der Studie von Woolf et al. [17] erhielten die drei Interventionsgruppen Wortfindungstherapie nach dem gleichen Protokoll und zusätzliche häusliche Übungen. Die Teilnehmenden der STST wurden jeweils durch eine Person aus dem Umfeld beim möglichen Auftreten technischer Probleme unterstützt. Die Kommunikation erfolgte in den Interventionsgruppen der STST per iPad und Therapieinhalte wurden mithilfe eines Übungsbuchs vermittelt. Insgesamt wurden 50 Wörter im Rahmen der Intervention trainiert.
Häufigkeit und Frequenz
Die Studien unterscheiden sich bezüglich der wöchentlichen Therapiefrequenz und Häufigkeit, in welcher die Interventionen durchgeführt wurden. Mit einer Anzahl von jeweils 14 Stunden FTFT und STST in einer 2-3-mal stattfindenden wöchentlichen Frequenz, erhielten die Studienteilnehmer*innen von Fridler et al. [26] die am höchsten dosierte Intervention. Zwischen den beiden Interventionen lag eine sechswöchige Therapiepause, um einen möglichen Effekt der ersten Intervention auf die darauffolgende zu vermeiden. Dem Gegenüber erhielten die vier Interventionsgruppen der Studie von Woolf et al. [17] mit jeweils acht Einheiten und einer zweimal wöchentlichen Frequenz die geringste Anzahl. Mit einer an jeweils acht aufeinanderfolgenden Tagen stattfindenden FTFT und STST sowie einer dreiwöchigen Pause zwischen den beiden Interventionen erhielten die Studienteilnehmer*innen in Agostini et al. [16] die höchste wöchentliche Frequenz. Die zwei Interventionsgruppen von Meltzer et al. [27] erhielten die Intervention einmal wöchentlich über zehn Wochen. In der Studie von Vauth et al. [18] wurden in den Studiengruppen jeweils 24 Interventionen mit einer dreimal wöchentlichen Frequenz durchgeführt.
Messverfahren
Die Ergebnismessung erfolgte in den Studien von Agostini et al. [16] und Vauth et al. [18] in der entsprechenden Sprache der Studienteilnehmer*innen mit dem AAT, in den Studien von Fridler et al. [26] und Meltzer et al. [27] mit dem Western Aphasia Battery-Aphasia Quotient (WAB-AQ) und in der Studie von Woolf et al. [17] mit dem CAT. Zur Überprüfung von Unterschiedshypothesen zwischen den Interventionsgruppen wurden in den Studien von Agostini et al. [16], Vauth et al. [18], [28] und Woolf et al. [17] der gepaarte T-Test verwendet und in den Studien von Fridler et al. [26] und Meltzer et al. [27] nicht-parametrische statistische Verfahren genutzt.
Benennleistung und Wortfindung
In der Crossover Studie von Agostini et al. [16] wurden sowohl nach der FTFT als auch der STST signifikante Verbesserungen der Benennleistungen gegenüber dem Messzeitpunkt vor der jeweiligen Intervention festgestellt (siehe Tabelle 1 ). Eine ANOVA konnte jedoch keinen Unterschied zwischen den Interventionen (STST und FTFT) nachweisen.
Tabelle 1.
Autoren, Jahr | Testverfahren | Statistische Verfahren/Maße |
Ergebnisse für die Benennleistung |
||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Studienpopulation (N) | T-Test | Chi2-Test | Wilkoxon-Test | Mc Nemar Chi-Square Statistic | p-Wert | Mittelwerte (SD) vor der Intervention | Verbesserung in %: | ||
Agostini et al. [15], 2014 | 5 | AAT | - | P < .01 | - | - | .01* | 49.8 (21) | FTFT: 43.5 STST: 42.3 |
Fridler et al. [25], 2012 | 8 | WAB-AQ | 0.9 | - | - | - | .39 | - | FTFT: 4 STST: 1 |
Meltzer et al. [26], 2017 | 33 | WAB-AQ | 4.94 | - | - | - | .001** | FTFT: 59 (32) STST: 42 (29) |
7 9 |
Vauth et al. [17], [27], 2016 | 17 | AAT | - | > .05 | - | .028* .07 |
FTFT:63.8 (46.4) STST: 44.4 (49.8) |
- | |
Woolf et al. [16], 2016 | 20 | CAT | - | - | - | Gr. 1-3 P < .005 |
.005* | Gr. 1: 1.4 (2) Gr.2: 11 (3.1) Gr. 3: 3.6 (5.5) Gr.4: 4.8 (10.7) |
19.8 45 34.4 5 |
Signifikanzniveau mit α = .05, p > .05, Gr. 1: STST vom Universitätslabor, Gr. 2: STST von sprachtherapeutischer Praxis, Gr. 3 FTFT im Universitätslabor, Gr. 4: STST Kontrollgruppe,- = Angaben und/ oder Berechnungen liegen in der Studie nicht vor
Demgegenüber wurden in der Studie von Fridler et al. [26] mit dem statistischen Verfahren des gepaarten T-Tests weder nach der STST noch nach der FTFT statistisch signifikante Verbesserungen der Benennleistungen gemessen.
In der randomisierten Studie von Meltzer et al. [27] konnten keine signifikanten Unterschiede in der Benennleistung und Wortfindung zwischen der STST und der FTFT gemessen werden. Für beide Gruppen konnten jedoch signifikante Verbesserungen der Benennleistung gemessen werden.
In der deutschen prospektiven Vergleichsstudie von Vauth et al. [18], [28] konnte lediglich für die Gruppe der FTFT in der intraindividuellen Längsschnittanalyse ein signifikanter Effekt von vor- zu nach der Intervention gemessen werden. Jedoch war die Mittelwertdifferenz von vor- zu nach der Intervention zwischen den Gruppen zu gering, um im Wilcoxon-Test Signifikanzen im Gruppenvergleich festzustellen [28].
In der Studie von Woolf et al. [17] verbesserten die Interventionsgruppen der FTFT und STST ihre Benennleistungen signifikant mehr gegenüber der Kontrollgruppe (siehe Tabelle 1). In den drei Interventionsgruppen konnten nach acht Wochen signifikante Verbesserungen anhand der Anzahl richtig benannter Bilder gemessen werden, die auch beim Messzeitpunkt in Woche 14 (10 Wochen nach der Intervention) fortbestanden. In einer erweiterten Analyse wurde paarweise ein Vergleich zwischen den drei Interventionsgruppen durchgeführt. Für die STST von der sprachtherapeutischen Praxis (Gr. 2) wurde ein signifikant höherer Wert der Benennleistungen für trainierte und untrainierte Wörter gemessen als in den anderen Gruppen (siehe Tabelle 1).
Diskussion
Die Ergebnisse des Scoping Review deuten darauf hin, dass eine STST die gleiche Wirksamkeit wie eine FTFT auf die Benennleistungen bei Aphasie hat [25]. In drei der eingeschlossenen Studien dieses Scoping Reviews wurden signifikante, positive Effekte für die Intervention der STST und der FTFT auf die Benennleistung gemessen [16], [17], [27]. Unterschiede zwischen der STST und FTFT konnten jedoch nicht festgestellt werden.
Demgegenüber liegen in der Crossover Studie von Fridler et al. [25] weder für die STST noch für die FTFT signifikante Verbesserungen der Benennleistung vor. In der in Deutschland durchgeführten Studie von Vauth et al. [18], [28] wurden lediglich nach der FTFT signifikante Verbesserungen der Benennleistungen von vor- zu nach der Intervention gemessen. Die Differenz zwischen den Gruppen der FTFT und STST war im Vergleich jedoch zu gering, um von statistischer Signifikanz zu sein.
Es zeigt sich in der Studie von Woolf et al. [17], dass die Gruppe der STST durch eine sprachtherapeutische Praxis die größten Verbesserungen gegenüber der FTFT, der Kontrollgruppe und der STST aus dem Universitätslabor erzielte. Diese Ergebnisse sprechen für die Realisierbarkeit und Wirksamkeit der Teletherapie unter Alltagsbedingungen. In zwei der Studien wurden von den Studienteilnehmer*innen zusätzlich zur STST und FTFT häusliche Übungen durchgeführt [17], [27]. Neben den positiven Effekten für die STST und FTFT, wurde in der Studie von Meltzer et al. [27] darüber hinaus eine positive Korrelation zwischen der Anzahl wöchentlich geleisteter Stunden für Hausaufgaben und der Verbesserung der Sprachfähigkeiten gemessen. Demzufolge hat eine Ergänzung der Sprachtherapie, ob mittels STST oder FTFT, durch häusliche Übungen positive Effekte auf die Wirksamkeit der Behandlung. Dass häusliche Sprachübungen ergänzend zur Sprachtherapie die Wirksamkeit verbessern, deckt sich mit den Ergebnissen von Breitenstein et al. [13] Möglicherweise hätte in den eingeschlossenen Studien zusätzlich eine höherfrequente Behandlung von mindestens fünf Therapieeinheiten pro Woche zu einer höheren Wirksamkeit beigetragen.
Der Fokus der sprachtherapeutischen Interventionen lag in den Studien von Agostini et al. [16], Fridler et al. [26] und Woolf et al. [17] vor allem in der Förderung der Benennleistungen, wohingegen in den Studien von Meltzer et al. [27] und Vauth et al. [18] die Therapie stärker auf die individuelle Förderung der Patient*innen ausgerichtet war. Trotz der unterschiedlichen Vorgehensweisen kann keine der Interventionen für sich beanspruchen, effektiv zu sein.
Nach derzeitigem wissenschaftlichem Stand geht der Erholungsprozess mit dem Zeitraum, indem die Aphasie erworben wurde, einher und nimmt nach mehr als sechsmonatigem Bestehen ein Plateau an. Da in den eingeschlossenen Studien überwiegend Studienteilnehmer*innen mit chronischen Aphasien (≥ 6 Monate) untersucht wurden, sprechen die Ergebnisse dafür, dass eine sprachtherapeutische Behandlung, ob mittels FTFT oder STST, auch in dieser späten Phase wirksam ist.
In der Studie von Woolf et al. [17] gaben 71% der Studienteilnehmer*innen an, bereits vor der Aphasie mit einem Computer gearbeitet zu haben. Auch in der Studie von Meltzer et al. [27] wurden lediglich Studienteilnehmer*innen eingeschlossen, die ein Tablet bedienen konnten, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Gesamtpopulation von Menschen mit Aphasie einschränkt. Tatsächlich weist ein geringerer Teil der älteren Menschen Erfahrungen mit Computern auf [29]. Diese Unerfahrenheit im Umgang mit Technologien kann eine Barriere für die Umsetzung einer STST darstellen und insbesondere bei älteren Menschen auf Ablehnung stoßen [29]. Nebst dem Vorhandensein eines Computers oder Tablets und einer Internetverbindung, sollte das genutzte Gerät und das Programm zur Videotelefonie anwenderfreundlich sein [30]. Neue Technologien werden demzufolge meistens nicht genutzt, wenn sie nicht an den Fähigkeiten der Anwender*innen orientiert sind [31]. Ferner wurde in den Studien von Meltzer et al. [27] und Woolf et al. [17] jeweils eine Person aus dem Umfeld der Studienteilnehmer*innen zur STST mit einbezogen, die bei technischen Schwierigkeiten unterstützen kann und unter Realbedingungen gegebenenfalls nicht immer zur Verfügung stünde.
Eine STST kann vermutlich nicht bei allen Menschen mit einer Aphasie eingesetzt werden. Sodann kann ein Neglect, welcher die Einschränkung des Gesichtsfeldes zufolge hat, eine Begleiterscheinung einer Aphasie sein, wodurch die Bedienung eines Tablets oder Computers nur bedingt möglich wäre [6].
Eine weitere Barriere zur Anwendung einer STST können Hörstörungen sein, da der Frequenzbereich der gesprochenen Sprache zwischen 80 bis 12000 Hz liegt und über die Videotelefonie auf 300 bis 3000 kHz reduziert wird. Durch die reduzierte Frequenz ist per Videotelefonie eine Silbenverständlichkeit von etwa 92% und eine Satzverständlichkeit von ca. 99% gegeben [32]. Das Wissen um diese Limitation der Videotelefonie sollte insbesondere bei älteren Menschen, bei denen visuelle und auditive Störungen vermehrt auftreten, Berücksichtigung finden.
Der Aufbau eines Rapports, einer empathischen und wertschätzenden Beziehung zu den Patient*innen wird von Therapeut*innen gegenüber der FTFT als schwieriger beschrieben [23], [33]. Gleichzeitig könnte die räumliche Distanz die Gefahr der Isolation bei einer STST für Menschen mit Aphasie mit sich bringen [27]. Mittels STST oder in Kombination mit FTFT könnte andererseits einer höheren Therapiefrequenz leichter nachgekommen werden und dadurch möglicherweise die Effektivität der Behandlung verbessert werden. Folglich ist nach derzeitigen Erkenntnissen eine Sprachtherapie mit einer Therapiefrequenz von mindestens fünfmal wöchentlich am wirksamsten [12], [13]. Außerdem könnte die STST eine Möglichkeit sein, die Sprachtherapie auch bei Erkrankungen mit hohem Infektionsrisiko durchführen zu können [34]. Insbesondere in der aktuellen Situation der Pandemie des COVID-19 implementieren sprachtherapeutische Praxen zunehmend die Teletherapie als Alternative zur FTFT.
Limitationen
Eine Limitation des Scoping Reviews ist, dass lediglich die Benennleistungen unabhängig von den anderen sprachlichen Modalitäten, wie Schreiben, Lesen und Sprachverstehen untersucht wurden.
Nach Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) lag die 12-Monatsprävalenz des Schlaganfalls in Deutschland im Zeitraum von 2014 bis 2015 in der Altersgruppe der 55-64 Jährigen bei 1.5%, stieg bei den 65-74 Jährigen auf 3.4% an und erreichte bei den über 75 Jährigen 6.3% [35]. Demzufolge steigt die Prävalenz für einen Schlaganfall ab dem 55. Lebensjahr bis zu einem Alter von über 75 Jahren überproportional an [2]. Im Vergleich der Altersverteilungen zeigt sich, dass die untersuchten Studienpopulationen dieses Reviews ein geringes Alter aufweisen und demzufolge weniger als die Hälfte der in Deutschland von einem Schlaganfall betroffenen Altersgruppen widerspiegeln [2], [17]. In dem Scoping Review konnten insgesamt nur wenige Studien mit kleinen Stichproben eingeschlossen werden, weshalb kaum signifikante Ergebnisse gemessen wurden.
Dennoch ist dieser Scoping Review unseres Wissens nach der erste im deutschsprachigen Raum, welcher die Wirksamkeit einer STST und FTFT bei Aphasie untersucht und miteinander vergleicht.
Schlussfolgerung
Die Ergebnisse dieses Scoping Reviews sind angesichts der COVID-19-Pandemie positiv zu werten und deuten darauf hin, dass eine STST eine vergleichbare Wirksamkeit wie die FTFT auf die Benennleistungen hat. Da eine STST derzeit für viele Patient*innen die einzige Möglichkeit einer sprachtherapeutischen Behandlung darstellt, ist es positiv zu werten, dass die STST genauso wirksam ist wie die FTFT. Aktuell ist die Verfügbarkeit von Studien und Evidenzen gering. Weitere Studien mit größeren Studienpopulationen, randomisierter Gruppenzuordnung und längeren Interventionszeiträumen sind wünschenswert, um Langzeiteffekte der Wirksamkeit messen zu können. Anschließend sollte dadurch das Risiko für Bias weitgehend reduziert und weitere Evidenz generiert werden können.
Im Sinne der Forschungsfrage kann erklärt werden, dass eine STST keine geringere Wirksamkeit in der Behandlung von Aphasien nach Schlaganfall auf die Benennleistungen hat als eine FTFT. Außerdem können zusätzliche sprachtherapeutische Übungen, die von Patient*innen mit Aphasie im häuslichen Setting durchgeführt werden, die Wirksamkeit der Sprachtherapie verstärken. Die STST wird die FTFT vermutlich nicht vollständig ersetzen können, da speziell in der sprachtherapeutischen Behandlung von Menschen mit Pflegebedarf eine direkte Betreuung erforderlich ist [34]. Einige Therapiemethoden in der Behandlung von Aphasien erfordern darüber hinaus taktile Reize durch den/ die Sprachtherapeut*in und sind lediglich in einer FTFT möglich [36]. Schlussendlich bietet die Teletherapie neue Chancen und Möglichkeiten, wie einen erweiterten Zugang zu sprachtherapeutischen Behandlungen. Die Digitalisierung erfordert im Sinne des digitalen Versorgungsgesetzes neue, evidenzbasierte Therapiemethoden für die sprachtherapeutische Teletherapie [37].
Förderung
Diese Forschung erhielt keine spezifischen Zuschüsse von öffentlichen, kommerziellen oder gemeinnützigen Fördereinrichtungen.
Interessenkonflikt
Alle Autorinnen erklären, dass sie in keinem Interessenkonflikt stehen oder gestanden haben.
Autorenschaft
Lara Cordes: Konzeptualisierung, Methodik, Datenkuration, Manuskripterstellung, Manuskriptrevision Visualization.
Svetla Loukanova: Manuskriptrevision, Validation, Projektadministration.
Johanna Forstner: Manuskriptrevision, Supervision, Validation, Projektadministration.
Alle Autorinnen haben das endgültige Manuskript überprüft.
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